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eu gründen, übernehmen oder eintreten – diese Optionen gibt es für Ärz- tinnen und Ärzte, die sich al- leine oder mit einem Partner niederlassen wollen. Mit In- Kraft-Treten des Gesundheits- strukturgesetzes im Jahr 1993 können jedoch Planungsberei- che mit Überversorgung ge- sperrt werden, sodass vielen Ärzten de facto nur die Wahl bleibt, eine Praxis zu überneh- men oder in eine solche einzu- treten. Eine Analyse von 1 800 in den Jahren 2000/2001 von der Apo-Bank durchgeführ- ten Finanzierungen von Pra- xisgründungen belegt dies: In den alten Ländern entfielen in diesem Zeitraum nur 20,4 Pro- zent aller Finanzierungen auf Praxisneugründungen; in den neuen Ländern waren es im- merhin 25,8 Prozent.Von den in die Auswertung einbezogenen Analysebogen entfielen 64,5 Prozent auf Ein- zelpraxisneugründungen oder -übernahmen, 33,1 Prozent der Finanzierungen bezogen sich auf Gründungen von Gemein- schaftspraxen, Praxisgemein- schaften oder Praxisbeitritten
und 2,4 Prozent der Finanzie- rungen wurden für sonstige Gründungsformen durchge- führt. Die gemeinsame Aus- wertung der Apo-Bank und des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung über das Investitionsverhalten von Ärztinnen und Ärzten in den Jahren 2000/2001* kon- zentriert sich auf die Finanzie- rungen von Einzelpraxen.
Eine Einzelpraxisneugrün- dung ist deutlich preiswerter als die Übernahme einer Ein- zelpraxis. Denn bei der Über- nahme zahlt der Arzt nicht nur einen Substanzwert für die übernommenen Geräte und die Ausstattung, sondern auch einen Preis für den immateriel- len Wert der Praxis („Good- will“). Dieser wird frei ausge- handelt. Der mittlere ideelle Wert bei der Praxisübernahme betrug in Westdeutschland in den Jahren 2000/2001 163 857 DM, wobei Psychothera- peuten/Psychiater im Mittel 91 000 DM bezahlten und Or- thopäden 263 552 DM. Für den Substanzwert der über- nommenen Praxis waren im Mittel 73 318 DM zu bezahlen.
Während der durchschnittlich gezahlte Substanzwert bei Pra- xisübernahme von 1988/1989 bis 2000/2001 moderat um 4,4 Prozent stieg (von 70 213 DM auf 73 318 DM), erhöhte sich der durchschnittlich gezahlte immaterielle Praxiswert im gleichen Zeitraum um 88,6 Prozent (von 86 878 DM auf 163 857 DM). Offensichtlich hat die vom damaligen Bun- desgesundheitsminister Horst Seehofer mit dem Gesund- heitsstrukturgesetz eingeführte Zulassungsbeschränkung zu einer Verteuerung bereits be- stehender Praxen geführt, die sich im Goodwill niederschlägt.
Das mittlere Finanzierungs- volumen einer Einzelpraxis lag im Westen in den Jahren 2000/2001 bei 371 845 DM (Osten: 240 948 DM), wobei die Ärzte bei Neugründungen durchschnittlich 274 356 DM (203 182 DM) aufnahmen und bei Übernahmen 407 131 DM (257 096 DM). Bei der Praxis- neugründung entfielen durch- schnittlich 60,4 Prozent (66,5 Prozent) auf die Investitionen für die Praxisausstattung und die medizinischen Geräte. 25,5 Prozent (24,8 Prozent) wurden für den Betriebsmittelkredit benötigt. 10,2 Prozent (4,9 Pro- zent) mussten für die Finanzie- rung von Bau- und Umbau- kosten aufgebracht werden.
Rund 3,9 Prozent (3,8 Pro- zent) entfielen auf die anteilige
Finanzierung des PKW sowie sonstige Gründungskosten.
