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Archiv "Nutzen und Gefahren einer Megavitamintherapie mit Vitamin B6" (16.11.1989)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Karl Heinz Bässler

Für eine Megadosierung von Vitamin

B6

gibt es einige gesicherte In- dikationen. Einige weitere Indikationen sind noch umstritten, schei- nen aber plausibel. Daneben gibt es eine Fülle von Behauptungen über Wirkungen, die niemals gesichert werden konnten. Da bei lang- fristiger Megadosierung toxische Effekte bekannt geworden sind

(periphere sensorische Neuropathie), ist eine Nutzen-Risiko-Abwä- gung unbedingt erforderlich. Die Megadosierung von Vitamin

B6 muß

ärztlich angeordnet und überwacht werden und gehört nicht in die Hand des Laien.

Nutzen und Gefahren

einer Megavitamintherapie mit Vitamin B 6

ine Verabreichung von Vitamin B6 (Pyridoxin, Pyridoxol) ist normaler- weise indiziert zur Pro-

- phylaxe oder Therapie von Mangelerscheinungen als Folge falscher Nahrungszubereitung, unge- nügender Nahrungszufuhr, von Mal- absorptionszuständen verschiedener Genese oder bei erhöhtem Bedarf, wie man ihn bei Alkoholikern oder bei Dauergebrauch östrogenhaltiger Kontrazeptiva (27) finden kann. In all diesen Fällen genügen Dosen von der Größenordnung des physiologi- schen Bedarfs (um 2 mg/Tag) bis zum zehnfachen dieses Werts.

Etwas anderes ist die Me- gatherapie mit Vitamin B6 in Dosen, die bis zu mehreren Zehnerpotenzen über dem physiologischen Bedarf lie- gen. Wirkungen derart überhöhter Dosen werden als „pharmakodyna- mische Wirkung" bezeichnet. Was liegt dem zugrunde und wie sinnvoll ist eine solche Anwendung?

Die Anwendung von Vitamin B6 in Megadosen beruht zum Teil auf wissenschaftlich fundierten, erwie- senen Wirkungsmechanismen, zum Teil auf vermuteten, aber immerhin plausiblen Mechanismen, teilweise aber auch auf reiner Spekulation.

Physiologisch-Chemisches Institut II (Komm. Leiter: Professor Dr. med.

Karl Heinz Bässler) der

Johannes-Gutenberg-Universität Mainz

Tabelle 1: Megatherapie mit Vitamin B6 — Wirkung erwie- sen, Wirkungsmechanismus bekannt (angewandte Tages- dosen sieht Text)

Homozystinurie Zystathioninurie Pyridoxine dependency primäre Oxalose, Typ I erhöhter Bedarf durch:

Interaktion mit Isoniazid Interaktion mit D-Penicillamin

Erwiesene Wirkungen bei bekanntem

Mechanismus

Gesicherte Anwendungsgebiete sind in Tabelle 1 zusammengestellt.

Der Megatherapie in diesen Fällen liegen folgende Vorstellungen zu- grunde: Bei der Homozystinurie be- steht ein genetischer Defekt der Cy- stathionin-13-Synthase. Die Vitamin- B6-Therapie beruht auf der Vorstel- lung, daß Sättigung des Apoenzyms mit dem Coenzym (normalerweise liegt keine Sättigung vor) die Stabili- tät des Enzyms erhöht und damit zu einer größeren Menge an aktivem

Enzym führt. Erfolgreiche Behand- lungen sind von einigen Autoren mit Dosen von 250 bis 300 mg/Tag durchgeführt worden (5, 6, 22), an- dere verwendeten 300 bis 1200 mg/

Tag (18). Bei der Zystathioninurie ist durch einen genetischen Defekt die Affinität der Zystathionin-y-lyase zum Coenzym Pyridoxalphosphat re- duziert und dementsprechend die Reaktionsgeschwindigkeit unter phy- siologischen Bedingungen stark ver- ringert. Mit 400 mg Vitamin B6 pro Tag kann die Zystathioninurie nor- malisiert wurden (16).

