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Archiv "Nosokomialinfektionen mit multiresistenten Bakterien: Lokale und globale Bedrohung" (13.02.2015)

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A 264 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 112

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Heft 7

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13. Februar 2015

NOSOKOMIALINFEKTIONEN MIT MULTIRESISTENTEN BAKTERIEN

Lokale und globale Bedrohung

Ein großer Ausbruch mit einem multiresistenten Acinetobacter-Stamm am Uni- versitätsklinikum Kiel schreckt die Politik auf: Der Keim hatte sich rasant verbreitet.

Prävention und Ausbruchsmanagement sollen weiter verbessert werden.

A

m 3. Januar hatten die Ärzte am Universitätsklinikum Schles- wig-Holstein (UKSH) Campus Kiel Anlass zu hoffen, der Ausbruch sei unter Kontrolle. „Nur noch einer von drei seit Dezember mit einem multiresistenten Stamm von Aci- netobacter baumannii kolonisierten Patienten hatte einen positiven La- borbefund“, erläutert Dr. med. Bär- bel Christiansen von der Zentralein- heit für Interne Krankhaushygiene am UKSH.

Was kam, war eine zweite Welle, und sie überstieg die erste in der Fallzahl deutlich: 31 kolonisierte

oder infizierte Patienten wurden bis zum 5. Februar auf zwei inten - sivmedizinischen Abteilungen der Universitätsklinik entdeckt, zwölf von ihnen starben, darunter der In- dexpatient, ein aus einer Klinik in der Türkei nach Deutschland rück- überführter 74-jähriger Mann. Er hatte den Keim, der Resistenzgene gegen die vier relevanten Antibio - tikagruppen (Penicilline, Cephalo- sporine der dritten und/oder der vierten Generation, Carbapeneme

und Fluorochinolone; 4MRGN) be- sitzt, nach Kiel gebracht. Bei drei gestorbenen, mit dem Erreger infi- zierten Patienten lasse sich ein Zu- sammenhang zwischen dem Tod und der Infektion nicht ausschlie- ßen, so ein Sprecher des Klinikums zum Deutschen Ärzteblatt.

Reaktionen aus der Politik Dies ist einer der großen nosoko- mialen Ausbrüche mit Acineto- bacter-Spezies in Deutschland: Im Jahr 2012 gab es davon 13 mit einer Gesamtzahl von 86 Fällen, im da- rauf folgenden Jahr 14 Ausbrüche

mit 67 Fällen, wobei die Fallzahlen pro Ausbruch meist zwischen 2 und 10 lagen.

Auf den Ausbruch in Kiel rea- gierte auch die Politik. Es sei gut, dass sich das Gesundheitsmi- nisterium Schleswig-Holstein mit dem UKSH für eine „lückenlose Aufklärung“ einsetze, stellte Bun- desgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) klar. Der Kampf ge- gen resistente Keime erfordere kon- sequentes Vorgehen, darunter die

strikte Einhaltung bestehender Hy- gienevorschriften und Kontrollen durch die Gesundheitsämter. Und das Ministerium plane, die Melde- pflichten für solche hochresistenten Erreger zu verschärfen: Künftig solle nicht erst ein nosokomialer Ausbruch gemeldet werden müssen, – für 4MRGN wird ein Ausbruch als > 1 Fall in zeitlicher Nähe defi- niert – sondern bereits der erste Nachweis, damit die Gesundheits- ämter Zeit gewönnen. Ein entspre- chender Verordnungsentwurf werde schon zwischen den Ressorts abge- stimmt und solle im Sommer in Kraft treten, hieß es aus dem Bun- desgesundheitsminsterium. Außer- dem sei der Kieler Fall Anlass zu prüfen, ob Screeningverfahren an- gepasst und Patienten mehr als bis- her im Vorfeld geplanter Klinikauf- enthalte auf solch hochgefährliche Keime untersucht werden müssten.

