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Archiv "49. Bayerischer Ärztetag: Schmerzpunkte der Berufspolitik" (25.10.1996)

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gen zur Verbesserung des „Pharma- Standorts Deutschland“ geschaffen – alles zu Lasten des Arzneimittel- budgets. Aber: Wer uneinsichtig Mil- liardenbeträge aus behaupteten Bud- getüberschreitungen bei gleichzeiti- ger faktischer Billigung der Fortset- zung der bisherigen Arzneimittel- versorgung einfordert, provoziert den Konflikt. Wenn „Steuerung“ der Sinn des Arzneimittelbudgets ist, wenn al- so – wie der Bundesminister für Ge- sundheit als Aufsichtsbehörde der Kassenärztlichen Bundesvereinigung aufträgt – dafür zu sorgen sei, daß

„tiefgreifende Änderungen im Ver- ordnungsverhalten“ der Ärzte erfol- gen müssen, dann müssen die Kas- senärzte die „Budgetisten“ beim Wort nehmen.

Die Politik beim Wort nehmen

Wie anders sollen die „tiefgrei- fenden“ (!) Änderungen im Verord- nungsverhalten und „Einsparmaß- nahmen“ erfolgen, wenn nicht zu La- sten des Anspruchs der Arzneimittel- und Heilmittelversorgung? Seit Jah- ren werfen die Krankenkassen und die Gesundheitspolitik den Vertragsärz- ten vor, zu viele, zu teure und – dies führt die „Hitliste“ der sogenannten Wirtschaftlichkeitsreserven an – „um- strittene Arzneimittel“ zu verordnen.

Jedes Jahr neu im Arzneiverord- nungsreport. Also: Nehmen wir die Politik beim Wort. Wenn die öffentli- chen Haushalte vorzeitig erschöpft sind, beschließen die Finanzminister Haushaltssperren und Bewirtschaf- tungsregeln. Wenn unsere Budgets vorzeitig erschöpft sind, müssen wir die Arznei- und Heilmittelversorgung

„bewirtschaften“, oder mit anderen Worten – man muß es nun einmal klar aussprechen –, wir müssen rationieren.

Niemand kann verlangen, daß Vertragsärzte ab Oktober oder No- vember 1996 die Verordnungskosten ihrer Patienten für Arznei- und Heil- mittel mit täglich rund 1 000 DM „be- zuschussen“. Zwar sollte kein Patient auf zwingend indizierte Arzneimittel verzichten müssen. Diese zu verord- nen gehört weiterhin zu den kas- senärztlichen Pflichten. Aber: Wir müssen nunmehr die uns angesichts

realer Existenzgefährdung aufge- nötigten „Wirtschaftlichkeitsreser- ven“ ausschöpfen, auch wenn sie fachlich, medizinisch und pharmako- logisch fraglich sein mögen. Die Poli- tik verlangt Rationierung. Die Bud- gets sind von den Krankenkassen und Schiedsämtern trotz aller Demogra- phie- und Innovationsargumente der Ärzteschaft faktisch so lange einge- froren worden, wie noch angebliche

„Wirtschaftlichkeits“- sprich: Ratio- nierungsreserven erkennbar sind.

Nur noch bei

zwingender Indikation

Also werden wir nur noch bei zwingender medizinischer Indikation verordnen, auch gegen die Wünsche von Patienten nur die preisgünstig- sten Generika auswählen, innovative Arzneimittel nur noch in Ausnahme- fällen berücksichtigen und vor allem keine „umstrittenen“ Arzneimittel auf Kassenrezept verschreiben, auch wenn dies alles auf direktem Wege in

eine einkommensabhängige Gesund- heitsversorgung führen mag. Massa- gen können angesichts bundesweiter Ausschöpfung der von Politik und Krankenkassen viel zu niedrig ange- setzten Heilmittelbudgets ab sofort nur noch in medizinisch zwingenden Ausnahmefällen verordnet werden.

Die Einzelheiten werden von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung in einer Beilage zum nächsten Heft des Deutschen Ärzteblattes erläutert.

Alle Vertragsärzte sind zur Mitwir- kung an der Vermeidung von Bud- getüberschreitungen aufgerufen. Wer meint, seine Verordnungsweise wie bisher beibehalten zu können, irrt:

Der Ausgleichsmechanismus eventu- eller Rückzahlungen aus dem Budget trifft jeden.

