MEDIZIN
Verwendung hoher Ultraschallfre- quenzen und mechanisch betriebener Sonden ist die Genauigkeit und Re- produzierbarkeit der Messungen der Arterienwanddicke hoch, wobei die Intra- und Interobserver-Variabilität vier beziehungsweise fünf Prozent beträgt. Bei der Durchführung von Untersuchungen in mehreren Zen- tren sind eine fachkundige Schulung und wiederholte Überprüfung der Untersucher sowie die Verwendung einheitlicher Ultraschallgeräte mit Durchführung regelmäßiger Quali- tätskontrolle unabdingbare Voraus- setzung für reproduzierbare Messun- gen. Schließlich muß bei der quanti- tativen Beurteilung des Einflusses von Risikofaktoren oder von inter- ventionellen (therapeutischen) Maß- nahmen auf die Gefäßwand die alter- sabhängige physiologische Zunahme der Arterienwanddicke berücksich- tigt werden.
Literatur:
1. Ludwig, M.: Die Bedeutung der hochauflö- senden Duplexsonographie in der Arterio- skleroseforschung. Perfusion 2 (1988) 556-562
2. Ludwig, M.; Kraft, K.; Rücker, W.; Hüther, A. M.: Die Diagnose sehr früher arterio- sklerotischer Gefäßwandveränderungen mit Hilfe der Duplexsonographie. Klin.
Wochenschr. 67 (1989) 442-446
3. Pignoli, P.; Tremoli, E.; Poli, A.; Oreste, P.;
Paoletti, R.: Intimal plus medial thickness of the arterial wall: a direkt measurement with ultrasound imaging. Circulation 74 (1986) 1399-1406
Dr. med. Malte Ludwig
Prof. Dr. med. Klaus 0. Stumpe Angiologische Funktionseinheit Medizinische Poliklinik
Universität Bonn Wilhelmstraße 35-37 53111 Bonn
Schlußwort
In unserem Übersichtsartikel haben wir auf die Möglichkeit der Früherkennung der Atherosklerose mittels hochauflösender Karotisso- nographie hingewiesen (2). Im Ge- gensatz zu Bestimmungen der kar- diovaskulären Risikofaktoren ermög- licht die hochauflösende Karotis- sonographie eine direkte Beurteilung des Atherosklerosestatus. Qualitati- ve Aussagen sind anhand von Dar-
DISKUSSION
stellungen der Myointima der extra- kraniellen Karotiden ortsunabhängig möglich. Die quantitativen Bestim- mungen werden dagegen bisher nur an genau definierten Stellen der Fernwand der A. carotis communis im Rahmen von festen Arbeitsproto- kollen durchgeführt. Die Wahl der optimalen Instrumentation richtet sich primär nach dem Verwendungs- zweck. Die qualitativen Bestimmun- gen werden mittels der konventionel- len 5,0 bis 10,0 MHz, die quantitati- ven Bestimmungen mittels speziell geeichter 7,5 bis 10,0 MHz Instru- mente durchgeführt. Neben dem axi- alen Auflösungsvermögen sind die Bildqualität, die Handhabung, die Kosten, die Reparaturanfälligkeit, der Wartungsservice und anderes zu berücksichtigen. In der quantitativen Karotissonographie werden grund- sätzlich sowohl die elektronischen als auch die mechanischen Instrumente eingesetzt. Die häufig beobachtete bessere Bildqualität der mechani- schen Sonden beruht jedoch nicht auf einem inhärenten Vorteil, son- dern in der Regel auf der vorteilhaf- teren postaquisitionellen elektroni- schen Signalverarbeitung. In unserer Erfahrung sind für quantitative Be- stimmungen die mechanischen 8,0-MHz-Sonden mit annularer An- ordnung am besten geeignet.
Die hochauflösende Sonogra- phie wurde auch experimentell bei Kleintieren eingesetzt, wobei sich je- doch bei dieser Anwendung das Auf- lösungsvermögen als limitierender Faktor erwiesen hat (1). Beispiels- weise beträgt bei vier bis zehn kg schweren Affen der Durchmesser des Intima/Media-Komplexes der abdo- minalen Aorta etwa 0,3 mm, nach ei- ner dreijährigen Fütterung mit chole- sterinreicher Diät 0,6 bis 0,7 mm Bei einer axialen Auflösung von 0,2 mm ist auch unter optimalen Untersu- chungsbedingungen nur eine margi- nale Meßgenauigkeit zu erwarten.
