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Diagnostik von Identitäts- und Persönlichkeitsstörungen im Jugendalter

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Academic year: 2022

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Diagnostik von Identitäts- und Persönlichkeitsstörungen im Jugendalter

Inauguraldissertation zur Erlangung der Würde eines Doktors der Philosophie vorgelegt der Fakultät für Psychologie der Universität Basel von

Christian Schrobildgen

aus Saarbrücken, Deutschland

Basel, 2020

Originaldokument gespeichert auf dem Dokumentenserver der Universität Basel edoc.unibas.ch

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Genehmigt von der Fakultät für Psychologie auf Antrag von

Prof. Dr. Jens Gaab Prof. Dr. Klaus Schmeck

Datum des Doktoratsexamen: 22.01.2021

Prof. Dr. Jens Gaab

Dekan der Fakultät für Psychologie

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Diagnostik von Identitäts- und Persönlichkeitsstörungen im Jugendalter

Christian Schrobildgen Fakultät für Psychologie Universität Basel

Übersichtsarbeit der kumulativen Dissertation mit 3 Artikeln:

Grundlagen und praktische Anwendung des Assessments of Identity Development in Adolescence (AIDA)

Birkhölzer et al., 2015

Der OPD-KJ2-SF–Ein Instrument zur Erfassung der Achse Struktur der OPD-KJ-2 bei Jugendlichen im Selbsturteil

Schrobildgen et al., 2019

Screening von Persönlichkeitsstörungen: Psychometrische Güte des AIDA 19 + zur Erfassung pathologischer Identitätsentwicklung von jungen Erwachsenen

Schrobildgen et al., eingereicht

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Abstract (Deutsch)

Der kategoriale Ansatz zur Erfassung von Persönlichkeitspathologien wird zunehmend von dimensionalen Herangehensweisen (DSM-5, ICD-11) abgelöst, welche derzeit in Klinik und Forschung überprüft werden.

Auch für die Diagnostik von Persönlichkeitspathologien im Jugendalter wird ein dimensionaler Ansatz empfohlen. Zur Berücksichtigung des Entwicklungsaspektes und für differentialdiagnostische Abgrenzungen bedarf es hierfür eines eigenständigen, jugendspezifischen Konzepts. Es werden Instrumente benötigt, um Beeinträchtigungen in der Persönlichkeitsentwicklung in dieser Altersgruppe valide zu messen. Die vorliegende Übersichtsarbeit zur kumulativen Dissertation beschreibt den Forschungsstand hierzu und die Entwicklung und Validierung von Inventaren zur Erfassung von Persönlichkeitspathologien im Jugend- und jungen Erwachsenenalter. Die Ergebnisse der dargestellten Untersuchungen deuten darauf hin, dass Jugendliche mit entsprechenden Beeinträchtigungen reliabel und valide innerhalb des dimensionalen Ansatzes diagnostiziert werden können. Insbesondere die Operationalisierung und Messung von Störungen im Entwicklungsbereich der „Identität“ erscheint vielversprechend. Darauf aufbauende erste Untersuchungen zur Bedeutung anderer Funktionsbereiche für die Erfassung von Persönlichkeitspathologien im Jugendalter werden beschrieben und diskutiert. Diese sollten weiter vertieft, erweitert und repliziert werden um auch die Grundlagenforschung zu Erscheinungsformen von Persönlichkeitspathologien im Jugendalter zu bereichern.

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Abstract (English)

For the assessment of personality pathologies, a paradigm shift from the categorical approach to dimensional approaches (DSM-5, ICD-11) can be observed. Diagnostic instruments based on dimensional approaches are currently being reviewed for their applicability in clinics and research. A dimensional approach is recommended for the diagnosis of personality pathologies in adolescence as well. However, a more specific concept is required for this age group in order to account for developmental factors and differential considerations in the diagnostic process. Instruments are needed that can measure impairments in personality development with sufficient validity in this specific age group. The present overview is related to the cumulative dissertation and describes the current state of research regarding the development and validation of inventories for the diagnosis of personality pathologies in adolescence and young adulthood. The results of these studies suggest that adolescents with corresponding impairments can be classified reliably and validly record within the dimensional approach. In particular, the operationalization and measurability of disruptions in the developmental dimension of "identity" is apparently promising. Based on this, initial studies on the importance of other functional areas for the assessment of personality pathologies in adolescence are described and discussed. These should be further deepened, expanded and replicated in order to enrich basic research on the manifestations of personality pathologies in adolescence.

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ... 7

2. Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen ... 7

3. Diagnostik von Persönlichkeitspathologien im Jugendalter ... 10

3.1 Instrumente zur Erfassung von Persönlichkeitspathologien im Jugendalter ... 11

4. Diskussion ... 17

5. Literatur ... 20

6. Anhang ... 22

6.1 Artikel 1: Grundlagen und praktische Anwendung des Assessments of Identitiy Development in Adolescence (AIDA) ... 23

6.2 Artikel 2: Der OPD-KJ2-SF – Ein Instrument zur Erfassung der Achse Struktur der OPD-KJ-2 bei Jugendlichen im Selbsturteil ... 43

6.3 Artikel 3: Screening von Persönlichkeitsstörungen: Psychometrische Güte des AIDA 19 + zur Erfassung pathologischer Identitätsentwicklung von jungen Erwachsenen... 68

6.4 Weitere Veröffentlichungen ... 86

6.5 Erklärung zur wissenschaftlichen Lauterkeit ... 87

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1. Einleitung

Persönlichkeitsstörungen (PS) werden allgemein definiert als überdauernde, unflexible Verhaltens-, Denk- und Gefühlsmuster, welche deutlich von den Erwartungen der soziokulturellen Umgebung abweichen, sich in vielen sozialen und persönlichen Situationen des betroffenen Individuums zeigen und mit erheblichem Leiden oder Beeinträchtigungen des psychosozialen Funktionsniveaus einhergehen (Renneberg et al., 2010).

Mit Prävalenzraten von 4.4 % bis 14.8 % in der Allgemeinbevölkerung stellt die Persönlichkeitsstörung eine häufige psychische Störung des Erwachsenalters dar (Barnow et al., 2010). Entgegen früherer Annahmen zeigen Studienergebnisse deutlich, dass es sich bei Persönlichkeitsstörungen um gut zu behandelnde Erkrankungen handelt (Schmeck & Schlüter- Müller, 2012). Dennoch gehören beispielsweise in der Schweiz Persönlichkeitsstörungen zum häufigsten Grund für Invalidisierungen aufgrund einer psychischen Erkrankung (Sollberger, 2017).

Vor diesem Hintergrund rückt die Erforschung zu Erfassung, Verlauf und Behandlung von Persönlichkeitsstörungen in den Vordergrund aktueller Forschungsvorhaben. Dabei wird ein möglichst frühzeitiges Erkennen und Behandeln von Störungen im Rahmen der Persönlichkeitsentwicklung diskutiert, um einer Chronifizierung vorzubeugen (Schmeck, 2008;

Chanen et al., 2017).

2. Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen

Die Diagnostik von Persönlichkeitspathologien, wie sie bisher im Rahmen der gängigen Diagnosesysteme gehandhabt wird, wird seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert. Der kategoriale Ansatz der Diagnosestellung steht dabei besonders in der Kritik. Für die definierten Persönlichkeitsstörungstypen fehlt empirische Evidenz (Clark, Livesley & Morey, 1997; Clark, 2007; Tyrer et al., 2011). Es besteht eine hohe Komorbidität von verschiedenen Persönlichkeitsstörungstypen in klinischen Settings sowie eine erhebliche Heterogenität von Patienten desselben Störungstypus, was den klinischen Nutzen auch für eine Therapieplanung in Frage stellt (Clark, 2007; Krueger, Hopwood, Wright & Markon, 2014). Der Symptom Cut-off der

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einzelnen PS-Typen, welcher letztlich zur Diagnosevergabe oder Verwerfung der Diagnose führt, erscheint nach Bornstein (2011) wenig sinnvoll. Es gibt wenig Evidenz dafür, dass Patienten, welche den Cut-off erreichen, sich wesentlich von jenen unterscheiden, welche diesen Wert knapp nicht erreichen. Darüber hinaus ist die Stabilität von (dysfunktionale) Verhaltensweisen keineswegs ausreichend; der jeweilige Situationseinfluss lässt sich nicht ausreichend berücksichtigen. Statt Verhaltensweisen sind es vielmehr Überzeugungen über das Selbst, über Andere und die Interaktion zwischen dem Selbst und Anderen, welche in den diagnostischen Fokus rücken müssen, weil diese Überzeugungen zeit - und kontextstabiler sind (Bornstein, 2011).

Im Zentrum der neuen Konzepte der Persönlichkeitsstörungsdiagnostik steht die Orientierung an einem dimensionalen Schweregrad (d.h. einem Kontinuum von «gesund» nach «beeinträchtigt»).

Die Diagnostik soll sich an basalen Merkmalen von Persönlichkeit und Persönlichkeitsfunktionen orientieren, welche eine entsprechende Unterscheidung von Persönlichkeitsschwierigkeiten bis hin zu Persönlichkeitspathologien zulassen (Livesley, 2011; siehe auch Livesley, 1998;

Schrobildgen, Birkhölzer, Schmeck & Goth, 2014).

Vor diesem Hintergrund wurde im DSM-5 (APA, 2013) und im ICD-11 die PS-Diagnostik revidiert (siehe Tyrer, Reed & Crawford, 2015). Die Neukonzeptualisierung im DSM-5 (APA, 2013) sieht eine Schwergraddiagnostik auf den interpersonalen Bereichen der «Empathie» und der

«Intimität» sowie den intrapersonellen Bereichen der «Selbststeuerung» und der «Identität» vor.

Die hierfür entwickelte «Level of Personality Functioning Scale» (LPFS) definiert und beschreibt die einzelnen Dimensionen auf einer 5-stufigen Skala zur Erfassung der Beeinträchtigung. Dabei ist es notwendig, dass in mindestens zwei Persönlichkeitsbereichen eine signifikante Beeinträchtigung vorhanden ist, um eine Diagnosestellung zu rechtfertigen (Kriterium A). Darüber hinaus müssen pathologische Persönlichkeitsmerkmale vorhanden sein (Kriterium B). Dabei lassen sich anhand von fünf Persönlichkeitseigenschaftsbereichen («Traits») Persönlichkeitsprofile der jeweiligen Problematiken erstellen. Hierfür wurden fünf pathologische

«Traits» definiert: Negative Affektivität (vs. Emotionale Stabilität), Verschlossenheit (vs.

Extraversion), Antagonismus (vs. Verträglichkeit), Enthemmtheit (vs. Gewissenhaftigkeit) und Psychotizismus (vs. Adäquatheit) (APA, 2013; Zimmermann, Brakemeier & Benecke, 2015). Jeder dieser Persönlichkeitseigenschaftsbereiche bzw. «Traits» wird dabei wiederum unterteilt in

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mehrere Facetten. So stellen etwa die Facetten «sozialer Rückzug» und «Vermeidung von Nähe»

Subskalen des «Traits» «Verschlossenheit» dar (Zimmermann, Brakemeier & Benecke, 2015).

Eine ähnliche Herangehensweise findet sich beim ICD-11. Für die Diagnosestellung einer PS werden 4 Schritte vorgeschlagen (Sevecke, Haid-Stecher, Goth, Bock & Krischer, 2019; Schmeck

& Birkhölzer, 2020). In einem ersten Schritt soll festgestellt werden, ob eine Persönlichkeitsstörung vorliegt oder nicht. Hierfür sollen in zentralen Funktionsbereichen der interpersonalen Beziehungen (z.B. im Bereich der Fähigkeit des Aufbaus und des Erhalts von engen und zufriedenstellenden Beziehungen, der Fähigkeit zum Perspektivenwechsel und zum Lösen von Konflikten) und/oder des Selbst (z.B. im Bereich der Identität, des Selbstwerts, des Selbsterlebens und der Selbststeuerung) Beeinträchtigungen vorliegen. Diese Beeinträchtigungen sollen bereits über einen längeren Zeitraum hinweg bestehen (2 Jahre oder mehr) und sich in maladaptiven Mustern aus Kognitionen, Affekterleben, Affektausdruck und Verhalten ausdrücken, welche in mehreren Bereichen des persönlichen und sozialen Lebens vorkommen.

Weitere Kriterien sind, dass diese Verhaltensmuster nicht altersentsprechend und nicht primär durch andere soziale oder kulturelle Faktoren erklärt werden können. Darüber hinaus soll die Störung mit erheblichem Leidensdruck oder signifikanten Beeinträchtigungen der psychosozialen Funktionsfähigkeit verbunden sein (siehe Bach & First, 2018).

In einem weiteren Schritt der ICD-11 Diagnose soll dann der Schweregrad (zwischen leichter PS, mittelgrader PS und schwerer PS) der diagnostizierten Persönlichkeitsstörung beschrieben werden. Hierfür werden für die Diagnostik jeweils Beschreibungen der Schweregradstufen und der relevanten Verhaltens- und Merkmalsausprägungen zur Verfügung gestellt. Im dritten Schritt soll eine detailliertere Beschreibung von jenen Persönlichkeitsmerkmalen gewährleistet werden, welche Einfluss auf die Beeinträchtigung der Funktionsbereiche haben. Die definierten Persönlichkeitsmerkmale ähneln dabei jene des DSM-5 und sind durch die Skalen

«Zwanghaftigkeit», «Distanziertheit», «Enthemmung», «Dissozialität» und «negative Affektivität» definiert. Im optionalen letzten Schritt der Diagnosestellung ermöglicht das Vorgehen des ICD-11 noch die Spezifizierung eines sogenannten «Borderline Qualifier». Hierfür sollten gleichzeitig eine ausgeprägte Impulsivität sowie Instabilität im Selbstbild, im Affekt und in interpersonellen Beziehungen vorhanden sein (Sevecke et al., 2019; Schmeck & Birkhölzer, 2020).

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3. Diagnostik von Persönlichkeitspathologien im Jugendalter

Die Diagnosestellung von Persönlichkeitsstörungen im Jugendalter ist ein kontrovers diskutiertes Thema (Schmeck, 2008). Gegen eine Diagnosestellung im Jugendalter wurde unter anderem argumentiert, dass dies eine Stigmatisierung des Patienten darstellen könnte. Dadurch droht eine Abwendung des vorhandenen Helfersystems von dem betroffenen Jugendlichen. Zudem sind Symptombereiche auch Entwicklungsbereiche des Jugendalters (beispielweise die Identitätsentwicklung). Eine Störung in diesem Bereich könne daher zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend festgestellt werden (Schmid, Schmeck & Petermann, 2008). Für die Erfassung von Persönlichkeitspathologien im Jugendalter sprechen hingegen eine Reihe von Gründen.

