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Archiv "Kardiovaskuläre Manifestationsformen der Lyme-Borreliose: Therapeutische Situation im chronischen Stadium problematisch" (04.04.2003)

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Academic year: 2022

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ie Lyme-Borreliose ist die häufig- ste durch Zecken übertragene In- fektionserkrankung. Die Übertra- gung des 1983 entdeckten Erregers Borrelia burgdorferi findet in Mittel- europa vor allem durch den Gemeinen Holzbock (Ixodes ricinus) statt. Die Er- krankungshäufigkeit wird in Österreich und Slowenien auf 120 bis 140 Fälle pro 100 000 Einwohner und Jahr geschätzt (53, 55). Die Prävalenz der Zecken- durchseuchung beläuft sich in Europa auf circa 20 Prozent (43).

Die Definition des Manifestations- spektrums umfasst Erkrankungen der Haut, des zentralen und peripheren Ner- vensystems und der Gelenke, selten auch des Muskel-, Bindegewebes sowie ande- rer Organe (48). Üblicherweise werden eine frühe lokalisierte (Stadium 1), eine disseminierte (Stadium 2) und eine persi- stierende Infektion (Stadium 3) unter- schieden.

Die kardiale Manifestation der Lyme- Borreliose wurde erstmals 1980 durch Steere et al. beschrieben. Seither wird eine kardiale Beteiligung in 4 bis 10 Prozent (Nordamerika 2 bis 10 Pro- zent, Europa 0,3 bis 4 Prozent) der Fäl- le beobachtet (32, 49). Während bei der Borreliose beide Geschlechter unge- fähr gleich häufig betroffen sind, über- wiegt bei der Lyme-Karditis das weibli- che Geschlecht (3:1) (42). Zu den Früh- manifestationen der Lyme-Karditis zählen in erster Linie atrioventrikuläre Überleitungsstörungen im Rahmen ei-

ner Perimyokarditis. Diese Erkran- kungsformen sind überwiegend gut reversibel und haben eine günstige Prognose. Hingegen stellt die erst seit kurzem diskutierte Borrelien-assozi- ierte entzündliche Kardiomyopathie eine zwar sehr seltene, jedoch pro- gnostisch ungünstige Spätmanifestati- on dar (38).

Akute Lyme-Karditis

Die häufigste kardiale Manifestation der Lyme-Borreliose ist die akute Lyme- Karditis. Nicht selten tritt sie isoliert auf und wird 4 bis 83 Tage nach Beginn des Erythema migrans beobachtet (33).

In einer retrospektiven Analyse von 66 Patienten mit akuter Lyme-Karditis präsentierten sich 15 Prozent unter dem klinischen Bild einer Perikarditis (Pe- rikardreiben, Perikarderguss, Rechts-

Kardiovaskuläre

Manifestationsformen der Lyme-Borreliose

Therapeutische Situation im chronischen Stadium problematisch

Zusammenfassung

Die Lyme-Borreliose ist die in Europa und Nord- amerika am häufigsten durch Arthropoden übertragene Infektionserkrankung. Neben der- matologischen, neurologischen und ophthal- mologischen Komplikationen sind kardiovas- kuläre Manifestationsformen eher selten. Eine kardiale Beteiligung wird bei der Lyme-Borre- liose in circa 4 bis 10 Prozent beobachtet. Zu den häufigsten Manifestationen der akuten Lyme-Karditis zählen Reizleitungsstörungen so- wie eine Perimyokarditis. Nachdem vereinzelt Spirochäten im Myokard von Patienten mit di- latativer Kardiomyopathie gefunden wurden und eine erhöhte Seroprävalenz bei diesen Pa- tienten in mehreren Studien nachweisbar war, erscheint ein kausaler Zusammenhang zwi- schen der Entstehung einer inflammatorischen dilatativen Kardiomyopathie und einer chro- nischen Borrelieninfektion möglich. Die ein- geschränkte Sensitivität und Spezifität labor- chemischer Testverfahren (ELISA, Westernblot,

PCR) sowie deren mangelnde Standardisierung machen es notwendig, dass die Diagnose einer Lyme-Karditis durch eine synoptische Wertung von Anamnese, klinischen Befunden und Sero- logie gestellt wird. Während die Antibiotika- therapie im Frühstadium der Erkrankung zu- meist eine vollständige Heilung herbeiführt, ist die therapeutische Situation im chronischen Stadium problematisch.

