A-2466 (46) Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 40, 2. Oktober 1998
ie laparoskopische Technik zur operati- ven Behandlung der gastroösophagealen Refluxkrankheit hat die konventionelle, offene Verfahrensweise als Standard- technik in vielen Zentren fast vollständig ersetzt (1, 5, 6). Darüber hinaus hat in den letzten fünf Jahren die Anzahl der operierten Patienten deutlich zuge- nommen. Eine kritische Überprüfung dieser Ent- wicklung und Reflexion über Ursachen und poten- tielle Folgen dieser Verschiebung erscheint not- wendig. Den Patienten mit gastroösophagealer Re- fluxkrankheit stehen gegenwärtig sehr potente Medikamente zur Verfügung, um die Säuresekreti- on des Magens und damit die Säurebelastung der Speiseröhre zu reduzieren. Trotzdem ist die mini- mal invasive chirurgische Therapie für viele Patien- ten, Hausärzte und Gastroenterologen zu einer ak- zeptablen Behandlungsalternative geworden. Für diesen Trend lassen sich drei Ursachen anführen.
Gründe für eine chirurgische Therapie
Der erste Aspekt liegt in der multifaktoriellen Pathophysiologie der gastroösophagealen Reflux- krankheit begründet (2, 5). Es handelt sich um ei- ne gutartige Funktionsstörung, bei der die soge- nannte mechanische Inkompetenz der Antireflux- barriere und eine abnormale Häufigkeit der tran- sienten Sphinkterrelaxation die bedeutendsten Funktionsabnormalitäten darstellen. Beides läßt sich mit Hilfe einer Fundoplicatio korrigieren. Ge- genwärtig wird beim Barrett-Ösophagus als mögli- che Ursachenbeteiligung gemischter Säure- und Duodenalsaftreflux diskutiert. Galle und Pan- kreassaft sind Komponenten, die durch Protonen- pumpeninhibitoren nicht vollständig aus der Spei- seröhre zu verbannen sind. Der zweite Grund ist die natürliche Verlaufsform der gastroösophagea- len Refluxkrankheit. Bei der großen Mehrheit der
Refluxkranken tritt die Erkrankung in Episoden auf, die bestens mit Protonenpumpeninhibitoren behandelt werden können. Eine kleine Gruppe, etwa 10 bis 20 Prozent der Refluxkranken, leidet an einer progressiven Verlaufsform mit unbehan- delt zunehmender Symptomatik, Ösophagitis und der Entwicklung von Komplikationen (7). Es ist nachgewiesen, daß die Patienten mit progressiver Verlaufsform häufiger mehrere Funktionsdefekte wie totaler Sphinkterverlust, Peristaltikstörungen und assoziierte gastrale Funktionsstörungen auf- weisen (5). Bei diesen Patienten ist der Säurere- flux auch häufiger mit Gallereflux assoziiert. In- wieweit dies letztlich zum Zylinderepithelersatz der Speiseröhrenschleimhaut mit intestinaler Me- taplasie (Barrett-Ösophagus) führt und für die Metaplasie-Dysplasie-Karzinom-Sequenz verant- wortlich gemacht werden kann, wird gegenwärtig allseits untersucht (4, 8). Die wenigen Patienten mit progressiver Verlaufsform der Erkrankung, auch solche mit duodenogastroösophagealem Re- flux, stellen potentielle Kandidaten für die chirur- gische Therapie dar.
Ein dritter Grund sind nicht säureassoziierte Symptome, die trotz optimaler Protonenpumpen- inhibitorentherapie die Patienten belasten, wie beispielsweise Regurgitation von Speisen und Ma- gensaft, Druckgefühl durch eine assoziierte große Hernie, eine Aspirationsproblematik und Spei- seunverträglichkeiten. Diese können die Lebens- qualität der Patienten stark beeinträchtigen.
Operationsindikation bei Progression
Eine Operationsindikation ergibt sich bei den Patienten, die eine progressive Verlaufsform der Erkrankung haben, einen entsprechenden Leidens- druck aufweisen und mit der konservativen Thera- pie nicht zufrieden sind. Hierbei ist zu beachten,
M E D I Z I N EDITORIAL
Stellenwert
der laparoskopischen Fundoplicatio
Karl-Hermann Fuchs
D
daß bei einer gutartigen Funktionsstörung selten ei- ne dringliche Indikation besteht und die individuel- le Situation des Patienten immer mit einbezogen werden muß (2, 3, 5). Zwei Konsensusprojekte eu- ropäischer Chirurgenassoziationen haben ihre Er- gebnisse und Empfehlungen bezüglich Indikations- stellung und Operationstechnik definiert und publi- ziert (3, 5). Hierbei sei besonders darauf hingewie- sen, daß Patienten, deren säureassoziierte Sympto- me wie Sodbrennen oder epigastrische Schmerzen durch Protonenpumpeninhibitoren nicht zu beein- flussen sind, wahrscheinlich schlechte Kandidaten für eine chirurgische Therapie darstellen und ande- re überlagerte Faktoren eine Rolle spielen können.