Empirische Befunde zeigen, dass sich Persönlichkeitspathologien im Jugendalter valide und reliabel diagnostizieren lassen (Kongerslev, Chanen & Simonsen (2015).

Persönlichkeitspathologien sind darüber hinaus trotz des Entwicklungskontextes ausreichend stabil (Chanen et al., 2004). PS manifestieren sich meist im Jugendalter erstmals (Sharp & Wall, 2018). Schließlich stehen gut evaluierte Therapieprogramme zur Verfügung, die eine frühe Behandlung ermöglichen, um eine Chronifizierung zu verhindern (Chanen et al., 2017; Sharp &

Fonagy, 2015; Winsper et al., 2015). Vor diesem Hintergrund ist die Altersbeschränkung für die Diagnose von Persönlichkeitsstörungen im ICD-11 aufgehoben worden (Schmeck & Birkhölzer, 2020).

Für die Diagnostik von Persönlichkeitspathologien im Jugendalter wird ein eigenes, jugendspezifisches Konzept empfohlen, um dem Entwicklungsaspekt und der differentialdiagnostischen Abgrenzung zwischen passageren Einbrüchen der Persönlichkeitsfunktionen und entwicklungsgefährdenden Beeinträchtigungen der Persönlichkeit gerecht zu werden (Sevecke, Lehmkuhl, Petermann & Krischer, 2011; Schrobildgen, Birkhölzer, Schmeck & Goth, 2014).

Insbesondere für das Jugendalter wird nicht nur eine dimensionale Diagnostik von PS empfohlen, sondern auch eine Erfassung von grundlegenden und maladaptiven Persönlichkeitsmerkmalen sowie die Erfassung des Schweregrads der beeinträchtigten psychosozialen Funktionsbereiche des Heranwachsenden (De Fruyt, & De Clercq, 2014). Dabei argumentieren De Fruyt und De

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Clercq (2014) auch, dass diese Herangehensweise einer möglichen Stigmatisierung der Patienten begegnen könnte, indem im Rahmen der Nomenklatur bei diesem Vorgehen von problematischen Persönlichkeitsmerkmalen oder von beeinträchtigten Funktionsbereichen gesprochen wird, nicht aber von Persönlichkeitsstörungen.

Die vorgestellte Neukonzeptualisierung der Diagnosestellung im Rahmen des DSM-5 und ICD-11 passt zu diesen Überlegungen. Die im DSM-5 und ICD-11 vorgeschlagenen diagnostischen Kriterien zu Pathologien im Bereich des Selbst (mit Skalenbereichen wie der «Selbststeuerung»

und «Identität») und der interpersonellen Fertigkeiten (Bereiche der «Intimität» und «Empathie»

wie etwa die Fähigkeit zum Aufbau von Freundschaften, zum Lösen von Konflikten, zum Perspektivwechsel) sind für das Jugendalter von zentraler Relevanz. Diese Bereiche sind hier in kontinuierlicher Entwicklung. Dadurch könnten sie sich als besonders nützlich erweisen, um im Sinne einer Schweregraddiagnostik jene Jugendliche mit passagerer akuter Symptomatik im Bereich der Persönlichkeitsfunktionsbereiche von jenen mit beginnenden Persönlichkeitsstörungen zu unterscheiden (siehe auch Sharp, 2020). Erste Untersuchungen für den Entwicklungsbereich der Identitätsentwicklung sprechen für diesen Ansatz (Schrobildgen et al., 2014).

3.1 Instrumente zur Erfassung von Persönlichkeitspathologien im Jugendalter

Während es in den letzten Jahren, insbesondere seit Veröffentlichung des DSM-5 und der «Level of Personality Functioning Scale», zahlreiche Studien und Untersuchungen zu Instrumenten zur Erfassung und Operationalisierung der definierten Persönlichkeitsfunktionsbereiche im Erwachsenalter gegeben hat, besteht für das Jugendalter erheblicher Forschungsbedarf.

Die bisherigen Veröffentlichungen aus dem Erwachsenenbereich weisen dabei darauf hin, dass es mit dem vorgeschlagenen Paradigmenwechsel und darauf basierenden Diagnoseinstrumenten möglich ist, Persönlichkeitspathologien valide und reliabel zu erfassen. So zeigten sich etwa in der Validierungsstudie von Zettl, Taubner, Hutsebaut, und Volkert (2019) mit der deutschsprachigen Version des «Semi-Structured Interview for Personality Functioning DSM-5» (StiP- 5.1, Hutsebaut, Kamphuis, Feenstra, Weekers, & De Saeger, 2017), einem semi-strukturierten Interview zur

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Erfassung der DSM-5 Persönlichkeitsfunktionen, deutliche korrelative Zusammenhänge zwischen dem Interview und konvergenten Messinstrumenten. Zudem liessen sich moderate bis grosse Effektstärken im Rahmen der diskriminativen Validität feststellen. Dabei diskriminierte das Instrument auch innerhalb einer klinischen Stichprobe mit moderaten bis hohen Effektstärken zwischen Patienten mit und ohne Persönlichkeitsstörungen. Auch andere Instrumente, deren Ansatz sich an der dimensionalen Erfassung von Persönlichkeitsfunktionsbereiche zur Diagnostik von Persönlichkeitspathologien orientiert, wie sie etwa im DSM-5 beschrieben werden, weisen insgesamt vielversprechende Ergebnisse auf (für eine Übersicht siehe Zimmermann, Kerber, Rek, Hopwood, & Krueger (2019).

Instrumente und Untersuchungen zur Erfassung von Persönlichkeitspathologien im Jugendalter, welche dem beschriebenen neuen Ansatz folgen, gibt es dagegen bisher wenige (Schmeck & Goth, 2018).

Vor dem Hintergrund dieses Forschungsbedarfs entwickelte eine Forschungsgruppe der Universität Basel den Selbstbeurteilungsfragebogen AIDA (Assessment of Identity in Adolescence;

Goth et al., 2012), um zwischen einer normalen Identitätsentwicklung, einer Identitätskrise und einer Identitätsdiffusion unterscheiden zu können. Das Konzept der Identitätsentwicklung und ihre pathologischen Entwicklungsformen nimmt im Rahmen der Diskussion zur Erfassung von Persönlichkeitspathologien im Jugendalter einen zentralen Stellenwert ein (Westen, Betan, &

DeFife, 2011).

Von einer Identitätsdiffusion sprechen die Autoren des AIDA bei einem fehlenden integrierten Konzept von sich selbst und Anderen, dabei überwiegen beispielsweise chaotische Beschreibungen von sich selbst und Anderen, sowie ein Gefühl von Inkohärenz in verschiedenen Situationen. Eine Identitätskrise im Jugendalter kann als ein normativer Prozess im Rahmen der anstehenden Entwicklungsaufgaben (wie etwa Ablösung von den Eltern, neue Erfahrungen im Bereich Intimität und Freundschaften, Suche nach Zukunftsperspektiven) verstanden werden.

Dies kann zu Veränderungen im Selbstkonzept führen, welche krisenhaft verlaufen können, in der Regel jedoch zu stabileren Komponenten der eigenen Identität führen, mit gefestigten und auch anpassungsfähigeren Funktionsniveau (Foelsch, Krischer, Schlüter-Müller & Schmeck, 2010).