Schlüsselwörter: Lyme-Karditis, Borreliose, Kar- diomyopathie, Myokarditis, Herzinsuffizienz, AV-Block, Vaskulitis

Summary

Cardiovascular Manifestations of Lyme Disease

Lyme-Borreliosis is the most common tick-borne multisystem infection in Europe and the United States. While dermatological, neurological and ophthalmological manifestations are quite com-

mon, cardiac involvement is rare. Heart involve- ment of Lyme disease occurs in about 4 to 10 per cent of patients with Lyme borreliosis. The most common manifestation is acute, self-limiting Lyme carditis, which manifests as transient con- duction disorders of the heart, pericarditis and myocarditis. The isolation of spirochetes from the myocardium of patients with cardiomyo- pathy and a positive serology of these patients in several studies gave evidence that Borrelia burgdorferi might cause chronic heart muscle disease. Because of limited sensitivity and speci- fity of laboratory tests (ELISA, immunoblotting and PCR) the laboratory evidence should only be interpreted in conjunction with other clinical and diagnostic features. While the early stage of Lyme disease usually shows good response to antibiotic therapy, late manifestations constitute a therapeutic challenge.

Key words: Lyme disease, borreliosis, cardio- myopathy, myocarditis, heart failure, AV block, vasculitis

1 Medizinische Klinik I, Schwerpunkt Kardiologie, (Direk- tor: Prof. Dr. med. Joachim Cyran), Klinikum Heilbronn

2Abteilung für Kardiologie (Vorstand: Prof. Dr. med. Ge- rald Maurer) der Universitätsklinik für Innere Medizin II, Universität Wien

3 Klinik und Poliklinik für Innere Medizin C (Direktor: Prof.

Dr. med. Gottfried Dölken) der Ernst-Moritz-Arndt-Uni- versität Greifswald

Norbert Scheffold

1

Jutta Bergler-Klein

2

Christoph Sucker

3

Joachim Cyran

1

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herzversagen, EKG-Veränderungen).

Eine Perimyokarditis lag in 8 Prozent vor. In 20 Prozent war bei der Röntgen- untersuchung des Thorax eine meist passagere Kardiomegalie mit Lungen- stauung nachweisbar, eine klinisch rele- vante Linksherzinsuffizienz bestand in 17 Prozent (58). Die meisten Patienten mit akuter, Borrelien-assoziierter Pe- rimyokarditis zeigen eine spontane Re- mission (57).

Die akute Lyme-Karditis manife- stiert sich am häufigsten in Form pas- sagerer AV-Blockierungen (Textka- sten). Diese sind im Mittel 21 Tage nach dem klassischen Erythema migrans nachweisbar (30). Typischerweise wer- den fluktuierende Blockierungen auf AV-Ebene mit rasch wechselnder Aus- prägung beobachtet (49). Bei einer AV-Überleitungszeit > 300 ms kommt es häufig zu einer Progredienz in hö- hergradige Blockierungen. Ein dritt- gradiger AV-Block tritt in bis zu 50 Prozent aller Patienten mit Lyme-Kar- ditis auf (1). Die Überleitungsstö- rungen bilden sich allerdings in der Regel innerhalb von 6 Wochen spon- tan zurück. Bei der zitierten retro- spektiven Studie waren persistierende

AV-Blockierungen im Verlauf bei le- diglich 8 Prozent der Patienten nach- weisbar. Zeitweilig kann ein verlänger- tes PQ-Intervall (AV-Block I) nach durchgemachter Lyme-Karditis beste- hen bleiben. Nur in seltenen Fällen be- steht eine dauerhaft bradykarde Über- leitungsstörung fort, sodass eine per- manente Schrittmacherimplantation notwendig wird. Seltene rhythmologi- sche Komplikationen umfassen infra- hissäre Blockierungen, Vorhofflim- mern (31) oder auch Vorhof- (52) und Kammertachykardien (60). Unspezifi- sche Endstreckenveränderungen im EKG (ST-Senkungen, T-Negativierun- gen) werden häufig beobachtet.

