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Archiv "Idiopathischer Kleinwuchs" (22.03.1996)

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S

olide Tumoren des Kindes- und Adoleszenzalters unter- scheiden sich in vielfacher Hinsicht von denen des Er- wachsenenalters. So betreffen nur et- wa ein Prozent aller malig-

nen Tumoren das Kindes- alter, was für die Bundes- republik Deutschland bei einer Morbidität von 13 bis 14/100 000 Kinder et- wa 1 800 Neuerkrankun- gen pro Jahr bedeutet. Fer- ner kommen die bei Er- wachsenen so häufigen

„klassischen“ Karzinome bei Kindern nur sehr selten vor. Im Kindesalter domi- nieren dagegen Tumoren, die aufgrund einer gestör- ten Organ- und Gewebs- entwicklung entstehen. Es sind dies die sogenannten dysontogenetischen Tumo- ren, unter denen die gutar- tigen Hamartome, die bösartigen embryonalen Tumoren (wie Neurobla- stome, Nephroblastome, embryonale Rhabdomyo- sarkome, Medulloblasto- me) und die Keimzelltu- moren zu unterscheiden sind. Maligne Tumoren zei- gen häufig eine hohe Proli- ferationsaktivität und da-

mit ein besonders rasches Wachstum.

Darüber hinaus können Tumoren des ganz jungen Kindesalters (vor allem Neuroblastome) in einem kleinen Prozentsatz während des Verlaufes entweder Spontanregression oder Ausreifung bis hin zu gutartigen Tu- moren zeigen. Die Variationsbreite des histologischen Bildes an sich gut definierter Tumoren ist außerordent- lich groß, weshalb Tumoren einer Gruppe ganz verschiedenartig struk- turiert sein können; auch ein einziges

Tumorpräparat kann von Stelle zu Stelle unterschiedliche Differenzie- rungsmuster aufweisen. Hierdurch werden die diagnostische Einordnung und die Erkennung des mutmaßlichen

biologischen Verhaltens dieser Tumo- ren erschwert. Kinder mit Maligno- men können dank besonderer biologi- scher Eigenschaften der Tumoren, ins- gesamt gesehen, zu einem höheren Prozentsatz geheilt werden, als dies im Erwachsenenalter möglich ist.

Die pädiatrische Onkologie ist in Deutschland vorbildlich organisiert.

Für nahezu sämtliche kindertypi- schen Tumoren wurden durch die Ge- sellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie e.V. (GPOH) und ihre Vorläufergesellschaften – Deut- sche Arbeitsgemeinschaft für Leukämie-Forschung und -Behandlung im Kin- desalter (DAL, gegründet 1965) und die Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie (GPO, 1973) – kooperative Therapiestudien etabliert, so daß eine einheitliche Behandlung tumorkranker Kinder jeweils nach dem neuesten Stand des Wis- sens gewährleistet ist. Da prospektive Therapiestu- dien und risikoorientierte Behandlungsplanung eine einheitliche Klassifizie- rung und Subtypisierung von Tumoren erfordern und wegen der Seltenheit kindlicher Tumorerkran- kungen diese Aufgaben naturgemäß nur durch wis- senschaftliche Auswertung des Gewebsmaterials in enger Zusammenarbeit mit einem Referenzzen- trum möglich sind, wurde 1977 das Kieler Kindertu- morregister (KTR) auf Be- treiben von DAL und GPO und mit Unterstützung durch die Deutsche Gesellschaft für Patho- logie sowie die Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde als Zentrales Kindertumorregister bei der Gesell- schaft für Pädiatrische Onkologie e.V. gegründet und in der Abteilung für Paidopathologie im Klinikum der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel eingerichtet (2, 3, 9).