Die quantitative Karotissonogra- phie ist bestrebt, die Änderungen des Durchmessers des Intima/Media- Komplexes als Gradmesser des athe- rosklerotischen Prozesses zu erfas- sen. Bei ausgeprägteren atheroskle- rotischen Veränderungen, die bis zu mehreren Millimetern Durchmesser betragen können, hängt die Genauig-
keit der Bestimmung neben dem axi- alen Auflösungsvermögen vor allem von der geweblichen Zusammenset- zung des Atheroms ab. Im allgemei- nen werden Atherome mit einem fi- brotischen Überzug besser darge- stellt. Bei der frühen myointimalen Hyperplasie, die sich oft in Submilli- meterbereichen abspielt, ist die Meß- genauigkeit primär durch die axiale Auflösung definiert. Die Dicke der Myointima wird durch eine Reihe von hämodynamischen und biologi- schen Faktoren gesteuert. Bereits der physiologische Alterungsprozeß führt bei allen großen Säugetieren einschließlich der Spezies Mensch zu einer Zunahme des myointimalen Durchmessers. Darüber hinaus sol- len auch bestimmte Formen der Dys- lipoproteinämie und die arterielle Hypertonie eine zusätzliche Zunah- me des Intima/Media-Durchmessers verursachen (4). Es muß betont wer- den, daß die biologische Bedeutung dieser Frühstveränderungen der Myointima noch nicht vollständig ge- klärt ist. Es wird angenommen, daß die diffuse myointimale Hyperplasie eine physiologische Anpassung dar- stellt, wobei die exzentrische Hyper- plasie als eine potentielle Vorstufe der Atherosklerose aufgefaßt wird (3). Die Ergebnisse einiger kleinerer Studien weisen darauf hin, daß so- wohl die altersbedingten wie auch die risikofaktorenbedingten Verände- rungen der Myointima mittels der hochauflösenden Karotissonographie meßbar sind (4). Die Ergebnisse grö- ßerer, teils bereits laufenden epide- miologischen (zum Beispiel ARIC mit etwa 16 000 Personen) und inter- ventionellen (zum Beispiel MIDAS mit etwa 800 Patienten) Studien soll- ten diese initialen Beobachtungen bestätigen und ein besseres Ver- ständnis der Bedeutung der myointi- malen Frühstveränderungen im prä- atherosklerotischen Prozeß zu ver- schaffen. Unberührt von den verblei- benden Fragen hinsichtlich der Be- deutung und der sonographischen Meßbarkeit der myointimalen Hy- perplasie bleibt jedoch die Tatsache, daß die hochauflösende Sonographie in der Lage ist, die Atherosklerose bereits weit im präklinischen Stadi- um zu erfassen und dadurch die In- tensität der antisklerotischen Maß- A-978 (50) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 14, 8. April 1994
DIZIN
nahmen individuell im Rahmen der kardiovaskulären Prävention zu steu- ern. Wie die zahlreichen Zuschriften und Anfragen der Leser, die wir er- halten haben, beweisen, hat die Ära einer individuell-differenzierten kar- diovaskulären Prävention bereits be- gonnen.
Literatur:
1. Bond, M. G.; Ball, M., Assessment of ultra- sound B-mode imaging for detection and quantification of atherosclerotic lesions in arteries of animals. Report to National In- stitutes of Health, contract No. NHLBI No.
1-
1—HV-12916 (1986)
2. Lanzer, P.; Bond, M. G.: Karotisultraschall in der Früherkennung der Atherosklerose.
Dt. Ärztebl. 48 (1992) 4096-4105
Zu dem Beitrag
von Dr. med. Jens Jarke in Heft 7/1993
Wann testen?
Zum Nachweis des ursächlichen Zusammenhanges zwischen berufs- bedingter Verletzung oder Expositi- on und erfolgter Infektion leistet der HIV-Test gute Dienste. In diesem Falle zu Gunsten des Betroffenen, wenn der Grad seiner durch die HIV-Infektion verursachten Minde- rung der Erwerbsfähigkeit anerkannt werden soll. Er wäre schlecht bera- ten, würde er von seinem Verweige- rungsrecht zur Probenabgabe für den Test Gebrauch machen. Auch der vor dem schädigenden Ereignis durchgeführte Test mit negativem Ergebnis vereinfacht das Anerken- nungsverfahren.