Etwas ähnliches liegt möglicher- weise auch der „pyridoxin dependen- cy" zugrunde, einer familiären meta- bolischen Abnormalität mit Krampf- anfällen in der frühen Kindheit, die sich mit hohen Dosen an Vitamin B6 beherrschen läßt (2). Dabei fällt auf, daß solche Patienten nicht wie Ge- sunde auf eine Pyridoxinbehandlung mit einem langanhaltenden Anstieg des Pyridoxalphosphatspiegels im Plasma reagieren, sondern mit einem raschen Anstieg und Abfall. Deshalb wird eine gestörte Albuminbindung von Pyridoxalphosphat diskutiert (20).

Die Vitamin-B 6-Megatherapie der primären Oxalose vom Typ I be- ruht auf der Tatsache, daß das Vit- amin die Synthese bestimmter Apo- enzyme induziert. Diese Krankheit beruht auf einem genetischen Defekt A-3500 (48) Dt. Ärztebl. 86, Heft 46, 16. November 1989

(2)

der 3-Oxo-glutarat-Glyoxylat-Carbo- ligase. Dadurch ist der Hauptabbau- weg für Glyoxylsäure blockiert und Glycolsäure, Glyoxylsäure und Oxal- säure häufen sich an. Durch Induk- tion der Glyoxylat-Transaminase wird ein alternativer Abbauweg von Glyoxylsäure zu Glycin aktiviert. Die zur Behandlung dieses Defekts ver- wendeten Dosen an Vitamin B6 lie- gen zwischen 150 und 1000 mg/Tag (1, 17, 28, 32, 35).

Die Dosierungsvorschläge der verschiedenen Autoren unterschei- den sich oft sehr stark, und die Zahl der behandelten Fälle dieser selte- nen hereditären Stoffwechselerkran- kungen ist gering, so daß die Erfah- rung nicht groß ist. Es kann deshalb hier keine Dosierungsempfehlung gegeben werden, es sei denn diejeni- ge, daß man im Hinblick auf die spä- ter diskutierten toxischen Effekte am besten mit der niedrigsten vorge- schlagenen Dosis beginnt. Im übri- gen wird die Behandlung derartiger seltener Fälle in der Regel speziali- sierten Kliniken vorbehalten sein.

Es gibt direkte Wechselwirkun- gen von Arzneimitteln mit Vitamin B6, die zu Mangelerscheinungen füh- ren. So führt Isoniazid durch Bildung eines Hydrazons zur Inaktivierung von Pyridoxal (31). Deshalb werden bei einer Isoniazid-Therapie teilwei- se Dosen von 300 mg Pyridoxin pro Tag angewandt (8). Andere Autoren sind der Meinung, daß 25 bezie-

Wirkungsmechanismen unbekannt oder

unbewiesen,

Indikation umstritten Anwendungsgebiete, die unter diese Rubrik fallen, denen aber im- merhin plausible Vorstellungen zu- grunde liegen, sind in Tabelle 2 zu- sammengestellt. Es ist denkbar, daß die Verteilung von Vitamin B6 und von Pyridoxalphosphat in verschie- denen Kompartimenten des Orga- nismus nicht gleichmäßig ist. Bei- spielsweise könnte in dem schlecht durchbluteten Knorpelgewebe ein Mangel vorliegen, während andere Gewebe ausreichend versorgt sind.

Dies müßte eine Störung der Kolla-

Tabelle 2: Megatherapie mit Vitamin B6 - Wirkungsmecha- nismus unbekannt oder unbe wiesen (angewandte Tages- dosen siehe Text)

rheumatische Erkrankungen degenerative

Gelenkerkrankungen Karpaltunnelsyndrom

Chinese restaurant Syndrome prämenstruelles Syndrom

hungsweise 50 mg Pyridoxin pro Tag ausreichen, um die Entwicklung von Mangelzuständen bei Patienten zu verhindern, die 8 beziehungsweise 16 mg Isoniazid pro kg Körpergewicht und Tag erhalten (10). Zur Therapie einer Isoniazid-Vergiftung wird eine einmalige Gabe von 1 g Pyridoxin pro Gramm Isoniazid empfohlen (33, 34).