Einrichtung, Ausbau und Weiter- führung des Registers waren natur- gemäß mit erheblichen Kosten ver-

Kieler Kindertumorregister

Dieter Harms

Während der letzten Jahrzehnte ist es gelungen, die Hei- lungschancen für tumorkranke Kinder dramatisch zu ver- bessern. Im Kindesalter dominieren andere Tumortypen als im Erwachsenenalter. Da die Behandlungsrichtlinien stark vom jeweiligen Tumortyp abhängig sind, ist eine spezifizier-

te pathologisch-anatomische Diagnostik von Biopsie- und Tu- morpräparaten unbedingte Voraussetzung für die Planung und Durchführung einer Therapie. Hierbei sind auch die durch das Lebensalter der Patienten mitbestimmten biolo- gischen Besonderheiten der „Kindertumoren“ zu beachten.

Institut für Paidopathologie (Direktor: Prof. Dr.

med. Dieter Harms), Klinikum der Christian- Albrechts-Universität zu Kiel

Tabelle

Häufigste Tumoren und tumorförmige Läsionen im Kindertumorregister

Zahl der Präparate*) %

Embryonale Tumoren 4 060 20,4

Neuroblastome 1 333 6,7

Nephroblastome und Varianten 1 282 6,4

Rhabdomyosarkome (RMS) 1 045 5,2

Hepatoblastome 153 0,8

Sarkome (ohne RMS) 1 755 8,8

Ewing-Sarkome 419 2,1

Maligne periphere

neuroektodermale Tumoren 411 2,1

Osteosarkome 171 0,9

Maligne periphere

Nervenscheidentumoren 177 0,9

Keimzelltumoren 995 5,0

Gefäßtumoren(meist benigne) 898 4,5 Langerhanszellhistiozytosen 529 2,7 Hirntumoren(inkl. Medulloblastome) 453 2,3

Karzinome 381 1,9

Maligne Lymphome**) 2 667 13,4

Diverse (überwiegend benigne)

Tumoren sowie tumorfreie Proben 8 206 43,8

Total 19 944

*) Die Zahlen gestatten keinen Rückschluß auf die epidemiologische Verteilung der Tumoren

**) Aus oder in Zusammenarbeit mit dem Kieler Lymphknotenregister

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bunden. Die für seine Arbeit erfor- derlichen finanziellen Mittel wurden dem Register jedoch von verschiede- nen „Seiten“, ebenso großzügig wie vertrauensvoll, zur Verfügung ge- stellt. Von 1977 bis 1982 hatte die Stif- tung Volkswagenwerk das Register finanziert, im Anschluß daran erfolg- te die Finanzierung des Personals durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (Programm der Bundesregierung zur Krebsbekämp- fung), und von 1990 an

haben die Kranken- kassen die Anschluß- finanzierung für das Personal lückenlos übernommen. Zusätz- liche Unterstützung in zum Teil erheblichem Umfang erhielt das Register durch die Deutsche Leukämie- Forschungshilfe – Ak- tion für krebskran- ke Kinder e.V. –, die Deutsche Krebshilfe, die Deutsche For- schungsgemeinschaft, die Gesellschaft für

Pädiatrische Onkologie und Hämato- logie und die Schleswig-Holsteinische Krebsgesellschaft e.V.

Aufgaben des

Kindertumorregisters

Dem KTR wurden folgende Auf- gaben gestellt:

1 Sammlung und wissenschaft- liche Auswertung von Tumorprä- paraten.

1 Beratung bei der Diagnostik von schwierigen Tumorpräparaten so- wie Mitarbeit bei der Klassifizierung von soliden Tumoren des Kindesalters.

1 Publikation der im Register ermittelten Daten.

1 Funktion als Referenzzen- trum für kooperative Therapiestudien.

Epidemiologische Untersuchun- gen zur Häufigkeit und geographi- schen Verteilung der Kindertumoren gehören nicht zu den Aufgaben des Kieler KTR. Diese Aufgaben werden durch das ebenfalls auf Initiative von GPO und DAL 1979 in Mainz durch Prof. Dr. J. Michaelis gegründete Kin- derkrebsregister, das eine Kombinati-

on eines epidemiologischen und eines klinischen Krebsregisters ist, wahrge- nommen.

