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Archiv "25 Jahre BUKO-Pharma-Kampagne: Der Pharmaindustrie auf die Finger geschaut" (06.10.2006)

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A2602 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 40⏐⏐6. Oktober 2006

P O L I T I K

D

er Rahmen ist schlicht, hoch- karätig besetzt das Symposi- um zum 25-jährigen Bestehen der BUKO-Pharma-Kampagne im Ju- gendgästehaus in Bielefeld. „Man- gel und Überfluss – Medikamente in Nord und Süd“ lautet das Thema, das die Arbeit der Pharma-Kampa- gne seit ihrer Gründung im Jahr 1981 prägt. Damals hatte der 4. Bun- deskongress entwicklungspolitischer Aktionsgruppen (BUKO) beschlos- sen, eine „Kampagne gegen die Praktiken der Pharmaindustrie in der Dritten Welt“ vorzubereiten. An den grundsätzlichen Problemen hat sich – trotz allen Engagements – seither wenig verändert.

„Dem Überfluss im Norden steht ein eklatanter Mangel an lebensnot- wendigen Medikamenten im Süden gegenüber“, erklärte BUKO-Pharma- Geschäftsführerin Christiane Fischer bei der Eröffnung des Symposiums am 15. September vor den gut ein- hundert Teilnehmern. Gleichzeitig müssten sich reiche wie arme Län- der mit sinnlosen Produkten und ir- reführender Werbung herumschla- gen. Rund 40 Prozent der Arznei- mittel, die deutsche Hersteller in der Dritten Welt vermarkten, sind nach Angaben von BUKO Pharma unsin- nig, überflüssig oder gefährlich. Zu- gleich fehlten wirksame Medika-

mente gegen Tropenkrankheiten oder würden gar nicht erst erforscht, weil solche Präparate keinen lukra- tiven Markt versprächen. Patent- laufzeiten von mehr als 20 Jahren verteuerten den Preis für lebensnot- wendige Medikamente und machten sie für die Patienten in armen Län- dern unerschwinglich. Diese Hoch- preisstrategie der internationalen Pharmaindustrie sei nicht selten tödlich, kritisierte Mebrat Wolde- tensaie.

Die Politik ist gefordert Es stehe kaum zu erwarten, dass die Pharmaindustrie freiwillig ihre An- gebotspolitik von „wenig Medika- menten zu hohen Preisen“ in Rich- tung auf ein „Angebot von großen Mengen zu bezahlbaren Preisen“

ändern werde, sagte die Äthiopierin, die bis vor kurzem das Netzwerk Health Action International (HAI) Africa koordiniert hat. Ihrer Ansicht nach sind politische Eingriffe in den Markt notwendig, um den Zugang zur Gesundheitsversorgung zu ga- rantieren. „Ich vermisse eine ange- messene Regierungspolitik – auch in den Entwicklungsländern, die den rationalen Umgang mit Arznei- mitteln fördert“, kritisierte Wolde- tensaie. Gleichzeitig appellierte sie an Ärzte und Pharmaindustrie, sich

der Verantwortung für ihre Patien- tinnen und Patienten zu stellen.

Mehr soziale Verantwortung der Pharmaindustrie forderte auch Dr.

med. Axel Munte, Vorstandsvorsit- zender der Kassenärztlichen Verei- nigung Bayerns. Die Industrie kon- zentriere sich vor allem auf die Medikamente zur Behandlung der großen Volkskrankheiten. Während in den lukrativen Indikationen häu- fig Nachahmerprodukte den Markt überschwemmten, fehlten für viele seltene Erkrankungen kausale The- rapien. „Es wird zu wenig und nicht adäquat geforscht“, so Munte. Kritik übte der Internist in diesem Zusam- menhang auch am Marketing der Pharmaindustrie. 15 000 gut ausge- bildete Pharmareferenten tauchten jährlich 20 Millionen Mal in den Arztpraxen auf, um ihre Präparate zu bewerben. „Wir lassen uns von de- nen einfangen“, warnte Munte. Der KV-Chef schlägt deshalb vor, dass sich die Pharmafirmen verpflichten, ihre Marketing-Ausgaben auf zehn bis 20 Prozent der Ausgaben für For- schung und Entwicklung einzufrie- ren. Außerdem regte er an, den Be- such von Pharmareferenten in Arzt- praxen, die Abgabe von Arzneimit- telmustern sowie Anwendungsbeob- achtungen gesetzlich zu verbieten.

