A 1724 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 111|
Heft 41|
10. Oktober 2014 Das in der Berufsordnung verankerte Verbotfür rein medizinisch-technische Fachgebiete, Teilgemeinschaftspraxen zu bilden, ist verfas- sungswidrig. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. Das in § 18 Abs. 1 Satz 3 der baden-württembergischen Berufsordnung enthaltene Verbot einer solchen Zusammenar- beit verstößt nach Ansicht des BGH in seiner pauschalisierten Form gegen die in Artikel 12 Grundgesetz garantierte Berufsausübungs - freiheit.
Im vorliegenden Fall hatten sich 30 Fach- ärzte, unter ihnen vier Radiologen, interdiszipli- när und überörtlich zu einer Teilberufsaus- übungsgemeinschaft und Partnerschaftsge- sellschaft zusammengeschlossen. Patienten sollten bestimmte Privatleistungen fachüber- greifend angeboten werden. Ein Prozent des
Gewinnanteils der Gesellschaft sollte vorab nach Köpfen verteilt werden, der Rest sollte dem Leistungsanteil des jeweiligen Behandlers entsprechen. Die Regelung in der baden-würt- tembergischen Berufsordnung, die sich auch in der (Muster-)Berufsordnung wiederfindet, soll verhindern, dass über die Bildung von Teil- gemeinschaftspraxen mit rein medizinisch- technischen Fachgebieten eine Möglichkeit geschaffen wird, das Verbot einer Zuweisung gegen Entgelt nach § 31 (Muster-)Berufsord- nung zu umgehen.
Nach Auffassung des BGH gehört es zur Berufsausübungsfreiheit, sich grundsätzlich beruflich mit anderen zusammenzuschließen.
Dass ein solcher Zusammenschluss per se den Tatbestand der Zuweisung gegen Entgelt erfülle, sei als Unterstellung ungerechtfertigt
und in Bezug auf andere Facharztgruppen als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz zu se- hen. Die beklagte Partnerschaftsgesellschaft, in der sich die Radiologen mit anderen Ärzten zusammengeschlossen haben, könne sich auf den Schutz dieses Grundrechts berufen, weil Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz auch auf juristi- sche Personen und Personengesellschaften des Privatrechts anwendbar ist. Die in der Be- rufsordnung enthaltene Regelung stellt nach Auffassung des BGH weder ein erforderliches noch ein angemessenes Mittel dar, um den Zweck – die Unabhängigkeit ärztlicher Ent- scheidung von wirtschaftlichen Erwägungen – zu erreichen. Die Ärztekammern verfügten über verhältnismäßigere Kontrollmechanismen und könnten sich etwa die Gesellschaftsverträ- ge zur Prüfung vorlegen lassen, um Interes- senkonflikten gegenzusteuern, so der BGH.
BGH, Urteil vom 15. Mai 2014, Az.:
I ZR 137/12 RAin Barbara Berner
RECHTSREPORT
Radiologen: Verbot einer Teilberufsausübungsgemeinschaft ist verfassungswidrig
Deutschlands größte prospektive Gesundheitsstudie, die Nationale Kohorte, ist am 1. Oktober gestar- tet. In den nächsten 20 bis 30 Jahren sollen 200 000 zufällig ausgewählte Männer und Frauen im Alter von 20 bis 69 Jahren aus ganz Deutsch- land in insgesamt 18 Studienzen- tren wiederholt untersucht werden.
Ziel der Nationalen Kohorte ist es, die Entstehung der wichtigs- ten chronischen Krankheiten (Herz- Kreislauf-Erkrankungen, Lungen- erkrankungen, Diabetes, Krebs, neu- rodegenerative, psychiatrische und Infektionskrankheiten) sowie ihrer NATIONALE KOHORTE
Größte Gesundheitsstudie gestartet
subklinischen Vorstufen und funk- tionellen Veränderungen zu unter- suchen. Durchgeführt wird sie von Wissenschaftlern der Helmholtz- Gemeinschaft, den Universitäten und anderen Forschungsinstituten.
Die Ergebnisse dieser Studie sollen neue Möglichkeiten zur Prävention und Früherkennung der wichtigsten Volkskrankheiten aufzeigen. Finan- ziert wird die Studie mit insgesamt 210 Millionen Euro durch den Bund, die Länder und die Helm- holtz-Gemeinschaft. Das Robert Koch-Institut übernimmt die Quali-
tätssicherung. ER
Nach fast zehn Jah- ren Laufzeit werden die Auswirkungen der Ex- zellenzinitiative auf das deutsche Wissenschafts- system durch eine un - abhängige Kommission evaluiert. Bund und Län- der beauftragten damit jetzt internationale Ex- perten. Die Ergebnisse sollen bei der Entschei- dung über die Fortführung dieser Form der Wissenschaftsförderung, die Ende 2017 ausläuft, berück- sichtigt werden.
Die Exzellenzinitiative habe im deutschen Wissenschaftssystem ei- ne große Dynamik erzeugt, die aus gebaut werden solle, erklärte Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU), Ende September in Berlin: „Wir wollen dabei bewährte Förderlinien weiterentwickeln und in neue Formate bringen.“
Vorsitzender der Kommission, die das Förderprogramm jetzt eva- luieren soll, ist der Schweizer Ma- thematiker und Physiker Prof. Dr.
FORSCHUNG UND WISSENSCHAFT
Kommission bewertet Exzellenzinitiative
Dieter Imboden. Er und die neun weiteren Kommissionsmitglieder wa- ren nicht direkt an der Exzellenzini- tiative beteiligt.
Die Deutsche Forschungsge- meinschaft und der Wissenschafts- rat sollen ergänzend bis Juni 2015
einen Bericht über den Verlauf der Exzellenzinitiative erarbeiten, den die Expertenkommission in ihre Beratungen einbeziehen soll. Die Präsentation der Evaluationsergeb- nisse ist für Januar 2016 vorge -
sehen. ER
Foto: picture alliance
Wissenschafts- förderung weiter- entwickeln will Bundesforschungs- ministerin Johanna Wanka.