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Archiv "Neue Rechtslage: Hürden niedriger" (12.04.1996)

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B

ei regionaler Betrachtung zei- gen sich überdurchschnittliche Zuwächse in den südlichen Lan- desteilen: Saarland +180 Prozent, Nordbaden +147 Prozent, Südwürt- temberg +157 Prozent und Bayern +86 Prozent. Mit diesen Zuwächsen wird aber das seit jeher bestehende starke Nord-Süd-Gefälle kaum be- einflußt. Nach wie vor werden die meisten Drogenpatienten in Nord- rhein (2 242), Niedersachsen (1 829) und Hamburg (1 800) versorgt. Be- sondere Hochburgen sind weiterhin die Stadtstaaten Hamburg, Berlin und Bremen: sie umfassen neun Pro- zent der Bevölkerung, aber 28 Pro- zent der Methadonpatienten zu La- sten der Krankenkassen.

Bundesweit wird bei 85 Prozent der Drogenpatienten, die zu Lasten der Krankenkassen Methadon bezie- hungsweise Polamidon erhalten, nach den relativ restriktiven NUB-Richtli- nien (neue Untersuchungs- und Be- handlungsmethoden) verfahren. Nur in Hamburg und Schleswig-Holstein gelten derzeit befristete Sonderverträ- ge, die fast jedem Substitutionswilli- gen Ersatzmittel gewähren. Beim NUB-Verfahren wird dagegen zur Auswahl anspruchsberechtigter Ab- hängiger eine Indikationsliste einge- setzt. Auch im Jahr 1995 stehen wie- der die Fälle, die auf die Restkategorie

„vergleichbar schwere Erkrankung“

dieser Liste entfallen, an erster Stelle der Häufigkeiten (44 Prozent). Gera- de diese Indikation variiert in regiona- ler Hinsicht erheblich. So entfallen et-

wa in Hessen auf diese Kategorie 85 Prozent der nach NUB substituierten Patienten, in Niedersachsen 39 Pro- zent und im Saarland nur zehn Pro- zent. Dem entspricht offensichtlich ei- ne unterschiedliche Entscheidungs- praxis der für die Genehmigungen zu- ständigen KV-Kommissionen in den Regionen. Die Frage, unter welchen

Voraussetzungen ein Anspruch auf Substitution begründet sein sollte, wird seit jeher kontrovers diskutiert.

Ob die vom ZI ermittelte Gesamtzahl substituierter Patienten als hoch oder gering eingestuft wird, hängt letztlich von der Antwort auf diese Frage ab.

Unabhängig davon kann aber schon jetzt gesagt werden, daß die ZI- Daten dazu tendieren, die Zahl der regulär substituierten Patienten zu überschätzen. Das liegt an der hohen Fluktuation der in Anspruch nehmen- den Abhängigen und der angewende- ten Methode der Datengewinnung, der Stichtagserhebung. Die Zahl der längerfristig Substituierten ist gerin- ger als die zum Stichtag bei den KVen Registrierten. Denn die infolge von zeitweiligem „Beigebrauch“ oder we- gen Behandlungsabbruchs nicht mehr erscheinenden Patienten werden, wenn überhaupt, nur mit zeitlicher Verzögerung abgemeldet, um die Chance der Weiterbehandlung offen- zuhalten. Dies macht auch die erheb- liche Differenz deutlich, die sich zwi- schen ZI-Daten und den aus der Ab- rechnungsstatistik abgeleiteten Pati- entenzahlen ergibt.

Aus Abrechnungsdaten lassen sich eben nur fiktive Patienten errech- nen, unter der Annahme, daß sie täg- lich lückenlos ihren Ersatzstoff erhal- ten. Diese Annahme ist aber nicht rea- listisch. Nach dem Abgleich mit der Abrechnungsstatistik dürfte die Zahl der längerfristig zu Lasten der Kran- kenkassen Substituierten eher bei et- wa 10 000 Patienten liegen. Die Zahl der mit Methadon beziehungsweise Levomethadon versorgten Patienten, einschließlich der von den Sozialäm- tern finanzierten Fälle und der Selbst- zahler, schätzt das Zentralinstitut auf knapp 20 Prozent aller Opiatab- hängigen. Nachdrücklich wird vom Zentralinstitut auch darauf hingewie- sen, daß ein großer Teil der Metha- donpatienten nicht angemessen ver- sorgt ist, solange ein quantitativ und qualitativ ausreichendes Angebot für die therapiebegleitende psychosoziale Betreuung nicht zur Verfügung steht.

