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Archiv "Skepsis gegen „Versichertenausweis“" (30.09.1976)

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Die Information:

Bericht und Meinung

• Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns: ,Die Schweigepflicht, auf wel- che sich die Versicherten der gesetzli- chen Krankenkassen bisher verlassen konnten, wird schlechthin in Frage ge- stellt...'

• Der bayerische FDP-Landtagsabge- ordnete Winfried Wachter will in einer Anfrage klären, ob die bayerische Staatsregierung eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Versicherten sieht, ob sichergestellt ist, daß die um- strittenen Methoden nicht weiter fortge- setzt werden.

• Der Datenschutzbeauftragte des Landes Hessen, Spiros Simitis, sieht in den Vorgängen von Lindau einen Be- weis, daß ein Datenschutzgesetz längst überfällig war'. Persönliche Daten wie ärztliche Befunde sollen erst gar nicht gespeichert werden..."

Was schließlich die Auswertbarkeit der ominösen „Datenverarbeitung"

anbelangt, spricht die Presse ein recht vernichtendes Urteil. Selbst die „Nürnberger Nachrichten", welche die Bundesregierung — die gar nicht in toto beschuldigt wor- den war — heftig in Schutz nimmt, gibt zu:

„Tatsächlich hatte es in Lindau Pannen gegeben. So wurden etwa Stimmband- erkrankungen von Kleinkindern zu Asthma oder Ausschabung der Gebär- mutter zu einer ,Abschabung der Zäh- ne' gezählt. Dazu Gradek: Man habe ständig Stichproben gemacht und im April Mitarbeiter, die sich nicht als ge- eignet erwiesen, ausgeschieden und ihre Arbeit total überprüft."

Dazu bemerkt aber die „Passauer Neue Presse":

„Was hilft eine noch so viele Millionen kostende Speicherung dieser Kranken- unterlagen und ihre Auswertung, wenn die auswertenden Laien aus einer Ge- bärmutter-Ausschabung eine Zahn-Ab- schabung machten und dies derart falsch eintrugen? Ist es auch ‚problem- los', wenn man Patienten schon als ge- storben führte und dann festgestellt werden mußte, daß für diese angeblich Toten im nächsten Quartal wieder

Krankenscheine auftauchten?

Die Häufigkeit dieser Fehlzuordnungen macht allein schon das ganze Material wertlos. Endgültig wertlos aber ist es, wenn — wie die AOK-Chefs bei ihrer Pressekonferenz sogar zugaben — nur

höchstens fünf Diagnosen von einem Krankenbeleg in den Computer gefüt- tert werden dürfen. Konnte einer der Laien-Auswerter unter den ersten fünf Diagnosen eine nicht erkennen, weil der Arzt vielleicht schlecht geschrieben hatte oder der Fachausdruck dem Laien- Auswerter unbekannt war, so durften diese Laien die sechste oder vielleicht die siebte Diagnose nach Belieben zur

ECHO

Zu: „Versichertenausweis — technische Neuerung oder politi- sches Instrument?" in Heft 37/

1976, Seite 2287 ff.

Skepsis gegen

„Versichertenausweis"

„Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesver- einigung haben im DEUT- SCHEN ÄRZTEBLATT erneut Bedenken gegen den geplan- ten ,Versichertenausweis' vorgebracht. Dabei haben sie nicht nur auf die Gefahr hin- gewiesen, daß ein solcher Versichertenausweis Mehr- ausgaben mit sich bringen dürfte, sondern auch darauf, daß das politische Ziel die Zentralisierung aller Ver- sicherungsdaten in einer So- zialversicherungsdatei sei, und zwar sowohl medizini- scher Leistungsdaten als auch personenbezogener Diagnosen wie von Daten aus der Rentenversicherung und Arbeitsverwaltung. Es wird die Ansicht vertreten, daß die Frage möglicher Ge- fahren dieser Planungen bis- lang noch nicht offen und ausreichend diskutiert wor- den ist, und darauf hingewie- sen, daß der Rechtsausschuß des Bundestages die Ver- wendung von Numerierungs- systemen, die eine einheitli- che Numerierung der Bevöl- kerung ermöglichen, für un- zulässig hält." (Dienst für Ge- sellschaftspolitik, Köln)

Einspeicherung in den Computer her- anziehen. Die Ausrede, daß laufend Stichproben gemacht worden seien, ist deshalb nichtig, weil diese Stichproben ja ebenfalls wieder von Laien gemacht wurden und dabei nachweislich erneut Fehlzuordnungen vorgenommen sind."

Und Oskar Hatz weiter in der „Pas- sauer Neuen Presse":

„Der Geschäftsführer des Landesver- bandes der Ortskrankenkassen meinte bei der Pressekonferenz immer wieder, alle Vorwürfe könnten als ‚unwahr' ent- kräftet werden. Die Tatsache des Da- tenskandals konnte jedoch bis heute nicht entkräftet werden. Aber trotz der Aufdeckung dieser Mißstände laufen die Auswertungen weiter.

Hans Sitzmann [das ist der Vorsitzende des bayerischen AOK-Verbandes — DÄ] bezichtigt unsere Zeitung auch der

‚Lüge', weil es in der Kolumne vom ver- gangenen Samstag hieß, daß bereits re- nommierte Wissenschaftler abgewun- ken haben, denen die Verwendung die- ser laienhaft zusammengestellten Daten angeboten wurde. Der AOK-Vertreter Sitzmann nannte dabei sogar den Na- men eines Wissenschaftlers als Ver- dächtigen. Wir aber stellen noch einmal fest, daß unserer Redaktion nicht nur ein Wissenschaftler bekannt ist, der mit diesem ebenso datenschutzfeindlichen wie dilettantisch aufgezogenen Projekt nichts zu tun haben wollte. Interessant ist in diesem Zusammenhang im übri- gen, daß einer der uns bekannten Wis- senschaftler das Angebot über eine der SPD, dem DGB und dem Bundes- gesundheitsamt angehörende, bezie- hungsweise verbundene Persönlichkeit erhalten haben soll — und das bereits im Mai dieses Jahres!"

Dem abschließenden Kommentar des Journalisten Oskar Hatz ist nichts hinzuzufügen:

„Die Datenerfassung ohne Wissen des einzelnen Staatsbürgers bringt die Ge- fahr für noch mehr Indiskretionen. ,Wir alle werden da noch unsere Überra- schungen erleben. Sie werden um so häufiger sein, wenn so fahrlässig wie in Lindau gehandelt wird. Der Preis für die dort in einem Modellversuch ange- strebten Erkenntnisse ist jedenfalls zu hoch', — schrieb eine im Lindauer Ge- biet erscheinende Zeitung nach der Aufdeckung des Skandals. Es ist höch- ste Zeit, diese Art einer Datenerfassung sofort abzubrechen!"

DÄ-Dokumentation

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 40 vom 30. September 1976

2489

Referenzen

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