Munte appellierte aber auch an die 25 JAHRE BUKO-PHARMA-KAMPAGNE

Der Pharmaindustrie auf die Finger geschaut

Dritte-Welt-Gruppen riefen 1981 die Pharma-Kampagne ins Leben, um die

Aktivitäten der deutschen Pharmaindustrie in Entwicklungsländern zu untersuchen.

Aids-Aktivisten:

BUKO-Pharma- Geschäftsführerin Christiane Fischer (l.), Rocksänger Bo- no und Herbert Grö- nemeyer fordern mehr Geld für den weltweiten Kampf gegen Aids.

Foto.ddp

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 40⏐⏐6. Oktober 2006 A2603

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Patienten. Die Menschen auf der Nordhalbkugel seien kaum noch fähig, gesundheitliche Probleme durch Zuwendung, Kommunikation und Eigenverantwortung anzuge- hen. Eine dichte Infrastruktur an Apotheken, Reformhäusern und an- deren Geschäften mit Gesundheits- produkten sorge dafür, dass sich An- gebot und Nachfrage dynamisch an- passten. „Die Folge sind rund 4 700 Tonnen Arzneimittelmüll jährlich mit einem Gesamtwert zwischen zwei und vier Milliarden Euro“, so Munte. Die Methoden zur Steige- rung des Medikamentenverbrauchs seien vielfältig: Normale Lebens- prozesse würden zu medizinischen Problemen erklärt, milde Symptome zu schweren Erkrankungen hochsti- lisiert, Risikofaktoren zu behand- lungsbedürftigen Krankheiten um- gedeutet oder Krankheitsbilder er- funden. „Gegen viele Krankheiten existieren nichtmedikamentöse The- rapien, die aber meist unbequemer sind, als ein Medikament zu schlu- cken“, so Munte. Aber auch den Gesetzgeber forderte er zum Han- deln auf: „Die meisten EU-Länder haben eine Positivliste. In Deutsch- land leisten wir uns 50 000 Arznei- mittel einschließlich aller Wirkstär- ken, Packungsgrößen und Darrei- chungsformen.“ Für seinen KV-Be- reich will der streitbare Internist jetzt eine Empfehlungsliste erarbeiten lassen.

„Verbesserungen sind möglich“, zeigte sich Jörg Schaber überzeugt, der neben Christiane Fischer und Claudia Jenkes Geschäftsführer der BUKO-Pharma-Kampagne ist. Die Initiative kann in ihrer 25-jährigen Geschichte auf eine Reihe von Er- folgen zurückblicken. „Netzwerke helfen dabei“, betonte Schaber. So habe es beispielsweise Health Ac- tion International, deren Mitbegrün- der die Pharma-Kampagne ist, ge- schafft, den rationalen Gebrauch von Arzneimitteln auf die interna- tionale Agenda zu setzen. Die Un- tersuchung des Arzneimittelsorti- ments deutscher Firmen in Entwick- lungsländern durch BUKO Pharma habe bewirkt, dass bestimmte Präparate vom Markt genommen wurden. Außerdem habe der öffent- liche Druck vieler Nicht-Regierungs-

Werbegeschenken oder kostenfreien Kongressen bestechen zu lassen (Kontakt: Arne Schäffler, Transpa- rency International, Markgrafen- straße 66, 10969 Berlin, E-Mail:

a.schaeffler@schaeffler.cc). Zu den Forderungen von BUKO Pharma gehört deshalb auch die nach Trans- parenz ärztlicher Fortbildung. Da- nach soll es künftig für pharmafinan- zierte Fortbildungen keine Fortbil- dungspunkte mehr geben. Das Argu- ment, ärztliche Fortbildung sei ohne die Unterstützung der Pharmaindus- trie nicht finanzierbar, lässt Christia- ne Fischer nicht gelten: „Es mag durchaus sein, dass dieselbe Veran- staltung dann statt 140 Euro 1 400 Euro kostet, wie mir ein Arzt vor- hielt. Aber in dem Fall könnte man ja mal überlegen, ob man nicht ins Ju- gendgästehaus geht statt ins Hilton.“