Ohne eine qualifizierte psychosoziale Betreuung könnten die Chancen, die die Substitution eröffne, nicht hinrei- chend genutzt werden.

Dr. phil. Ingbert Weber, Zentralinstitut, Köln A-954 (30) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 15, 12. April 1996

T H E M E N D E R Z E I T BERICHTE

Methadonsubstitution

Geringerer Zuwachs an Patienten

Tabelle

Substituierte Patienten gemäß NUB (Stichtag 1. April 1995)

Regionen NUB-

Patienten

Bayern 905

Berlin 1 149

Bremen 862

Hamburg 1) –

Hessen 1 789

Koblenz 66

Niedersachsen 1 829

Nordbaden 373

Nordrhein 2 242

Nord-Württemberg 273

Pfalz 242

Rheinhessen 137

Saarland 81

Schleswig-Holstein 177

Südbaden 173

Südwürttemberg 96

Trier 14

Westfalen-Lippe 1 083

1) Die Zahl der in Hamburg zu Lasten der Kas- sen, aber außerhalb des NUB-Verfahrens sub- stituierten Patienten wird auf 1 800 geschätzt.

Rund 13 500 drogenabhängige Patienten sind bei den Kassenärztlichen Vereini-

gungen der alten Bundesländer registriert, bei denen im Rahmen der ver-

tragsärztlichen Versorgung die Substitution durchgeführt wird. Dies ergab die Er-

hebung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (ZI) zum Stichtag

1. April 1995. Gegenüber dem Vorjahr ist die Zahl substituierter Patienten um

33 Prozent gestiegen. Der jüngste Zuwachs ist damit deutlich geringer ausgefal-

len als im Zeitraum 1993/94, als ein Plus von 106 Prozent verzeichnet wurde.

(2)

A-955 Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 15, 12. April 1996 (31)

T H E M E N D E R Z E I T KOMMENTAR

Die Meldungen über eine angeb- lich erhöhte Sterberate bei Metha- donpatienten in Düsseldorf haben die Öffentlichkeit beunruhigt und auch substituierende Ärzte verunsichert.

Der Sachverhalt: Bei etwa 3 000 bis 5 000 Drogenabhängigen in Düs- seldorf wurden im letzten Jahr 25 Herointote registriert; das entspricht einer Rate von 0,8 bis 0,5 Prozent. Im gleichen Zeitraum gab es in Düssel- dorf bei den 218 gemäß NUB-Richtli- nien substituierten Methadonpatien- ten mindestens neun Todesfälle, de- ren Umstände (noch) unklar sind.

Letztere entsprechen einer Rate von 4,1 Prozent. Derzeit läßt die Staatsan- waltschaft diese Fälle gerichtsmedizi- nisch daraufhin untersuchen, ob ein Zusammenhang mit Drogenbeige- brauch besteht.

Wie sind die Zahlen zu bewerten, was läßt sich aus ihnen folgern?

Zunächst muß der in der Bericht- erstattung erzeugte falsche Eindruck deutlich zurückgewiesen werden, die Drogentoten seien gestorben, weil ih- nen Methadon verabreicht worden sei.

Vielmehr sind sie gestorben, obwohl sie den Ersatzstoff erhalten haben. Bis heute deutet nichts darauf hin, daß die Vergabe nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt sei.

Referenzgrößen fehlen

Es ist nicht von der Hand zu wei- sen, daß gelegentlich auch Substitu- ierte unter den Drogentoten zu finden sind, dies ist auch aus anderen Regio- nen bekannt. Hierbei handelt es sich in der Regel um Mischintoxikationen, das heißt, es sind neben Methadon re- gelwidrig weitere Drogen konsumiert worden. Dieser sogenannte Beige- brauch bei substituierten Patienten läßt sich nicht ganz ausschließen. Es sprechen sogar gute Gründe dafür, ihn für eine Übergangszeit zu tolerieren, um den langfristigen Erfolg der Sub- stitution nicht zu gefährden. Aller- dings erscheinen Verbesserungen im

Hinblick auf Vorsichts- beziehungs- weise Kontrollmaßnahmen denkbar.

