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Archiv "„Gesundheitsjournalismus“ — Wirkungen und Nebenwirkungen" (12.09.1984)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

TAGUNGSBERICHT

„Gesundheitsjournalismus" —

Wirkungen und Nebenwirkungen

Die Qualität der Pharmaberichter- stattung in deutschen „Printme- dien" läßt viel zu wünschen übrig:

Für den Leser ist die Quelle von pharma-relevanten Aussagen häufig nicht zu erkennen; Nach- richt und Kommentar werden ver- mischt; die Überschrift enthält häufig schon Wertungen; negati- ve Meinungen bekommen mehr Raum als positive.

Diese Erkenntnisse stammen aus dem Leitreferat zu einem Sympo- sium über das Verhältnis zwi- schen Medizin und Presse mit dem Titel „Krankt die Gesundheit am Journalismus?", das die Deut- sch€ Zeitungswissenschaftliche Vereinigung in München veran- staltete. Unter der Moderation von Professor Dr. Heinz Haber, dem aus dem Fernsehen allbekannten Herausgeber von „Bild der Wis- senschaft", wurde das Thema in der ganztägigen Veranstaltung beleuchtet von „Vertretern, Part- nern, Kritikern und Opfern" des Gesundheitsjournalismus (so Dr.

Heinz Starkulla, der Präsident der Zeitungswissenschaftlichen Ver- einigung).

Um es gleich vorwegzunehmen:

Das Thema wurde nicht erschöp- fend behandelt, und zwar schon deswegen nicht, weil der Veran- stalter bei der Auswahl der Teil- nehmer wie auch der Referenten das Schwergewicht auf die Arz- neimittel gelegt hatte. So kamen andere Bereiche des Gesund- heitswesens zu kurz. Man konnte natürlich das „Medikamenten- Bild in deutschen Printmedien"

als pars pro toto nehmen und über dieses Leitreferat auch treff- lich und kontrovers diskutieren, zumal ja Arzneimittelthemen zur Zeit aktuell sind. Man wäre aber sicherlich zu anderen Bewertun- gen dessen gekommen, was Jour- nalisten heute so schreiben, wenn man etwa das „Bild des Hausarz-

tes in der Tagespresse" unter- sucht hätte.

Das Leitreferat von Professor Dr.

Hans Wagner vom Institut für Kommunikationswissenschaft/

Zeitungswissenschaft der Univer- sität München beruhte auf einer eingehenden Analyse von 1466 pharma-relevanten Textbeiträgen in acht Tageszeitungen, zwei Ma- gazinen und zwei Publikumszeit- schriften im Zeitraum vom Sep- tember bis Dezember 1983. Unter- sucht wurden Stellungnahmen und Aussagen von 3238 Aus- gangspartnern zu 6905 pharma- relevanten Themenaspekten mit unter anderem 6072 kennzeich- nenden Attributen für insgesamt 3122 in Rede stehende Medika- mente sowie 3333 Statements zu 16 verschiedenen, Medikamente betreffenden Meinungsdimensio- nen — und spätestens hier sträub- ten sich bei den ersten der zahl- reich anwesenden Medizin-Jour- nalisten die Haare. Das lag erst einmal daran, daß Journalisten gegenüber soziologischen Unter- suchungen und Meinungsfor- schung offensichtlich besonders dann skeptisch sind, wenn sie selbst Untersuchungsgegenstand sind. Man war aber auch mit Pro- fessor Wagners Methoden der Be- wertung nicht einverstanden, und die Ergebnisse selbst (einige wur- den oben schon zitiert) fanden auch nicht viel Gefallen.

Wagner meinte weiter, das Kenn- zeichenprofil der Pharmaindustrie werde durch die Journalisten in negativer Richtung verzerrt, in- dem Negatives mehr Zeilen be- kommt und/oder der Journalist mehr Negatives als eigene Mei- nung hinzufügt. Würde die Phar- maindustrie nur forschen, dann wäre sie des Journalisten liebstes Kind, aber dummerweise verkauft sie auch und verdient damit sogar Geld. Zum Zwecke der Untersu-

chung teilte Professor Wagner die Arzneimittel in „graue" (chemi- sche) und „grüne" (pflanzliche, Naturheilmittel, homöopathi- sche): Generell schreibe die Pres- se den „grauen" große Wirkung und kleine Hilfe zu, den „grünen"

kleine Wirkung und große Hilfe.

