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Archiv "Renale Wirkungen und Nebenwirkungen der Angiotensin-Rezeptor-Antagonisten" (21.12.1998)

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Academic year: 2022

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(1)

it den Antagonisten der Typ-1-Rezeptoren von An- giotensin II (AT1RA) ha- ben wir, neben den ACE-Hemmern, eine zweite Klasse von Pharmaka zur Verfügung, die das Renin-Angioten- sin-System hemmen (16). Wir setzen die AT1RA und die ACE-Hemmer – in der Praxis und in klinischen Stu- dien – zur Behandlung von Patien- ten mit Hypertonie, Herzinsuffizienz oder Niereninsuffizienz ein. Grafik 1 veranschaulicht die Angriffspunkte der beiden Pharmaka. Von den ACE- Hemmern wissen wir, daß eine Hem- mung des Renin-Systems die Niere positiv wie negativ beeinflussen kann (Textkasten Wirkungen der ACE- Hemmer). In dieser Arbeit wollen wir darstellen, wie das renale Risiko und die potentiellen Vorteile der AT1RA für die Niere beim gegen- wärtigen Stand des Wissens einzu- schätzen sind. Zur akuten renalen Wirkung der AT1RA liegen genü-

gend experimentelle und klinische Daten vor. Die langfristigen Studien zur Nephroprotektion werden erst in drei bis vier Jahren abgeschlossen sein. Bis dahin ist eine Information über den aktuellen Stand wichtig, da die renalen Wirkungen und Neben- wirkungen bei Hemmung des Renin- Systems von großem Interesse sind.

Wir werden hier auf die akute Ver- schlechterung der Nierenfunktion, die Beeinflussung der Proteinurie, die Progression der chronischen Nie- reninsuffizienz und die diuretische Wirkung der AT1RA eingehen, meist im Vergleich mit den gut be- kannten ACE-Hemmern.

AT1RA und akute Verschlechterung der Nierenfunktion

Mit den ACE-Hemmern haben wir gelernt, daß eine Hemmung des Renin-Angiotensin-Systems eine Ver- schlechterung der Nierenfunktion auslösen kann (18). Einzelfälle von akutem, dialysepflichtigem Nieren- versagen sind berichtet worden. War- um kann die glomeruläre Filtrations- rate (GFR) durch ACE-Hemmer akut verschlechtert werden, und be- steht das gleiche Risiko für AT1RA?

Bei Krankheiten mit einer stark reduzierten Nierendurchblutung (wie Nierenarterienstenose, schwere Herz- insuffizienz, Exsikkose, Diarrhö) kann Angiotensin (ANG) II die glo- meruläre Filtrationsrate stabilisieren (Grafik 2). Angiotensin II verengt vor allem die efferente glomeruläre Arte- riole, also die Gefäßstrecke direkt hinter dem glomerulären Filter. Fließt

Renale Wirkungen

und Nebenwirkungen

der Angiotensin-Rezeptor- Antagonisten

Johannes Mann

1

Karl F. Hilgers

2

Roland E. Schmieder

2

Roland Veelken

2

AT1-Rezeptorantagonisten (AT1RA) blockieren den AT1-Rezeptor, der alle bekannten Effekte des Angioten- sius II vermittelt. Über ihre Effekte an der Niere bewirken AT1RA die Verminderung einer bestehenden Proteinurie sowie eine Natriurese und Diurese. Diese Effekte sind er- wünscht und tragen wahrscheinlich zu der antihypertensi- ven und potentiell nephroprotektiven Wirkung dieser Substanzen bei. Als unerwünschte renale Wirkung ist vor allem ein akutes Nierenversagen zu erwähnen. Tierexperi- mentell ist das Risiko für AT1RA für ein akutes Nieren-

versagen geringer als für ACE-Hem- mer. Ob dieser Unterschied auch für

Patienten besteht, ist unklar. Jedenfalls ist akutes Nieren- versagen unter AT1RA selten und betrifft praktisch nur Risikogruppen: Patienten mit Exsikkose, hohen Diureti- kadosen, Stenose einer Einzelniere oder nach Nieren- transplantation.