D-Penicillamin hat eine „Anti- Pyridoxin-Wirkung", kenntlich an gesteigerter Xanthurensäureaus- scheidung nach Tryptophanbela- stung, die nach Vitamin-B 6-Supple- mentierung reversibel ist. Manche Autoren empfehlen daher, die An- wendung von Penicillamin mit Pyri- doxin (100 mg/Tag) zu kombinieren (21).

gensynthese zur Folge haben, an der die Pyridoxalphosphat-abhängige Lysyloxidase durch die Quervernet- zung einen wesentlichen Anteil hat.

Deshalb gibt es Überlegungen zur therapeutischen Anwendung höhe- rer Vitamin-B 6-Dosen in Kombina- tion mit anderen Vitaminen bei rheumatischen Erkrankungen und degenerativen Gelenkerkrankungen (23). Gegenwärtig ist man hier über Vermutungen noch nicht hinausge- kommen, so daß diese interessante Anwendungsmöglichkeit noch einer eingehenden Untersuchung bedarf.

Auch die idiopathische Form des Karpaltunnelsyndroms fällt in diesen Bereich. Als Ursache wird ei- ne durch Pyridoxalphosphatmangel verursachte ödematöse Veränderung

und Proliferation der Synovia ange- nommen, durch welche die Kom- pression des N. medianus im Karpal- tunnel verursacht wird (12). Daher wird empfohlen, vor einer Operation den Vitamin-B 6-Status zu überprü- fen und gegebenenfalls eine Substi- tutionstherapie durchzuführen.

Das „chinese restaurant syn- drome", eine Unverträglichkeit von Glutamat, kommt häufig in Kombi- nation mit dem Karpaltunnelsyn- drom vor (14). Es kann im Sinne ei- ner Antwort auf einen Glutamat-Be- lastungstest bei Vitamin-B 6-Mangel- versorgung verstanden werden. In ei- ner Doppelblindstudie verschwand die Empfindlichkeit auf Glutamat, wenn die Patienten 12 Wochen lang 50 mg Vitamin B6 pro Tag erhalten hatten (13). Eine Bestätigung der Erfolge beim Karpaltunnelsyndrom und beim Chinese restaurant Syndro- me durch andere Untersucher steht allerdings noch aus.

Wohl die häufigste Indikation für die Anwendung hoher Dosen an Vitamin B6 ist das prämenstruelle Syndrom. Es gibt zahlreiche Studien, die eine teilweise Besserung der Be- schwerden dieses psycho-neuro-en- dokrinen Syndroms belegen (19).

Die dabei angewandten Dosen rei- chen von 40 bis 500 mg/Tag. Ein Wir- kungsmechanismus ist nicht bekannt Es kann aber nicht übersehen wer- den, daß manche Patientinnen nicht auf Vitamin B6 ansprechen, was bei den komplexen Ursachen für dieses Syndrom nicht verwunderlich ist.

Anwendungsgebiete mit nicht

erwiesener Wirkung In den Bereich reiner Spekula- tion fällt die orthomolekulare Thera- pie mit Megadosen an Vitamin B6 bei Schizophrenie, Depressionen, Autismus, Verhaltensstörungen, Lernschwäche, Aufmerksamkeits- schwäche, geistiger Retardierung, Nausea, Hyperemesis gravidarum, bei Ödemen unklarer Genese sowie Ernährungsregimen für Bodybuil- ding.

Ein gesicherter Nachweis für

günstige Wirkungen von Vitamin B6 in derartigen Fällen ist bisher nicht erbracht worden.