Bei der Praxisübernahme machte das Übernahmeent- gelt 55,8 Prozent (51,3 Pro- zent) des Finanzierungsvolu- mens aus. Dieser Betrag setzt sich aus dem ideellen Praxis- wert sowie dem Substanzwert zusammen. Für die Neuan- schaffung medizinischer Ge- räte und Ausstattung wurden durchschnittlich 17,2 Prozent (22,2 Prozent) aufgewendet.
Auf den Betriebsmittelkredit entfielen 19,7 Prozent (20,3 Prozent) und auf die Finanzie- rung von Bau- und Umbauko- sten 4,4 Prozent (3,3 Prozent).
Bei den Finanzierungen zeigte sich ein Schwerpunkt der Einzelpraxisgründungen in Ballungsräumen: 52,6 Pro- zent (37,2 Prozent) aller fi- nanzierten Praxen lagen in ei- ner Großstadt, 27,6 Prozent (29 Prozent) in Mittelstädten und 16,1 Prozent (22,2 Pro- zent) in Kleinstädten. Ledig- lich 3,7 Prozent (11,6 Pro- zent) aller Finanzierungen wurden in ländlichen Gebie- ten durchgeführt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass 71,8 Prozent (71,5 Prozent) der Finanzierungen auf Spezia- listen entfielen, deren Nieder- lassung eher im städtischen Bereich erfolgt. Jens Flintrop
* Die vollständige Publikation ist im Internet unter www.aerzteblatt.de abrufbar.
V A R I A
Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 31–325. August 2002 AA2127
Praxisgründungen
Teurer Goodwill
Seit Einführung der Zulassungsbeschränkung steigt der immaterielle Wert der Arztpraxis bei Übernahme.
´ Tabelle 1CC
Ideeller Praxiswert und Substanzwert in DM bei Einzelpraxis- übernahme nach Arztgruppen 2000/2001
Arztgruppe Ideeller Wert Substanzwert
West Ost West Ost
Allgemeinärzte 134 028 67 735 56 775 32 235 Augenärzte 127 833 112 870 60 091 60 590 Chirurgen 213 692 160 000 133 577 54 000 Gynäkologen 178 912 129 055 77 360 40 582
HNO-Ärzte 181 945 87 000 90 459 47 000
Hautärzte 120 361 75 792 48 194 49 269
Internisten 173 103 117 447 76 648 58 367 Kinderärzte 165 733 79 663 51 703 27 038 Nervenärzte/
Neurologen 105 342 – 52 083 –
Orthopäden 263 552 – 123 138 –
Psychotherap./
Psychiater 91 000 – 22 333 –
Urologen 198 571 112 800 92 500 145 000 Alle Ärzte 163 857 96 091 73 318 46 717 Quelle: Deutsche Apotheker- und Ärztebank, Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung 2002
´ Tabelle 2CC
Durchschnittliches Gesamtfinanzierungsvolumen in DM nach Arzt- gruppen in den Jahren 2000/2001 in Westdeutschland
Arztgruppe Einzelpraxen Gemeinschaftspraxen
(Finanzierungsbetrag je Partner) Neugründung Übernahme Überführung Praxis-
einer Einzelpraxis beitritt Allgemeinärzte 239 030 314 464 247 259 253 677 Augenärzte 572 843 415 800 482 333 356 650 Chirurgen 454 360 547 731 614 567 583 036 Gynäkologen 301 389 434 895 411 122 503 861
HNO-Ärzte 443 700 474 678 – 449 640
Hautärzte 301 800 358 241 – 322 714
Internisten 482 632 461 111 394 996 553 085 Kinderärzte 262 388 357 858 274 929 238 455 Nervenärzte/
Neurologen 194 059 292 504 237 960 231 267 Orthopäden 398 527 630 087 592 530 535 588 Psychotherap./
Psychiater 85 859 134 971 – –
Urologen – 497 404 342 600 443 340
Quelle: Deutsche Apotheker- und Ärztebank, Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung 2002 Wirtschaft