Schlüsselwörter: Blutdruck, Angiotensin-Rezeptor-Ant- agonist, ACE-Hemmer, akutes Nierenversagen, Nieren- arterienstenose

ZUSAMMENFASSUNG

Renal Effects of Angiotensin II Receptor Antagonists Angiotensin 1 receptor antagonists (AT1RA) block the AT1 receptor which mediates all the known effects of angiotensin II. In the kidney, AT1RA decrease proteinuria and enhance diuresis and natriuresis. These effects most likely contribute to the antihypertensive and potentially renoprotective actions of AT1RA. Acute renal failure is the most important adverse effect of AT1RA. In experimental animals, the risk for acute renal failure is lower with AT1RA than with ACE-inhibitors in rats. In humans, it re-

mains to be established whether AT1RA carry a lower risk of acute renal failure than ACE in-

hibitors. However, acute renal failure due to AT1RA occurs rarely and has been reported exclusively in patients at high risk due to severe volume deficits, high doses of diuretics, renal artery stenosis of a solitary kidney, or after renal transplantation.

Key words: blood pressure, Angiotensin receptor antag- onist, ACE-inhibitor, acute renal failure, renal artery stenosis

SUMMARY

M

1 VI. Medizinische Abteilung (Direktor: Prof.

Dr. med. Johannes Mann), Krankenhaus Schwabing, Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität, München

24. Medizinische Universitätsklinik (Direktor:

Prof. Dr. med. Ralf Bernd Sterzel), Erlan- gen–Nürnberg

(2)

relativ wenig Blut durch die Niere, dann wird durch eine Verengung der efferenten Arteriole der Filtrations- druck und damit die GFR trotz gerin- gem Blutfluß aufrechterhalten. Ist al- leine Angiotensin für die Kontrolle der efferenten Arteriole verantwort- lich, dann sollten AT1RA und ACE- Hemmer ein gleiches Risiko für ein akutes Nierenversagen ha-

ben.

Tierexperimente spre- chen aber dafür, daß das rena- le Risiko mit AT1RA geringer ist als mit ACE-Hemmern.

Beispielhaft sollen zwei Ar- beiten angeführt werden. Kon und Mitarbeiter (12) prüften mit Mikropunktion die Hä- modynamik einzelner Glome- ruli bei stark exsikkierten Rat- ten. Wie Grafik 3 zeigt, wur- de der glomeruläre Kapil- lardruck mit einem ACE- Hemmer deutlicher gesenkt als mit einem AT1RA, die glo- muläre Filtrationsrate (GFR) fiel mit dem ACE-Hemmer ab und stieg mit dem AT1RA an. Die Dilatation der efferen- ten Arteriole durch den ACE- Hemmer konnte von einem Bradykininantagonisten ge- bremst werden. Als zweites experimentelles Beispiel sei die diabetische Ratte ange- führt (11). Die Hyperfiltration dieser Tiere konnte mit einem ACE-Hemmer akut normali- siert werden, nicht jedoch mit einem AT1RA oder mit einer Kombination aus ACE-Hem- mer und Bradykininantagonist. Das heißt, daß Bradykinin, dessen Wir- kung von ACE-Hemmern verstärkt und von AT1RA nicht beeinflußt wird (Grafik 1), bei Ratten die efferente Arteriole erweitert, die also nicht nur von Angiotensin kontrolliert wird (Grafik 2).

