Dieses Foto, das vermutlich um 1903 im Robert-Koch-Institut in Berlin aufgenommen worden ist, stammt aus dem Besitz von Frau Meinicke und ist bisher noch nicht veröffentlicht worden. In der unteren Reihe sind (von rechts nach links) zu erkennen:
Ernst Meinicke, August Paul von Wassermann, Wilhelm Kolle, Paul Ehrlich. Die anderen abgebildeten Personen konnten von Frau Meinicke und vom Autor nicht identifiziert werden Foto: privat Spektrum der Woche
Aufsätze • Notizen
GESCHICHTE DER MEDIZIN
Am 28. September 1878 wird Ernst Meinicke in Clausthal-Zellerfeld ge- boren. Nach Studien und Promotion in Göttingen 1902 arbeitet er in den folgenden Jahren an verschiedenen Hygieneinstituten, u. a. in Kiel und Saarbrücken. Wichtige Impulse im
.Hinblick auf seine späteren Syphilis- forschungen bekommt er von Ro- bert Koch, in dessen Institut in Ber- lin während seiner Tätigkeit von 1903 bis 1906. Meinicke leitet dort die Wutschutzabteilung. Auch Paul Ehrlich fördert den aufstrebenden Bakteriologen.
Inzwischen verheiratet, verläßt Mei- nicke die Berliner Universität, da ihm die materielle Grundlage einer Hochschullaufbahn für eine Familie zu unsicher erscheint. Er arbeitet zunächst von 1908 bis 1912 als Lei- ter des Hagener Laboratoriums des Vereins zur Bekämpfung der Volks- krankheiten im Ruhrkohlengebiet.
Neben der ärztlich-praktischen Tä- tigkeit veröffentlicht er experimen- telle Untersuchungen über Kinder- lähmung.
Im Ersten Weltkrieg leitet er ein bak- teriologisches Feldlaboratorium.
Auch während des Krieges treibt Meinicke seine Forschungen weiter.
1918 stellt er die von ihm entwickelte spezielle Lipoidbindungsreaktion als Trübungsreaktion auf Syphilis
1935 schrieb er zirka fünfzig wissen- schaftliche Publikationen, die sero- logische Ergebnisse der Syphilis- und Tuberkuloseforsc.hung zum In- halt haben.
In dieser Zeit gelingt es ihm, seine Methode so weit zu verfeinern, daß er mit der MKR II (Meinicke-Klä- rungs-Reaktion) im Jahre 1932 die Serodiagnostik der Syphilis erheb- lich verbessern kann. Daneben ent- wickelt er weniger bedeutende Reaktionen der Tuberkulose- und Gonorrhöeserologie.
Die Leistung Meinickes ist um so höher zu bewerten, als er nicht die Kommunikationsmöglichkeiten wie an einer Universität gehabt hat. Mit- arbeiter beschreiben ihn als einen
„pragmatischen Forscher", der im- mer die praktische Anwendbarkeit seiner Ergebnisse vor Augen hat.
Hierin sagt man ihm einen untrügli- chen Instinkt nach, der seine Erfolge auf seinem Fachgebiet zum Teil erklärt.
Besonders erfreut ist Meinicke dar- über, daß das Hygienekomitee des Völkerbundes 1928 in Kopenhagen
Ein pragmatischer Forscher
Zum 100. Geburtstag von Ernst Meinicke
Rainer Jörg Althaus und Karl-Heinz Eikmanns
Wenngleich auch heute noch jedem Medizinstudenten der Name Meinickes mit der Methode MKR II (Meinicke-Klärungs-Reaktion) geläufig ist, sind biografische Einzelheiten schwer aufzufinden und fast vergessen. Anläßlich des 100. Geburtsjahres soll der Versuch gemacht werden, seinen Lebensweg zu schildern und den heutigen Stellenwert seiner Methode zur Syphilis-Serodiagnostik kritisch zu würdigen.
vor. 1919 wird er Chefarzt der Lun- genklinik in Hagen-Ambrock. Hier gründet er ein privates serologi- sches Laboratorium, aus dem wis- senschaftlich wertvolle Beiträge hervorgehen. Seine Frau und meh- rere ärztliche Mitarbeiter sind an den Forschungen beteiligt. Bis zur Beendigung seiner Chefarzttätigkeit
2308 Heft 40 vom 5. Oktober 1978
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen
Es waren nur noch wenige Touristen am Anlegeplatz in Gersau, die auf das Schiff aus Luzern warteten. Da kam er endlich angetuckert, der alte Schaufelraddampfer, der mich an das andere Ufer des Vierwaldstätter Sees bringen sollte. Während der kurzen Überfahrt lehnte ich am Mes- singgeländer im Inneren des Schiffsbauches das den Blick auf den Maschinenraum freigab. Auf ei- ner Tafel stand in großen Lettern:
Baujahr 1913, ein Museumstück also.