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Der inzwischen etablierte AIDA Fragebogen mit 58 Items zur Selbstbeantwortung differenziert auf einer Gesamtskala «Identitätsintegration vs. Identitätsdiffusion» sowie den beiden Hauptskalen

«Identitätskontinuität» und «Identitätskohärenz» zwischen Jugendlichen mit normaler Identitätsentwicklung, einer Identitätskrise und Identitätsdiffusion. Die klinische Relevanz konnte in mehrere Validierungsstudien bestätigt werden. In einer ersten Studie zeigten Goth et al. (2012) dass der Fragebogen zwischen Jugendlichen mit Persönlichkeitsstörungen und gesunden Kontrollen differenziert (Effektstärken d = 1.94 bis d = 2.17). In einer weiteren Studie zeigten Jung, Pick, Schlüter-Müller, Schmeck & Goth (2013), dass der Fragebogen auch innerhalb einer klinischen Stichprobe differentialdiagnostisch sinnvoll eingesetzt werden kann: So zeigten sich auch innerhalb der klinischen Stichprobe signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen (Patienten mit externalisierenden Störungen vs. Internalisierenden Störungen vs.

Persönlichkeitsstörungen). Dabei wiesen Patienten mit externalisierende Störungen die geringsten Werte auf, gefolgt von jenen mit internalisierenden Störungen und schließlich jenen mit Persönlichkeitsstörungen. Die Studie bestätigte die Annahme, dass Störungen der Identitätsentwicklung spezifisch bei Jugendlichen mit Persönlichkeitsstörungen vorkommen. In einer weiteren Studie zeigten Lind, Vanwoerden, Penner und Sharp (2019) in einer klinischen Stichprobe von Adoleszenten, dass insbesondere der Identitätsdiffusionswert des AIDA mit Merkmalen der Borderline Persönlichkeitsstörung signifikant korrelierte. Dieser Zusammenhang blieb auch dann bestehen, wenn man die Subskala «Identitätsprobleme» des verwendeten Borderline Fragebogens aus den Berechnungen ausschloss.

Aufbauend auf den empirischen Ergebnissen zur klinischen Relevanz des AIDA und des Konzeptes der Identitätsdiffusion im Jugendalter zeigten Birkhölzer, Goth, Schrobildgen, Schmeck und Schlüter-Müller (2015) anhand von klinischen Einzelfallbeispielen die Nutzbarkeit und Anwendung des Inventars in der klinischen Praxis. Die Autoren beschreiben mehrere Beispiele von jugendlichen Patienten ohne stark erhöhte Werte im AIDA, welche jedoch zunächst mit einer Reihe von Symptome aus dem Spektrum der Persönlichkeitspathologien vorstellig wurden. Der klinische Verlauf bestätigte jedoch die Diagnose PS nicht. Der AIDA schien dabei unabhängig von den akuten Symptomen die zugrundliegende (einfache) Identitätskrise valide abzubilden. Wenn auch diese Einzelfallergebnisse zur spezifischen klinischen Anwendbarkeit im Sinne der

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Sensitivität und Spezifizität in grösseren klinischen Stichproben noch bestätigt werden müssen, zeigen die bisherige Befunde zum AIDA einen Zusammenhang zwischen Störungen der Identitätsentwicklung im Jugendalter und Persönlichkeitspathologien. Die Operationalisierung und Validierung der strukturierten Erfassung dieses Entwicklungsbereiches ermöglichte eine Differenzierung auch von anderen Störungsbildern in dieser Altersstufe. In diesem Sinne ist eine erste empirische Überprüfung der Relevanz und Anwendbarkeit der Neukonzeptualisierung der PS Diagnostik des DSM-5 für den Bereich der Identitätsentwicklung im Jugendalter gelungen.

Aufbauend auf den Ergebnissen der ursprünglichen AIDA-Studien adaptierten Schrobildgen et al.

(eingereicht) den AIDA für den Einsatz im jungen Erwachsenenalter (AIDA 19+), um im Übergang zum Erwachsenalter das Inventar klinisch nutzbar zu machen. Diese Erweiterung erfolgte auch vor dem Hintergrund der Annahme, dass sich die entwicklungspsychologische Relevanz der Identitätsentwicklung während der Adoleszenz und dem jungen Erwachsenalter immer mehr anzunähern scheint (Schrobildgen et al., eingereicht; Kroger, Martinussen, & Marcia, 2010;

Seiffge-Krenke, 2014). Die Validierungsstudie des AIDA 19+ erfolgte an einer nichtklinischen und einer klinischen Stichprobe. Die Gesamtskala und beiden Hauptskalen wiesen insgesamt sehr gute psychometrische Kennwerte auf (Skalenreliabilitäten: Alpha .96, .90, .93). Zudem konnten beide Hauptskalen hochsignifikant zwischen der nichtklinischen Stichprobe und den Patienten mit einer Persönlichkeitsstörung mit hohen Effektstärken (d = 2.21 und d = 1.65) diskriminieren. Dabei untersuchten die Autoren auch die Diskriminierungsfähigkeit innerhalb der klinischen Stichprobe.

Für diesen Zweck wurde die klinische Stichprobe nochmals in zwei Gruppen ( Patienten mit und ohne Persönlichkeitsstörung) unterteilt. In dieser Analyse zeigte sich, dass der Fragebogen ebenfalls hochsignifikant und mit hoher Effektstärke (d = 1.5) auf der Gesamtskala zwischen beiden Gruppen diskriminierte. Diese Ergebnisse sind mit den bisherigen empirischen Untersuchungen zum ursprünglichen AIDA vergleichbar und sprechen für eine gelungene Adaptation des AIDA für das junge Erwachsenalter. Der Fragebogen lässt sich im Rahmen eines Screeningprozesses zur Erfassung von Persönlichkeitsstörungen im jungen Erwachsenenalter einsetzen.

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Die Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik (Arbeitskreis, O.P.D., 2006) stellt mit ihrem Konzept der psychischen «Struktur» eine weitere Herangehensweise dar, basale psychische Funktionen und Fertigkeiten messbar zu machen. Das Modell der für Kinder und Jugendliche adaptierten Version des Manuals weist dabei eine deutliche Ähnlichkeit mit der Neukonzeptualisierung und Orientierung an zentralen Funktionsbereichen der Persönlichkeit des DSM-5 und ICD-11 auf. Dies ist u.a. auch darauf zurückzuführen, dass sich die Autoren der LPFS im Rahmen der Operationalisierung unter anderem an bereits bekannten psychodynamisch orientierten Messinstrumenten orientierten (Zimmermann et al., 2013).

Im für Kinder und Jugendliche adaptierten Klassifikationsmanual erfolgt die Operationalisierung und Diagnostik auf den vier Achsen «Beziehung», «Konflikt», «Struktur» und

«Behandlungsvoraussetzungen» (Arbeitskreis OPD-KJ-2, 2016).