Wie ist die Situation beim Pati- enten? Für Bradykinin sind schließ- lich erhebliche Speziesunterschiede bekannt. Doig et al. (5) haben gesun- de Freiwillige mit einer kochsalzlo- sen Diät und zusätzlicher Gabe von Furosemid exsikkiert. Unter diesen Bedingungen hat ein AT1RA die GFR reversibel für mehrere Stunden um etwa die Hälfte reduziert und

nicht, wie im Tierversuch (12), gestei- gert. Der Effekt des AT1RA war also ähnlich, wie man es von einem ACE- Hemmer erwarten würde. Es gibt auch erste Fallberichte über oliguri- sches akutes Nierenversagen unter AT1RA bei Hochrisiko-Patienten, etwa Patienten mit bilateraler Nie- renarterienstenose oder nach Nie-

rentransplantation (4). Inzwischen wurden AT1RA und ACE-Hemmer bei 17 Patienten mit Nierenarterien- stenose verglichen (20). Blutdruck und GFR fielen unter akuter Gabe von 50 mg Captopril und 200 mg Los- artan in gleichem Ausmaß ab (20). In einer weiteren Untersuchung wurde bei über 700 Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz ein AT1RA im dop- pelblinden Vergleich mit hochdosier- tem Captopril über zwei Jahre gege- ben (21). Leichte Anstiege des Krea- tininwertes, die primäre Zielvariable, wurden in beiden Gruppen bei zehn Prozent beobachtet, erhebliche An- stiege bei keinem Patienten. Im übri- gen war das unerwartete Ergebnis

dieser sogenannten Elite-Studie, daß der AT1RA einen Überlebensvorteil gegenüber der etablierten ACE- Hemmertherapie bei Herzinsuffizi- enz zeigt (21).

Trotz widersprechender tierexpe- rimenteller Befunde haben also AT1RA beim Patienten ein ähnliches Risiko für ein akutes Nierenversagen wie ACE-Hemmer. Ob das Risiko aber genauso hoch ist, wissen wir nicht, da außer der Elite-Studie (21) größere vergleichende klinische Un- tersuchungen noch fehlen. Auf jeden Fall werden akute Kreatininanstiege unter AT1RA und ACE-Hemmern nur bei ganz bestimmten Risikogrup- pen beobachtet, die im Textkasten Ri- sikogruppen aufgelistet sind. Klinisch bedeutend sind vor allem Patienten mit sehr hohen Diuretikadosen oder anderen Ursachen eines intravasalen Volumenmangels (2).

AT1RA und Proteinurie

Niedrige intrarenale Konzentra- tionen von ANGII lösen eine Pro- teinurie aus. Die Mechanismen, die dazu führen, sind vielfältig (8, 10).

Wie mehrfach erwähnt, erhöht ANGII den glomerulären Kapillar- druck. Außerdem vergrößert das Oktapeptid die Größe der glome- rulären Filtrationsporen und die An- zahl großer Poren. Auch Änderungen der Ladungseigenschaft der glome- rulären Basalmembran sind unter ANGII beschrieben worden. Umge- kehrt ist gut belegt, daß ACE-Hem- mer eine vorhandene Proteinurie ver- mindern, und zwar über ihre antihy- pertensive Wirkung hinaus (8, 11).

Diese antiproteinurische Wirkung kann durch eine sehr hohe Salzzu- fuhr, mithin durch eine Suppression des Renin-Systems, aufgehoben wer- den (11). Im übrigen wird ein Rück- gang einer Proteinurie immer als pro- gnostisch günstiges Zeichen für die Niere angesehen.

Sind AT1RA ähnlich antipro- teinurisch wirksam wie ACE-Hem- mer? Gansevoort et al. (6) konnten dies bei Patienten mit nicht diabeti- scher Proteinurie und fast normaler GFR belegen. Die Patienten erhiel- ten doppelblind und überkreuzt zwei Dosen eines AT1RA und eines ACE-

