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Archiv "„Wir empfehlen Rückverschickung, da sich der Arbeitseinsatz nicht lohnt“" (02.11.2001)

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(Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv, vgl. auch 5).

Krankenbaracken für schwangere Ostarbeiterinnen sind auch an anderen Orten Deutschlands nachweisbar (6, 9).

Noch wenig erforscht ist die erhöhte Sterblichkeit der in diesen Einrichtun- gen geborenen Kinder. Eine gezielt her- beigeführte Mangelsituation für die mehrfach instrumentalisierten Frauen und ihre Säuglinge, die meist zwischen dem ersten und dritten Lebensmonat starben, ist im Kontext der rassenhygie- nischen Programmatik des NS-Staates zu sehen. Geburten von Zwangsarbei- ter-Kindern lassen sich für Göttingen anhand der „Geburtsbücher“ der Uni- versitätsfrauenklinik und der Einwoh- nermeldekartei der Stadt Göttingen so- wohl in der Frauenklinik als auch in ei- ner Entbindungsbaracke auf dem dama- ligen Universitätssportfeld nachweisen.

Des Weiteren lässt sich anhand von Akten des Oberpräsidenten zum Ge- sundheitswesen (Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv Hannover) und Un- terlagen des Universitätskurators zu den

„Lohnempfängern“ der Kliniken der Einsatz französischer und niederländi- scher Medizinstudenten belegen. Diese wurden überwiegend in der Pflegear- beit, aber auch im Labor verschiedener Abteilungen eingesetzt, so in der Hals- Nasen-Ohren-Klinik, der Frauen- und der Nervenklinik. Anfang Juni 1943 ließ der Oberpräsident durch das staatliche Gesundheitsamt in einem Fernschrei- ben in Aussicht stellen: „Es sind Anfang Juli zu bekommen franz. Medizinstu- denten als krankenpflegerische Hilfs- kräfte zu beliebiger Arbeitsverwen- dung . . .“ (handschriftliche Notiz des Kurators, Universitätsarchiv Göttingen).

Bei der ärztlichen Versorgung der Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter spielten die Universitätskliniken eine wichtige Rolle. So behandelten sie mehrfach verletzte und erkrankte Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterin- nen (sowie auch deren Kinder) – aller- dings wohl oft in gesonderten Räumen.

Nach der Errichtung spezieller „Sa- nitätsbaracken“ übernahm ein an die Chirurgische Universitätsklinik not-

dienstverpflichteter Arzt aus dem an- nektierten „Protektorat Böhmen und Mähren“ die Betreuung der Kranken;

Befragungen eines tschechischen Zwangsarbeiters zeigten, dass dort bei der Versorgung auch Operationen durchgeführt wurden.

Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ist notwendig

Der lange Streit um die im Entschädi- gungsgesetz verlangte Feststellung „aus- reichender Rechtssicherheit“ durch den Bundestag ist beendet; mit den Auszah- lungen wurde begonnen. Gerade vor diesem aktuellen Hintergrund ist die Rekonstruktion persönlicher Schicksale von Zwangsarbeitern im Gesundheits- wesen ein wichtiges Forschungsziel, um Betroffenen wenigstens eine finanzielle Entschädigung zu ermöglichen. Dies ist nur noch bis zum Ende des Jahres 2001 möglich. In diesem Kontext ist auch der Beitritt von Verbänden, Ärztekammern und Kliniken zum Entschädigungsfonds wünschenswert und längst überfällig.

Langfristig geht es außerdem um die noch ausstehende Aufarbeitung und hi- storische Analyse des Einsatzes von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsar- beitern im Gesundheitswesen im Rah- men einer offenen Auseinandersetzung von Medizin und Ärzteschaft mit der nationalsozialistischen Vergangenheit.

Nachdem sich der 99. Deutsche Ärzte- tag in Köln 1996 mit dem Nürnberger Ärzteprozess befasst hatte, wurde auf dem diesjährigen Ludwigshafener Ärz- tetag mit dem Problem „Zwangsarbeit in der Medizin“ ein weiteres wichtiges Thema auf die Tagesordnung gesetzt. Es bleibt zu hoffen, dass nach langer Verzö- gerung weitere Schritte in Richtung hi- storischer Aufklärung und differenzier- ter Wahrnehmung getan werden.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2001; 98: A 2866–2870 [Heft 44]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Andreas Frewer Ethik und Geschichte der Medizin Georg-August-Universität Göttingen Humboldtallee 36, 37073 Göttingen E-Mail: afrewer@gwdg.de.

T H E M E N D E R Z E I T

A

A2870 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 44½½½½2. November 2001

„Wir empfehlen Rückverschickung, da sich der Arbeitseinsatz nicht lohnt“

Zum Thema „Zwangsarbeit und Krankheit in Schleswig-Holstein“ ist soeben eine umfassende Darstellung in der Schriftenreihe des Instituts für schleswig-holsteini- sche Zeit- und Regionalgeschichte an der Universität Flensburg (IZRG) erschienen.

Grundlage für die Publikation war ein von der AOK Schleswig-Holstein finanziertes Forschungsprojekt unter der Leitung von Prof. Dr. med. Annette Grewe, Fachbe- reich Pflege und Gesundheit an der Fachhochschule Fulda, und Prof. Dr. phil. Uwe Danker, IZRG.

Verschiedene Aspekte der gesundheitlichen Versorgung von Zwangsarbeitern werden hier von einem Autorenteam untersucht, wobei besonders hervorzuheben ist, dass in diesem Zusammenhang bisher noch nicht ausgewertete historische Quellen- bestände für die Untersuchung ausgewertet wurden. Ein Fazit der Untersuchung lau- tet: Die gesundheitliche Versorgung der Zwangsarbeitenden blieb stets dem Kernziel der totalen Ausbeutung der Arbeitskraft untergeordnet. Solange ein ausreichendes Arbeitskräftereservoir im Osten zur Verfügung stand, wurden russische Zwangsar- beitende bereits nach kurzer Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ohne hinreichen- de medizinische Betreuung in die Heimat zurücktransportiert. Erst als nach der Nie- derlage in Stalingrad die Ware „menschliche Arbeitskraft“ knapp wurde, erfuhren die erkrankten „Ostarbeiter“ eine etwas bessere medizinische Versorgung.

Untersucht wird auch der Einsatz von Fremdarbeitern in der Krankenversorgung.

Während für die Betreuung deutscher Patienten aus rassenideologischen Gründen nur als „artverwandt“ betrachtete holländische oder tschechische Ärzte infrage ka- men, wurden Polen oder „Ostarbeiter“ in der Hauswirtschaft der Krankenhäuser ein- gesetzt. Patienten in den Ausländerbaracken der Krankenhäuser wurden allerdings – so weit wie möglich – durch Pflegekräfte und Ärzte gleicher Herkunft betreut. TG Uwe Danker, Annette Grewe, Nils Köhler, Sebastian Lehmann (Hrsg.): „Wir empfehlen Rückverschickung, da sich der Arbeitseinsatz nicht lohnt“. Zwangsarbeit und Krankheit in Schleswig-Holstein, Verlag für Regionalgeschichte, Gütersloh, 2001, 344 Seiten, 21 Abbildungen, gebunden, 58 DM

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