Der bitterste Weg der Erkennt- nis ist die Erfahrung. Diese Erfah- rung muß die Politik jetzt machen.

Was frühere Stellungnahmen der Ärzteschaft an Einsicht nicht vermit- teln konnten, lernt die Politik viel- leicht jetzt: Wer budgetiert, ratio- niert. Dr. med. Peter Schwoerer A-2742

P O L I T I K LEITARTIKEL/AKTUELL

(18) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 43, 25. Oktober 1996

Die Sorge um die Zukunft des deutschen Gesundheitswesens über- schattete auch den 49. Bayerischen Ärztetag (11. bis 13. Oktober 1996 in Füssen). Absolute Klarheit der ge- setzlichen Entscheidungen mahnte der Präsident der Bayerischen Lan- desärztekammer, der Allgemeinarzt Dr. Hans Hege (München), schon während der Eröffnungsveranstal- tung beim Bundesgesetzgeber an.

Wenn in der gesetzlichen Kran- kenversicherung der allumfassende Leistungsanspruch aufrechterhalten, ja noch gesteigert werde und wenn die Ärzte über Budgetierungen und Pau- schalierungen gezwungen werden, diesen Leistungsanspruch mit unzu- reichenden Finanzmitteln zu erfüllen,

dann dürfe man sich, so Dr. Hege, über Widerstand nicht wundern.

Nachdem die ökonomischen Steuerungsmaßnahmen der vergan- genen Reformgesetze von den Ärzten im ambulanten Bereich durch Hin- nahme von Honorarkürzungen und sinkenden Punktwerten und in den Kliniken, vor allem denen der Akut- versorgung, durch Hinnahme unzu- mutbarer Arbeitsbelastungen ausge- glichen wurden, sei die Grenze der Zumutbarkeit für die Ärzte in Sicht, betonte Hege in Anwesenheit von Repräsentanten der bayerischen Staatsregierung.

Die Bayerische Landesärztekam- mer hatte im Vorfeld des Ärztetages eine Umfrage bei den Leitenden Kli-

49. Bayerischer Ärztetag

Schmerzpunkte der

Berufspolitik

(2)

nikärzten des Landes gestartet mit dem Ziel, Erfahrungsberichte und entsprechende Meinungen aus den Kliniken zu Arbeitsbelastung und Pa- tientenversorgung zu erfahren, insbe- sondere auch im Hinblick auf die Auswirkungen des Arbeitszeitgeset- zes, das seit mehr als zwei Jahren in Kraft ist.

Alarmierende Umfrage

Die Ergebnisse der Umfrage sind alarmierend: 80 Prozent der Leiten- den Ärzte sind der Ansicht, daß bei der Durchführung des Arbeitszeitge- setzes ohne entsprechende Stellen- vermehrung die Qualität der sta- tionären Patientenversorgung und das Betriebsklima leiden. 75 Prozent monieren, daß sich die Arbeitsbela- stung des ärztlichen Personals durch verschärften Zeitdruck vermehrt.

Knapp 70 Prozent vermelden zuneh- mende berufliche Unzufriedenheit bei den Assistenzärzten und sich selbst. Ebenfalls 70 Prozent der Be- fragten beklagen fehlende ärztliche Planstellen. Dabei ist nach Auskunft der Leitenden Ärzte nur im Verant- wortungsbereich von 40 Prozent das Arbeitszeitgesetz vollständig umge- setzt.

Die Ergebnisse dieser Befra- gung zur stationären Versorgung –

zusammen mit der bekanntermaßen zunehmenden Überforderung der Ärzte im Bereich der ambulanten Versorgung – nahm der bayerische Kammerpräsident zum Anlaß für ei- ne an Politik und Öffentlichkeit ge- richtete Mahnung, „die vielfältigen Signale ärztlicher Überlastung und Unzufriedenheit nicht länger als Äußerung von ,purem Egoismus‘ ab- zutun, sondern sehr ernst zu nehmen als Aufbegehren gegen den immer schärfer empfundenen Konflikt zwi- schen den politisch gesetzten Außen- zwängen, einer mangelnden Klarheit der Rechtslage und dem ärztlichen Gewissen“.

