A 1032 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 20|
18. Mai 2012A RZNEIMITTELPREI SE
Arzneimittelpreise sollten sich nicht primär an Kriterien wie Gerechtigkeit oder Aufwand orien- tieren, sondern an ihrer Funktion in marktwirtschaftlichen Systemen (DÄ 11/2012: „Preisbildung in einem beson- deren Markt“ von Michael Schlander, Andreas Jäcker und Martin Völkl).
Globale Interaktionen
Die Autoren betonen, dass die Kon- zepte „Gerechtigkeit“ und „Fair- ness“ allein nicht ausreichen, um Preise im Gesundheitswesen (zum Beispiel für Arzneimittel) zu be- stimmen. Dennoch sind Gerechtig- keit und Fairness einerseits und Preise im Gesundheitswesen ande- rerseits eng miteinander verknüpft.
Gerade weil Preise, wie dargestellt, in einer Marktwirtschaft Knapp- heitssignale sind, spielen Gerech- tigkeit und Fairness bei der Vertei- lung der knappen Güter im Gesund- heitswesen eine entscheidende Rol- le, insbesondere im Rahmen einer gesellschaftlich finanzierten Kran- kenversicherung. Überzeugend dar- gestellt kann man diese Verbindung zwischen Gerechtigkeit und Kran- kenversorgung bei Norman Daniels lesen, in seinem Standardwerk
„Just health“ (Cambridge, 2008).
Übrigens profitieren auch die Anbie- ter von Gesundheitsleistungen, wie Krankenhäuser, Ärzte und pharma- zeutische Unternehmen von einer in der Gesellschaft als gerecht akzep- tierten Verwendung der Krankenver- sicherungsbeiträge, weil erst dadurch eine stabile finanzielle Geschäfts- grundlage geschaffen wird, auch für die im Einzelfall gerade bei Arznei- mitteln sehr hohen Preise. Auch die von den Autoren gewünschten An- reize für Forschungsinvestitionen in seltene oder besonders schwerwie- gende Erkrankungen setzen eine als gerecht und fair akzeptierte Setzung der Prioritäten voraus.
Die Autoren schlagen als geeignete Grundlage zur Preisverhandlung ei- ne Kosten-Nutzen-Bewertung vor, und verweisen auf mögliche Ein- spareffekte, die in einer Kosten-
Nutzen-Bewertung dargestellt wer- den könnten. Einspareffekte darzu- stellen, genügt allerdings zur Preis- findung im Gesundheitswesen nicht.
Die Autoren weichen damit der Fra- ge aus, welchen Preis die Gesell- schaft und die Versicherten bereit sind, für einen Gesundheitsnutzen zu zahlen. Ohne diese Grenze der Zahlungsbereitschaft, die in Groß- britannien als „QALY-Threshold“
mit rund 40 000 Pfund pro qualitäts- adjustiertes Lebensjahr (QALY) für Entscheidungen verwendet wird, kann die Kosten-Nutzen-Bewertung allein nicht zu einer Preisbestim- mung führen. Eine explizite Zah- lungsbereitschaft für Gesundheits- leistungen findet zurzeit in Deutschland keine Anwendung.
Aber selbst unter der ökonomisch sinnvollen Annahme einer impliziten Zahlungsbereitschaft führt eine Ori- entierung der Preise für Arzneimittel allein an der Zahlungsbereitschaft zu einer einseitigen maximalen Ab- schöpfung der Zahlungsbereitschaft durch den Anbieter. Daher trägt eine Adjustierung der Preise um volu- menabhängige (Produktionskosten, Deckungsbeiträge) und volumenun- abhängige (Studien, Entwicklung) Aufwendungen der Industrie zu ei- ner erwünschten Wettbewerbsorien- tierung der Preise bei. Diese Adjus- tierung muss nicht, wie von den Au-
toren beschrieben, im Einzelfall ei- nes Arzneimittels oder einer Firma erfolgen, sondern kann pauschaliert berücksichtigt werden. Auch eine Beschränkung der Adjustierung auf volumenabhängige Kosten wäre denkbar, zum Beispiel als Staffelra- batt. Wie im Fallpauschalensystem für Krankenhäuser (DRG) könnten pauschalierte Kostenblöcke zur An- wendung kommen. Ähnlich wie im Kran kenhausmarkt findet dann ein gesteuerter Effizienzwettbewerb im Rahmen einer akzeptierten und kos- tenadjustierten pauschalierten Ober- grenze statt. Auch im Krankenhaus- markt agieren inzwischen private Anbieter mit Gewinnorientierung, Kapitalkosten und Investitionsrisiken.
Darüber hinaus hat der Arzneimit- telmarkt eine Besonderheit, auf die die Autoren mit Recht hinweisen:
Anders als Krankenhaus- und Arzt- leistungen werden Arzneimittel glo- bal angeboten. Anbieter und Reim- porteure werden daher ihre Arznei- mittel bevorzugt in Märkte mit ho- her Zahlungsbereitschaft und Liqui- dität lenken. Darüber hinaus refe- renzieren zahlreiche Länder ihre Arzneimittelpreise untereinander.
Bei der Umsetzung von nationalen Verfahren sollten diese globalen In- teraktionen beachtet werden.
Thomas Müller, Abteilung Arzneimittel, Gemeinsamer Bundesausschuss, 10623 Berlin A
s p w o t i marktwirtschaftliche
Ä RZTINNEN
Weiterbildung, Kin- der und beruflichen Aufstieg zu verein- baren ist ein unge- löstes Problem (DÄ 9/2012: „Karriere- chancen von Frauen stagnieren“).
Zu „kleinlich“
. . . Leider kann ich Ihnen in Bezug auf den Artikel nur mitteilen, dass der Deutsche Ärztinnenbund (DÄB) sogar selber dazu beiträgt, die Wei- terbildung von Ärztinnen mit Kin- dern zu verlängern.
Im Jahre 2008 habe ich bei dem DÄB angefragt, warum der in Deutschland gesetzlich bindende
Mutterschutz nicht auf die Weiter- bildungszeit, wie zum Beispiel in vielen Lehrberufen üblich, ange- rechnet wird. Die einzige Antwort einer Ärztin beim DÄB war, dass man/frau nicht so „kleinlich“ sein solle und man/frau ja eine gute (!) Ausbildung haben wolle, und so was dauere halt seine Zeit.
Damals habe ich mich noch freund- lich für die Auskunft bedankt, mit nun zwischenzeitlich zwei Kindern und erprobt im Spagat zwischen Beruf und Kindern würde ich ganz anders reagieren.
Auch ist es in der heutigen Zeit fragwürdig, dass nur Weiterbil- dungszeiten angerechnet werden, wenn der Weiterzubildende über 50 Prozent arbeitet.
Dr. Stephanie Landers, 56727 Mayen W
d A b l 9 c s