Dabei würden die „grünen" weit stärker positiv beurteilt als die

„grauen" negativ.

Es gab kräftigen Widerspruch in Stellungnahmen einiger Medizin- journalisten. Dr. med. h. c. Hans

Mohl zum Beispiel kritisierte an Wagner, er habe die wichtigste Frage nicht gestellt: ob die Jour- nalisten nämlich richtig informie- ren oder nicht. Medizin- und Ge- sundheits-Journalismus erfordere große Verantwortung gegenüber seinen nachteiligen „Nebenwir- kungen" (hochgeschraubte Er- wartungen, Verunsicherung bei Berichten über Behandlungsfeh- ler, falsch verstandene Informatio- nen über Symptome). Dem stehe als großer Vorteil der heute gut in- formierte Bürger gegenüber, was der Partnerschaft zwischen Pa- tient und Arzt nur dienlich sein könne.

Wilhelm Girstenbrey, München, war weniger überzeugt vom

„mündigen Patienten". Er war auch skeptischer, was die Mög- lichkeiten des Journalisten be- trifft, hehre ethische Grundsätze durchzuhalten gegen Verleger, gegen andere Ressorts, gegen die Konkurrenz, gegen das Publi- kumsinteresse an „opferorientier- ter" Darstellung („Human Interest Stories" nach dem Motto „Bad News is Good News") und gegen den Schwall von Material aus Nachrichten- und Meinungsdien- sten, von PR-Agenturen, Herstel- lern, Organisationen, Lobbies.

Nur noch „objektiv" weiterzuver- mitteln, reiche nicht.

Der Journalist müsse fachkundig sein, und er müsse Zweifel anre- gen, offenlegen, bohren. Wobei zu fragen ist, ob der Journalist wirklich so viel besser sein kann als seine Gewährsleute.

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 37 vom 12. September 1984 (15) 2611

(2)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Gesundheitsjournalismus

In einer zweiten Runde kamen Vertreter der Arzneimittelherstel- ler, der Apotheker und der Ärzte- schaft zu Wort (Professor Dr. med.

Hans Rüdiger Vogel vom Pharma- Bundesverband, Dr. Christian Wehle von den Apothekerverbän- den, Professor J. F. Volrad Dene- ke von der Bundesärztekammer, Professor Dr. med. Klaus Heil- mann von der Technischen Uni- versität München). Hier und in der anschließenden Diskussion wur- den neue Entwicklungen im Jour- nalismus beklagt: Statements werden in den Medien manipu-

liert; Journalisten werden immer homogener; jeder glaubt, er müs- se Gesinnungs- und Kampagnen- journalismus mitbetreiben. Man war aber auch bereit, zu differen- zieren und nach Möglichkeit der

Presse zu helfen, einen guten Wissenschaftsjournalismus anzu- bieten. Mehr Medienschelte in den Medien und auch die Mög- lichkeit von Sanktionen gegen Journalisten könnten helfen, Miß- stände abzubauen.

Wertende Meinungen über Medikamente (in Prozent)

Vorgefundene Medikamen- tenwertung:

47,4

25,0 18,8

nicht manifest Total Basis

Ein Beispiel aus der Studie „Das Pharmabild in Printmeden" (Deutsche Zei- tungswissenschaftliche Vereinigung, München 1984): Untersucht wurden 2400 „Partneraussagen" mit Meinungen über Arzneimittel in den verschie- denen Ressorts von Zeitungen und Zeitschriften. Die unterschiedliche Ver- teilung positiver und negativer Meinungen läßt nach der Studie wenigstens zwei mögliche Interpretationen zu: a) „Themen- und Wertungs-Generierung der Pharma-Berichterstattung ist vom jeweiligen Sachkontext vorgegeben";

b) „Themen- und Wertungs-Generierung ist ein Produkt journalistischer Prä- ferenz; ihre Vermittlung erfolgt u. U. wirklichkeitsverzerrend einseitig."

