• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Schmalspur-Psychotherapie: Gesetzlich sanktioniert?" (22.02.1990)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Schmalspur-Psychotherapie: Gesetzlich sanktioniert?" (22.02.1990)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

R KOMMENTAR

Der Fall Honecker

Ärztliche

Bewährungsprobe

Erich Honecker, mit Schimpf und Schande aus seinen Ämtern ge- jagt, ist ein kranker, vielleicht ein todkranker Mann. So notwendig es wäre, ihn zur Rechenschaft zu zie- hen, die Möglichkeiten sind be- grenzt. Auch das (mühsam juristisch kaschierte) Bedürfnis, sich an ihm zu rächen, wird ungestillt bleiben müs- sen.

Diejenigen, die Honecker aus Gewissensgründen vor Rächern wie Strafverfolgern zu schützen versu- chen, haben keinen leichten Stand, wohl aber gute Gründe.

Der evangelische Pastor, der dem einst Mächtigen Unterschlupf gewährt hat, beruft sich auf die christliche Nächstenliebe, die Ge- rechten und Ungerechten gilt und die Rache einem Höheren überläßt.

Die behandelnden Ärzte, allen voran Prof. Dr. P. Althaus von der Berliner Charit6, stützen sich auf die ärztliche Berufsethik.

Althaus legte in einem medizini- schen Bulletin anläßlich der Entlas- sung Honeckers aus der Urologie an der Charit6 überzeugend dar, daß sein Patient schwerkrank und weder haftfähig noch so recht verneh- mungsfähig ist. Er hat später, nach- dem Honecker von Kriminalbeam- ten verhört worden war, darauf hin- gewiesen, daß weitere polizeiliche Vernehmungen das Leben des Pa- tienten gefährden könnten.

Wiederherstellung und Erhal- tung der Gesundheit sind oberstes Gebot ärztlichen Handelns, begrün- dete Honeckers behandelnder Arzt sein Verhalten. Er folgt mit dieser allein dem Kranken ohne Ansehen der Person verpflichteten Berufsauf- fassung einer ehrenwerten, jahrtau- sendealten ärztlichen Tradition. In dem Gelöbnis, das den (bundesdeut- schen) Berufsordnungen als Präam- bel voransteht, heißt es: „Ich werde mit allen meinen Kräften die Ehre und die edle Überlieferung des ärzt- lichen Berufes aufrechterhalten und

bei der Ausübung meiner ärztlichen Pflichten keinen Unterschied ma- chen, weder nach Religion, Nationa- lität, Rasse noch nach Parteizugehö- rigkeit oder sozialer Stellung."

Dieses sogenannte Genfer Ge- löbnis ist vom Weltärztebund verab- schiedet worden. Dem hat die DDR zwar nicht angehören können. Doch auf die hier zum Ausdruck kommen- de, dem hippokratischen Eid ent- sprechende Berufsauffassung kön- nen sich auch Honeckers Ärzte mit gutem Gewissen berufen — wohlwis- send, daß sie damit manchen Erwar- tungen nicht entsprechen können und Kritik ernten werden. Es ist ein- fach, sich in harmlosen Zeiten auf Ethik (wie auf Nächstenliebe) zu be- sinnen; erst im Konfliktfall wird die Berufung auf die Berufsethik zur ärztlichen Bewährungsprobe. NJ

Schmalspur-Psychotherapie

Gesetzlich sanktioniert?

Geballte Proteste selbst aus dem eigenen Haus sind dem österreichi- schen Gesundheitsminister Harald Ettl (einem Textil-Gewerkschafts- funktionär) entgegengeprallt, nach- dem er einen Entwurf für ein Psy- chotherapie-Gesetz veröffentlicht hatte. Selbst die zuständige Fachab- teilung seines Ministeriums distan- zierte sich von dem Entwurf; daß die Ärztekammer massiv protestierte, braucht kaum erwähnt zu werden.

Ettls Entwurf sieht vor, daß zur selbständigen psychotherapeuti- schen Behandlungstätigkeit zugelas- sen werden kann, wer die Matura (Abitur) hat und bei einem „Ausbil- dungsverein" eine Ausbildung von eineinhalb Jahren absolviert hat. Ei- ne Prüfung ist nicht vorgesehen; al- lerdings sollen in den eineinhalb Jah- ren sechzig Stunden Ausbildung in der Medizin enthalten sein.

