P O L I T I K
Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 1511. April 2003 AA965
zinische Standards und die Pflicht zur Qualitätsdarlegung. Schon heute stünden 30 Prozent der ambulanten Leistungen unter einem Erlaubnisvorbehalt, erklärte Gibis. So wurde beispielsweise Ende der 90er-Jahre mit den Kassen ein Vertrag zur Schmerztherapie unterzeichnet, der eine verpflichtende Fortbildung der beteilig- ten Ärzte vorsieht. In Bereichen wie der invasiven Kardiologie oder der Kolosko- pie wurden in die Richtlinien Frequenz- regelungen aufgenommen. Nur wer sein Können zeitnah durch eine bestimmte An- zahl von Eingriffen geschult habe, dürfe Patienten behandeln, erläuterte Gibis. Er ließ jedoch auch durchblicken, dass hier manche Vorstellungen der KBV über das ärztliche Weiterbildungsrecht hinausge- hen. Dass selbst die umstrittene Rezerti- fizierung schon Eingang in die Versor- gung gefunden hat, belegen die Richtlini- en für kurative Mammographie. Hier müssen Arzte ihr Können anhand einer vorgegebenen Anzahl von auszuwerten- den Aufnahmen belegen. Dies habe zahl- reiche Proteste ausgelöst, gab Gibis zu.
Nicht bestritten wurde von den Fach- leuten, dass die gewandelte Einstellung der KBV auch eine Folge öffentlichen Drucks sei. Gibis zufolge ist jedoch längst auch innerärztlich die Bereit- schaft gewachsen, sich zu vergleichen.
Wer sich fortbilde und um gute Leistun- gen bemühe, wolle dies auch dokumen- tiert und honoriert sehen. Zudem spielt der Generationswechsel eine Rolle:
Jüngere Ärzte, die zum Beispiel im Aus- land positive Erfahrungen mit Qua- litätssicherung gemacht haben, gehen unbefangener mit dem Thema um.
In Zukunft will die KBV unter ande- rem die Arbeit von ärztlichen Qualitäts- zirkeln (QZ) vorantreiben. Zwar gibt es nach Angaben von KBV-Referentin Dr.
Franziska Diel derzeit mehr als 5 000 sol- cher Runden. Doch manche Zirkel brau- chen ein wenig frischen Wind. Deshalb bildet die KBV seit Anfang April Tuto- ren aus mehreren Modell-KVen aus, die künftig QZ-Moderatoren schulen sol- len. Gleichzeitig werden vier neue The- menbereiche für die QZ-Arbeit auf- bereitet: Rückmeldeberichte, Fallkonfe- renzen, evidenzbasierte Medizin/Leit- linien, Praxismanagement. Dass gute Qualitätszirkel keine Kaffeekränzchen sind, will die KBV mit ihrem neuen Kon- zept beweisen. Heike Korzilius, Sabine Rieser
A
lt werden ist nichts für Schwäch- linge“, soll die amerikanische Schauspielerin Bette Davis vor Jahren behauptet haben. Wenn das stimmt, sind starke Senioren und Senio- rinnen in Deutschland gefragter denn je, denn ihre Lebenserwartung steigt nach wie vor. Dies belegte Prof. Dr. phil.Andreas Kruse, Direktor des Heidel- berger Instituts für Gerontologie, in der vergangenen Woche bei einem Presse- gespräch der SPD-Arbeitsgemeinschaft 60 plus in Berlin.
Wer zwischen 1991 und 1993 als Mann seinen 60sten Geburtstag feierte, konnte damit rechnen, durchschnittlich noch 17,8 Jahre zu leben. Bei Frauen be- trug diese so genannte fernere Lebens- erwartung damals 22,1 Jahre. Sechs Jahre später, zwischen 1997 und 1999, waren es schon 19 Jahre bei den Män- nern und 23,3 Jahre bei den Frauen.
Kurz gesagt: Die Einwohner Deutsch- lands werden immer älter. 2050 wird schätzungsweise ein Drittel der Bevöl- kerung über 60 sein, sofern kein Baby- oder Zuwanderungsboom einsetzt.
Und statt vier Prozent an 80-Jährigen werden dann elf Prozent hier leben.
Altern: Formbarer Prozess
„Für diesen Anstieg in einer kurzen Zeitperiode sind auch die Erfolge in der Medizin, Rehabilitation und Pflege verantwortlich zu machen“, erläuterte Kruse im Zusammenhang mit den Da- ten zur ferneren Lebenserwartung. In Deutschland hält sich die Begeisterung darüber allerdings in Grenzen. Es gebe eine „tief greifende Reserviertheit ge- genüber dem Alter“, sagte Kruse.Alt, ja sogar sehr alt zu sein bedeutet aber kei- nesfalls, zwangsläufig unselbstständig dahinzusiechen. „Altern ist ein überaus plastisches Geschehen“, betonte Kruse.
Wesentlichen Einfluss habe, wie man
über die Jah- re lebe. Wer nicht rauche, sich gesund ernähre, sich
vernünftig bewege und wenig Alkohol trinke, habe schon viel getan.
„Altersdiskriminierung“ ist nach Er- kenntnissen der AG 60 plus gleichwohl ein häufiges Phänomen in unserer Ge- sellschaft. Eine Umfrage ergab kürzlich, dass die Hälfte aller Betriebe in Deutsch- land keine Arbeitnehmer über 50 mehr beschäftigt.AG-Vorsitzender Otto Grae- ber plädierte dagegen dafür, das falsche Bild zu korrigieren. Ältere solle man nicht nur als Nehmende,sondern auch als Gebende sehen: „Das fängt beim Baby- sitten an und hört beim Erben auf.“
Auch Kruse plädierte dafür, die Ver- änderung der Bevölkerungsstruktur als Chance zu begreifen. Da sie jedoch ins- gesamt mit erhöhten Belastungen der sozialen Sicherungssysteme verbunden sei, müsse man zu Reformen finden. Für den Gerontologen ist es unabdingbar, das faktische Renteneintrittsalter (heu- te 60 Jahre) dem gesetzlich definierten von 65 Jahren anzupassen. In Zukunft müsse es unter Umständen erhöht wer- den, allerdings unter der Vorausset- zung, Arbeitnehmern durchgängig Wei- terbildung anzubieten.
Unverzichtbar ist nach seinen Worten auch eine Stärkung der Prävention: „Es wird zu wenig gesehen, dass viele Er- krankungen mitalternde Erkrankungen sind.“ Gerade solch chronische Leiden verursachten jedoch die höchsten Ko- sten. Kruse ist überzeugt davon, dass al- le Bürger, besonders aber Ältere, in Zu- kunft selbst bei kluger Weichenstellung mehr für ihre Gesundheit ausgeben müssen.Auch die Beitragssätze der Pfle- geversicherung müssten sich erhöhen.
Den Bürgern dies zu vermitteln ist auch nichts für Schwächlinge – sondern laut Kruse „titanische Arbeit“. Rie