Chronische Manifestation

Die Borrelien-assoziierte dilatative inflammatorische Kardiomyopathie ist eine sehr seltene Spätmanifestation der Lyme-Karditis. Erste Hinweise auf einen ätiologischen Zusammenhang zwischen dilatativer Kardiomyopathie (DCMP) und einer Borrelieninfek- tion gehen auf die frühen 80er-Jahre zurück (6, 50). Stanek gelang es 1990 erstmals, Spirochäten aus dem En- domyokardbiopsat eines Patienten mit dilatativer Kardiomyopathie zu isolieren (Abbildung 2). In zahlrei- chen serologischen Untersuchungen konnte zudem bei Patienten mit dila- tativer Kardiomyopathie signifikant häufiger eine positive Immunreaktion gegen Borrelia burgdorferi

im ELISA und Westernblot nachgewiesen werden (24, 42, 40, 47). Die zitierten Stu- dien und Beobachtungen weisen auf einen möglichen Zusammenhang zwischen ei- ner Infektion mit Borrelia burgdorferi und der Entste- hung einer chronischen, dila- tativen Kardiomyopathie in Einzelfällen hin. Der Erreger kann jedoch – wie bei an- deren Myokarditis-Formen auch – in Spätstadien oft nicht mehr nachweisbar sein, so- dass der endgültige Beweis ei- ner ursächlichen Infektion zumeist nicht gelingt (4, 9, 38).

Weitere kardiovaskuläre Komplikationen

Kasuistisch wurde über eine Vaskulitis als Folge einer Infektion mit Spirochä- ten (Treponema pallidum beziehungs- weise Borrelia burgdorferi) mehrfach berichtet (8, 34). Neben Aneurysmen im Bereich der Koronarien (18) und Hirnbasisarterien (35) lässt sich einer aktuellen finnischen Untersuchung zufolge ähnlich wie für die Chlamydi- en ein möglicher Zusammenhang zwi- schen einer Borrelieninfektion und der Entstehung einer koronaren Herz- erkrankung in Einzelfällen herleiten (36). Die Studienlage hierzu erlaubt derzeit jedoch keine diesbezüglich ab- schließende Wertung.

Erst kürzlich wurde eine fulminante Mitralklappenendokarditis auf dem Boden einer Lyme-Karditis beschrie- ben. Hierbei handelt es sich um den ersten Einzelfallbericht einer Borreli- en-assoziierten Endokarditis (7).

Diagnostik

Die Diagnosestellung einer Lyme- Karditis erfolgt anhand von Anamne- se und klinischen Kriterien und ist bis- weilen problematisch.

Die häufigste Erscheinungsform der Primärmanifestation, das Erythe- ma migrans ist klinisch zwar eindeutig zu diagnostizieren (Abbildung 1), wird aber „nur“ von 58 bis 82 Prozent der Patienten bemerkt (57). Die Sympto- Kardiale Manifestationsformen

der Lyme-Borreliose Perimyokarditis

>Erregungsausbreitungs- und Rückbildungs- störungen

>Perikarderguss Reizleitungsstörungen

>Sinuatriale Blockierung

>AV-Blockierungen (erst-, zweit- und drittgra- dig, supra-, intra-, infrahissär)

>Rechtsschenkel-/Linksschenkelblock (kom- plett/inkomplett)

>faszikulärer Hemiblock Tachykarde Herzrhythmusstörungen

>ventrikuläre und atriale Tachykardien

>Vorhofflimmern Myokardiale Affektionen

>linksventrikuläre Dysfunktion im Rahmen einer akuten Myokarditis

>dilatative Kardiomyopathie bei chronischen Verlausformen

Koronaraneurysmen (im Rahmen einer Vaskulitis) Mögliche koronare Herzkrankheit?

Mögliche Endokarditis?

Textkasten

Abbildung 1: Erythema migrans als Frühmanifestation der Lyme-Borreliose: makulöse oder papulöse Effloreszenz.

Typischerweise im Verlauf zunehmend zentral ablassen- des, nach peripher ringförmig wanderndes Erythem.

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me der akuten Perimyokarditis hin- gegen sind meist unspezifisch: hier- zu zählen Leistungsabfall mit Bela- stungsdyspnoe, Herzrasen und tho- rakale Schmerzen, eventuell ist ein Perikardreiben auskultierbar. Das ba- sisdiagnostische Spektrum umfasst EKG/Holter zur Beurteilung von Endstreckenveränderungen (ST-Sen- kungen beziehungsweise T-Negativie- rungen) und Herzrhythmusstörungen sowie die Echokardiographie zur Quantifizierung von linksventrikulä- rer Pumpfunktion, Wandkinetik und Nachweis eines Perikardergusses.