Die Achse «Struktur» beschreibt dabei psychische Funktionen und Fertigkeiten sowie Erlebnis- und Handlungsdispositionen, welche sich im Laufe der Persönlichkeitsentwicklung herausgebildet haben (Arbeitskreis OPD-KJ-2, 2016). Die OPD-KJ-2 definiert für die Achse Struktur vier Hauptdimensionen, auf welcher die Strukturdiagnostik erfolgt: «Steuerung», «Identität»,

«Interpersonalität» und «Bindung». Hierbei wird bereits bei den Skalennamen eine deutliche Parallelität zur Konzeptualisierung der Persönlichkeitsfunktionen im DSM-5 sichtbar. Auch empirische Untersuchungen zeigen die inhaltliche Nähe zwischen strukturellen Störungen und Persönlichkeitsstörungen auf (Benecke et al., 2009; Zimmermann et al., 2015). Bisherige Untersuchungen lassen Zusammenhänge zwischen strukturellen Beeinträchtigungen im Jugendalter und einem Risiko zur Entwicklung einer schweren psychischen Störung und Belastung im Erwachsenalter vermuten (Huber et al., 2017; Bock et al., 2019). Für das Jugendalter erfolgt die Strukturdiagnostik bis anhin im Rahmen eines zeitaufwendigen Interviews, sodass zur zeitökonomischen Diagnostik auf Strukturebene im Jugendalter Screening-Instrumente gefordert werden (Huber et al., 2017).

Vor diesem Hintergrund entwickelte eine Arbeitsgruppe der kinder- und jugendpsychiatrischen Forschungsabteilung der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel den

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Selbstbeurteilungsfragebogen OPD-KJ2-SF 12-18 (Goth, Schrobildgen und Schmeck, 2018) zur Erfassung der in der OPD-KJ-2 definierten Strukturdimensionen.

Die Autoren orientierten sich dabei zunächst an den durch das OPD-KJ-2 Manual vorgegebenen 4 Strukturdimensionen mit insgesamt 18 Subskalen. Hierfür stehen im Manual des OPD-KJ-2 klinische Beschreibungen zur Verfügung, um auf einer 4-stufigen Skala die vorhandenen Beeinträchtigungen auf den jeweiligen Subskalen einzuordnen. Für die Erstellung einer ersten Pilotversion wurden verwandte Verfahren sowie deren Itemformulierungen in die Testkonstruktion mit einbezogen. Die Pilotversion wurde an einer klinischen und nicht klinischen Stichprobe (N= 298) von Adoleszenten einer ersten Analyse unterzogen und für die Hauptuntersuchung (N= 589) um einige Items erweitert.

Der Fragebogen zeigte dabei im Rahmen einer ersten Validierungsstudie (Schrobildgen, Goth, Weissensteiner, Lazari und Schmeck, 2019) innerhalb einer gemischten klinischen und nichtklinischen Stichprobe sehr gute psychometrische Kennwerte (Reliabilitäten Cronbach‘s Alpha .87 bis .98 auf Gesamt- und Hauptskalenebene). Zudem unterschieden sich die Mittelwerte der Kontroll- und Patientenstichprobe hochsignifikant über alle Skalen hinweg, wobei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen die höchsten Mittelwerte aufwiesen (Effektstärken d = 1.4 bis d = 1.6 auf Hauptskalenebene im Vergleich zur Kontrollstichprobe). Darüber hinaus zeigte sich im Sinne der konvergenten Validität hohe Korrelationen zwischen dem OPD-KJ-2 SF und der AIDA Gesamtskala über alle Hauptskalen hinweg. Insbesondere zeigte sich eine hohe Korrelation zwischen der Gesamtstrukturskala des OPD-KJ-2 SF und der Identitätsdiffusionsskala des AIDA (r

= .94).

Diese ersten Untersuchungsergebnisse zur Erfassung von strukturellen Beeinträchtigungen im Selbsturteil in einer klinischen Stichprobe von Jugendlichen weisen dabei neben der bereits untersuchten Relevanz des Entwicklungsbereichs der „Identität“ durch die AIDA-Studien auf die Bedeutung auch der anderen Dimensionen („Steuerung“, „Interpersonalität“ und „Bindung“) für die Früherfassung von Persönlichkeitspathologien im Jugendalter hin. Durch die bereits erwähnte inhaltliche Nähe zu den neu definierten diagnostischen Kriterien nach DSM5 und ICD-11 leistet die Studie damit einen wesentlichen Beitrag zur Überprüfung der Relevanz dieser weiteren Entwicklungsbereiche zur Erfassung von Persönlichkeitsentwicklungsstörungen im Jugendalter.

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Im Rahmen einer weiteren Überprüfung des dimensionalen Schweregradmodells nach DSM-5 und ICD-11 entwickelten Goth, Birkhölzer und Schmeck (2018) den «Level of Personality Functionung Questionnaire» (LoPF – Q 12-18) für Jugendliche im Selbsturteil. Der Fragebogen operationalisiert mit insgesamt 97 Items beeinträchtigte Persönlichkeitsfunktionsbereiche und orientiert sich dabei stark am DSM-5 mit den Skalen «Identität» , «Selbstlenkung», «Empathie»

und «Intimität» sowie einer Gesamtskala. In einer ersten Validierungsstudie anhand klinischer und nichtklinischer Probanden wies der Fragebogen sehr gute interne Konsistenzen auf (Cronbach’s Alpha der Gesamtskala = 0.97; zwischen .88 und .95 für die Hauptskalen). Er diskriminierte zwischen Schülern und Patienten mit einer Persönlichkeitsstörung (Effektstärken von d = 0.7 – d = 2.2). Die Autoren sprechen sich aufgrund der ermutigenden Studienergebnisse für den Fragebogen als mögliches Screening-Instrument zur Erfassung von Persönlichkeitspathologien im Jugendalter aus.

4. Diskussion

Insgesamt zeigen die bisherigen Untersuchungen zur Erfassung von Störungen zentraler Persönlichkeitsfunktionen nach DSM-5 und ICD-11 für das Jugendalter vielversprechende Ergebnisse. Die Forschungsbestrebungen im Rahmen dieses Paradigmenwechseln sind jedoch auch mit einigen Schwierigkeiten konfrontiert, welche im Wesentlichen daraus resultieren, dass das neue Konzept wenig Ähnlichkeiten mit der bisherigen diagnostischen Vorgehensweise aufweist. Daraus resultieren Limitationen der bisherigen Untersuchungen. Allen voran fehlt ein diagnostischer „Goldstandard“ zur Erfassung von PS, an welchen sich die neuen Instrumente im Sinne der konvergenten Validierung orientieren könnten (siehe auch Weekers, Hutsebaut, &

Kamphuis, 2019). Darüber hinaus werden neben klassischen Untersuchungen zu Gütekriterien der neu entwickelten Instrumente auch Studien empfohlen, welche die klinische Relevanz des neuen Ansatzes in den Fokus rücken. Darunter fallen Längstschnittstudien in Verbindung mit Messungen zur Lebensqualität sowie Therapiestudien zur Untersuchung der Relevanz dieser Messbereiche der PS in Verbindung mit Veränderbarkeit, prädiktiven Wert und Ansprechen auf Interventionen (Zimmermann, Kerber, Rek, Hopwood & Krueger, 2019).

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Herpertz et al. (2017) kritisieren in ihrer Stellungnahme die geplante Revision des ICD-11 auf verschiedenen Ebenen. Die Autoren postulieren, dass der Paradigmenwechsel verfrüht erscheint.

Die radikalen Veränderungen im diagnostischen Prozess bringen Unsicherheiten beim Kliniker und Patienten mit sich. Operationalisierung und Beschreibungen der vorgeschlagenen diagnostischen Fokusbereiche im Rahmen der Schweregraddiagnostik sind unzureichend;

empirische Überprüfungen beginnen erst.