Was die Argumentation selbst betrifft, nach der eine „erhöhte“ Ster- berate bei Substituierten aufgefallen sei, so sind hier seitens der Kritiker wichtige Aspekte nicht bedacht wor- den. Der Zugang zur Substitution gemäß NUB erfolgt aufgrund einer negativen Selektion, und zwar in dem Sinn, daß insbesondere Abhängige mit bereits langer Suchtkarriere ver- sorgt werden, die entweder an einer schweren Erkrankung neben ihrer Suchtproblematik leiden oder die zu- mindest allen vorherigen Beeinflus- sungs- und Therapieversuchen wider- standen haben. Dies muß bei der Be- urteilung des Erfolgs oder Mißerfolgs dieses Therapieansatzes berücksich- tigt werden. Die Auswahl von Metha- donpatienten aufgrund der vorgege- benen NUB-Indikationen läßt also sogar eine höhere Sterberate erwar- ten als bei einem unausgelesenen Kol- lektiv von i. v.-Drogenabhängigen.

Ein Vergleich von Sterberaten aus so unterschiedlichen Kollektiven ist also nicht ohne weiteres sachgerecht. Ge- eignet wäre als Referenzgröße die Sterberate bei Methadonpatienten aus einer anderen Region Deutsch- lands. Da entsprechende Statistiken nicht geführt werden, steht sie nicht zur Verfügung.

In der Kontroverse um die Düs- seldorfer Drogentoten wird das Er- gebnis der kriminalpolizeilichen Stati- stik ins Feld geführt. Es ist daran zu erinnern, wie wenig verläßlich die Er- fassung der Drogenmortalität durch die zuständigen Dienststellen der Kri- minalpolizei ist. Man muß davon aus- gehen, daß diese Statistiken die Zahl der drogenbedingten Todesfälle un- terschätzen. Bekannt sind auch große regionale Unterschiede, sowohl, was Sorgfalt und Engagement betrifft, mit der entsprechende Nachforschungen betrieben werden, als auch, was die ermittelten Raten betrifft. So wurde beispielsweise für das Jahr 1991 als Sterberate für die Hamburger Dro- genkonsumenten 3,86 Prozent ausge- wiesen, was in etwa der in Düsseldorf als „überhöht“ bezeichneten Sterbe- rate bei Methadonpatienten ent- spricht. IW

Methadonsubstitution

„Erhöhte“ Sterberate?

Nach der jüngsten Grund- satzentscheidung des Bundessozial- gerichts (Az.: 6 RKa 62/94) gilt auch weiterhin, daß der Ersatz von Hero- in durch Methadon allein noch kei- ne Krankenbehandlung darstellt, die von den Krankenkassen zu be- zahlen ist. Allerdings müssen die ge- setzlichen Krankenkassen künftig auch dann die Kosten für die Substi- tution mit dem Ersatzstoff überneh- men, wenn die Betroffenen neben ihrer Suchtproblematik eine Krank- heit aufweisen, deren erfolgverspre- chende Behandlung die „Beherr- schung“ der Opiatabhängigkeit vor- aussetzt und somit auch die Vergabe von Methadon. Dieses Votum zielt darauf ab, daß die mancherorts sehr eng ausgelegten Grenzen für einen Anspruch auf kassenfinanzierte Substitution erweitert werden. Der Forderung der Kassenärztlichen

Vereinigung Nordrhein in diesem Prozeß, als Voraussetzung die mög- liche Lebensgefahr für abhängige Patienten festzuschreiben, ent- sprach das Gericht nicht.

Gleichzeitig entschied das BSG, daß Drogenabhängige und, sofern sie versichert sind, die für sie zuständige Krankenkasse künftig an der Entscheidung über die Zulässigkeit einer Methadon-The- rapie beteiligt werden müssen. Der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen wird verpflichtet, die seit 1990 gültigen NUB-Richtli- nien über Methadon entsprechend zu ändern. Damit soll den Kassen offenbar die Möglichkeit gegeben werden, bei Fällen, für die eine zeit- lich befristete Vergabe des Metha- don indiziert ist, eine Finanzierung auf unabsehbare Dauer abwehren

zu können. IW

Neue Rechtslage: Hürden niedriger

Referenzen

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