Im Hinblick auf einen besorgnis- erregenden Rückgang der Zahl in Allgemeinmedizin weitergebildeter Ärzte hat der Bayerische Ärztetag, dessen 180 Delegierte rund 54 000 Ärzte repräsentieren, den Gesetzge- ber aufgefordert, zur Sicherstellung einer auch zukünftig ausreichenden allgemeinmedizinischen Versorgung der Bevölkerung die gesetzlichen Voraussetzungen für Rotationsstellen zu schaffen, die der Weiterbildung von angehenden Allgemeinärzten vorbehalten bleiben. An die Kranken- kassen appellierte er, die Weiterbil- dung in Allgemeinmedizin zu fördern.

Der Staatssekretär im Bayeri- schen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit, Dr. Gerhard Merkl,

hatte im Rahmen seiner Ansprache zur Eröffnung des 49. Bayerischen Ärztetages konzediert, daß das Kern- problem der Nachwuchsgewinnung in der Allgemeinmedizin die Stellenfra- ge im Gesamtgefüge der ärztlichen Weiterbildung ist. Der Staatssekretär plädierte für die Schaffung eines plan- baren ärztlichen Weiterbildungsgan- ge zur Allgemeinmedizin, eines de- taillierten, in sich geschlossenen und zukunftsweisenden Gesamtkonzep- tes, für das er in jüngsten Beschlüssen des Deutschen Ärztetages realistische Lösungsvarianten sieht.

Kritik an der Weiterbildungs- ordnung

Die geltende Weiterbildungsord- nung insgesamt ist bei diesem Bayeri- schen Ärztetag vehement in die Kri- tik geraten – nicht nur die enormen fi- nanziellen und administrativen Fol- gen der jüngsten Änderung der Wei- terbildungsordnung, sondern auch ihr Inhalt, insbesondere, so Dr. Hege,

„die langen Listen detaillierter Selbstverständlichkeiten“, die peni- ble Aufzählung von Leistungshäufig- keiten in verbindlichen Richtlinien.

Das Urteil des bayerischen Kammer- präsidenten, der sich mit fast allen seinen Präsidialkollegen in der Bun- desrepublik einig weiß: „Man muß heute konstatieren, daß die korrekte Beachtung der Weiterbildungsord- nung nach ihren Buchstaben in wei- ten Bereichen ohne unzumutbare Verlängerung der Weiterbildungszei- ten gar nicht möglich ist.“

Die Weiterbildungsordnung be- dürfe der Vereinfachung, der Präzi- sierung ihrer Ordnungsprinzipien, der Anpassung an das sinnvoll Mögli- che; sie dürfe nicht zur „Berufsaus- übungsregelung“ gemacht werden, sondern müsse ihren Charakter als Qualifikations- und Schilderordnung bewahren.

Die Delegierten forderten den Vorstand der Bayerischen Landesärz- tekammer auf, dem Vorstand der Bundesärztekammer einen Vorschlag zur Deregulierung der Weiterbil- dungsordnung vorzulegen und dem Bayerischen Ärztetag 1997 darüber

zu berichten. rr

A-2743

P O L I T I K AKTUELL

Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 43, 25. Oktober 1996 (19)

Gesundheitspolitik im Konsens

Der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Karsten Vilmar, erläu- terte den Bayerischen Delegierten zu Beginn ihrer Arbeitstagung am 12. Oktober im Füssener Kurhaus die wenige Tage zuvor von den Koali- tionsfraktionen fixierten Vorstellungen zur sogenannten 3. Stufe der Ge- sundheitsreform. Nach realistischer Einschätzung des Zeitplanes für die Beratung und Verabschiedung könnte das nicht mehr von der Zustim- mung des Bundesrates abhängige Gesetz am 1. Februar 1997 in Kraft tre- ten. Erst im November sei mit dem Entwurf eines weiteren (sogenannten Omnibus-)Gesetzes zu rechnen, das anderen regelungsbedürftigen Fra- gen der Sozialversicherung gewidmet sei.

Nachdem jetzt auch die SPD-Vorstellungen auf dem Tisch liegen, welche die Haltung des Bundesrates festschreiben dürften, unterstrich Dr. Vilmar vor den bayerischen Ärztedelegierten die am Vortag vom Vor- stand der Bundesärztekammer artikulierte Forderung nach einem Kon- sens zwischen Bundestag und Bundesrat und die Sorge des BÄK-Vor- standes, daß sich Gesundheitspolitik unmöglich auf die Dauer daran aus- richten könne, was zustimmungsbedürftig ist und was nicht.

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