Aus dieser Diskussion wird deutlich, dass die Forschung erst am Anfang der empirischen Überprüfung des dimensionalen Ansatzes zur Erfassung von Persönlichkeitsstörungen steht.

Insbesondere für das Jugendalter ist der Forschungsbedarf immens. Mit der Entwicklung und Überprüfung des OPD-KJ-2 Strukturfragebogens ist es dabei gelungen, erste empirische Daten als Diskussionsgrundlage zu generieren. Dabei lassen sich diese Ergebnisse mit bisherigen Untersuchungen zur Relevanz von strukturellen Störungen sensu OPD-KJ2 im Rahmen der geforderten weiteren Untersuchungsthemen wie der Veränderbarkeit, dem prädiktiven Wert und dem Ansprechen auf Interventionen (Zimmermann et al., 2019) verbinden. Zu diesen Forschungsfragen bestehen durch zum Teil umfangreiche Untersuchungen im Rahmen der Validierungsstudien der OPD-KJ-2 bereits gute Studiengrundlagen zu etwa Veränderungssensitivität im Rahmen psychotherapeutischer Interventionen (Jelen et al., 2013), prädiktivem Wert von strukturellen Störungen im Jugendalter durch Längsschnittdaten (Bock et al., 2019) und Therapieplanung (Seiffge-Krenke, Mayer, Rathgeber, & Sommer, 2013). Die bisherigen Studienergebnisse zur klinischen Relevanz der Strukturdimension im Rahmen der Früherfassung von Persönlichkeitspathologien im Jugendalter sollten dabei in weiteren Validierungsstudien repliziert und im Rahmen der Verwendung von Messinstrumenten zur Strukturerfassung in persönlichkeitsstörungsbezogenen Therapiestudien und Längsschnittstudien erweitert werden.

Darüber hinaus werden weitere Validierungsstudien zu Messinstrumenten benötigt, um im Sinne der Grundlagenforschung eine breitere Diskussion zur Phänotypisierung von Persönlichkeitspathologien im Jugendalter zu gewährleisten. Diese Herangehensweise könnte auch für den diagnostischen Prozess der PS Diagnostik im Erwachsenenalter eine wichtige Hilfestellung sein. So liess sich bereits im Rahmen der Adaptation des AIDA für das junge

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Erwachsenenalter für den Entwicklungsbereich der «Identität» zeigen, dass diese Vorgehensweise der Erfassung von PS im Erwachsenenbereich zu Gute kommen könnte (Schrobildgen et al, eingereicht). Dies steht im Einklang mit der Annahme, dass Persönlichkeitsmerkmale sich über die Lebensspanne hinweg kontinuierlich entwickeln und verändern können und erst mit Erreichen des 50. Lebensjahres Veränderungen nur noch moderat sind (Caspi, Roberts, & Shiner, 2005; Schmeck & Schlüter- Müller, 2012). Ein Ansatz, welcher diesem Entwicklungsgedanken gerecht wird, könnte dabei für die Diagnostik von PS für andere Altersgruppen von besonderem Wert sein. Eine erste Überprüfung dieses Ansatzes könnte etwa die Adaptation und Validierung des OPD-KJ-2 SF sowie des LoPF Q 12-18 für das junge Erwachsenenalter darstellen.

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6. Anhang

6.1 Artikel 1: Grundlagen und Praktische Anwendung des Assessment of Identity Development in Adolescence (AIDA) (S. 23- 42)

6.2 Artikel 2: Der OPD-KJ2-SF – Ein Instrument zur Erfassung der Achse Struktur der OPD-KJ2 bei Jugendlichen im Selbsturteil (S. 43- 67)

6.3 Artikel 3: Screening von Persönlichkeitsstörungen: Psychometrische Güte des AIDA 19 + zur Erfassung pathologischer Identitätsentwicklung von jungen Erwachsenen (S. 68- 85)

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23

Grundlagen und praktische Anwendung des Assessments of Identity Development in Adolescence (AIDA)

Marc Birkhölzer1, Kirstin Goth1, Christian Schrobildgen1, Klaus Schmeck1 und Susanne Schlüter-Müller1,2

1 Kinder- und Jugendpsychiatrische Klinik, Universitäre Psychiatrische Kliniken, Basel/Schweiz

2 Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Frankfurt am Main/Deutschland

Publiziert in: Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64: 584 – 600 (2015), ISSN: 0032-7034 (print), 2196-8225 (online)

Summary

Background and Practical Use of the Assessment of Identity Development in Adolescence (AIDA)

A paradigm shift towards early detection and intervention of personality disorders in adolescence to prevent persistent and chronic suffering is currently taking place. Aside further distinct areas of impaired psychosocial integrity, disturbed identity development is seen as one core component of personality disorders. Thus, the detection of early antecedents of impaired identity development is an important step to allow for early intervention. The selfreport questionnaire Assessment of Identity Development in Adolescence (AIDA) is a reliable and valid diagnostic instrument to detect disturbed identity development.

This questionnaire allows for global assessment of identity and a differentiation in fundamental subdomains as well and distinguishes between identity diffusion on one side and consolidated and stable identity on the other. In clinical practice, it supports the differentiation between severely disturbed identity as the core component of personality disorders and identity crisis or stable identity development that can be found in other mental disorders.

Keywords

identity – personality disorder – adolescence – psychopathology – assessment

(24)

24 Zusammenfassung

Seit kurzem findet ein Paradigmenwechsel zugunsten früher Erkennung und Intervention bei Persönlichkeitsstörungen in der Adoleszenz zur Vermeidung dauerhaften und chronischen Leidens statt.

Neben weiteren Bereichen beeinträchtigter psychosozialer Integrität wird die gestörte Identitätsentwicklung als ein Kernelement von Persönlichkeitsstörungen angesehen. Der Selbstbeantwortungsfragebogen „Assessment of Identity Development in Adolescence“

(AIDA) ist ein reliables und valides Diagnoseinstrument, um eine gestörte Identitätsentwicklung zu erkennen. Dieser Fragebogen erlaubt eine globale Erfassung und eine Differenzierung fundamentaler Teilbereiche der Identitätsentwicklung und unterscheidet dimensional zwischen Identitätsdiffusion auf der einen Seite und gefestigter und stabiler Identität auf der anderen. In der klinischen Praxis ist er hilfreich bei der Unterscheidung zwischen schwer beeinträchtigter Identität als Kernelement von Persönlichkeitsstörungen und vorübergehend krisenhaft oder auch stabil verlaufender Identitätsentwicklung, wie sie bei anderen psychischen Störungen zu finden ist.