Die im Jahr 2012 aktualisierten Hygienemaßnahmen bei Infektio- nen oder Besiedelung mit multire- sistenten gramnegativen Stäbchen als Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infek- tionsprävention (KRINKO; Bun- desgesundheitsbl 2012; 55: 1311–

54), an denen auch Christiansen und Prof. Dr. med. Martin Exner von der Universitätsklinik Bonn mitgewirkt haben (siehe Kommen- tar), empfehlen zum Schutz vor 4MRGN eine präemptive Isolie- rung bei stationärer Aufnahme von Patienten aus Ländern mit höherer Verbreitung und eine Ausnahme nur bei sorgfältiger Risikoabwägung.

Am Klinikum Kiel manifestierte sich bei der Umsetzung ein Pro- blem, das Krankenhäuser der Maxi- malversorgung gut kennen: Auf vielen ihrer Intensivstationen gibt es nicht genug Einzelzimmer für ei- ne optimale Prophylaxe von Noso- GRAFIK

Surveillance der Antibiotikaan- dung und bakte- rieller Resistenzen

auf Intensivstatio- nen (SARI) aus klini- schen Isolaten: Die

Inzidenzdichte be- stimmter multire- sistenter Bakterien

wie A. baumannii nimmt zu. Die imi- penemresistenten A. baumanni sind in der Regel 4MRGN-

Stämme.

Multiresistente Bakterien auf deutschen Intensivstationen

Multiresistente Erreger/1000 Pat.Tage

10,0

8,0

6,0

4,0

2,0

0,0

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Vancomycinresistenter Enterococcus faecium

Imipenemresistenter Acinetobacter baumannii Gruppe-3-Cephalosporinresistente K. pneumoniae Gruppe-3-Cephalosprinresistente E. coli Methicillinresistente S. aureus

Quelle: SARI-Daten; Petra Gastmeier, Charité Berlin

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Deutsches Ärzteblatt

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Heft 7

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13. Februar 2015 A 265 Der Acinetobacter-Ausbruch im UKSH Kiel ruft

schlagartig die Konsequenzen einer eskalie- renden Zunahme der weltweiten Antibiotikare- sistenzen ins Bewusstsein, die Dramatik ist der allgemeinen Öffentlichkeit und der Politik

noch nicht voll bewusst. Solche Ausbruchs- szenarien könnten in Zukunft für viele Kran- kenhäuser zum Normalzustand werden. Die medizinische Versorgung ist in unserem auch im internationalen Vergleich hervorragenden Gesundheitsversorgungssystem gefährdet, wenn nicht energisch gegengesteuert wird, und zwar rasch.

Weltweit baut sich in den letzten Jahren ei- ne Tsunami-Welle an antibiotikaresistenten no- sokomialen Infektionserregern auf, die immer häufiger auch Deutschland erreicht. Geschuldet ist dies dem Umstand, dass bei der drastisch

wachsenden Weltbevölkerung insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern Milliarden Menschen unter katastrophalen sanitärhygieni- schen Bedingungen unter anderem auch in den von Kriegen heimgesuchten Ländern leben müssen. Infektionen können in diesen Ländern nur über frei verfügbare Antibiotika behandelt werden, Ihnen kann jedoch nicht vorgebeugt

werden. Dass auch entwickelte Länder des südlichen Europas, des Balkans, im nördlichen Afrika und im Vorderen Orient zu Hochrisikore- gionen mit endemischer Multiresistenz gehö- ren, zeigt der Fall des deutschen Touristen, der den multiresistenten Acinetobacter nach einer Klinikbehandlung in der Türkei ins UKSH impor- tiert hat. Der daraus folgende aktuelle Ausbruch aber ist nicht nur Konsequenz einer weltweiten Entwicklung, sondern auch von Versäumnissen in Deutschland. Die baulichen Voraussetzungen an den Kliniken für Isolierzimmer zum Beispiel fehlen, und wir haben noch immer viel zu weni- ge und vor allem zu wenig qualifizierte Pflege- kräfte. Wir brauchen dringend eine neue Hygie- nekultur, um unsere Patienten, so gut es mög- lich ist, vor diesen Gefahren zu schützen.