Liegt der klinische Verdacht auf ei- ne Lyme-Karditis vor, stehen Labor- tests zur Diagnosesicherung zur Ver- fügung.

Da eine Serokonversion innerhalb der ersten vier bis sechs Wochen zu erwarten ist, wird in der Routinedia- gnostik als Screeningverfahren ein sen- sitiver ELISA (Grafik) zur Bestim- mung Borrelien-spezifischer IgM- und IgG-Antikörper eingesetzt (zum Bei- spiel gegen Oberflächenantigene p22 und p39). Sensitivitäten und Spezifi- täten der konventionellen Testkits schwanken jedoch erheblich (11, 28).

Neben falschpositiven IgM-Antikör- pererhöhungen (häufige Kreuzreaktio- nen bei Infektionen mit Treponema pallidum, Epstein-Barr-Virus, E. coli be- ziehungsweise Autoimmunerkrankun- gen, positiver Rheumafaktor) kann auch die frühdiagnostische Lücke auf- grund der nicht selten verzögerten Im- munantwort zu einer Verunsicherung und damit Diagnoseverzögerung füh- ren.

Eine negative Serologie schließt somit eine Frühinfektion nicht aus. Ei- ne seronegative, chronische Lyme-Er- krankung ist hingegen äußerst selten.

Das amerikanische Center for Dis- ease Control and Prevention (CDC) empfiehlt deshalb als Referenzmetho- de zur Evaluierung eines positiven ELISA-Befundes die Analyse des An- tikörperspektrum mit einem Western- blot (Zwei-Stufen-Schema, Grafik).

Mit den Immunoblots können Spezi- fitäten von 95 bis 100 Prozent erzielt werden, allerdings fehlen derzeit all- gemein gültige, standardisierte Krite- rien zur Testdurchführung und Aus- wertung, was die Interpretation der

Testergebnisse kompliziert (21). Dar- überhinaus können auch nach bereits abgelaufener Infektion die immunolo- gischen Titer zum Teil über Jahre per- sistieren und so die Interpretation der serologischen Befunde erschweren (23).

Während ein direkter Erregernach- weis mittels kultureller Anzucht oder erregerspezifischem DNA-Nachweis in der PCR aus der Hautbiopsie beim Erythema migrans möglich ist, konnte sich die Myokardbiopsie bisher nicht in den diagnostischen Routinealgo- rithmus bei der Lyme-Karditis wie auch anderen Formen der Myokarditis einreihen. Zum einen ist die Proben- gewinnung und Aufarbeitung mit zahl- reichen technischen Problemen ver- bunden (12), zum anderen sind die publizierten Daten zur histologischen Beurteilung nicht einheitlich und die kulturelle Anzucht von Borrelien bei vielen Organmanifestationen der Lyme- Borreliose generell sehr schwierig (11, 39, 41, 45). Durch die in den letzten Jahren entwickelten, modernen im- munhistochemischen und molekular- biologischen Verfahren hat sich je- doch die Sensitivität bei der Beurtei- lung von Myokardbiopsien deutlich verbessert (26, 29, 39).

Gallium-Szintigraphie, Antimyosin- Szintigraphie (Indium-markierte mo- noklonale Antikörper) und zunehmend auch die Kernspintomographie können zusätzliche, nur im Gesamtbild zu be- wertende Hinweise auf einen myokar- dialen Entzündungsprozess liefern (3, 20).

Symptomatischer und kausaler Therapieansatz

Da die Gefahr der Borrelieninfektion mit der Saugdauer der Zecke steigt und die Generationszeit der Spirochä- ten mit 6 bis 20 Stunden sehr lange ist, zählt eine rasche Entfernung der Zecke zu den wirksamsten Schutz- maßnahmen.

Therapeutisch kann ein symptoma- tischer und ein kausaltherapeutischer Ansatz unterschieden werden.

