die letztbehandelnden Ärzte ab, sich für mitwirkende unfallunabhängige Leiden auf eine prozentuale Quote festzulegen.
Man kann aus erkenntnistheoreti- schen und medizinisch-methodischen Gründen an der Validität des Lei- stungsprinzips pro rata Kausalität zwei- feln (9), doch wird dies in der Bearbei- tung des konkreten Falls wenig hilfreich sein. Erschwerend kommt hinzu, dass bei der Zusammenhangsbeurteilung nicht selten Spekulationen, die für den medizinischen Laien nicht ohne weite- res als solche erkennbar sind, objekti- vierte medizinische Befunde ersetzen.
In sämtlichen untersuchten Fällen ist ei- ne Sektion des betroffenen Versicher- ten unterblieben, die Angaben zum Un- fallhergang waren wenig ergiebig.
Ärztekammern, berufsständische Fortbildungseinrichtungen und Berufs- verbände bleiben aufgerufen, die im modernen Sozialstaat unverzichtbaren Kenntnisse im Bereich des Gutachter- wesens zu vermitteln und im Rahmen der Weiter- oder Fortbildung zu zertifi- zieren. Qualitätssicherung kann und darf sich nicht allein auf den kurativen Bereich der Gesundheitsversorgung beziehen, sondern muss sich auch auf die Gutachtertätigkeit erstrecken, um der essenziellen Bedeutung ärztlicher Expertisen gerecht zu werden.
❚Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 2001; 98: A 2245–2250 [Heft 36]
Literatur
1. Gaidzik PW: Die Begutachtung des Kausalzusammen- hanges in der privaten Unfallversicherung. Bern, Frankfurt/Main, 1986.
2. BGH VersR 1992, 1503, Knappmann, in: Prölls/Martin VVG, 26. Aufl., § 2 AUB 88, RN 23 a.E.
3. Knappmann, a.a.O., AUB 88, RN 3, zum Grenzfall all- ergischer Dispositionen OLG Braunschweig, VersR 1995, 823, Nürnberg ZfS, 1995, 226.
4. OLG Nürnberg, VersR 1962, 773.
5. Bestattungsgesetze der Länder, Überblick bei Uhlen- bruck. In: Laufs, Uhlenbruck: Handbuch des Arzt- rechts, 2. Aufl., München 1999, § 133 RN 4 ff.
6. Zum Beispiel § 3 Abs. 4 Nr. 2 Verordnung über das Leichenwesen NRW.
7. Kleinknecht, Meyer-Goßner: Strafprozessordnung,
§ 159, RN 2.
8. Ulsenheimer, Uhlenbruck. In: Laufs, Uhlenbruck: Ärzt- liches Berufsrecht, § 133, RN 8; s.a. Narr, RN B 222 je- weils m.w.N.
9. Kritisch bereits Gaidzik, a.a.O.
Anschrift für die Verfasser:
RA Dr. med. Peter W. Gaidzik Leopoldstraße 10
44147 Dortmund
T H E M E N D E R Z E I T
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A2250 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 36½½½½7. September 2001
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n die Deportation und Ermordung psychisch Kranker während der NS-Zeit erinnert ein Mahnmal auf dem Gelände des heutigen Landeskran- kenhauses Wunstorf in Niedersachsen.Im Rahmen einer Gedenkstunde wurde es am 17. August enthüllt. In den Jahren 1940/41 war die damalige Landes-Heil- und -Pflegeanstalt Wunstorf Ausgangs- punkt für die Deportation und fast voll- zählige Ermordung von 370 Patientinnen und Patienten.
Der erste Transport im September 1940 führte 158 Patienten jüdischen Glaubens in das alte Zuchthaus Brandenburg mit der Tarnbezeich- nung „Landespflegeanstalt“, der er- sten Tötungsanlage in Deutschland.
Die folgenden Deportationen von 212 psychisch Kranken wurden als
„planwirtschaftliche Verlegung“ de- klariert. Sie führten zunächst in an-
dere Anstalten wie Idstein, Scheuern und Eichberg, die Durchgangsstationen der so genannten T4-Aktion waren.
Von dort wurden die wegen ihrer psy- chischen Leiden als „lebensunwert“ be- zeichneten Opfer in Tötungseinrichtun-
gen oder -Anstalten, wie zum Beispiel Hadamar (Hessen), gebracht. Die T4- Aktion wurde nach der Rücknahme des
„Euthanasieerlasses“ am 24. August 1941 in vielen Anstalten in ganz Deutsch- land in ungeregelter, willkürlicher Form fortgesetzt. Die Anstalt Wunstorf löste sich am 1. September 1941 auf, die ver- bliebenen Kranken wurden verlegt.
Die Tötung psychisch kranker Juden und die T4-Aktion werden im Nachhin- ein als ein Probelauf für den Holocaust gesehen. Späteren Vernichtungsaktio- nen an Juden, Sinti, Roma und Homo- sexuellen dienten sie als „Vorbild“. Heu- te geht man von insgesamt etwa 200 000 Opfern unter den psychisch Kranken aus. Das Landeskrankenhaus Wunstorf nahm den 60. Jahrestag der letzten De- portation aus der damaligen Pflegean- stalt zum Anlass, an die Opfer zu erin- nern. Die Gedenktafel ist an einem Ar- rangement aus Eisenbahnschwellen an- gebracht, die auf einem Rasen als schmale Palisade aufgestellt sind. Zu ih- nen hin führen auf dem Rasen Schwel- lenstücke.
Die Wanderausstellung „Psych- iatrie im Dritten Reich in Niedersach- sen“, die die Thematik vertieft, ist vom 28. Oktober bis zum 16. Dezember 2001 im Dokumentations- und Informations- zentrum Emslandlager in Papenburg zu
sehen. TA
NS-Psychiatrie
Gedenken an die Opfer
Mahnmal erinnert an Deportation und Tötung
Aufschrift der Gedenktafel:
Wir gedenken der Patientinnen und Patienten, die unter dem Naziregime aus der Landes-Heil- und -Pflegeanstalt Wunstorf
abtransportiert und grausam ermordet wurden Im September 1940 wurden 158 psychisch Kranke jüdischen Glaubens aus ganz Norddeutschland hierher verbracht und am 27. 9. 1940 zum Zuchthaus Brandenburg in den Gastod geschickt
Vom 23. 4. 1941 bis zum 1. 8. 1941 wurden 212 Kranke, denen wegen psychischer Nervenleiden ihr Lebensrecht abgesprochen war, durch drei Transporte in die Anstalten Idstein, Scheuern und
Eichberg und von dort in Tötungsanstalten gebracht Gedenken macht Leben menschlich
Vergessen macht es unmenschlich
Mahnmal auf dem Gelände des Lan- deskrankenhauses Wunstorf
Foto: Wilhelm Hoffmann