DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
BRIEFE AN DIE REDAKTION
ALTE SPRACHEN
Zu dem Leserbrief von Dr.
med. Joachim Schaffeldt („Kein regulierendes Instru- mentarium"), in Heft 14/1986, Seite 924:
Umkehr
... Der Leserbrief vom Kol- legen Schaffeldt scheint mir vorwiegend auf die Sprachkenntnisse abge- stellt zu sein und die huma- nistische Ausbildung unter diesem Gesichtswinkel zu sehen. Dabei bleibt jedoch der prägende Einfluß, den das Eindringen in die Gei- steswelt besonders des Griechentums, das uns die erste Lyrik (sogar von einer Frau!), Epik, Tragödie, Ko- mödie, Mathematik und Philosophie lehrte, zu we- nig berücksichtigt.
Wir sollten uns darauf be- sinnen, daß die seit 1912 begonnene langsame Eli- minierung des humanisti- schen Gymnasiums mit dem Abschluß einer Rei- feprüfung, das sich in Jahr- hunderten bewährte zur Erreichung einer Universi- tätsreife, die ihren Höhe- punkt in der DDR mit der dortigen totalen Abschaf- fung fand, als Ursache der meisten heutigen Miseren angesehen werden muß, wie z. B. übermäßiges Do- minieren materialisch- na- turwissenschaftlicher und -Gerätemedizin, Beschrän- kung ärztlicher Ethik auf juristische Aspekte, Gigan- tomanie in Bau- und Klinik- wesen, Numerus clausus und Multiple-choice-Ver- fahren, Verwaltungs- und Formularflut und Umwand- lung der Freiheit der Ärzte
„in sozial gesicherte Lohn- empfänger" (Prof. Fried- rich Geigant, Dir. Inst. f.
Volkswirtschaftslehre, Uni Hannover, zit. n. „Arzt und Wirtschaft" 8/86, S. 1). Gei- gant nennt auch. noch die Umkehrung von ausgaben- orientierter Einnahmepoli- tik in einnahmeorientierter Ausgabenpolitik seitens der Kassen und spricht den
Verdacht aus, daß die hochgelobte „Pluralität" in dem Verdacht steht, un- wirtschaftliche diagnosti- sche und therapeutische Arabesken hervorzubrin- gen.
Daß Medizinstudenten in den ersten Semestern wert- volle Zeit mit Nomenklatur- Stunden und -Prüfungen verplempern müssen, weil sie die griechischen und lateinischen Wortstämme nicht kennen, dürfte nicht nur Herrn Kollegen Schaf- feldt zu denken geben.
Da auf lange Sicht nur der Geist des Menschen in menschlichen Dingen inte- grierender Bestandteil bleibt, kann man nur hof- fen, daß eine Umkehr von der Eliminierung des hu- manistischen Bildungside- als die Menschheit vor ei- nem Sieg und der absolu- ten Herrschaft durch die materialistische Weltan- schauung der östlichen der beiden Supermächte be- wahrt. Der prägende Ein- fluß beginnt im 10. Lebens- jahr!
Dr. med.
Gottfried Schreiber Fördestraße 23 2392 Glücksburg
PAPST-KARIKATUR Zu dem Leserbrief von Prof.
Dr. Michel („Unerhört"), in Heft 15/1986, Seite 1003, der sich auf eine Karikatur von Jut- ta Karras, in Heft 6, Seite 354, bezog:
Erfrischend
... Die Karikatur von Frau Karras ist erfrischend hu- morvoll, und Johannes Paul II. würde zweifellos seine Freude daran haben!
Dr. med.
Hans Stopsack Leitender
Medizinaldirektor Twiete 10 2323 Dersau
TARIFVERTRAG
Zu dem Leserbrief „Grundge- setzwidrig", von Dr. med.
Franz Meyer, Heft 15/1986, Sei- te 1004:
Sachlich unrichtig
Herr Dr. Meyer beklagt in seinem Leserbrief die Tat- sache, daß im Manteltarif- vertrag ein finanzieller An- spruch für den hinterblie- benen Lebensgefährten ei- nes verstorbenen Arbeit- nehmers garantiert wird, und behauptet, daß damit
„der im Grundgesetz ver- ankerte Schutz von Ehe und Familie" zur Farce werde. Das ist sachlich un- richtig. Hier wird in keiner Weise das bestehende Recht eines Ehegatten oder eines Familienmitglie- des geschmälert.
Herr Dr. Meyer verkennt si- cher den Sinn des Grund- gesetzes, wenn er unter- stellt, es diene der Konsoli- dierung einer Institution (hiet Ehe). Nein, es geht um den Schutz von Menschen (hier Hinterbliebene). Der Manteltarifvertrag trägt in angemessener Weise einer gesellschaftlichen Ent- wicklung Rechnung, die zu veränderten Lebensweisen und zum teilweisen Abbau doppelter Moral geführt hat.
Es war schon immer so, daß Partnerschaft und Ver- löbnis (im Sinne von Treue- versprechen) zwischen- menschliche Begriffe sind, die das Verhältnis zwi- schen zwei Lebenspart- nern betreffen. Hier liegen Werte, die geschützt wer- den müssen. „Ehe" hinge- gen ist ein Begriff, der als Vertrag vor dem Staat nach dem jeweiligen Gesetz- buch die Rechte von zwei Menschen regelt, die sich vorher in ganz persönlicher Übereinkunft zu Partner- schaft bekannt haben.
Es mag Herrn Dr. Meyer är- gern, daß mit dem „Ehe- stand" außer Rechten auch
Pflichten verbunden sind, die für unverheiratete Le- bensgefährten nicht ge- setzlich vorgeschrieben sind. Doch dies ist ein Pro- blem, das an anderer Stelle diskutiert werden müßte.
Dr. med.
Christoph Luyken Milskotterstraße 15 5820 Gevelsberg
ITALIENISCH
Zu dem Leserbrief von Dr. med. E. Grundmann („Wunderliche Blüten"), in Heft 14/1986, Seite 924:
Ausnahmen
... Im letzten Absatz sei- nes Leserbriefes schreibt Herr Kollege Grundmann:
„Viel rationeller handha- ben es die südalpinen ro- manischen Sprachen, aber auch das Holländische ..., die konsequent alles weg- lassen, was für sie keinen Lautwert besitzt ...
Zweifellos ist die italieni- sche Sprache die phone- tisch am meisten „durch- geforstete" Sprache und der Buchstabe 'h', soweit er sich von der griechi- schen Sprache herleitet, radikal weggestrichen. Es gibt jedoch im Italieni- schen einige Wörter, die den aus dem Lateinischen kommenden Buchstaben
`h' beibehalten haben und beibehalten müssen, weil sonst eine Sinnentstellung einträte, wenn auch der Buchstabe 'h' im Italieni- schen keinen Lautwert hat.
Zum Beispiel: ho (ich habe)
— o (oder), hai (du hast) — ai (Dativ, Plural, männl. des bestimmten Artikels), ha (er/sie/es hat) — a (zu, nach, teilw. auch in/um zu), han- no (sie haben) — anno (das Jahr)
Dr. med.
Wolfgang Grießhaber Internist
Goethestraße 15 5804 Herdecke 1496 (12) Heft 21 vom 21. Mai 1986 83. Jahrgang Ausgabe A