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A458 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 8⏐⏐24. Februar 2006 M E D I Z I N R E P O R T
Endokarditis
Netzwerk etabliert
Kohortenstudie soll Analyse der Versorgungssituation in Deutschland ermöglichen.
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ie infektiöse Endokarditis ist auch heute noch eine lebensbedroh- liche Erkrankung. Die Letalität liegt bei 18 Prozent. Mit 30 Fällen auf ei- ne Million Einwohner tritt sie zwar sel- ten auf, wird aber häufig erst spät diagnostiziert, da ihre Symptome – wie Fieber, Tachykardie, Schwitzen, Herz- geräusche, Abgeschlagenheit, Bauch- und Rückenschmerzen – sehr unspezi- fisch sind. Im Mittel vergehen 29 Tage, bis die richtige Diagnose gestellt wird.Zu multizentrischen Studien dieser zumeist bakteriell verursachten Infekti- on (Pilze sind nur vereinzelt Auslöser) haben sich auf Betreiben der Paul-Ehr- lich-Gesellschaft für Chemotherapie die großen deutschen Fachgesellschaf- ten für Kardiologie (DGK), für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) und die Arbeitsgemeinschaft Leiten- der Kardiologischer Krankenhausärzte (ALKK) zur Gründung eines Zentralen Deutschsprachigen Endokarditis-Netz- werks (ZEN) zusammengeschlossen.
Zentren ohne Sponsoren nicht finanzierbar
Inzwischen nehmen 25 Zentren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz teil. Mehr als 100 Patienten konnten in die prospektive, multizentri- sche Kohortenstudie des ZEN aufge- nommen werden. Wie der Kardiologe Dr. med. Christoph Naber (Zentrum für Innere Medizin der Universität Duis- burg-Essen) als „Koordinator Klinik“
erklärte, wird das ZEN in Form eines Registers arbeiten und dabei klinische, mikrobiologische und molekularbiolo- gische Daten zusammenführen.
Wesentlich sei vor allem die Analyse und Darstellung der derzeitigen Versor- gungssituation von Endokarditisfällen in
Deutschland, Fragen der Diagnostik und Therapie sowie die Diskussion von pro- gnostischen Faktoren.Alle Zentren kön- nen dabei auf den zentralen Datenpool zurückgreifen. Sponsoren der Arbeiten sind St. Jude Medical und Bayer Health Care, „ohne die derartige Aktivitäten fi- nanziell nicht realisierbar wären“, so Na- ber. Beide Unternehmen nähmen aber keinen Einfluss auf Personalentschei- dungen, Protokoll oder Datenerhebung.
Ferner will das ZEN den Weg zur en- gen Kooperation mit der International Collaboration of Endocarditis (Studien- zentrale: Duke Clinical Research Insti- tute, Durham/USA) ebnen, die bisher ohne deutsche Beteiligung ist und über Daten von 3 000 Patienten aus 40 Zen- tren in 15 Ländern verfügt. In dieser geplanten gemeinschaftlichen Studien- arbeit im Rahmen eines Kompetenz- netzwerkes erhoffe man sich ein we- sentlich verbessertes klinisches Ma- nagement der infektiösen Endokarditis.
Noch immer wird die Endokarditis im Durchschnitt erst nach circa 30 Ta- gen diagnostiziert; der stationäre Auf- enthalt liegt bei rund 40 Tagen. Die Be- handlung besteht primär in Antibio- tikagabe, deren Dauer individuell an- gepasst werden muss und die bei der rheumatischen Endokarditis auch mit Acetylsalicylsäure und Cortison kombi- niert wird. Bei schweren akuten Ver- laufsformen und bei chronischen irre- parablen Folgeschäden besteht oftmals keine Alternative zum Ersatz der ent- zündeten oder deformierten Herzklap- pe durch eine Prothese. Fast 30 Prozent der Patienten bedürfen eines kardio- chirurgischen Eingriffs, überwiegend an der Aorten- oder Mitralklappe.
Die Trikuspidalklappe ist seltener und zumeist bei i. v. Drogenabhängigen betroffen. Manchmal kann der Chirurg die defekte Klappe durch Straffung oder Dehnung reparieren, sodass die Implantation einer künstlichen Prothe- se vermieden wird. In letzter Zeit steigt mit der vermehrten intrakardialen Im- plantation von Fremdmaterialien wie beispielsweise Schrittmachern oder künstlichen Herzklappen auch die In- fektionsrate in diesem Bereich. Der Be- fall der Herzkammern oder Gefäße ist sehr selten. Dr. phil. Barbara Nickolaus Jahrespressekonferenz der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V., Berlin