KOMMENTAR

Prof. Dr. med. Martin Exner, Direktor des Instituts für Hygiene der Universität Bonn

Neue Hygienekultur erforderlich

komialinfektionen. So war es auch in Kiel, als der Patient zunächst oh- ne aktualisierten Screeningbefund aufgenommen wurde. Er kam in ein Dreibettzimmer. „Eine präemptive Isolierung wäre bei diesem Patien- ten der Standard gewesen“, sagt Christiansen, aber weil andere Pa- tienten aus Gründen des Infektions- schutzes nicht umverlegt werden konnten, war dies nicht möglich.

Christiansen: „Wir hatten die Wahl zwischen Pest und Cholera“. Der Keim ging vom Indexpatienten auf einen Zimmernachbarn über. Die zweite Welle ab Mitte Januar wurde durch denselben Stamm ausgelöst wie die erste, er hatte offenbar trotz intensiver Hygienemaßnahmen per- sistiert und sich verbreitet.

Der Ausbruch in Kiel wird von deutschen Krankenhausärzten, In- fektiologen und Hygienikern re - präsentativ für wachsende regiona- le und überregionale Bedrohun- gen vor allem immungeschwächter Menschen durch Nosokomialinfek- te mit mehrfachresistenten Bakte- rien gesehen: Es ist eine Melange aus der weltweit beobachteten Zu- nahme hochresistenter Erreger, für deren Therapie es keinen Standard gibt, großer Mobilität von kranken und gesunden Menschen, die dauer-

haft symptomfrei von solchen Erre- gern besiedelt sein können, einer Zunahme der Therapien Schwerst- kranker mit teilweise hochtechni- sierten Mitteln und Strukturproble- men der Krankenhäuser und un- günstigen Pflegeschlüsseln auf- grund des Kostendrucks. So haben deutsche Klinikpflegekräfte durch- schnittlich mehr als doppelt so viele Patienten zu versorgen als zum Bei- spiel in Norwegen, Schweden oder der Schweiz (BMJ 2012; 344:

e1717). Das zu ändern, ist eine der aktuellen Forderungen der Deut- schen Gesellschaft für Kranken- haushygiene, deren Präsident Exner ist (Hyg Med 2015: 40: 532). „We- sentlich für die Prävention ist, dass die geltenden Bestimmungen in den Kliniken eingehalten werden kön- nen“, sagt Prof. Dr. med. Petra Gastmeier von der Charité Berlin.

Internationaler Aktionsplan Exner weist auf erst kürzlich ent- deckte ungünstige Eigenschaften von Problemkeimen wie carbape- nemasebildenden Enterobacteria- ceen (CPE) und Acinetobacter-Spe- zies hin: Bei der Suche nach einem Infektionsreservoir von A. bauman- nii bei einem Nosokomialausbruch wurde der Erreger aus Klinikab-

wasserproben isoliert, CPE aus Sa- nitäranlagen einer Klinikküche.

Solche großen Reservoire gramne- gativer Bakterien, die es überall gibt, lassen sich schwer kontrol - lieren, zumal die Erreger spezies- übergreifend Resistenzgene austau- schen. Im Mai will die Weltgesund- heitsorganisation einen globalen Aktionsplan gegen Antibiotikare- sistenzen verabschieden, im Juni ist dies Thema beim Treffen der G7-Länder in Deutschland.

In Kiel liefen die beiden für Neu- aufnahmen geschlossenen Intensiv- stationen bis Redaktionsschluss (9.

Februar) nicht im Normalbetrieb, 13 Patienten waren noch koloni- siert. Die Bedingungen für die Wie- deraufnahme hat man sich stringen- ter gesetzt, als es die KRINKO empfiehlt: Drei statt zwei Scree- ningproben sollen negativ sein im Abstand von je einer Woche, die Lokalisationen sind erweitert: Pro- ben aus dem Nasen-Rachen-Raum werden genommen, bei Beatmeten auch Trachealsekret, tiefe Rektalab- striche und großflächige Proben von der Haut inklusive der Feuchta- reale wie der Leiste, erläuterte Christiansen. „Wir müssen aus je- dem Ausbruch lernen!“

Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze

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