M E D I Z I N ZUR FORTBILDUNG

_

_

AT2 B1 B2

Angiotensin II Bradykinin

Rezeptoren Rezeptoren

Angiotensin I Inaktive Fragmente

Angiotensinogen Renin

ACE-Hemmer

AT1-Rezeptor-Antagonisten AT1

ACE

ACE

_

Grafik 1

Angriffspunkte der AT1RA und der ACE-Hemmer auf das Renin-Sy- stem und Interaktion mit Bradykinin. AT1RA hemmen nur die Typ- 1-Rezeptoren von Angiotensin II; diese Rezeptoren vermitteln alle gut bekannten Wirkungen von Angiotensin II wie Vasokonstriktion und Antinatriurese. ACE-Hemmer vermindern die Bildung von An- giotensin II und den Abbau von Bradykinin, die Konzentration von Angiotensin II sinkt also, die von Bradykinin steigt. AT1 und AT2, Typ-1- und -2-Rezeptoren für Angiotensin II. Die Effekte des AT2- Rezeptors sind noch nicht vollständig gesichert, wahrscheinlich wir- ken sie den Effekten des AT1 entgegen. B1 und B2, Bradykinin-Re- zeptoren; B1 spielt vor allem bei inflammatorischen Effekten des Bradykinin eine Rolle, während B2 Vasodilatation vermittelt.

(3)

Hemmers über je acht Wochen. Un- ter beiden Medikamenten ging die Proteinurie von etwa 4,5 g/d auf 2,3 g/d zurück. Auch die Veränderungen von Blutdruck, glomerulärer Filtrati- on und renalem Blutfluß waren iden- tisch. Diese ersten Ergebnisse wur- den inzwischen mit verschiedenen AT1RA bestätigt.

In Tiermodellen sind die Daten von AT1RA und ACE-Hemmern et- was weniger konkordant als am Pati- enten. Unabhängig von der Art der experimentellen Nierenschädigung wurde beobachtet, daß die akute Wir- kung der AT1RA auf die Proteinurie erheblich geringer ist als die der ACE-Hemmer (1, 9). Bei chroni- scher, das heißt wochenlanger Gabe

gleicht die antiproteinurische Wir- kung der AT1RA der Wirksamkeit der ACE-Hemmer, und diese beiden Substanzgruppen sind anderen An- tihypertensiva bezüglich der Pro- teinurieabsenkung deutlich überle- gen (13, 22). Auch bei der akuten an- tiproteinurischen Wirkung der ACE- Hemmer scheint ein verstärkter Ef-

fekt von Bradykinin auf die efferente Arteriole (Grafik 2) eine Rolle zu spielen. Für die chronische antipro- teinurische Wirkung – die eng mit der nephroprotektiven Wirkung korre- liert beziehungsweise diese mitbe- dingt – sind offensichtlich alleine an- giotensinabhängige Effekte im Spiel.

AT1RA und Progression von Nierenerkrankungen

Wir bezeichnen ein Medikament als renoprotektiv, wenn es bei Nieren- kranken verhindert, daß sich die Nie- renfunktion verschlechtert, oder wenn es zumindest das Voranschreiten ei- ner Nierenerkrankung verlangsamt.

In diesem Sinne ist eine Senkung des Blutdrucks (optimal wahrscheinlich um 120/80 mmHg) bei hypertensiven Patienten mit Nierenerkrankungen

außerordentlich renoprotektiv (Gra- fik 4). Auch ACE-Hemmer haben sich, teilweise unabhängig von der Blutdrucksenkung, als renoprotektiv erwiesen. Das konnten wir in einer doppelblinden Untersuchung über drei Jahre an fast 600 Patienten mit Niereninsuffizienz unterschiedlicher Genese zeigen. Hier verminderte der

ACE-Hemmer Benazepril das Risiko einer deutlichen Verschlechterung der Nierenfunktion um die Hälfte (17, 19). Diese Ergebnisse wurden kürz- lich mit Ramipril bestätigt, insbeson- dere die weitgehende Unabhängig- keit der nephroprotektiven Wirkung von der Blutdrucksenkung (7). Vor- her waren ähnlich gute Ergebnisse mit Captopril bei 400 Patienten mit Nephropathie bei Typ-I-Diabetes- mellitus berichtet worden (14).