Untersuchungsgut des Kindertumorregisters

Der Datenbestand des KTR um- faßt bei der letzten Auswertung (Ja- nuar 1995) 19 944 Präparate von 16 560 Patienten. Die Tabellezeigt die

häufigsten Tumorgruppen bezie- hungsweise Tumorentitäten, wobei Tumorsubtypen hierbei nicht berück- sichtigt sind. Danach sind Neurobla- stome (n=1 333), bösartige Nierentu- moren (n=1 282, davon stark überwie- gend die Nephroblastome) und Rhab- domyosarkome (n=1 045) besonders zahlreich.

Zusätzlich zu den Rhabdomyo- sarkomen, den mit weitem Abstand häufigsten Weichteilsarkomen des Kindesalters, wurden 1 755 anderwei- tige Sarkome registriert, hierun- ter insbesondere Ewing-Sarkome (n=419), die teils össär, teils auch extraossär aufgetreten sind, und 411 maligne periphere neuroektoder- male Tumoren (MPNT; Synonym: pe- riphere primitive neuroektodermale Tumoren [pPNET]).

Maligne periphere neuroekto- dermale Tumoren sind viel häufiger als früher angenommen. Sie sind im Untersuchungsgut des KTR die zweithäufigsten Weichteilmalignome (7). Das KTR hat wesentlich daran mitgearbeitet, diesen Tumor, der dem Ewing-Sarkom zwar histogene- tisch verwandt ist, sich von diesem je- doch hinsichtlich Tumorlokalisation, Histologie, Zytologie, Immunhisto- chemie und Prognose unterscheidet, als besondere Entität zu definieren (12, 13).

Eine weitere große Gruppe von Tumoren umfaßt die Keimzelltumo- ren (n=995), die sich gonadal und ex- tragonadal manifestieren können.

Unter diesen sind reife und unreife Teratome sowie Dottersacktumoren die häufigsten Tumortypen (etwa 30 Prozent, 21 Prozent oder 18 Prozent der Keimzelltumoren).

Da der Dottersacktumor bei Adulten in reiner Form nur sehr sel- ten ist (er kommt dann meistens als Dottersacktumor-Komponente in ma-

M E D I Z I N AKTUELL

Abbildung 1: Nephroblastom (Wilms-Tumor), von einer dünnen (Pseudo-) Kapsel begrenzt. Brüchige Konsistenz. Hämorrhagische Nekrosen.

1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 0,0

0 1 2 3 4 5 Jahre

Wahrscheinlichkeit für Überleben Grafik 1

Überlebenswahrscheinlichkeit von Kindern mit bösartigen Nierentumoren. Die 3-Jahres-Überlebensrate be- trägt für das Gesamtkollektiv (sämtliche Risikogruppen zusammengefaßt) 0,91 (= 91 Prozent). Daten aus der Nephroblastomstudie SIOP 9/GPOH (A. Weirich, N. Graf, H. Ludwig) nach Referenzhistologie.

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lignen Keimzelltumoren aus mehr als einem histologischen Typ vor), ist der Dottersacktumor folglich als für das Kindes- und Adoleszenzalter hoch- charakteristischer Tumortyp zu eti- kettieren.

Das Untersuchungsgut enthält ferner Präparate von 453 Hirntu- moren (hier sämtliche Tumortypen zusammengefaßt), 381 Karzinomen und 529 Langerhanszellhistiozytosen.

Unter den benignen Läsionen sind Hämangiome mit Abstand am häufig- sten.

Im Prinzip erstreckt sich das Ma- terial des KTR auf das gesamte Spek- trum der im Kindes- und Jugendalter vorkommenden gutartigen und bös- artigen Tumoren, doch gibt die pro- zentuale Verteilung der verschiede- nen Tumortypen nicht die tatsächli- che relative Häufigkeit dieser Tumo- ren wieder, da das Untersuchungsgut insofern selektioniert ist, als das Kieler Kindertumorregister nicht an sämtlichen kooperativen Therapie- studien der GPOH als primäres Refe- renzzentrum beteiligt ist.