Hauptziel der symptomatischen Therapie ist die Behandlung einer klinisch manifesten Bradykardie. Für Patienten mit einem AV-Block I bei einem PQ-Intervall > 300 ms wird aufgrund der Gefahr höhergradiger Blockierungen eine Überwachung un- ter stationären Bedingungen empfoh- len (8, 49). Passager kann bei Brady-

b a

Abbildung 2: Histologische Aufarbeitung (modifizierte Silberfärbung nach Steiner) der Myo- kardbiopsie eines 54-jährigen Patienten mit dilatativer Kardiomyopathie und positiver Borre- lienserologie: Nachweis von Spirochäten (Pfeil) im Endomysium a), sowie in einer Myokardzel- le b). Aus: Stanek G, Bergler- Klein J, Bittner R, Glogar DN: N Engl J Med 1990; 322: 249–252.

Copyright©2002, Massachusetts Medical Society. All rights reserved.

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kardieneigung ein Therapieversuch mit Parasympatholytika oder Sympa- thomimetika unternommen werden (59), allerdings zwingt eine Progredi- enz der Überleitungsstörung in bis zu 35 Prozent zur Anlage eines passage- ren Herzschrittmachers (27, 58). Eine Analyse von van der Linde (58) ergab in lediglich 8 Prozent eine Persistenz höhergradiger AV-Blockierungen, was dann die Implantation eines perma- nenten Schrittmachersystems erfor- derlich macht. Aufgrund der hohen spontanen Remissionsrate ist deshalb von einer übereilten permanenten Schrittmacherimplantation abzuraten (56).

Bei chronischer Myokardschädi- gung im Sinne einer dilatativen Kar- diomyopathie orientieren sich die medikamentösen Basismaßnahmen an der klassischen Herzinsuffizienzthera- pie mit ACE-Hemmer beziehungs- weise Angiotensin-II-Rezeptorantago- nist, Betablocker, Diuretika und Digi- talis.

Ziel der Antibiotikatherapie ist die Elimination der Spirochäten (kau- saltherapeutischer Ansatz). Nach den gängigen Therapieempfehlungen gilt Doxycyclin (200mg/d per os) bei der lokalisierten Frühinfektion als Anti- biotikum der Wahl (22).

Alternativ sind Amoxicillin, Ery- thromycin oder Cefuroxim einsetzbar.

Bei einem rechtzeitigen Therapiebe- ginn kommt es bei der lokalisierten Frühinfektion in mehr als 90 Prozent zu einer kompletten Ausheilung. Bei der disseminierten Infektion wird eine in- travenöse Therapie bevorzugt mit Pe- nicillin G, Cefuroxim oder Ceftriaxon empfohlen.

Bei der akuten Lyme-Karditis wird heute meist Ceftriaxon als Stan- dardantibiotikum eingesetzt. Über- wiegend wird eine Therapiedauer von zwei bis drei Wochen empfohlen. Nach der derzeitigen Studienlage ist die Ef- fektivität dieser Therapie auf die Rückbildung der Reizleitungsstörun- gen allerdings nicht gesichert. Remis- sionsrate und Remissionszeitpunkt unterscheiden sich bei den antibio- tisch Behandelten nicht signifikant von der Kontrollgruppe (8).

Dennoch wird bei der Lyme-Kardi- tis mit isolierten Reizleitungsstörun-

gen eine antibiotische Therapie vor al- lem auch im Hinblick auf einen positi- ven Einfluss auf andere Organmanife- stationen der Lyme-Erkrankung emp- fohlen (54).

Die Studienlage zur antibiotischen Therapie bei der chronischen Kar- diomyopathie als Spätmanifestation der Lyme-Karditis lassen bei entspre- chender Indikationstellung einen po- sitiven Einfluss auf den Krankheits- verlauf erkennen. So verglichen Sein- ost et al. (40) den Effekt einer hochdo- sierten Therapie mit Ceftriaxon (2 2 g/d) auf die linksventrikuläre Funkti- on bei 11 Patienten mit anamnestisch und serologisch gesicherter Borrelien- infektion gegenüber 35 Patienten mit

„idiopathischer“ dilatativer Kardio- myopathie.