Mit dem Sparen kennt sich Fi- scher aus. In der Geschäftsstelle in Bielefeld arbeiten zurzeit fünf Mitar- beiter, die mit einem verschwindend kleinen Etat von 250 000 Euro jähr- lich auskommen müssen. Das Geld stammt zu einem Viertel aus Spen- den, der Rest verteilt sich auf die Kir- chen, Stiftungen und in geringem Umfang auf öffentliche Gelder. Mit- tel aus der Industrie akzeptiert die

Kampagne nicht. I

Heike Korzilius

MEDIALES DENKMAL

Die BUKO-Pharma-Kampagne und „Der ewige Gärtner“

Mit den dunklen Machenschaften eines Pharmakonzerns in Kenia, mit Korruption und Verschwörungen bis in höchs- te Regierungskreise befasst sich John le Carrés Thriller

„Der ewige Gärtner“, dessen Verfilmung Anfang 2006 in die deutschen Kinos kam. Darin versucht der britische Di- plomat Justin Quayle die Hintergründe des Mordes an sei- ner Frau Tessa aufzudecken. Wichtige Hinweise erhält er dabei von der Organisation Hippo in Berlin. Als Vorbild diente dem britischen Autor die Pharma-Kampagne, die er im April 2000 zu Recherchezwecken besuchte. „Die BUKO- Pharma-Kampagne in Bielefeld – nicht zu verwechseln mit Hippo in meinem Roman – ist eine finanziell unabhängige, personell unterbesetzte Vereinigung vernünftiger, hoch qualifizierter Menschen, deren Ziel es ist, die Missetaten der pharmazeutischen Industrie, insbesondere deren Ge- schäfte mit der Dritten Welt, ans Licht zu zerren“, schreibt le Carré in der Nachbemerkung zu seinem Roman. Bank- verbindung: Gesundheit und Dritte Welt e.V., Sparkasse Bielefeld, BLZ: 480 501 61, Spendenkonto: 105 627.

Dunkle Machen- schaften eines Pharmakonzerns in Kenia prangert Au- tor John le Carré in seinem Roman „Der ewige Gärtner an“, dessen Verfilmung Anfang des Jahres in die Kinos kam.

organisationen, darunter auch der Pharma-Kampagne, im Jahr 2001 dem Patentstreit zwischen 39 inter- nationalen Pharmakonzernen und der südafrikanischen Regierung ein Ende bereitet. Die Firmen hatten dem von der Aids-Pandemie beson- ders betroffenen Land eine Verlet- zung von Patentrechten vorgewor- fen und damit die Produktion preis- werter Nachahmerpräparate gegen HIV/Aids verhindert. Mit ihrer Ak- tion hatte sich die Pharmaindustrie damals vor allem einen immensen Imageschaden eingehandelt. Wie passend dazu erschien im selben Jahr der pharmakritische Roman

„Der ewige Gärtner“ des Briten John le Carré, in dem auch die BUKO- Pharma-Kampagne eine bedeutende Rolle spielt (Kasten).

„Mein Essen zahl ich selbst“

Dem erfolgreichen Lobbying phar- makritischer Gruppen schreibt Scha- ber außerdem zu, dass das Verbot der Laienwerbung für verschreibungs- pflichtige Medikamente in Europa bislang aufrechterhalten werden konnte. „Die EU-Kommission ist 2002 mit ihrem Vorstoß am Wider- stand des Europaparlaments ge- scheitert, obwohl die Pharmaindu- strie versucht hat, auch Patienten- gruppen für ihre Zwecke einzuspan- nen“, so Schaber. Auch der Deutsche Bundestag habe mit großer Mehrheit für ein Verbot gestimmt. Doch die Befürworter der Laienwerbung sind nicht verstummt. Erst in der vergan- genen Woche haben sich konservati- ve und liberale Europaabgeordnete in einem offenen Brief an die EU- Kommission gewandt und eine Li- beralisierung des Arzneimittelmark- tes gefordert. Dazu gehört ausdrück- lich auch eine Erweiterung der „In- formationsrechte“. Für den vernünf- tigen Gebrauch von Medikamenten sei eine objektive, industrieunab- hängige Information wichtig, heißt es dagegen in den Abschlussforde- rungen des Symposions.

Die Veranstaltung hat darüber hin- aus auch eine neue Initiative hervor- gebracht, die gegen Manipulationen insbesondere durch Pharmareferen- ten vorgehen will. Unter dem Motto

„Mein Essen zahl ich selbst“ ver- pflichten sich Ärzte, sich nicht mit

Kinowelt

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