Schlagwörter

Identität – Persönlichkeitsstörung – Jugendliche – Psychopathologie – Fragebogen

1 Hintergrund

Die Vergabe der Diagnose einer Persönlichkeitsstörung im Jugendalter ist nach wie vor umstritten (Schmid, Schmeck, Petermann, 2008). Die eine Seite argumentiert, dass die Symptome einer Persönlichkeitsstörung in Kindheit und Jugend zu schwach und instabil sind, um die Diagnose

„Persönlichkeitsstörungen“ zu rechtfertigen. Auch wird argumentiert, dass die Adoleszenz per se eine aufwühlende und verunsichernde Lebensphase sei, sodass zwischen „gesund“ und „krank“

keine valide Trennlinie gezogen werden könne. Gleichzeitig wird die Diagnose

„Persönlichkeitsstörung“ häufig als unveränderlich und stigmatisierend angesehen, weshalb sie bei Jugendlichen nicht gestellt werden solle, obwohl das Bestehen entsprechender Symptome bereits seit Kindheit und Jugend ein Diagnosekriterium der Persönlichkeitsstörung ist. Die andere Seite argumentiert, dass Symptome einer Persönlichkeitsstörung bereits früh erkennbar und außerdem ausreichend stabil sind, um eine solche Diagnose vor dem 18. Lebensjahr eindeutig zu rechtfertigen (Schmeck u. Schlüter-Müller, 2009; Chanen et al., 2004). Zahlreiche umfangreiche und qualitativ hochwertige Studien der vergangenen Jahre zeigen, dass die Diagnose einer

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Persönlichkeitsstörung im Jugendalter valide gestellt werden kann (Becker, Grilo, Edell, McGlashan, 2002; Johnson et al., 1999, 2000a, b; Kasen, Cohen, Skodol, Johnson, Brook, 1999;

Westen, Shedler, Durrett, Glass, Martens, 2003; Crawford et al., 2008; Westen et al., 2014). Kasen et al. (1999) betonen, dass das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörungen, gekennzeichnet durch eine persistierend maladaptive Art zu denken und zu Handeln, wichtige Entwicklungsaufgaben der Adoleszenz erschweren oder gar verhindern kann. Als Folge dessen kann eine Persönlichkeitsstörung zu tiefgreifenden inter- und intrapersonellen Problemen und aufgrund der negativen Umweltreaktion zu einem Negativkreislauf der maladaptiven und dysfunktionalen Persönlichkeit im Erwachsenenalter führen. Die Erfassung und Therapie der Persönlichkeitsstörungen im Kindes- und Jugendalter ist deshalb notwendig, um der Chronifizierung und Progredienz der Problematik ins Erwachsenenalter entgegenzuwirken und die Betroffenen dabei zu unterstützen, altersadäquate Entwicklungsaufgaben wieder selbstständig zu bewältigen. Persönlichkeitsstörungen und auch solche, die sich bereits in der Adoleszenz manifestieren, sind spezifisch und manualisiert behandelbar (Böhme, Fleischhaker, Mayer-Bruns, Schulz, 2002; Foelsch et al., 2013; Rossouw u. Fonagy, 2012).

Mit der Einführung des DSM-5 im Jahr 2013 wurde die Altersgrenze von 18 Jahren für die Vergabe der Diagnose „Persönlichkeitsstörung“ aufgehoben (APA, 2013). Diese Entwicklungsperspektive von Persönlichkeitsstörungen über die Lebensspanne hinweg wird auch in der 11. Version der ICD in ähnlicher Weise integriert werden (Tyrer et al., 2011), da die Ergebnisse empirischer Studien eindeutige Hinweise dafür liefern, dass es eine Kontinuität von Persönlichkeitsmerkmalen und ihren Störungen über die Lebensspanne hinweg gibt (Bernstein et al., 1993; Caspi et al., 2003). Nach DSM-5 soll bei der Klassifikation von Persönlichkeitsstörungen zusätzlich geprüft werden, ob die Persönlichkeitsbeeinträchtigungen nicht besser durch das normative Verhalten der Entwicklungsphase erklärbar sind (Kriterium G). Dies ist eine sinnvolle Ergänzung, um im Jugendalter zum Beispiel eine Identitätskrise von einer voll ausgeprägten Borderline-Persönlichkeitsstörung mit Identitätsstörung zu differenzieren (Koch, Resch, Schlüter- Müller, Schmeck, 2013). Im vorliegenden Artikel wird ein Instrument beschrieben, mit dessen Hilfe eine solche Differenzierung möglich ist, was anhand von fünf Kasuistiken erläutert wird.

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1.2 Persönlichkeitsstörungen und Identität

Bereits in der ICD-10 und im DSM-IV galt ein gestörtes Identitätserleben als ein zentrales Symptom vor allem der Borderline-Persönlichkeitsstörung (APA, 2000). In der Sektion III des 2013 veröffentlichten DSM-5 kommt der Identität bzw. deren Störung eine Schlüsselrolle für die Diagnose nicht nur der Borderline-Persönlichkeitsstörung, sondern einer Persönlichkeitsstörung per se zu (Schmeck, Schlüter-Müller, Foelsch, Döring, 2013). Es wurde mit der „Levels-of- Personality-Functioning“ Skala ein dimensionales Störungskonzept eingeführt, das Beeinträchtigungen der Identität und Selbststeuerung sowie der Fähigkeit zu Empathie und Intimität als zentrale Kriterien der Persönlichkeitsstörung etabliert. Jegliche Persönlichkeitsstörungen sollen sich durch dimensionale Beeinträchtigungen in diesen Kernbereichen beschreiben lassen (APA, 2013).

Erickson (1959) sieht die Identität als das zentrale Organisationsprinzip der Persönlichkeit an, welches sich andauernd und durchgehend weiterentwickelt und doch gleich bleibt und ein Gefühl von Kontinuität innerhalb des Selbst und in der Interaktion mit anderen erzeugt. Außerdem sieht er in ihr den Rahmen, innerhalb dessen sich ein Individuum von anderen abzugrenzen und eigenständig von ihnen zu existieren vermag. Identität und Identitätserleben stellen somit einen Schlüssel der psychosozialen Integrität dar. Er sieht die Konsolidierung der Identität als zentrale Aufgabe der normalen Entwicklung eines jeden Adoleszenten an. Die erfolgreiche Bewältigung dieser Schlüsselaufgabe geht mit dem Verwerfen und der Umwandlung früherer Identifikationen und verinnerlichter Erfahrungen mit sich selbst und anderen einher, was zu zeitweiligen Krisen des Selbsterlebens führen kann, die bewältigt werden müssen. Das erfolgreiche Bewältigen dieser Identitätskrisen führt zu einem subjektiven Gefühl der Kontinuität und Kohärenz des Selbsterlebens und somit zu einer integrierten Identität als harmonische Gesamtheit (Taskforce OPD, 2007). Eine integrierte Identität, resultierend aus der erfolgreichen Bewältigung zeitweiliger Identitätskrisen, kann als Voraussetzung für eine realistische Selbstreflexion, Eigenständigkeit und befriedigende soziale Interaktion angesehen werden und ermöglicht eine Vorhersagbarkeit und Kontinuität des Empfindens und des Erlebens innerhalb eines Individuums – über die Zeit und verschiedene Situationen hinweg (Kernberg, Weiner, Bardenstein, 2000).

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James (1890, vgl. Resch, 2005) unterscheidet ein eher emotional-intuitives, vitales Selbsterleben von einer eher kognitiv-selbstreflektierten Selbstwahrnehmung und Selbsterkenntnis. Diese beiden Formen des Selbst konstituieren zwei unterscheidbare Domänen der Identität: das subjektive Selbst mit dem Fokus auf Kontinuität, einen stabilen Kern und emotionalen Zugang und das definitorische Selbst mit dem Fokus auf Kohärenz, integrierter Gesamtheit und kognitivem Zugang. Fonagy, Gergely und Jurist (2003) fassen die Entwicklung komplexer mentaler Repräsentationen von sich selbst und anderen zusammen in dem Konzept der Mentalisierung:

Diese entsteht durch die Entwicklung und Fähigkeit zur Emotionsregulation (Selbstbeherrschung und Affektkontrolle), das Vermögen zur Intersubjektivität (Imitation, Rollen-Akzeptanz und Perspektivenwechsel) und Selbstreflexion. Diese mentalen Repräsentanzen entstehen fortschreitend aus selbstreflexiven Prozessen und ermöglichen das Verständnis, die Vorhersage und die Beachtung eigener und fremder seelischer Zustände. Dies kann als Grundvoraussetzung für ein Identitätserleben angesehen werden. Seiffge-Krenke und Beyers (2005) heben besonders die großen Veränderungen, die mit der Adoleszenz einhergehen, hervor und die damit einhergehende Notwendigkeit, neue Selbstbilder entwickeln zu müssen.