Bei Patienten mit Borrelien-assozi- ierter Kardiomyopathie war echokar- diographisch in 84 Prozent (p< 0,05) eine Normalisierung beziehungswei- se Besserung der Ejektionsfraktion nachweisbar gegenüber 26 Prozent in der Vergleichsgruppe. Eine Besserung der Borrelien-assoziierten Kardiomyo-

pathie nach antimikrobieller Therapie wurde auch von an- deren Arbeitsgruppen berich- tet (13, 61, 15), jedoch bei Pa- tienten mit langjähriger dila- tativer Kardiomyopathie in einer Analyse von Bergler- Klein et al. (2) nicht beobach- tet.

Die Daten zur optimalen Tagesdosierung des auch hier bevorzugt eingesetzten Cef- triaxon sind uneinheitlich.

Dattwyler et al (10) konnten keinen klinischen Vorteil bei einer Tagesdosis von 4 g/d er- zielen, allerdings wurden im Vergleich zu einer Tagesdosis von 2 g/d häufiger Nebenwir- kungen beobachtet.

Eine Verlaufsbeobachtung von 200 Patienten im Spät- stadium einer Lyme-Erkran- kung wies hingegen unter ei- ner Hochdosistherapie mit 2 2g/d Ceftriaxon vor al- lem bei fortgeschritteneren Stadien eine bessere An- sprechrate auf (17, 40). Le- diglich in Einzelfällen wurde auch bei sehr lang bestehender Borre- lieninfektion über Teilremissionen un- ter intravenöser Cephalosporinthera- pie berichtet (2). Verschiedentlich wurde bei der chronischen Lyme-Bor- reliose, die sich therapierefraktär ge- genüber Ceftriaxon beziehungsweise Penicillin erwies, eine klinische Besse- rung durch eine Kombinationsthera- pie mit Roxithromycin und Trimetho- prim-Sulfmethoxazol erzielt (5, 14, 16, 19, 37).

Obgleich größere randomisierte Therapiestudien derzeit noch ausste- hen, scheint nach der momentanen Datenlage allgemein akzeptiert, dass ein frühzeitiger Therapiebeginn ent- scheidend für eine Verbesserung der linksventrikulären Funktion ist (42).

Bei lange bestehender chronischer Borrelien-assoziierter Kardiomyopa- thie hat sich der Krankheitsprozess möglicherweise durch sekundäre im- munologische Reaktionen auf noch persistierende oder abgetötete Spiro- chäten „verselbstständigt“, sodass ei- ne antibiotische Therapie nicht mehr erfolgsversprechend ist (2, 4).

Grafik

Serologische, laborchemische Stufendiagnostik bei der Lyme-Borreliose nach dem Zwei-Stufen-Schema.

(5)

Unter der Vorstellung einer positi- ven Beeinflussung inflammatorischer und autoimmuner Vorgänge wurden Steroide bei der akuten Lyme-Karditis mit AV-Überleitungsstörungen einge- setzt. Ein klinischer Vorteil hinsicht- lich Remissionsrate und Zeitdauer bis zur Remission konnte allerdings in der Mehrzahl der Fälle nicht nachgewie- sen werden (49, 56). Steroide können daher derzeit nicht generell empfoh- len werden.

Schutzimpfung

1999 wurde in den USA ein erster Impfstoff gegen Borrelia burgdorferi eingeführt (LYMErix). Erste Studi- energebnisse zeigen eine gute Wirk- samkeit und Verträglichkeit (44, 51).

Ein Impfstoff für die europäischen Borrelienspezies ist derzeit in Erpro- bung (25). Ob diese Präventivmaßnah- me auch zu einer Reduktion der thera- peutisch problematischen Spätmanife- stationen der Lyme-Erkrankung füh- ren wird, werden weitere Verlaufsbe- obachtungen zeigen müssen.

Wir danken Herrn Prof. Dr. med. Gerold Stanek, Hygiene- Institut der Universität Wien, für seine wissenschaftli- chen Anregungen.

Manuskript eingereicht: 21. 10. 2002, revidierte Fassung angenommen: 13. 1. 2003

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2003; 100: A 912–920 [Heft 14]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit1403 abrufbar ist.