Es war nicht mehr zu übersehen, der Herbst zog das erste Braun über die Blätter der mächtigen Nußbäume, die ihre breiten Äste weit in die stei- len Grashänge streckten. Über aus- getretene Steinstufen führte der Weg bergwärts, bald von dunklem Kirschlorbeer, dann von hohen Ha- selstauden überschattet, aus deren Grund der süße Duft der wilden Zy- klamen stieg.
Nach zwei Gehstunden erreichte ich die berühmte Bergwiese, die Terras- se des Seelisberges am Westufer des Vierwaldstätter Sees im Kanton Uri. Das Rütli, die Gründungsstätte der Schweiz, wird von den Eidge- nossen als „Nationalheiligtum" be- trachtet. Im Halbrund einer verwit- terten Steinbank saß schweigend ein alter Mann, hinter ihm flatterte auf hohem Mast die rote Fahne mit dem weißen Kreuz gegen den blau- en Herbsthimmel. Hier also war die Stelle, auf der einst die Hand zum Schwur gehoben wurde.
Weiter ging es den Seelisberg hin- auf, immer wieder blieb ich vor alten
FEUILLETON
Schweizer Holzhäusern stehen, aus deren engen Fensternischen sich feuerrote Geranien drängten.
Am Seelisberg:
Europäerinnen im Sari?
Inmitten dieser ländlichen Idylle be- gegneten mir zwei junge Damen im Sari, das offene Haar fiel über die Schultern und betonte die fließende Linie der Formen. Europäerinnen im Sari — hier — am Berg? Ein feudaler Hotelkomplex in der Pracht der Jahrhundertwende, renoviert, von dessen Fassaden die Flaggen aller Nationen wehten, gab mir die Erklä- rung.
Internationale Residenz des Zeitalters der Erleuchtung Die Flügeltüren des Hotelportales waren weit geöffnet, an seinen Sei- ten hingen goldgefaßte Plakate: In- ternationale Residenz des Zeitalters der Erleuchtung Seelisberg. „Wir feiern das Jahr der Unbesiegbarkeit für jede Nation", sagte ein gut aus- sehender junger Mann, der auf mich zukam, um mir die Symbolik einer auf einem Podest aufgestellten Glocke zu erklären.
Nun wußte ich, daß ich mich im Hauptquartier des Begründers der
„Weltregierung des Zeitalters der Erleuchtung", Maharishi-Mahesh- Yogi, befand. — Sein Name begeg- nete mir erst kürzlich in einer Nummer des „Spiegel" - Die neue Droge — neben dem Sektengründer Moon.
Ernst Meinicke
seine Methode der Serodiagnostik der Syphilis neben der Wasser- mannschen Reaktion weltweit emp- fiehlt. 1930 erhält er den Ludwig- Darmstädter-Preis mit der Paul-Ehr- lich-Plakette.
Zwei Jahre später wird er Honorar- professor der Universität Münster.
Auch nach seiner Pensionierung, nunmehr wieder in Berlin, ist Mei- nicke weiter wissenschaftlich tätig.
Er arbeitet mit Kalk und Fischer die Trockenblutreaktionen auf Syphilis und Tuberkulose als Trockenblut- MKR II (MTbR) aus.
Am 1. April 1945 stirbt Meinicke in Berlin.
Wenn auch der Meinicke-Klärungs- reaktion heute auf Grund der Ent- wicklung sehr spezifischer Lues-Se- ro-Reaktionen (Immobilisationstest nach Nelson, Fluoreszenz-Trepone- ma-Antikörper-Absorptionstest, Tre- ponema-pallidum-Hämagglutina- tionstest) für die Luesdiagnose kei- ne wesentliche Bedeutung mehr zu- kommt, so bleibt doch festzuhalten, daß die MKR II über Jahrzehnte hin- weg als Leit-Lipoidreaktion neben der Wassermannschen Reaktion die wichtigste und eine der zuverlässig- sten Lues-Sero-Reaktionen war.
Literatur
(1) Fischer, R.: Persönliche Mitteilungen 1977 — (2) Meinicke, E.: Die Fällungsreaktionen - zur Syphilisdiagnose nach Meinicke und nach Sachs Georgi; D. Med. Wschr. 12, 323 (1919) — (3) Meinicke, E.: Meine neue Klärungsreaktion auf Syphilis, Zbl. Bakt. 125, 356-361 (1923) — (4) Meinicke, L.: Persönliche Mitteilungen 1974.
Anschrift für die Verfasser:
Dr. Rainer Jörg Althaus Heidestraße 103 5800 Hagen 5