2612 (16) Heft 37 vom 12. September 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

Beseitigung der Arzneimittelrisi- ken die durchschnittliche Lebens- erwartung um 37 Minuten erhö- hen - man hätte nur nichts davon, weil man im Durchschnitt 20 Jahre früher als heute an einer Erkran- kung sterben würde.

Haber warnte davor, die Intelli- genz des Lesers zu unterschät- zen, und teilte mit, daß in seiner Redaktion jeder, der den Aus- druck „Populärwissenschaft" an- wendet, einen Kasten Bier zu stif- ten hat. Er sprach sich für „öffent-

liche Wissenschaft" aus im Sinne der allseitigen Verpflichtungen gegenüber der Öffentlichkeit: Der Wissenschaftler hat die Pflicht, die Öffentlichkeit zu informieren;

der Bürger soll sich informieren, bevor er mitredet - der Journalist wird dafür als Mittler gebraucht.

Deneke differenzierte zwischen den verschiedenen Ebenen und Wegen dieser Information. Die Verständigung zwischen Speziali- sten ist anders als die zwischen Fachmann und Laien; das Arzt/Pa- tienten-Verhältnis ist auch im Be- reich der sprachlichen Verständi- gung ein anderes als die Massen- kommunikation, die hier einen nicht immer nur positiven Fremd- einfluß darstellt. Für den einzel- nen Patienten kann auch der Zeit- punkt von großer Bedeutung sein, in dem er eine für ihn wichtige In- formation erhält - darauf kann der Journalist keine Rücksicht neh- men. So werde es immer Konflikt- situationen geben, die man bes- ser akzeptieren als unsinnigerwei- se zu lösen versuche.

Starkullas Fazit: Die Gesundheit krankt an manchen Journalisten - genauso wie an manchen Ärzten, Apothekern, Pharmafirmen. Das ändere nichts daran, daß gute Journalisten für die Gesellschaft lebenswichtig seien. - Man könn- te anfügen: „Ihr Wert für die Ge- sellschaft liegt unter anderem dar- in, daß sie nicht zur Rechenschaft verpflichtet sind"; dies schrieb einmal der Chefredakteur des konservativen Londoner „Daily Telegraph"! Günter Burkart Ein weiteres Thema (unter ande-

rem bei Heilmann, Deneke und Haber) war die dolmetschende Rolle des Journalisten zwischen Fachmann und Publikum. Anhand der Arzneimittelrisiken wies Heil- mann darauf hin, daß über die Größenordnungen ganz irreale Vorstellungen bestehen: Bei ei- nem neuen Arzneimittel wird wohl jeder einen Todesfall bei 100 000 Patienten für akzeptabel halten.

Wenn es aber 20 Todesfälle bei zwei Millionen Behandelten gibt, ruft alles nach einem sofortigen Verbot des Mittels - dabei ist das Risiko in beiden Fällen genau gleich groß.

Heilmann setzte sich erneut für ei- ne von ihm vorgeschlagene „Risi- koskala" ein, welche die Chance eines tödlichen Arzneimittelun- falls beim einzelnen statistisch in die Nähe der Wahrscheinlichkeit rückt, durch einen Tornado getö- tet zu werden. Oder, so hat Heil- mann errechnet: Die Abschaffung aller Arzneimittel würde durch die

positiv negativ ambivalent

100 337

Politik und Recht

70,9 13,4 6,8

8,9 100 246

Wirt- schaft

50,0 18,7

14,2

17,1

Wissen schaft

100 640 40,0 25,0 21,9

13,1 100,1 275

Sport, Frei-

zeit

79,3 13,5 2,9

4,4 100,1

32

Kunst Kultur

62,5 12,5

6,3

Gesund- heit

100 726 27,0 17,1

8,5

Gesell- schaft, Umwelt

99,9 140

15,0 60,7 7,1

17,1

Sonsti- ges

100 4 50,0

25,0 100 2400

Total

29,3 43,4 16,6

10,7

Referenzen

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