Das betrifft vor allem Hirntumo- ren, Osteosarkome und Retinoblasto- me, die mithin im KTR zahlenmäßig stark unterrepräsentiert sind.

Dessen ungeachtet enthält die Sammlung des KTR notwendigerwei- se auch zahlreiche Präparate von sehr seltenen Tumortypen und -Varianten, die diagnostisch häufig besonders problematisch sind und dem Register

meist mit der Bitte um konsiliarische Beurteilung oder Bestätigung der Diagnose zugesandt werden.

Tumordiagnostik und -klassifikation

Die Tumordiagnostik nimmt na- turgemäß einen weiten Raum in der täglichen Arbeit des KTR (wie eines jeden Pathologen überhaupt) ein.

Voraussetzung hierfür ist eine breit gefächerte Methodologie. Neben der konventionellen Lichtmikroskopie, die nach wie vor das unverzichtbare

„A und O“ jedweder Tumordiagno- stik ist, der Immunhistochemie, der Elektronenmikroskopie, der DNA- Zytophotometrie finden zusätzlich

moderne Molekularbiologie und (in Zusammenarbeit mit Zytogeneti- kern) zytogenetische Untersuchungs- techniken zunehmend Anwendung in der Tumorpathologie. Diese Techni- ken dienen teils der Vervollständi- gung der Diagnostik, teils tragen sie dazu bei, das biologische Verhalten eines aktuellen Tumors präziser zu er- kennen.

Für die Absicherung einer Dia- gnose bedeutet insbesondere die rasch durchführbare Immunhistoche- mie einen geradezu revolutionären Fortschritt. So ist etwa der Prozent- satz der letztlich unklassifizierten Weichteilsarkome nach Einführung der Immunhistochemie von 17,6 Pro- zent auf 4,5 Prozent zurückgegangen.

Dennoch bleibt ein „Rest“ an Tumoren, der trotz aller Bemühun- gen und trotz des in einem Register naturgemäß vorhandenen Spezial- wissens unklassifizierbar bleibt. Das kann materialbedingt (zu kleine, möglicherweise nicht repräsentative Gewebsproben; Artefakte durch Biopsie oder falsche Materialaufbe- reitung) oder in einer auch mit mo- derner Untersuchungstechnik nicht erkennbaren Tumordifferenzierung begründet sein.

Mitarbeit des KTR an kooperativen

Therapiestudien

Das KTR ist an vielen kooperati- ven Therapiestudien der GPOH über solide maligne Tumoren als diagno- stisches Referenzzentrum beteiligt, insbesondere Neuro- blastome, Nephro- blastome, Weichteil- sarkome, Ewing-Sar- kome, Keimzelltumo- ren, Langerhanszellhi- stiozytosen und Hepa- toblastome betreffend.

Dank vorbildlicher Ko- operation der vor Ort tätigen Patho- logen mit dem KTR ist es bei der über- wiegenden Mehrzahl der tumorkranken Kin- der möglich gewor- den, daß das Ergebnis der referenzpathologi- Abbildung 2: Klassischer triphasischer Wilms-Tumor: Kleinzelliges, prolife-

rationsaktives Blastem (links), unreife Tubuli und zellarmes Stroma. HE, Originalvergrößerung: 280:1.

0 1 2 3 4 5 Jahre

1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 0,0

Wahrscheinlichkeit für Überleben Grafik 2

Überlebenswahrscheinlichkeiten von Kindern mit bösartigen Nierentumoren in Abhängigkeit vom Malignitäts- grad. Rote Kurve: sogenannte günstige Histologie (n=25); blaue Kurve: Standardmalignität (n=400); grüne Kurve: sogenannte ungünstige Histologie (n=53). Die 3-Jahres-Überlebensraten betragen 0,96, 0,94 bezie- hungsweise 0,60. Daten aus der Nephroblastomstudie SIOP 9/GPOH nach Referenzhistologie.