Dt. Ärztebl. 86, Heft 46, 16. November 1989 (51) A-3501

(3)

7 2-6 g 2-40 Monate Schaumburg et al. 1983

(29)

1 500 mg 1 Jahr Berger & Schaumburg

1974 (7)

Vasile et al. 1984 (30) 1 3g 6 Monate De Zegher et al. 1985 (35) 1 1g keine Angabe

Dalton 1985 (11) 23 Neuropathie

nicht objektiviert 50-300 mg

Podell 1985 (26) 1 500 mg 8 Jahre

Baer & Stillman 1984 (3) 4 Jahre (Dermatose) 1 4g

1

Friedman et al. 1986 (15) 2g 1 Jahr (Dermatose) Tabelle 3: Fälle von peripherer sensorischer Neuropathie bei Vitamin B6-Megatherapie

Autoren (Literaturzitat) Tagesdosis Dauer der Behandlung Zahl

der Fälle

Parry & Bredesen 1985 (25)

200-5000 mg

1-36 Monate 16

Toxische Wirkungen von Vitamin B6

Wenngleich die Toxizität von Pyridoxin sehr gering ist, sind nach langem Gebrauch hoher Dosen erst- mals von Schaumburg et al. (29) toxi- sche Nebenwirkungen beobachtet worden. Bei diesem ersten Bericht handelte es sich um fünf weibliche und zwei männliche Patienten, die täglich zwischen 2 und 6 Gramm Py- ridoxin genommen hatten. In vier Fällen handelte es sich um Selbstme- dikation als Zusatz zu einer Diät, in einem Fall war die Patientin der Empfehlung eines Gesundheitsma- gazins zur. Behandlung des prämen- struellen Odems gefolgt, in zwei Fäl- len wurde die Behandlung von einem Gynäkologen wegen Ödemen ver- schrieben und in einem Fall von ei- nem Psychiater.

Die Schäden traten nach zwei bis 40 Monaten der Therapie auf und bestanden in einer peripheren sensorischen Neuropathie mit atakti- schen Gangstörungen, Reflexstörun- gen, Beeinträchtigung von Tast-, Vibrations- und Temperatursinn und Fehlen von Aktionspotentialen sen- sibler Nerven. Anatomisch fand sich an peripheren sensiblen Nerven eine unspezifische axonale Degeneration großer und kleiner myelinisierter Fa- sern. Das Absetzen von Vitamin B6 führte im Laufe von sechs Monaten zu weitgehender bis vollständiger Besserung.

Seitdem wurde über eine Reihe weiterer ähnlicher Fälle berichtet, die mehr oder weniger gut dokumen- tiert sind (Zusammenstellung in Ta- belle 3). In zwei Berichten wurde ne- ben der sensorischen Neuropathie eine subepidermale vesikuläre Der- matose beobachtet (3, 15). Leider läßt sich aus den bisher vorliegenden Beobachtungen eine Grenze für eine ungefährliche Dosierung nicht mit Sicherheit ableiten. In den meisten Fällen lagen die Dosierungen über 500 mg/Tag bis zu mehreren Gramm pro Tag.

Zwischen der Dauer bis zum Auftreten toxischer Symptome und der Dosis scheint eine inverse Bezie- hung zu bestehen (25). In einem Fall, bei dem eine Neuropathie als Folge einer drei Jahre langen Ein-

nahme von 200 mg Pyridoxin pro Tag aufgetreten sein soll (25), sind die Dosierungsangaben nicht objekti- vierbar, weil sie vom Patienten selbst aus telefonischen Interviews stam- men.

Den Berichten über toxische Nebenwirkungen stehen zahlreiche Mitteilungen über Megatherapie ge- genüber, bei der keine Komplikatio- nen aufgetreten sind. Sie geben zu- sammen mit den anderen Berichten die einzige Möglichkeit zur Abschät- zung eines ungefährlichen Bereichs der Megadosierung. So wird über 22 Patienten berichtet, bei denen 200 bis 500 mg Pyridoxin täglich über Zeiträume von acht Monaten bis zu sechs Jahren ohne schädliche Wir- kungen angewandt wurden (24).

Vier Patienten mit Homozystinurie, die zwischen 100 und 200 Tage mit Pyridoxinmengen von 200 bis 500 mg/Tag behandelt wurden, zeigten keine Nebenwirkungen (6). Ebenso blieben sechs ältere Patienten, die ein Jahr lang täglich mit 225 mg Pyri- doxin behandelt wurden, frei von Schäden (4). Weiterhin berichten

Brush und Perry (9) über die Be- handlung von 630 Frauen wegen prä- menstruellen Syndroms mit Dosen von 80 bis 200 mg Vitamin B6 pro Tag ohne Auftreten einer Neuropa- thie; leider ist der Wert dieser Mit- teilung beschränkt, weil keine Anga- ben über die Behandlungsdauer ge- macht werden.