Zwei Versionen der Fundoplicatio etabliert
Unter den vielen Varianten der Antirefluxope- rationen haben sich in der laparoskopischen Tech- nik zwei Fundoplicatio-Versionen inzwischen welt- weit als meist verwendete Verfahren etabliert. Das ist einerseits die sogenannte „short floppy“-Nissen- Fundoplicatio und andererseits das Toupet-Ver- fahren als partielle posteriore Fundoplicatio. In beiden Fällen werden meistens fünf Trokarzugän- ge benötigt, um diesen Eingriff durchzuführen. Die Dissektion der anatomischen Strukturen am ga- stroösophagealen Übergang läßt sich mit dem Ver- größerungseffekt des Kamerasystems hervorra- gend durchführen. Es ist insbesondere wichtig, die bekannte Hochdruckzone im distalen Ösophagus unter Schonung der beiden Vagusstämme vollstän- dig freizupräparieren und dieses distale Segment der Speiseröhre so weit zu mobilisieren, daß es locker im Abdominalraum zu liegen kommt. Nach vollständiger Mobilisierung des Fundus kann dann eine lockere Umwickelung des distalen Ösophagus mit dem hinteren und vorderen Funduslappen ent- weder zur vollständigen oder partiellen Fundopli- catio erfolgen. Vorher sollte der Hiatusschlitz durch eine posteriore Hiatoplastik, meistens zwei bis drei nicht resorbierbare Nähte, so weit einge- engt werden, daß zwischen Speiseröhre und Zwerchfellschenkel nur noch etwa 1 cm Abstand bleibt. Die Berücksichtigung der ausreichenden Speiseröhrenmobilisierung, ausreichender Fun- dusmobilisierung und schonender Dissektion des gastroösophagealen Überganges einerseits und an- dererseits die Vermeidung einer Torquierung der Funduslappen, Spannung beim Zusammenführen der Fundusanteile zur Fundoplicatio und Wandlä- sionen sind wichtige Faktoren, um durch eine gute Operationstechnik postoperative Funktionsstö-
rungen zu verhindern. Der Umstieg zum offenen Vorgehen ist in erfahrenen Zentren nur noch in et- wa fünf Prozent der Fälle notwendig. Die Rezidiv- eingriffe sind weiterhin eine Domäne der offenen Chirurgie, obwohl bereits Einzelberichte über la- paroskopische Rezidiveingriffe vorliegen. Der Er- folg der chirurgischen Therapie hängt von drei wichtigen Faktoren ab: erstens von der kritischen Patientenauswahl, zweitens von der Auswahl des richtigen chirurgischen Verfahrens, basierend auf den Ergebnissen der Voruntersuchungen, und drit- tens von einer optimalen chirurgischen Technik.
Die laparoskopische Fundoplicatio kann bei entsprechendem Training mit einer Gesamtkom- plikationsrate von unter zehn Prozent und einer guten bis sehr guten Erfolgswahrscheinlichkeit von 90 bis 95 Prozent durchgeführt werden. Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß es weiterhin ei- nige wenige Patienten geben wird, die durch die Operation Nachteile haben, über die alle Patienten beim Indikations- und Aufklärungsgespräch infor- miert werden sollten. Die laparoskopische Fund- oplicatio ist inzwischen eine gereifte Methode der operativen Behandlung der gastroösophagealen Refluxkrankheit, aber die gegenwärtig zunehmen- de Akzeptanz darf nicht zu einer unkritischen Indi- kationsausweitung führen.
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 1998; 95: A-2466–2467 [Heft 40]
Literatur
1. Dallemagne B, Weerts JM, Jehaes C, Markiewicz S: Causes of failures of laparoscopic antireflux operations. Surg Endosc 1996, 10: 305–310.
2. DeMeester TR, Peters JH: Fehler und Gefahren bei der lapa- roskopischen Antirefluxchirurgie. Chirurg 1993; 64: 230–236.
3. Eypasch E, Neugebauer E, Fischer F, Troidl H: Laparoscopic antireflux surgery for gastroesophageal reflux disease (GERD). Results of a consensus development conference.
Surg Endoscopy 1997, 11: 413–426.
4. Fein M, Ireland AP, Ritter MP, Peters JH, Hagen JA, Bremner CG, DeMeester TR: Duodenogastric reflux potentiates the in- jurious effects of gastroesophageal reflux. J Gastrointest Surg 1997, 1: 27–33.
5. Fuchs KH, Feussner H, Bonavina L, Collard JM, Coosemans W, for the European Study Group for Antireflux Surgery:
Current status and trends in laparoscopic antireflux surgery:
results of a consensus meeting. Endoscopy 1997; 29: 298–308.
6. Hinder RA, Filipi CJ, Wetscher G, Neary P, DeMeester TR, Perdikis G: Laparoscopic Nissen fundoplication is an effective treatment for gastroesophageal reflux disease. Ann Surg 1994;
22: 472–483.
7. Monnier P, Ollyo JB, Fontolliet C, Savary M: Epidemiology and natural history of reflux esophagitis. Semin Lap Surg 1993; 2: 2.
8. Pera M, Grande L, Gelabert M, Figueras X et al.: Epithelial cell hyperproliferation after biliopancreatic reflux into the esophagus of rats. Ann Thorac Surg 1998, 65: (im Druck).
Anschrift des Verfassers
Prof. Dr. med. Karl-Hermann Fuchs
Chirurgische Universitätsklinik und Poliklinik Josef-Schneider-Straße 2 · 97080 Würzburg
A-2467
M E D I Z I N EDITORIAL
Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 40, 2. Oktober 1998 (47)