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schen Untersuchung schon vor Thera- piebeginn vorliegt und daß dem Regi- ster in einigen Therapiestudien nahe- zu sämtliche Tumoren oder Teile von solchen zugänglich gemacht werden, in der aktuellen Nephroblastomstu- die der GPOH sogar in fast 100 Pro- zent. Die im Rahmen

der verschiedenen Therapiestudien er- stellten Diagnosen werden gelegentlich durch Fachkollegen im Rahmen eines Patho- logenpanels überprüft.

So werden die Diagno- sen abgesichert (oder gegebenenfalls korri- giert), was für die Be- urteilung der Behand- lungsergebnisse in The- rapiestudien von un- schätzbarem Vorteil ist. Neben einer exak- ten Diagnostik sind für die Beurteilung der

Tumorbiologie für viele Tumoren auch ein Tumorgrading und die Er- kennung von besonderen Tumorvari- anten notwendig. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß (besonders in der pädiatrischen Onkologie, aber auch in der onkologischen Hämatolo- gie) viele Grading- und Subklassifika- tionsprozeduren nicht auf dem natür- lichen Verlauf, sondern auf dem Ver- lauf unter einer derzeit üblichen The- rapie basieren; denn der Malignitäts- grad oder das biologische Verhalten eines solchen Tumors kann durch die Behandlung wesentlich modifiziert werden (4, 6).

Das sei am Beispiel der malignen Nierentumoren demonstriert (Abbil- dung 1), die zu Beginn dieses Jahr- hunderts in 90 Prozent der Patienten (weitgehend unabhängig vom histolo- gischen [Sub-]Typ) zum Tode geführt haben und gegenwärtig in über 90 Prozent erfolgreich behandelt werden können (Grafik 1).

Nach der GPOH-Klassifikation für maligne Nierentumoren (5, 11, 14) unterscheidet man drei Gruppen von Tumoren mit jeweils unterschiedli- cher Morphologie, Prognose (Grafik 2)sowie Häufigkeit (Häufigkeitsver- teilung siehe [5]):

1. Tumoren von niedriger Mali- gnität (sogenannte günstige Histolo-

gie). Bei dieser Tumorgruppe, sie um- faßt nach Daten des KTR 9,3 Prozent der Fälle, ist die Prognose in aller Regel so günstig, daß eine komplette Tumorentfernung, meist durch Ne- phrektomie, als alleinige therapeuti- sche Maßnahme ausreicht. Konnatale

mesoblastische Nephrome und zysti- sche, partiell differenzierte Nephro- blastome sind die wichtigsten Tumor- typen dieser Gruppe.

2. Tumoren von histologischer Standardmalignität. Diese Tumor- gruppe ist mit 77,8 Prozent der Präpa-

rate mit Abstand am größten. Sie enthält die üblichen Nephroblasto- me beziehungsweise Wilms-Tumo- ren (mit Ausnahme anaplastischer Wilms-Tumoren). Kinder mit derarti- gen Tumoren werden nach dem SIOP9/GPOH-Protokoll (Einzelhei- ten siehe Ludwig et al. [10]) behan- delt, meist mit präoperativer und obli-

gat mit postoperativer Chemothera- pie. Unter diesen Bedingungen ist die Prognose ähnlich günstig wie bei den lediglich operierten Kindern der Gruppe 1 (Grafik 2).

3. Tumoren von hoher Mali- gnität (sogenannte ungünstige Histo- logie). Zu dieser, histogenetisch hete- rogenen Gruppe (13 Prozent der Präparate) zählen die anaplastischen Wilms-Tumoren, das Klarzellensar- kom der Niere und der maligne Rhab- doidtumor der Niere, bei denen (Aus- nahme: anaplastische Wilms-Tumo- ren im Stadium I) eine auf das Tumor- stadium bezogene Therapie nicht aus- reicht. Trotz zum Teil sehr aggressiver Behandlung ist die Prognose bei Tu- moren dieser Gruppe nach wie vor ungünstig (Grafik 2).