Alles in allem scheint die Gren- ze, von der ab toxische Wirkungen bei langfristiger Behandlung auftre- ten können, irgendwo zwischen 300 und 500 mg/Tag zu liegen. Leider lie- gen gerade in diesem Bereich keine systematischen Untersuchungen vor.

Außer der Dosis muß aber auch die Dauer der Behandlung in die Be- trachtung eingehen.

Wenngleich im streng wissen- schaftlichen Sinn ein Kausalzusam- menhang zwischen Vitamin-B 6-Me- gadosierung und peripherer senso- rischer Neuropathie bisher nicht durch kontrollierte klinische Studien bewiesen ist, machen ihn die vorlie- genden Berichte doch sehr wahr- scheinlich. Deshalb kann man nicht mehr argumentieren, daß eine Me- A-3502 (52) Dt. Ärztebl. 86, Heft 46, 16. November 1989

(4)

FÜR SIE REFERIERT

gatherapie mit Vitamin B6 völlig oh- ne Risiko sei. Auch hier ist eine Nutzen-Risiko-Abwägung erforder- lich. Die Gefahr liegt weniger in der kontrollierten Anwendung durch den Arzt, sofern diesem das Krank- heitsbild der peripheren sensori- schen Neuropathie bekannt ist. Ris- kant ist vor allem die Selbstmedika- tion durch Laien aufgrund von Ver- sprechungen in obskuren Gesund- heitsmagazinen, weil häufig bei Aus- bleiben der erwarteten Wirkung die Dosis immer weiter erhöht wird, bis mehrere Gramm pro Tag erreicht werden. Deshalb gehört Pyridoxin in Megadosen nicht in die Hand des Laien und deshalb sollte unseriöse Werbung mit unbewiesenen Behaup- tungen unterbunden werden.

Dekubitalulzera

Das Mortalitätsrisiko bei geria- trischen Patienten und Bewohnern von Pflegeheimen wird durch Deku- bitalulzera vervierfacht. Der wichtig- ste Risikofaktor ist Immobilität. Prä- disponierend wirken schlechter Er- nährungszustand, Altersveränderun- gen der Haut und Inkontinenz.

Pathophysiologisch sind vier Fakto- ren entscheidend: Druck, Scherkräf- te, Reibung und Feuchtigkeit. Der Druck über dem Os sacrum oder dem Trochanter major beträgt im Liegen auf normaler Matratze bis zu 150 mmHg. Scherkräfte und Rei- bung erniedrigen die Druckschwelle, die ausreicht, um die Sauerstoffver- sorgung des Gewebes zu unterbre- chen. Reibung und Feuchtigkeit füh- ren zu oberflächlichen Zerstörungen der Haut, während Druckschädigun- gen vorwiegend in tieferen Arealen (Muskulatur) beginnen und sich zur Oberfläche ausbreiten.

Die Prävention hat deshalb be- sonders bei der Vermeidung von Druckbelastungen anzusetzen. Mus- kelnekrosen treten nach ein- bis zweistündigen Druckbelastungen auf, weswegen wechselnde Lagerun- gen der Patienten in mindestens zweistündigem Abstand erfolgen sol- len. Der Abstand hat sich nach dem Risiko des Patienten zu richten. Ge- eignetes Lagerungsmaterial (Kissen,

Kurzfassung einer Ausarbeitung im Auf- trag der Arbeitsgruppe „Vitamine" der Se- natskommission zur Prüfung von Lebens- mittelzusatz- und Inhaltsstoffen der DFG (Vorsitzender: K. J. Netter, Marburg).

Mitglieder der Arbeitsgruppe „Vitamine":

K H. Bässler, Mainz; G. Brubacher, Basel; J.-F. Diehl, Karlsruhe; R. Großklaus, Berlin; D. Hötzel, Bonn; F. H. Kemper, Münster; W. Kübler, Gießen (Vorsitzen- der); D. Lorke, Wuppertal; E. Menden, Gießen.

