Zusammenfassung
Eine der herausragenden Entdeckungen auf dem Gebiet innovativer Riechstoffe ist die geruchsverstärkende Wirkung von 4-Cycloocten-1-carbaldehyd (Handelname Terrestral pure). Die Verwendung von Terrestral in Parfumrezepturen kann daher zu einer signifikant reduzierten Konzentration von kostspieligen Komponenten führen.
Terrestral wurde, im Gegensatz zu vielen anderen kommerziellen Riechstoffen, ausführlich toxikologisch untersucht, wobei sich die Testbatterie an den Empfehlungen des SCC-NFP und den Vorgaben aus dem Chemikalienrecht orientierten.
Terrestral ist ein Beispiel für einen Stoff mit komplexer systemischer und lokaler Wirkung. Als hydrophober und mit chemisch reaktiven Funktionalitäten ausgestatteter Stoff hat Terrestral eine typische Reizcharakteristik: Es ist stark hautreizend jedoch nur schwach augenreizend. Im Buehler-Test wurden keine sensibilisierenden Eigenschaften beobachtet. Die Gentoxizität wurde mit Hilfe verschiedener in-vitro- und in-vivo-Studien auf Mutagenität und Klastogenität untersucht. Während im Ames-Test sowohl Punktmutationen als auch Frameshifts im bakteriellen Genom ausgelöst wurden, gaben im Gegensatz dazu die Befunde aus der V79 Lungenfibroblasten Säugerzellinie im HPRT-Test keinen Hinweis auf genotoxische Eigenschaften. Im cytogenetischen Assay mit derselben V79-Zellinie wurden eindeutige und reproduzierbare Anzeichen für Chromosomenaberrationen sichtbar. Gemäß dem Technical Guidance Document (TGD) der Euröpäischen Kommission wurde eine weitere Untersuchung zur Chromosomenaberration durchgeführt, allerdings in einem in-vivo System: Der Mikrokern-Test in der Maus konnte die vermutete klastogene Wirkung von Terrestral nicht bestätigen. Unter in- vivo-Bedingungen ist Terrestral daher nicht klastogen und verursacht keine Chromosomenaberrationen.
Während das akut toxische Profil von Terrestral über die orale und dermale Route nur geringe Effekte zeigte, ist die systemische Wirkung nach wiederholter oraler Applikation äußerst komplex. Die systemische Wirkung ist sowohl organ- als auch geschlechtsspezifisch. Möglicherweise sind Metaboliten von Terrestral die eigentlichen toxischen Agentien. Ein dosisabhängiger Anstieg der Lebergewichte und eine statistisch signifikante hepatozelluläre Hypertrophie sind ferner Hinweise auf eine metabolische Anpassung. Terrestral oder seine Metaboliten zeigen klar nephrotoxische Wirkungen, die sich auf die Tubuluszellen konzentrieren als die bekanntermaßen empfindlichsten Zelltypen in der Niere. Männliche Ratten zeigen nach Exposition durch Terrestral hauptsächlich eine überschüssige Einlagerung von Hyalin-Tröpfchen. Die Nierenfunktion der männlichen Tiere blieb mehr oder weniger unverändert, allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, daß schwerere Effekte in späteren Phasen einer Langzeitexposition durch Terrestral auftreten würden.
Weibliche Ratten reagieren unspezifischer mit einer signifikanten und dosisabhängigen Schwellung an den proximalen Tubuli, ein Hinweis auf allgemein osmotische Veränderungen in der Tubulusregion.
Mit Blick auf diese Befunde kann kein NOAEL oder NOEL für Terrestral abgeleitet werden. Die Schwere der Effekte und ihre Häufigkeit (9 von 10 männlichen Tieren waren von den Nephropathien betroffen) lassen auch keine sinnvolle Risikoabschätzung für die Exposition des Menschen zu. Mit Blick auf die Produktverantworung des Herstellers wurde die Weiterentwicklung von Terrestral als Riechstoff eingestellt.