Welche Rolle spielt das Renin- Angiotensin-System in der Progressi- on von Nierenerkrankungen, und wel- chen Platz haben hier die AT1RA?

Die Konzentrationen von Angioten- sin II in manchen intrarenalen Kom- partimenten (beispielsweise Tubulus- Lumen) sind mehrfach höher als im Blut. Intrarenal kann Angiotensin II den Druck in den glomerulären Kapil- larschlingen regulieren, vor allem Erwünschte und

unerwünschte Wirkungen der ACE-Hemmer auf die Niere Erwünschte Wirkungen:

Reduktion einer glomerulären Hyperfiltration

Senkung einer glomerulären Hypertonie

Verbesserung der glome- rulären Permselektivität für Makromoleküle

Verminderung einer Protein- urie

Erhöhung der Kochsalzaus- scheidung

Verminderung der glome- rulären Entzündungs- und Vernarbungsreaktion Verlangsamung der

Progression von chronischen Nierenerkrankungen Unerwünschte Wirkungen:

Akutes Nierenversagen (bei Risikopatienten; siehe Textkasten Risikopatienten) Erhöhung der Reninfrei- setzung, vermehrte Bildung von Angiotensin I

Langfristige Gabe bei Nierenarterienstenose: im Tierexperiment Atrophie der poststenotischen Niere Störung der kindlichen

Nierenentwicklung in der Spätschwangerschaft

Efferente Arteriole Glomeruläre

Kapillaren Afferente

Arteriole

Vasotonus

Kapillardruck

Filtration Filtration

Angiotensin II Bradykinin

Grafik 2

Regulation des glomerulären Kapillardrucks. Der hydrostatische Kapillardruck bewirkt die glomeruläre Filtra- tion, solange er höher als der kolloidosmotische Druck des Serums ist. Bei niedrigem renalen Blutfluß verengt Angiotensin II die efferente Arteriole und stellt sicher, daß eine glomeruläre Filtrationsrate (GFR) erhalten bleibt, die im Verhältnis zum renalen Blutfluß relativ hoch ist. Bradykinin erweitert die efferente Arteriole. Ein ACE-Hemmer verhindert die Bildung von Angiotensin II und kann bei niedrigem glomerulären Fluß so zu einer – in diesem Fall unerwünschten – Erweiterung der efferenten Arteriole mit folgendem Abfall der GFR führen, das heißt zu einem akuten Nierenversagen.

(4)

über eine Tonusänderung der efferen- ten Arteriole (Grafik 2). Es gibt gute Belege dafür, daß bei vielen chroni- schen Nierenerkrankungen eine glo- merulokapilläre Hypertonie besteht, die zum Fortschreiten der Nierenin- suffizienz beiträgt (10). Die druckbe- dingt erhöhte kapilläre Wandspan- nung führt danach zu einer Aktivie- rung von Vernarbungsprozessen und damit zu einer fortschreitenden Glo- merulosklerose. Neben diesen hämo- dynamischen Effekten wirkt Angio- tensin II direkt auf glomeruläre Zellen im Sinne einer vermehrten Produktion von Matrixproteinen, die weiter zur Vernarbung beitragen.

Auch Vernarbungsprozesse im Inter- stitium der Niere werden wahrschein- lich durch Angiotensin II verstärkt (8, 10). Angiotensin II fördert die Infil- tration von Monozyten/Makrophagen

ins Nierengewebe (8). Die eben ge- nannten hämodynamischen und tro- phischen Wirkungen des Angioten- sins II werden überwiegend vom Typ- 1-Rezeptor vermittelt und sind daher potentiell durch AT1RA beeinfluß- bar (Grafik 2). Tatsächlich ist im Tier- experiment gezeigt worden, daß die Hemmung des Renin-Systems zu ei- ner Verminderung des intraglome- rulären Drucks, der Proteinurie und der Vernarbungsreaktion bei chroni- scher Glomerulonephritis sowie zur Verminderung der Infiltration von Entzündungszellen bei chronisch in- terstitieller Nephritis führt (8, 10).