DISKUSSION
3. Stary, H. C.; Blankenhorn, D. H.; Chan- dler, A. B.; Glagov, S.; Insull jr., W.; Rich- ardson, M.; Rosenfeld, M. E.; Schaffer, S.
A.; Schwanz, C. J.; Wager, W. D.; Wissler, R. W.; A definition of the intima of human arteries and of its atherosclerosis-prone re- gions. Arteriosclerosis and Thrombosis 12 (1992) 120134
4. Wendelhag, I.; Wiklund, 0.; Wikstrand, J.:
Arterial wall thickness in familial hypercho- lesterolemia. Arteriosclerosis and Throm- bosis 12 (1992) 70-77
Für die Verfassen
Dr. med. Peter Lanzer Arzt für Innere Medizin — Kardiologie —
Kardiologische Gemeinschaftspraxis Adelungstraße 32
64283 Darmstadt
Für den begutachtenden oder auch praktizierenden Arzt wirkt das Gerangel um die Einverständniser- klärung des Patienten für den Nach- weis im Labor oft etwas unsachlich;
besonders, wenn nichtmedizinische Vorbehalte ärztliches Handeln be- einträchtigen. Die Wende könnte mit einer zuverlässigen und erfolgreichen AIDS-Behandlung kommen. Danach wird man das Unterlassen eines Te- stes dem behandelnden Arzt als Kunstfehler ankreiden.
Aus der heutigen Situation seien mir zur Minderung der Erwerbsfä- higkeit einige ergänzende Überle- gungen aus betriebsärztlicher Sicht erlaubt:
1. In der Regel sollen HIV-Trä- ger im Stadium CDC II (ohne Krank- heitszeichen) als uneingeschränkt dienst- und arbeitsfähig gelten. Im Gegensatz dazu beurteilt man den beruflich Infizierten anders: Ihm wird eine Minderung der Erwerbsfä- higkeit von 10 bis 40 Prozent zugebil- ligt. Die Diskrepanz wird vom Ver- fasser ausreichend sachlich begrün- det.
2. Wohl heute noch stellenweise gültig bleibt die Auffassung aus der Ministerkonferenz vom November
1988, wonach HIV-Infizierte ohne Krankheitssymptome Beamte auf Le- benszeit werden können. Laut Pres- semitteilung des Bayerischen Innen- ministeriums vom Januar dieses Jah- res verlangt man dort von Beamten- bewerbern den HIV-Test. Die für die Beamtenlaufbahn erwartete Berufs- prognose läßt sich — nach Ergebnis der oben genannten Arbeit — nicht uneingeschränkt auf den privatwirt- schaftlich-industriellen Sektor über- tragen.
3. In der harten Arbeitswelt mit zwanghaft geregelten Arbeitszeiten gibt es zahlreiche Arbeitsplätze mit besonderen gesundheitlichen Bela- stungen und Gefährdungen. Für die- se verlangen Gewerbeordnung und/
oder Berufsgenossenschaften beson- dere ärztliche Einstellungs- und Überwachungsuntersuchungen.
Nach den vorgegebenen Regeln wäre es ärztlicherseits nicht zu vertreten, einen HIV-Infizierten zusätzlich zu einer Immunschwäche beruflichen Gefährdungen auszusetzen. Zur ärzt- lichen Tauglichkeitsuntersuchung sollte, schon im Interesse des Unter- suchten, der hier bedingt freiwillige HIV-Test gehören.
Erstrebenswert bleibt es, dem HIV-Infizierten ohne Krankheitser- scheinungen ein von seiner Umge- bung nicht abgegrenztes Leben zu er- möglichen. Mit anzuerkennender Er- werbsminderung sollte man ihn nicht allen Fährnissen des Berufslebens aussetzen.
Dr. med. H. Wambach Arbeitsmedizin Siegfriedstraße 14 63785 Obernburg
Schlußwort
Herr Dr. Wambach betont die Bedeutung des HIV-Testes für den Nachweis berufsbedingter HIV-In- fektionen sowie seinen Stellenwert für Einstellungsuntersuchungen von Beamtenanwärtern beziehungsweise für die arbeitsmedizinische Beratung von HIV-Infizierten. Unabhängig von dem jeweiligen Testanlaß bleibt jedoch — wie bei jedem ärztlichen Eingriff — das Erfordernis von Auf- klärung und Einwilligung beim HIV-
HIV-Infektion und
AIDS als Berufskrankheit
Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 14, 8. April 1994 (51) A-979