448 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 26⏐⏐26. Juni 2009
M E D I Z I N
Operative Therapie der fokalen Hyperhidrose Die Autoren erläutern die Gefahr der kompensatorischen Hyperhidrose nach einer endoskopisch transthorakalen Sympathektomie (ETS) bei palmarer Hyperhidrose. Er- wähnenswert ist, dass neue Arbeiten zeigen, dass die Rate und Schwere der kompensatorischen Hyperhidrose deut- lich abzunehmen scheinen, wenn erst ab Ganglion T3 eine ETS erfolgt und T2 erhalten bleibt (1).
Leider differenzieren die Autoren im Abschnitt der lo- kalen chirurgischen Verfahren bei axillärer Hyperhidrose zwischen den einzelnen Techniken nicht. Zwar werden die Kürettage und die Liposuktion erwähnt, jedoch fehlen die Techniken, welche mit einer Resektion von axillärer Haut einhergehen (Shelley-Technik, Salfeld-Verfahren). Auch wenn in den letzten Jahren die Techniken ohne Hautent- fernung favorisiert werden, gibt es bis heute keine Seiten- vergleichsstudie, welche eine höhere Effektivität einer speziellen Methode belegt. Die Autoren erläutern, das Ziel der Techniken ohne Hautentfernung sei „die möglichst vollständige Entfernung der axillären Schweißdrüsen“
und führen hierfür die Literaturstelle von Bisbal et al. aus dem Jahre 1987 an. Die Bisbal-Technik ist jedoch eine Methode, die mit einer S-förmigen Entfernung großer Tei- le der axillären Haut einhergeht und hat mit den angeführ- ten minimal-invasiven Techniken nichts zu tun. Eine neuere Studie hingegen konnte zeigen, dass bei aggressi- vem Vorgehen mittels Verfahren ohne Hautentfernung 79,1 % der axillären Schweißdrüsen entfernt wurden (2).
Abschließend noch eine Anmerkung zur Nomenklatur der Operationstechniken. Eine axilläre Liposuktion wird heu- te praktisch nicht mehr durchgeführt, da die Benutzung stumpfer Kanülen keine ausreichende Effektivität auf- weist (3). Vielmehr ist der Begriff der Liposuktions- Kürettage oder Schweißdrüsen-Saugkürettage zu wählen, wodurch verdeutlicht wird, dass zusätzlich zur Liposukti- on eine scharfe Ablation von Schweißdrüsen entweder mit speziellen scharfen Kanülen oder in einem zweiten Opera- tionsschritt mittels Kürette notwendig ist.
DOI: 10.3238/arztebl.2009.0448a
LITERATUR
1. Bechara FG, Sand M, Sand D, Altmeyer P, Hoffmann K: Surgical treat- ment of axillary hyperhidrosis: a study comparing liposuction cannulas with a suction-curettage cannula. Ann Plast Surg 2006; 56: 654–7.
2. Schmidt J, Bechara FG, Altmeyer P, Zirngibl H: Endoscopic thoracic sympathectomy for severe hyperhidrosis: impact of restrictive denerva- tion on compensatory sweating. Ann Thorac Surg 2006; 81: 1048–55.
3. Bechara FG, Sand M, Hoffmann K, Boorboor P, Altmeyer P, Stucker M:
Histological and clinical findings in different surgical strategies for focal axillary hyperhidrosis. Dermatol Surg 2008; 34: 1001–9.
4. Schlereth T, Dieterich M, Birklein F: Hyperhidrosis—causes and treat- ment of enhanced sweating [Hyperhidrose – Ursachen und Therapie von übermäßigem Schwitzen]. Dtsch Arztebl Int 2009; 106: 32–7.
PD Dr. med. Falk G. Bechara
Klinik für Dermatologie und Allergologie, Operative Dermatologie Ruhr-Universität Bochum
Gudrunstraße 56, 44791 Bochum E-Mail: f.bechara@derma.de
Schlusswort
Wir danken für die ausführlichen Kommentare und wert- vollen Ergänzungen. Zum ersten Abschnitt haben wir wi- dersprüchliche Zitate gefunden. Einige Arbeiten wie zum Beispiel die von Leséche et al. (1) konnten bei einer endo- skopischen thorakalen Sympathektomie (ETS) auf ver- schiedenen Höhen (von T1 bis T5) und von unterschiedli- chem Ausmaß (zwei, drei oder mehr Ganglien) keinen Einfluss auf die Rate der kompensatorischen Hyperhidro- se finden. Neuere Arbeiten zeigen tatsächlich, dass bei ei- ner ETS unterhalb von T3 die Rate einer kompensatori- schen Hyperhidrose reduziert ist (2). Neurophysiologisch ist die geringere kompensatorische Hyperhidrose nur da- durch erklärbar, dass die Schweißeliminierung unterhalb T3 nach ETS nicht so komplett ist, wie auf Höhe von T3 oder oberhalb davon. Genauere Untersuchungen müssen die Vor- und Nachteile einer ETS unterhalb von T3 klären.
Aus Platzgründen sind wir nicht genauer auf die lokalchir- urgischen Verfahren eingegangen, aber auch bei den neue- ren Techniken, die weniger aggressiv sind, hängt die Er- folgsrate von der möglichst vollständigen Entfernung der Schweißdrüsen ab. Da die radikale Entfernung von axillä- rer Haut aufgrund von ausgeprägten Nebenwirkungen nach der Vereinigung für Operative Dermatologie (VOD) nur für individuelle Fällen empfohlen wird, haben wir sie im Text nicht näher erwähnt (3). Wir verstanden die Lipo- suktion eher als Oberbegriff, da diese Technik mit und oh- ne Kürrettage durchgeführt werden kann.
DOI: 10.3238/arztebl.2009.0448b
LITERATUR
1. Leseche G et al.: Endoscopic transthoracic sympathectomy for upper limb hyperhidrosis: limited sympathectomy does not reduce postopera- tive compensatory sweating. J Vasc Surg 2003; 37: 124–8.
2. Li X, Tu YR, Lin M, Lai FC, Chen JF, Dai ZJ: Endoscopic thoracic sym- pathectomy for palmar hyperhidrosis: a randomized control trial compa- ring T3 and T2-4 ablation. Ann Thorac Surg 2008; 85: 1747–51.
3. Worle B, Rapprich S, Heckmann M: Definition and treatment of primary hyperhidrosis. J Dtsch Dermatol Ges 2007; 5: 625–8.
4. Schlereth T, Dieterich M, Birklein F: Hyperhidrosis—causes and treat- ment of enhanced sweating [Hyperhidrose – Ursachen und Therapie von übermäßigem Schwitzen]. Dtsch Arztebl Int 2009; 106: 32–7.
Dr. med. Tanja Schlereth
Klinik für Neurologie, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Langenbeckstraße 1, 55101 Mainz
E-Mail: schleret@uni-mainz.de
Interessenkonflikt
Die Autoren beider Diskussionsbeiträge erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.
zu dem Beitrag
Hyperhidrose – Ursachen und Therapie von übermäßigem Schwitzen
von Dr. med. Tanja Schlereth, Prof. Dr. med. Marianne Dieterich, Prof. Dr. med. Frank Birklein in Heft 3/2009