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Norbert Scheffold

Medizinische Klinik I, Schwerpunkt Kardiologie Klinikum Heilbronn

Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Heidelberg

Am Gesundbrunnen 20–24 74078 Heilbronn

E-Mail: Norbert.Scheffold@Klinikum-Heilbronn.de

Eine Behandlungsstrategie von Asthma, bei der in Abhängigkeit von der Zahl der Eosinophilen im Sputum die antiinflam- matorische Therapie angepasst wird, reduziert die Zahl der Asthmaanfälle und die der Einweisungen gegenüber ei- ner Standardtherapie. In einer randomi- sierten Studie wurden je 34 Probanden entweder nach herkömmlichen Richtli- nien (Behandlungsrichtlinien der British Thoracic Society) oder den flexibel an- passbaren Therapiemodalitäten behan- delt. Bei Patienten, die nach den eta- blierten Verfahren behandelt wurden, basierte die Behandlung auf der Beurtei- lung der Symptomatik, der Exspiration und der Gabe von β2-Agonisten. Bei ei- ner Verschlechterung des Zustands wur- de die Behandlung unter anderem durch die Gabe von Corticosteroiden ergänzt.

Wenn der Zustand des Patienten länger als zwei Monate stabil war, wurde die Medikation eingeschränkt.

Da sich die Konzentration der Eosi- nophilen in der Lunge von Asthmati- kern einige Wochen vor einer Exazerba- tion erhöht, vermuteten die Autoren, dass dies ein Indikator für den Krank- heitsverlauf darstellt.Wenn die Konzen- tration der Eosinophilen weniger als

drei Prozent betrug, wurde eine minima- le antiinflammatorische Therapie mit 100 bis 200 µg Beclometason durchge- führt. Wenn weniger als ein Prozent Eosinophile vorhanden waren, wurde die Medikation ohne Berücksichtigung der Symptomatik vermindert. Bei mehr als drei Prozent Eosinophile wurde die Behandlung intensiviert.

Im Gegensatz zur Kontrollgruppe, wo 109 Exazerbationen registriert wur- den, konnte durch die individuell ange- passte Behandlung die Zahl der schwe- ren Exazerbationen auf 35 reduziert werden. Darüber hinaus sank die Kon- zentration der Eosinophilen im Sputum bei individuell adaptierter Therapie um 63 Prozent und die Zahl der Kranken- hauseinweisungen (eine statt sechs in der Kontrollgruppe). Die durchschnittli- che Dosis an Corticosteroiden war in beiden Gruppe gleich hoch. me Green RH, Brightling CE, McKenna S et al.: Asthma exa- cerbations and sputum eosinophil counts: a randomised controlled trial. Lancet 2002; 360: 1715–1721.

Dr. Ian D Pavord, Institute of Lung Health, Department of Respiratory Medicine and Thoracic Surgery, Genfield Hospi- tal Leicester LE3 9PQ, England. E-Mail: ian.pavord@uhl-tr.

nhs.uk

Asthmatherapie nach

Bestimmung der Eosinophilen

Referiert

Circa 5 Prozent aller Fälle von Pan- kreaskarzinomen haben eine familiäre (genetische) Ursache, aber auch die chronische Pankreatitis geht mit einem um den Faktor 2,3 bis 18,5 erhöhten Ri- siko für die Entwicklung eines Pan- kreasneoplasmas einher.

Die Autoren berichten über eine prospektive Studie an 373 konsekutiven Patienten mit gesicherter chronischer Pankreatitis, davon 85 Prozent alkoho- lisch bedingt, die 9,2 Jahre im Durch- schnitt nachbeobachtet wurden. In dem Beobachtungszeitraum entwickelten vier ein Adenokarzinom der Bauch- speicheldrüse (1,1 Prozent der Patien- ten) bei 3 437 Patientenjahren. Zu er-

warten waren in dem Kollektiv 0,15 Fäl- le. Das Risiko lag somit in dieser Studie bei 26,7 (p = 0,00002).

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass für Patienten mit chronischer Pank- reatitis das Risiko, einen Bauchspei- cheldrüsenkrebs zu entwickeln, gegen- über der Allgemeinbevölkerung deut-

lich erhöht ist. w

Malka D, Hammel P, Ruszniewski et al.: Risk of pancrea- tic adenocarcinoma in chronic pancreatitis. Gut 2002;

51: 849–852.

Prof. P. Ruszniewski, Service des Gastro-Entérologie, Hôspital Beaujon, AP.Hp, 100 Boulevard du Général Leclerc, F-92118 Clichy Cedex, Frankreich, E-Mail:

bjn.ap-hop-paris.fr

Pankreaskarzinom auf dem Boden einer chronischen Pankreatitis

Referiert

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