Langzeitstudien zur Nephropro- tektion, ähnlich den Studien mit ACE-Hemmern (7, 17, 19), sind mit AT1RA derzeit in Arbeit. In einer er- sten doppelblinden Untersuchung über immerhin sechs Monate unter- schied sich ein AT1RA gegenüber Plazebo nicht hinsichtlich der GFR, und der Blutdruck wurde noch besser als bei primärer Hypertonie gesenkt (Manuskript in Vorbereitung). Für die Dokumentation eines renoprotek- tiven Effektes sind allerdings minde- stens zwei Jahre Beobachtungszeit notwendig.

Es existieren Tiermodelle für chronisch progredientes Nierenversa- gen. In diesen Modellen der chroni- schen Glomerulonephritis, der subto- talen Nephrektomie und der diabeti- schen Nephropathie der Ratte waren ein ACE-Hemmer und ein AT1RA gleich effektiv in der Normalisierung des glomerulären Kapillardrucks, in der Vermeidung der Proteinurie und

der glomerulären Vernarbung (12, 13, 22). Dies gilt auch für die Ex- perimente, die eine bessere Akut- wirkung der ACE-Hemmer als der AT1RA auf die Proteinurie nachwiesen.

AT1RA und Natriurese

Angiotensin II ist gut be- kannt als Vasokonstriktor. Weni- ger geläufig ist seine antinatriure- tische Wirkung. Tatsächlich kön- nen schon geringste Mengen von ANGII, die den Blutdruck voll- ständig unbeeinflußt lassen, eine Antinatriurese hervorrufen. An- giotensin bewirkt eine Steigerung der Aldosteronsekretion und hat di- rekte Angriffpunkte am proximalen Tubulus, wo es die Natriumrückre- sorption erhöht, und zwar vermittelt über AT1-Rezeptoren. Umgekehrt ist gut dokumentiert, daß ACE-Hem- mer natriuretisch wirken, wenn dies auch nicht allgemein bekannt zu sein scheint. Bei Patienten kann unter

M E D I Z I N ZUR FORTBILDUNG

100 80 60 40 20 0

120 80 40 0

0,3 0,2 0,1 0,0 (mmHg)

(nl/min)

(mmHg*min/nl) Blutdruck

(Aorta)

Glomeruläre Filtrationsrate

Glomerulärer Kapillardruck

Glomerulärer Blutfluß

Efferenter Widerstand Afferenter Widerstand

Baseline ACE-Hemmer

AT1-Rezeptorantagonist Grafik 3

Ratten erhielten zwei Tage Furosemid und kein Trink- wasser (Exsikkose). Dann wurde akut eine hohe Do- sis eines AT1RA oder eines ACE-Hemmers gegeben.

Einzelne Glomeruli wurden mit Mikropipetten an- punktiert, die glomeruläre Filtrationsrate, der Blut- fluß sowie die afferenten und efferenten Widerstän- de wurden in einzelnen Glomeruli gemessen. Modifi- ziert nach Kon et al. (12).

80 60 40 20 0 GFR (ml/min)

ACE-Hemmer RR 135/85 RR 165/110

AT1-Rezeptor- Antagonist?

0 5 10 15 Zeit (Jahre)

Grafik 4

Schematische Darstellung des Verlaufs chronischer Nierenerkrankungen, abgeleitet aus Studien mit dia- betischer und nichtdiabetischer Nephropathie. Die Senkung des Blutdruckes (RR) auf normotensive Werte führt zu einer Verlangsamung des Verlustes der Nierenfunktion beziehungsweise der glome- rulären Filtrationsrate (GFR). Therapie mit einem ACE-Hemmer führt zu einer zusätzlichen Verlang- samung der Progression von Nierenerkrankungen.