1.3 Identitätskrise und Identitätsdiffusion: Begriffserläuterung

Nach Kernberg (1978) resultiert eine Identitätskrise aus der Diskrepanz zwischen sich rasch ändernden physischen sowie psychischen Erlebnissen auf der einen Seite und auf der anderen einer zunehmenden Kluft zwischen Selbstwahrnehmung und der Wahrnehmung darüber, wie man von anderen gesehen wird. Zeitliche und situative Kontinuität bleiben jedoch trotz etwaiger Experimente mit unterschiedlichen Rollen erhalten und die Identitätskrise löst sich hin zu einer konsolidierten und zugleich anpassungsfähigen und flexiblen Identität (Kernberg et al., 2000).

Dies erlaubt dem Jugendlichen, erfüllende Freundschaften aufzubauen, klare Lebensziele zu formulieren, angemessen mit den Eltern und Lehrkräften zu interagieren, intime und sexuelle Beziehungen aufzubauen und einen positiven Selbstwert zu entwickeln (Foelsch et al., 2013).

Wenn die beschriebene Integration der unterschiedlichen Anforderungen der Identitätsentwicklung nicht gelingt und Identitätskrisen nicht bewältigt werden können, so kann

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es zu Blockaden der Identitätsentwicklung kommen. Diese Blockaden können sich auf mehreren Ebenen äußern: als mangelhafte Integration des Selbst-Konzepts und des Konzepts bedeutsamer anderer, als Unfähigkeit zur Selbstdefinition, als mangelnde Verbindlichkeit in Bezug auf Ziele, Wertvorstellungen und Beziehungen und als schmerzhaftes Gefühl der Inkohärenz.

Diese Identitätsdiffusion wird in Form unreflektierter, chaotischer und offensichtlich widersprüchlicher Selbstbeschreibungen und Beschreibung anderer und in Form des Unvermögens, diese Widersprüche zu integrieren oder überhaupt wahrzunehmen, sichtbar (Clarkin, Yeomans, Kernberg, 1999). Nach Kernberg (1985) manifestiert sich die unvollständig integrierte, mangelhaft konsolidierte Identität durch ein chronisches Gefühl der Leere, Widersprüchlichkeiten und Oberflächlichkeit und durch andere Anzeichen der Ich-Schwäche. Die Identitätsdiffusion ist laut Kernberg ein Kernelement der Borderline-Persönlichkeitsorganisation, kann aber auch insgesamt als Grundlage weiterer Persönlichkeitspathologie angesehen werden, die zu einem breiten Spektrum maladaptiver und dysfunktionaler Verhaltensweisen führt (Fonagy et al., 2003).

Besonders die Adoleszenz stellt eine vulnerable Phase der Persönlichkeitsentwicklung dar.

Störungen des Selbsterlebens in diesem Zeitraum treten aufgrund des zunehmenden Wegfalls äußerer stabilisierender Faktoren (klare Rollenbilder und Selbstkonzepte der Kindheit) und aufgrund steigender Anforderungen an den Jugendlichen (Eigenständigkeit, erste intime Beziehungen, Verantwortungsübernahme) deutlicher und gravierender zutage und bereits beeinträchtigte Persönlichkeitsfunktionen können symptomatisch werden. Dem überwiegenden Teil der Jugendlichen gelingt es, diese aufwühlende und unter Umständen destabilisierende Lebensphase gut zu bewältigen und neue Anforderungen und Selbstbilder in ihr Selbstkonzept zu integrieren, während bei einer Minderheit der Jugendlichen rigide, maladaptive und dysfunktionale Verhaltensweisen nun endgültig offenbar werden und den Beginn einer Persönlichkeitsstörung markieren können. Die Entwicklung der Identität bzw. deren Störung kann als ein dimensionales Kontinuum von gesunder, integrierter Identität zu fragmentierter, diffuser Identität als Grundlage einer Persönlichkeitsstörung beschrieben werden (Goth et al., 2012). Zwar mag die „normale“ Adoleszenz durch phasenhafte Identitätskrisen gekennzeichnet sein, diese

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unterscheiden sich in ihrem Ausmaß jedoch eindeutig von einer Identitätsdiffusion als Grundlage der Persönlichkeitsstörung (Foelsch et al., 2010).

2 Erfassung von Störungen der Identitätsentwicklung

Eine große Einschränkung der meisten bisherigen Studien, die Persönlichkeitsstörungen im Kindes- und Jugendalter untersucht haben, war die mangelnde Verfügbarkeit altersgerechter Diagnoseinstrumente und die meist kategoriale Erfassung von Symptomen. Von Goth et al. (2012) wurde der Selbstbeantwortungsfragebogen AIDA zur Erfassung pathologischer Identitätsentwicklung im Jugendalter entwickelt. Ziel dieses „Assessment of Identity Development in Adolescence“ (AIDA) ist eine dimensionale Differenzierung zwischen gesunder Identitätsentwicklung, einfacher Identitätskrise und klinisch auffälliger Identitätsdiffusion bei Jugendlichen. Diese Einschätzung soll sowohl diagnostische Entscheidungen fundieren als auch eine wertvolle Grundlage für die Therapie sein, z. B. die spezifische Therapieform AIT für Jugendliche mit Persönlichkeitsstörungen (Adolescent Identity Treatment; Foelsch et al., 2013).

Die inhaltliche Struktur des zugrundeliegenden Konstrukts „Identität“ bzw.

„Identitätsintegration“ entspricht der oben genannten Definition des Konzepts „Identität“ als Ergebnis der Synthese von Beschreibungen aus verschiedenen Theorieschulen.

Das Gesamtkonstrukt setzt sich dabei aus den beiden Hauptskalen Kontinuität (entsprechend einem emotional-intuitiven Selbstkonzept) und Kohärenz (entsprechend einem kognitiv- definitorischen Selbstkonzept) zusammen (s. Tab. 1, folgende Seite). Die jeweils drei Subskalen je Hauptskala leisten zusätzlich eine Subdifferenzierung in die klassischen psychologischen Funktionsbereiche selbstbezogen (identitätsstabilisierende Eigenschaften und Perspektiven und konsistentes Selbstbild), sozialbezogen (stabilisierende Beziehungen und Autonomie, Ichstärke) und zudem den Bereich der mentalen Repräsentationen (emotionale und kognitive Selbstreflexion). Die beiden Hauptskalen mit den Benennungen „Diskontinuität“ und

„Inkohärenz“ bilden als Summe die Gesamtskala „Identitätsdiffusion“. Die Hauptskala Diskontinuität bildet sich aus den drei Subskalen „Stabilisierende Eigenschaften und Perspektiven“, „Stabilisierende Beziehungen und Rollen“ und „Stabilisierende emotionale

Referenzen

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