S
o wie die Gesundheitspolitiker der großen Koalition drückt derzeit wohl niemand die Daumen für die deutsche Nationalmannschaft. Denn je weiter Ballack & Co. bei der Fuß- ballweltmeisterschaft kommen, desto mehr rückt alles Weitere aus dem Blick der Medien. Das gibt den Ge- sundheitsexperten Zeit und Ruhe, ab- seits der Kameras an der anstehenden Gesundheitsreform zu werkeln. Die Eckpunkte dafür sollen Anfang Juli der Öffentlichkeit vorgestellt werden.Sollten es die Deutschen aber tatsäch- lich bis ins Finale schaffen, wird sich kaum ein Bürger für Reformpläne in- teressieren – egal, welche Belastungen diese vorsehen.
Während sich die Großkoalitionäre bei der Reform über wenig mediale Be- achtung freuen, verhält sich das bei dem Mitte Juni vorgestellten Arznei- mittelreport der Gmünder Ersatzkasse (GEK) ganz anders. Durch den Bericht
fühlt man sich im Bundesgesundheits- ministerium nämlich in seinem Tun be- stätigt. Entsprechend fand die Präsen- tation des Kassenberichts im Hauptsaal der Bundespressekonferenz zusammen mit der Parlamentarischen Staatsse- kretärin Marion Caspers-Merck (SPD) statt – dieser zentrale Raum bleibt den Krankenkassen sonst versperrt.
Analogpräparate:
„Plage und Falle“
Rund 53 Millionen der insgesamt 357 Millionen Euro an Ausgaben für Arznei- mittel ließen sich bei der GEK sparen, heißt es in dem Report. Das entspricht einer Senkung von 14 Prozent oder 0,3 Beitragssatzpunkten.Auf die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) hochge- rechnet, könnten die Arzneimittelaus- gaben um drei Milliarden Euro geringer ausfallen, schreiben die Autoren.
„Der Arzneimittel-Report unter- streicht, dass es dringend notwendig war, mit unserem Gesetz zur Wirt- schaftlichkeit bei den Arzneimittelver- ordnungen – dem AVWG – für einen ökonomischeren Umgang bei der Ver- schreibung von Medikamenten zu sor- gen“,kommentierte Caspers-Merck.Dass das Durchschnittsalter der GEK-Versi- cherten „nach wie vor deutlich unter dem GKV-Schnitt“ liegt, wie es in dem Be- richt heißt, interessierte dabei wenig.
Um Arzneikosten zu sparen, sollten vor allem die meisten der Analogpräpa- rate, auf die rund 30 Prozent aller Arz- neimittelausgaben bei der GEK ent- fallen, durch kostengünstigere Generika ersetzt werden, erklärte Prof. Gerd Glaeske. Der Wissenschaftler vom Zen- trum für Sozialpolitik der Universität Bremen hat den Report im Auftrag der GEK erstellt. Sieben Prozent der Ge- samtkosten ließen sich allein dadurch sparen. Ohnehin seien die Analogpro- dukte zur „belastenden Plage“ der Arz- neimittelversorgung und zur Falle für die Ärzte geworden: „Eine Plage, weil man hohen Marketingausgaben und unübersehbaren Werbemaßnahmen kaum entgehen beziehungsweise etwas entgegensetzen kann, und eine Falle für die Ärzte, weil sie sich davon beeinflus- sen lassen“, sagte Glaeske. Immer noch finde der Umstellungsprozess von Analogprodukten zu Generika nur „ge- hemmt“ statt. Darum erscheine es „fast als vorsätzliche Verschwendung von Versichertengeldern“ durch Ärzte, wenn solche Analogprodukte einen fast 20-prozentigen Zuwachs des Industrie- umsatzes erreichten.
„Aber auch im Generika-Bereich selber gibt es nach wie vor Potenzial für eine bessere Nutzung des Preiswett- bewerbs“, so Glaeske. Mit dem Arznei- mittelversorgungs-Wirtschaftlichkeits- gesetz sieht sich Caspers-Merck hier allerdings auf dem richtigen Weg. Im Zuge des Gesetzes können Versicherte von Juli an von Zuzahlungen zu Medi- kamenten befreit werden, wenn sie sich ein Nachahmerprodukt verordnen las- sen, dessen Preis um 30 Prozent unter- halb des Festbetrags liegt. Tatsächlich werden nach Angaben des Bundes- verbandes der Betriebskrankenkassen zum Juli für „ein paar Hundert Arznei- en“ die Preise gesenkt. Timo Blöß P O L I T I K
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A1788 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 26⏐⏐30. Juni 2006
Arzneimittelreport
Großes Einsparpotenzial
Drei Milliarden Euro Arzneimittelkosten könnten angeblich in der GKV gespart werden – vor allem wenn weniger Analog- präparate, aber dafür mehr Generika verschrieben würden.
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