Der Verlust der glomerulären Filtrationsrate beträgt etwa 10 ml/min pro Jahr bei mäßiger Hypertonie, wird bei Normalisierung des Blutdrucks auf etwa 5 ml/min pro Jahr gesenkt und bei Einsatz eines ACE-Hemmers noch weiter verlangsamt. Die lang- fristigen Effekte der AT1RA sind derzeit noch nicht hinreichend bekannt. RR: Blutdruck in mmHg.

Risikogruppen für eine Verschlechterung der Nierenfunktion unter AT1RA und

unter ACE-Hemmern Hohe Dosen eines Diuretikums Erbrechen, Diarrhö, Exsikkose Hyponatriämie, insbesondere mit schwerer Herzinsuffizienz Nierenarterienstenose

(insbesondere bilaterale Stenose und Stenose einer Einzelniere) Vorbestehende Niereninsuffizienz Gleichzeitige Therapie mit nicht- steroidalen Antiphlogistika Nierentransplantierte Patienten

(5)

ACE-Hemmern die Natriumaus- scheidung durchaus Werte erreichen, die der Wirkung einer mittleren Dosis von Hydrochlorothiazid (beispiels- weise Esidrix 25 mg) entsprechen.

Auch AT1RA können in klinisch wirksamer Dosis eine Natriurese be- wirken, wie von uns in experimentel- len Studien belegt (23) (Grafik 5).

Auch erste Ergebnisse am Patienten bestätigen die experimentellen Daten (3). Vergleiche zu Diuretika oder zu ACE-Hemmern fehlen noch. Außer- dem ist für die AT1RA noch ungenü- gend dokumentiert, wie lange die diu- retische Wirkung beim Patienten an- hält. Gerade in der Behandlung der Hypertonie, der Nieren- oder der Herzinsuffizienz ist ja ein diuretischer Zusatzeffekt vasodilatierender Sub- stanzen sehr erwünscht.

Resümee und praktische Hinweise

Wir haben mit den AT1RA noch wesentlich weniger Erfahrung und Da- ten als mit den ACE-Hemmern. Dies gilt auch für die erwünschten und uner- wünschten Wirkungen der AT1RA auf die Niere. Tierexperimente sprechen dafür, daß das Risiko eines akuten Nie- renversagens mit AT1RA geringer ist

als mit ACE-Hemmern. Diese experi- mentellen Hinweise werden bisher nur von vereinzelten Fallberichten unter- stützt. Kontrollierte Untersuchungen bei Patienten mit geringem Risiko für einen Kreatininanstieg zeigen ein glei- ches Risiko dieser Nebenwirkung un- ter ACE-Hemmer und AT1RA. Des- wegen sollte man bei gefährdeten Pati- enten (Textkasten Risikopatienten) das Serumkreatinin und -kalium in den er- sten Tagen nach Beginn einer Therapie mit einem AT1RA kontrollieren. Eine Nierenarterienstenose ist als Kontrain- dikation für den Einsatz der AT1RA zu betrachten, sofern der Blutdruck mit anderen Maßnahmen kontrolliert werden kann. Nach heutigem Kennt- nisstand sind die AT1RA ebenso natriuretisch und antiproteinurisch wirksam wie ACE-Hemmer. Ihre blut- drucksenkende Wirkung bei Nierenin- suffizienten ist erheblich. Ob auch die AT1RA, ähnlich den ACE-Hemmern, den Eintritt der Dialyse bei chronisch progredientem Nierenversagen unter- schiedlicher Ursache hinausschieben können, werden Studienergebnisse in etwa drei Jahren zeigen. Prinzipiell muß die Dosis der meisten AT1RA bei Niereninsuffizienz nicht reduziert wer- den, außer bei einer Kreatininclearan- ce < 10 ml/min. Man kann AT1RA bei Niereninsuffizienz besonders dann einsetzen, wenn ein ACE-Hemmer in- diziert ist, aber wegen Nebenwirkun- gen (wie Husten) nicht gegeben wer- den kann.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1998; 95: A-3287–3291 [Heft 51-52]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Son- derdruck beim Verfasser und über die Inter- netseiten (unter http://www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser

