Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 46|
16. November 2012 [63]B E R U F
Auf vier Ärztinnen, die die Facharzt- prüfung Gynäkologie und Geburts- hilfe ablegen, kommt ein Mann. 80 Prozent der Mitglieder der Deut- schen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) unter 35 Jahren sind weiblich. Das berichtet die Fachgesellschaft. Trotzdem liegt auch in der Gynäkologie und Ge- burtshilfe der Frauenanteil in leiten- den Positionen laut der DGGG-Mit- gliederstatistik bei nur zwölf Pro- zent – und dies, obwohl von etwa 800 Chefarztstellen in der Frauen- heilkunde in Deutschland knapp 100 nicht besetzt seien.
„Ärztinnen und ebenso Ärzte, die in ihrer Familie für Kinder Ver- antwortung tragen, können Stellen mit 50-Stunden-Wochen, ungeplan- ten Überstunden und langen Wo- chenenddiensten nicht annehmen“, sagte Dr. med. Babett Ramsauer, Vor- sitzende der Kommission Familie und Karriere. Häufig seien nur Teil- zeitstellen möglich, die sich mit den Öffnungszeiten von Kindergarten, Schule und Hort vereinbaren ließen.
„Der hohe Frauenanteil in unserem Fach heißt auch, neue Arbeitszeitmo- delle für die Kliniken zu entwickeln, die ja schon seit Jahren angemahnt werden“, sagte der Präsident der Fachgesellschaft, Prof. Dr. med.
Klaus Friese. Assistentinnen oder Frauenärztinnen müssten in Zeitab- schnitten arbeiten können, in denen Schwangerschaft und Kinderbetreu- ung möglich sei, ohne ihre berufliche Qualifizierung zu gefährden. „Bei ei- nem Frauenanteil von 80 Prozent auf unseren Stationen, von denen oft die Hälfte schwanger ist oder Kinder hat, können Ganztagsarbeitsplätze nicht mehr die Regel sein“, sagte Rams- auer. Wichtig sei, eine neue Art „ver- lässlicher Flexibilität“ zu erlernen.
Auf die Bedeutung der Wert- schätzung von Kindererziehung und Familie wies Bundesarbeitsministe- rin Ursula von der Leyen (CDU) auf dem Kongress hin. „Wenn eine sol- che familiäre Verpflichtung nicht mehr Grund für Vorwürfe ist, son- dern für Respekt und Anerkennung, dann mache ich mir keine Sorgen um dieses Land“, sagte sie. hil FACHARZTPRÜFUNG GYNÄKOLOGIE
80 Prozent Frauen
Gegen eine Verkürzung des Medi- zinstudiums von sechs auf fünf Jah- re bei unveränderter Unterrichts- zeit von 5 500 Stunden haben sich 2 000 studentische Mitglieder des Hartmannbundes (HB) in einer Umfrage ausgesprochen. Sie erteil- ten damit entsprechenden Plänen der Europäischen Kommission eine Absage. „Dieses Votum zeigt uns, dass die EU einen falschen Weg eingeschlagen hat“, kommentierte Kristian Otte, der Vorsitzende des Ausschusses der Medizinstudieren- den im HB, die Umfrageergebnis- se. Er warnte vor „realitätsfernen Entscheidungen am Reißbrett“, wel- che die hohe Qualität der ärztlichen Ausbildung in Deutschland gefähr- deten: „Eine Verkürzung auf fünf Jahre bei gleichbleibender Min- deststundenzahl würde unweiger- lich zu einer weiteren Straffung des ohnehin schon sehr ambitioniert or- ganisierten Stundenplans von Me- MEDIZINSTUDIUM
Studierende gegen Verkürzung
dizinstudierenden führen.“ Mit der letzten Änderung der Approbati- onsordnung im Mai 2012 seien bei gleichbleibender Stundenzahl von 5 500 Stunden sogar weitere Lern- inhalte hinzugekommen – dies al- les in fünf Jahren zu lernen, sei un- möglich.
Nach der Umfrage hat der Stän- dige Ausschuss der Medizinstu - dierenden im HB Stellung gegen- über dem verantwortlichen EU- Ausschuss bezogen und den Antrag gestellt, an der sechsjährigen ärztli- chen Grundausbildung festzuhalten.
„Wir hoffen, dass sich weitere Län- der melden, denn wir dürfen nicht akzeptieren, dass Länder wie Ir- land, die sich für eine vierjähri- ge Medizinausbildung aussprechen, das Zepter schwingen, während Deutschland, das mit Abstand die meisten Ärzte in Europa ausbil- det, am Ende den Kürzeren zieht“,
so Otte. EB
GRAFIK
Internationaler Vergleich: Die US-Bürger geben am meisten für ihre Gesundheit aus – sowohl im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) als auch in absoluten Zahlen. Die anderen Industriestaaten liegen nach Angaben der Organisation für Zusammenarbeit und wirtschaftliche Entwicklung (OECD) in einem relativ engen Korridor. Anders sieht die Reihenfolge aus, wenn es um die absoluten Pro-Kopf- Ausgaben in Dollar geht: Die US-Bürger geben im Schnitt für ihre Gesundheit fast doppelt so viel aus wie die Deutschen. In den Werten sind jeweils alle Ausgaben für Gesundheit enthalten: Beiträge zur Krankenversicherung ebenso wie private Ausgaben für Medikamente und Ähnliches.
Was die Gesundheit im internationalen Vergleich kostet
Land
8 233 5 056 3 973 4 338 4 445 5 270 4 464 4 395 2 728 3 969
Anteil am BIP 2010 in Prozent Ausgaben pro Kopf in Dollar
USA Niederlande
Frankreich Deutschland
Kanada Schweiz Dänemark Österreich Portugal
Belgien 17,6
12,0 11,6 11,6 11,4 11,4 11,1 11,0 10,7 10,5
Quelle: OECD