Die Zahlen in Klammem beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonder- druck, anzufordem über den Verfasser.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Karl Heinz Bässler Physiologisch-Chemisches Institut der Universität Mainz

Saarstraße 21 6500 Mainz

spezielle Matratzen) kann das Auf- treten von Dekubitalulzera verhin- dern helfen. Schaffelle und dünnere Schaumstoffmatratzen sind dazu nicht geeignet.

Komplikationen mit hoher Mor- talität sind Infektionen in nekroti- schem Gewebe, Osteomyelitis und Sepsis, bei der sich sehr häufig gram- negative Problemkeime finden.

Die Behandlung richtet sich nach dem Grad der Läsion (I—IV).

Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährung müssen besonders die Ei- weißversorgung berücksichtigen. Sy- stemische Gabe geeigneter Antibio- tika ist bei Sepsis oder Osteomyelitis angezeigt. Wichtig ist die chirurgi- sche Beseitigung von nekrotischem Gewebe bei tiefgreifenden Läsionen.

Auch bei oberflächlichen Geschwü- ren muß zunächst die Infektion be- seitigt werden, bevor eine Heilung durch Granulation erfolgen kann.

Hierzu sind auch lokal angewandte Antibiotika und Antiseptika einzu- setzen. Zur Reinigung stark sezer- nierender Ulzera eignet sich das en- zymatische Debridement. Ist die Wundfläche sauber, muß sie feucht gehalten werden (physiologische Kochsalz- oder Ringerlösung), um die Granulation zu fördern. Bei sehr ausgedehnten Läsionen kommen Spezialbetten zur Anwendung (kost- spielig). Plastisch-chirurgische Maß- nahmen müssen bei tiefen Ulzeratio-

nen in individuellen Fällen (Opera- bilität) erwogen werden. Konsequen- te Therapie großer Dekubitalulzera bei Krankenhauspatienten führt nur in etwa zwölf Prozent zur definitiven Heilung. Diese kann Monate bean- spruchen. Hierzu sind weitere kon- trollierte und randomisierte Studien notwendig.

Die beste Behandlung ist die Prophylaxe von Dekubitalgeschwü- ren. Sie ist ein Qualitätsmerkmal der Patientenversorgung. kue

Allman, R. M.: Pressure ulcers among the elderly. N. Engl. Journ. Med. 320 (1989) 850-853.

Dr. R. M. Allman, Div. of Geriatrics and Gerontology, University of Alabama, Bir- mingham, AL 35294, USA

Magenexplosion bei Diathermie

Von operativen Eingriffen im Colon, insbesondere der endoskopi- schen Polypektomie ist bekannt, daß es bei ungenügender Darmreinigung zu Explosionen kommen kann, wenn brennbare Gase durch Diathermie- strom entzündet werden. Die Auto- ren aus Großbritannien berichten über den Fall einer Magenexplosion bei der Laparotomie eines 82jähri- gen Patienten mit ausgedehntem Antrumkarzinom, bei dem sich im Rahmen der Distension offensicht- lich brennbare Gase gebildet hatten.

Bei der Anlage einer palliativen an- tekolischen Gastro-Jejunostomie mit dem Diathermiemesser kam es zu ei- ner Stichflamme mit Explosion, so daß die assistierende Schwester und die OP-Lampe mit Mageninhalt

„überschüttet" wurden, ernstere Komplikationen blieben dem Patien- ten jedoch erspart. Offensichtlich hat die Magenstase bei dem Patien- ten zu einer Fermentation der aufge- nommenen Nahrung mit Produktion eines explosiven Gemisches geführt.

Die Autoren empfehlen deshalb, prinzipiell vor palliativen Magenope- rationen über eine Magensonde den Mageninhalt abzusaugen.

Earnshaw, J. J., T. K. Keane: Gastric ex- plosion: a cautionary tale. Brit. Med. J.

298: 93, 1989.

Derriford Hospital, Plymouth PL6 8DH.

Dt. Ärztebl. 86, Heft 46, 16. November 1989 (55) A-3505

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