Prof. Dr. med. Johannes Mann Krankenhaus Schwabing VI. Medizinische Abteilung (Schwerpunkt: Nieren- und Hochdruckkrankheiten) 80804 München

Herrn Prof. Dr. med. E. Ritz zum 60.

Geburtstag gewidmet.

Baseline Ang II Ang II +

AT1RA AT1RA

6

4

2 0

p<0,01 Na-Exkretion

(µmol/min/gNiere)

p<0,05 Grafik 5

Effekte des Angiotensins (ANG) II und eines AT1RA auf die Natriumexkretion (µmol/min/g Niere) wa- cher, chronisch instrumentierter, euvolämischer Rat- ten. Angiotensin II vermindert, ein AT1RA erhöht die Natriumexkretion; außerdem blockiert der AT1RA die Effekte des Angiotensins II. Der Blutdruck, die glomeruläre Filtrationsrate und die glomeruläre Durchblutung blieben bei diesen Experimenten un- verändert. Modifiziert nach Veelken et al. (23).

Über das Problem, handschriftli- che Notizen von Ärzten zu entziffern, wird seit Jahrzehnten geklagt. Die Au- toren wollten diesem Problem in einer Vergleichsstudie nachgehen und führ- ten eine Studie an 92 Angehörigen eines Krankenhauses durch, deren Handschrift von einem Computer ana- lysiert wurde. Ärzte, Schwestern und Verwaltungspersonal nahmen an dieser Analyse teil. Ärzte, selbst wenn sie auf- gefordert werden, leserlich zu schrei- ben, haben Probleme mit der Umset- zung. Die Probleme der Leserlichkeit bezogen sich weniger auf Zahlen – schließlich geht es hier um die Dosie- rung von Medikamenten –, sondern auf die Umsetzung des Alphabets. w Lyons R, Payne C, McCabe M, Fielder C:

Legibility of doctors’ handwriting: quan- titative comparative study. Br Med J 1998; 317: 863–864.

Department of Public Health, Swansea SA1 1 LT, Großbritannien.

Unleserliche Schrift

Alkohol und Krebs

Erhöhter Alkoholkonsum führt zu einer Zunahme von Mammakarzino- men sowie von Krebserkrankungen von Mundhöhle, Speiseröhre, Pharynx, Larynx und Leber. Die dänischen Au- toren führten eine Studie an 15 117 Männern und 13 063 Frauen im Alter zwischen 20 und 98 Jahren durch, wo- bei über einen Beobachtungszeitraum von im Mittel 13,5 Jahren 156 Krebser- krankungen des oberen Verdauungs- traktes mit Trinkgewohnheiten korre- liert wurden. Mäßiger Weingenuß hatte keinen Einfluß auf das Krebsrisiko, wohl aber der Konsum von 7 bis 21 Bie- ren pro Woche oder entsprechender Schnapskonsum. Das Risiko, ein Karzi- nom des oberen Verdauungstraktes zu entwickeln, stieg um den Faktor 3 an.

Möglicherweise hemmt Resveratrol, eine Substanz aus Trauben und Wein,

die Karzinogenese. w

Grönbaek M, Becker U, Johansen D, Tönnesen H, Jensen G, Sörensen TIA:

Population based cohort study of the as- sociation between alcohol intake and cancer of the upper digestive tract. Br Med J 1998; 317: 844–848.

Copenhagen Centre for Prospective Po- pulation Studies, Danish Epidemiology Science Centre at the Institute of Pre- ventive Medicine, Kommunehospitalet, 1399, Kopenhagen, Dänemark.

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