Dieses Einteilungsschema hat sich in der Praxis bewährt (10). Unab- hängig davon bedeutet eine derartige Einteilung aber auch eine Vereinfa- chung.

Nephroblastome von Standard- malignität (Gruppe II) sind nämlich histologisch keineswegs gleichartig strukturiert, vielmehr können Wilms- Tumoren sehr unterschiedliche Dif- ferenzierungsmuster zeigen. Die ty- pischen Komponenten eines Wilms- Tumors, Blastem, Tubuli und Stro- ma, können zu etwa gleichen Teilen ver- teilt sein. Dann liegt ein Mischtyp eines Nephroblastoms vor (Abbildung 2). Domi- niert eine der genann- ten Komponenten und macht diese minde- stens zwei Drittel der geschnittenen Tumor- flächen aus, werden diese Tumoren nach der jeweiligen Haupt- komponente als bla- stemreiche (Abbil- dung 3), epithelreiche (Abbildung 4) oder stromareiche Wilms-Tumoren be- zeichnet (1). Sind die regressiven Veränderungen nach präoperativer Chemotherapie besonders intensiv und deshalb die einzelnen Tumor- komponenten nicht mehr quantifi- zierbar, dann liegt ein Wilms-Tumor mit starken regressiven Veränderun- gen vor. Durch klinisch-pathologi-

M E D I Z I N AKTUELL

Abbildung 3: Sehr zellreicher blastemischer Wilms-Tumor. Zwischen den in- dividuellen Zellkomplexen ein fibrovaskuläres Stroma. Goldner, Original- vergrößerung: 140:1.

Abbildung 4: Epithelreicher Wilms-Tumor mit zahlreichen tubulären Struk- turen. HE, Originalvergrößerung: 280:1.

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sche Korrelation ließ sich nun in der GPOH-Studie zeigen, daß die Pro- gnose bei diesen Subtypen trotz ein-

heitlicher Therapie keineswegs iden- tisch ist (Grafik 3): Epithel- und stro- mareiche Wilms-Tumoren sind pro- gnostisch günstiger als blastemreiche

Tumoren. Daraus ist abzuleiten, daß epithel- und stromareiche Wilms-Tu- moren einerseits und blastemreiche Wilms-Tumoren anderer- seits die Extreme eines prognostisch durchaus re- levanten Spektrums klas- sischer Wilms-Tumoren bilden. Diese Unterschie- de in der Prognose inner- halb einer Tumorgruppe sind zwar statistisch (noch?) nicht signifikant, zwingen aber dennoch zu besonderer Aufmerksam- keit. Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig die Sammlung und die einheitliche wis- senschaftliche Auswer- tung von Tumorpräpara- ten in kooperativen The- rapiestudien sind. Analo- ges gilt auch für die übrigen Therapiestudien der GPOH. Zusammen- fassend: Der Pathologe ist zwar kein Therapeut, er kann aber durch sorgfälti- ge Aufarbeitung von Tu- morpräparaten den Klinikern bei der Planung und Durchführung einer am Erkrankungsrisiko adaptierten The- rapie helfen. Das ist die vornehmste

Aufgabe des Kieler KTR bei der Ge- sellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie.

Danksagung: Herr Prof. Dr.

Dres. h. c. K. Lennert, ehem. Direktor des Instituts für Allgemeine Patholo- gie und Pathologische Anatomie der Universität Kiel, hat mich bei Ein- richtung und Ausbau des Kindertu- morregisters tatkräftig unterstützt.

Dafür sei herzlich gedankt. Besonde- rer Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. K.