„Ausbildungsvereine" — das sind die auch in Osterreich fast zahllosen

„Schulen" in der Psychologie und Psychotherapie. Sie sind mehr oder

weniger wissenschaftlich organisiert und durchweg privatrechtliche Ver- eine, gegen deren Existenz und bis- herige Tätigkeit auch niemand etwas einzuwenden hat. Nun aber sollen sie eine staatlich delegierte Ausbil- dungskompetenz bekommen; das wäre etwa so, als ob die Deutsche Gesellschaft für Ophthalmologie den Auftrag bekäme, aus einem Abitu- rienten in eineinhalb Jahren einen Augenarzt zu machen.

Die groteskeste Idee des Ent- wurfs: Den Ärzten soll eine Über- weisungspflicht an diese „Psy- chotherapeuten" auferlegt werden.

Wenn ein Arzt psychosomatische Anteile an der Erkrankung eines sei- ner Patienten findet, soll er überwei- sen müssen — wenn er es nicht tut, drohen ihm 50 000 Schilling Strafe.

Da erscheint es geradezu rührend, wenn den „Psychotherapeuten" die gleiche Strafe angedroht wird, wenn sie einen physisch kranken Klienten nicht an einen Arzt überweisen.

Ärzte und Psychologen sind sich in dieser Sache in Osterreich im Au- genblick ziemlich einig (obwohl es keiner ganz deutlich sagen will): Der Gesundheitsminister macht damit auch alle Bemühungen zunichte, ei- nen kompetenten akademischen Be- rufsstand des Klinischen Psycholo- gen zu schaffen. Der könnte nämlich kein Schmalspur-„Psychotherapeut"

sein, der ja in den eineinhalb Jahren gerade eine gewisse Ahnung von ei- ner Methode haben kann — etwa: Ge- sprächstherapie oder Gestalt-Thera- pie oder Rebirthing oder noch ob- skurere Methoden.

Der Gesundheitsminister will ei- nen „Fachbeirat" einsetzen, der sich um die Durchführung des Gesetzes und die Zulassung der „Ausbildungs- vereine" kümmern soll. Ihm sollen angehören Vertreter der Arbeiter- kammer (sprich Gewerkschaften), der Rektoren oder der Bundeskonfe- renz der wissenschaftlichen Berufe, aber weder Ärzte noch akademisch ausgebildete Psychologen.

Der Gesundheitssprecher der christdemokratischen OVP meinte nur trocken, bald werde nur die Ge- werkschaft bestimmen, was Psy- chotherapie ist. Man sollte mal beim alten Freud nachfragen, wie er das deuten würde . . . bt A-536 (20) Dt. Ärztebl. 87, Heft 8, 22. Februar 1990

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Wenn also die überwiegende Mehrheit der in Deutschland Befragten sich für wesentliche, teilweise sogar grundlegende Änderungen im Gesundheitswesen aussprechen, so handelt es

Eine Schmalspur-Lösung, so Klotz, „die über den AiP und eine pervertierte Allgemeinarzt-Richtlinie zum Bar- fußmediziner germanischer Prägung führt", wäre zudem ein

Viertel- jahr 1990 mit Ausnahme der Leistun- gen des Kapitals 0 der E-GO (— Labo- ratoriumsuntersuchungen —) grund- sätzlich nach den Gebührensätzen der E-GO berechnet.

Bundesgesundheits- minister Horst Seehofer (CSU) unterzeichnete nach Angaben seines Ministeriums eine Verordnung, mit der Herstellung von und Handel mit diesen Präparaten für

Der von Magna verliehene Johann Puch Award 2009 für exzellente Diplomarbeiten ging an Dipl.-Ing. Preis), beide Institut für Fahrzeugtechnik, sowie an Dipl.-Ing. Preis) vom Institut für

Oktober 2011 ab 15 Uhr fi ndet in der aula der TU Graz die Veranstaltung „Von der Wissen- schaft zur innovation“ statt, im Zuge derer die erfi nderinnen und erfi n-

Als die Erzeugung von Elektrizität entdeckt wurde, wussten die Menschen erst mal gar nicht so recht was sie mit damit anfangen sollten.. Die ersten Geräte zur

Wenn im ärztlichen Erstkontakt durch das Vorliegen einer Suizidalität eine Überforderungssituation besteht, sollte der Patient an einen Psychiater oder Psychotherapeuten oder