V A R I A
Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 1326. März 2004 AA877
Atypische Dienstzeiten
Entfernungspauschale kann nur einmal angesetzt werden.
Im vorliegenden Fall klagte ein Opernchorsänger, der bei einem Staatstheater ange- stellt ist. Der Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) be- trifft aber auch Ärzte, die we- gen ihres Bereitschaftsdien- stes zusätzlich zum Kranken- haus fahren müssen.
Für die Fahrten zwischen seiner Wohnung und der 35 Kilometer entfernten Arbeits- stätte machte der Sänger an 270 Arbeitstagen die Entfer- nungspauschale des § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 des Ein- kommensteuergesetzes (EStG) geltend. Darüber hinaus be- antragte er – ebenfalls an 270 Tagen –, Fahrtkosten zwi- schen Wohnung und Arbeits- stätte nach Dienstreisegrund- sätzen anzuerkennen. Hierzu
legte er eine Bescheinigung des Staatstheaters über seine Dienstzeiten vor. Sie umfas- sen danach die Zeit von 10 bis 13 Uhr und von 18 Uhr an bis Proben- beziehungs- weise Vorstellungsende.
Der Sänger argumentierte, durch die Entfernungspau- schale würden nur typische Fahrten zur Arbeitsstätte ab- gegolten. Würden atypische Wege nicht gesondert berück- sichtigt, läge darin eine den Gleichheitsgrundsatz verlet- zende, verfassungswidrige Be- steuerung vor.
Vorwurf: Besteuerung verletzt den Gleichheitsgrundsatz Nach § 9 sind Werbungskosten auch Aufwendungen des Ar- beitnehmers für die Wege zwi- schen Wohnung und Arbeits- stätte. Danach ist für jeden Ar- beitstag, an dem die Arbeits- stätte aufgesucht wird, der sich aus der Entfernung zur Woh- nung ergebende Betrag anzu- setzen – und zwar unabhängig davon, wie oft die Strecke zurückgelegt wird, welche Ver-
kehrsmittel benutzt werden und welche Kosten tatsächlich angefallen sind. Das ergibt sich aus Wortlaut, Entstehungsge- schichte sowie Sinn und Zweck der Norm.
Dieser Wortlaut lässt nach Meinung des BFH keine Aus- nahme für Fahrten zu, die sich durch einen zusätzlichen Arbeitseinsatz außerhalb der regulären Arbeitszeit erge- ben, oder durch eine Arbeits- zeitunterbrechung von min- destens vier Stunden. Die diesbezügliche Ausnahmevor- schrift, die vor Einführung der Entfernungspauschale galt, wurde nämlich nicht über- nommen mit der Begrün- dung, die neue Regelung die- ne der Vereinfachung. Sie berücksichtige außerdem, dass durch zusätzliche Fahrten nicht zwangsläufig neue Kosten an- fallen. Das gilt zum Beispiel, wenn Zeitkarten für öffent- liche Verkehrsmittel benutzt werden.
Es bestehen nach Auffas- sung des BFH auch keine ver- fassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Vorschrift. Der
Gesetzgeber ist nicht ver- pflichtet, Fälle wie den des Klägers von der gesetzlichen Typisierung auszunehmen. Er darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und muss nicht allen Besonder- heiten durch Sonderregelun- gen Rechnung tragen. Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes wäre dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sachlich ein- leuchtender oder sich aus der Natur der Sache ergebender Grund für eine gesetzliche Differenzierung oder Gleich- behandlung nicht finden lie- ße. Wendet man diese Grund- sätze im entschiedenen Fall an, ist nach Auffassung des BFH nicht zu erkennen, dass der Gesetzgeber sein Rege- lungsermessen überschritten hätte. Es stand ihm frei, für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeit eine typisierende Regelung zu treffen, auch wenn dadadurch nicht immer die tatsächlichen Aufwendun- gen gedeckt werden. (Bun- desfinanzhof, Beschluss vom 11. September 2003, Az.: VI B
101/03) Be
Rechtsreport