Sauter, Direktor des Instituts für Me- dizinische Informatik und Statistik der Universität Kiel, für wesentliche Amtshilfe bei der Dokumentation der Daten.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1996; 93: A-746–754 [Heft 12]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Dieter Harms Institut für Paidopathologie der Universität

Michaelisstraße 11 24105 Kiel

epithelreich stromareich regressiv

Mischtyp blastemreich TOTAL

0/24 1/43

= 2 % 11/111

= 10 %

17/140

= 12 % 8/52

= 15 % 39/370

= 10,5 % Nephroblastome von intermediärer (Standard) Malignität

Histologische Subtypen und Rezidivrate (n = 370) Grafik 3

Unterschiedliche Rezidivraten bei den verschiedenen Subtypen von Wilms-Tumoren von histologischer Standardmalignität. Blastemreiche Wilms-Tumoren haben am häufigsten zu Tumorrezidiven beziehungs- weise Metastasen geführt. Daten aus der Nephroblastomstudie SIOP 9/GPOH (R. Ludwig, A. Weirich, N. Graf) nach Referenzhistologie. (Mit Genehmigung des Springer Verlags, Heidelberg, aus Monatsschr Kin- derheilkd 1995; 143: 562–566) (8).

Eine Arbeitsgruppe aus Hong- kong untersuchte den Stellenwert von subkutanem niedermolekularem He- parin in der Akuttherapie des ischämi- schen Schlaganfalls. Innerhalb von 48 Stunden nach dem Akutereignis wur- de bei 312 Patienten randomisiert eine hohe Dosis Nadroparin (zweimal 4 100 Anti-Faktor Xa Einheiten) mit einer niedrigen Dosis (einmal 4 100 Anti-Faktor Xa Einheiten) und Plaze- bo verglichen. Untersucht wurden Mortalität und neurologischer Status nach sechs Monaten, weiteres Interes- se galt der hämorrhagischen Transfor- mation der Apoplexie sowie Früh- komplikationen.

In der Hochdosis-Heparin-Grup- pe waren nach sechs Monaten 45 Pro- zent der Patienten verstorben oder wie- sen ein erhebliches neurologisches De- fizit auf. Bei der Niedrig-Dosis-Gruppe

lag diese Zahl bei 52 Prozent, die Plaze- bo-Gruppe wies mit 65 Prozent das schlechteste Ergebnis auf. Bezüglich der Frühkomplikationen ergaben sich dagegen zwischen den Gruppen keine signifikanten Unterschiede. acc Kay R et al: Low-molecular-weight hepa- rin for the treatment of acute ischemic stroke. N Engl J Med 1995; 333: 1588–93.

Dr. Kay, Dep. of Medicine, Prince of Wales Hospital, Shatin, Hongkong

Idiopathischer Kleinwuchs, der nicht durch einen Mangel an Wachs- tumshormonen (GH) hervorgerufen ist, wird wahrscheinlich durch ver- schiedene Defekte bedingt. Manche dieser Kinder weisen als möglichen

Hinweis auf eine partielle GH-Insen- sitivität niedrige Konzentrationen von GH-Rezeptor-Protein auf.

In einer amerikanisch-schwedi- schen Untersuchung an 14 kleinwüch- sigen Kindern mit normaler GH-Se- kretion und erniedrigten Serumkon- zentrationen von GH-Rezeptor-Pro- tein konnten gentechnologisch bei vier Kindern Mutationen in der Regi- on des GH-Rezeptorgens nachgewie- sen werden. In allen vier Fällen lagen unterschiedliche Mutationen des GH- Rezeptorgens vor. Die Ursache des Kleinwuchses der anderen zehn Kin- der konnte nicht nachgewiesen wer-

den. acc

Goddard AD, et al.: Mutations of the growth hormone receptor in children with idiopathic short stature. N Engl J Med 1995; 333: 1093–8.

Dr. Goddard, Dep. of Molecular Biology, Genentech. Inc., 460 Point San Bruno Blvd, South San Francisco, CA 94080, USA

Niedermolekulares Heparin beim Schlaganfall

Idiopathischer

Kleinwuchs

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