A 2584 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 51–52|
24. Dezember 2012M
eine ungedruckte Stellenbe- schreibung als fürsorgliche Arztgattin setzt die Bereitschaft vor- aus, in nichtmedizinischen Notfällen einen unbedingt kühlen Kopf zu be- wahren und denselben zur Lösungs- findung einzusetzen – zum Beispiel im Personalbereich.Von heute auf morgen eine nette und kompetente Verstärkung für das Praxisteam zu finden, war früher leicht. Flugs die Stellenredaktion des lokalen Wochenblattes angerufen:
Arzthelferin gesucht! Telefonnummer.
Fertig. Zwei, drei Bewerbungsgesprä- che, bei denen es vor allem darauf an- kam, ob man sich wechselseitig Sym- pathien entgegenbrachte. Eingestellt.
Problem gelöst.
Heute gleicht die Personalsuche ei- nem Slalom um Fettnäpfe, der immer ein paar Triglyceridspritzer auf der frisch gestärkten Bluse hinterlässt. Es beginnt schon bei der Wortwahl. Arzt- helferin. Wie altbacken ist das denn? Es hat natürlich den Vorteil, dass alle Be- teiligten wissen, was gemeint ist. Aber wir sind schließlich eine moderne Pra- xis und nehmen dafür gern auch Miss- verständnisse in Kauf. Suchen wir eine Medizinische Fachangestellte (MFA)? Ir- gendwie schon. Sie muss allerdings auch audiometrieren. Also lieber eine MTAF (Medizinisch-technische Assis- tentin für Funktionsdiagnostik)?
Dieser Ausdruck verschleiert ein wenig die Tatsache, dass – so altmo- disch das auch anmuten mag – dem Chef auch mal ein Tee gekocht wird.
Ich hole mir Rat im Stellenteil einer großen überregionalen Tageszeitung.
Wie machen das die anderen? Medi- cal assistant (MFA), chief medical as- sistant (Erstkraft), executive medical assistant (= chief medical assistant), executive general assistant (nö, das bin ja ich). . .
Die Festlegung auf einen genauen Begriff verschiebe ich ein wenig, um über Umschiffungsstrategien des nächsten Fettbottichs, wenn nicht Öl- tanks, nachzudenken. Antidiskrimi- nierungsgesetz. Politisch korrekt su- chen wir eine Erstkraft/Erstkräftin, wobei wir (Pst! Nicht verraten!) ei- gentlich keine „Kraft“ wollen. Das heißt, mein Mann und ich hätten wohl nichts dagegen, wenn nicht die Folgekosten so hoch wären. Männer- klo, Männerruheraum, Männerum-
kleide... Wir müssten zusätzliche Räume anmieten.
Die Frage der Nationalität. Oh je!
Nicht, dass wir jetzt in die konservati- ve Schmuddelecke gestellt werden.
Wir hatten schon Personal amerikani- scher, südeuropäischer und östlicher Herkunft. Aber auch hier gilt es abzu- wägen zwischen der oft hilfreichen Sprachkompetenz der „Ausheimi- schen“ und der Erfahrung, dass unser anspruchsvolles Patientenklientel in heiklen Situationen deutsche Mutter- sprachler bevorzugt.
Die sexuelle Identität. Endlich mal ein einfacher Punkt. Interessiert mich nämlich nicht, was die Leute so in ih- rem Schlafzimmer treiben. Das gleiche gilt für die religiöse Orientierung.
Ich lasse mir schnell noch einen Kaf- fee kochen und setze meine Stellen- anzeige ins Internet: Quereinsteiger gesucht. Telefonnummer. Fertig. Und dann merken wir ganz schnell im Ge- spräch, wer warum zu uns passt.
Mein Mann hat übrigens großes Glück. Also, nicht nur, weil ich ihm die Personalsachen vom Hals halte. Nein, auch weil der Zeitpunkt unserer Ehe- schließung schon etwas zurückliegt.
Die Auswahlkriterien: „Weiblich, deutsch und im gebärfähigen Alter“
sind doch recht diskriminierend.
Oder?
GLOSSE
Elke Hussel
STELLENANZEIGE
Slalom um Fettnäpfe
gender Behandlung ist zum Bei- spiel der Diabetes mellitus zu nen- nen. Die erhebliche Zunahme der behandelten Diabetiker innerhalb von zehn Jahren um 49 Prozent ist nicht vorrangig aufgrund der demo- grafischen Entwicklung erklärbar (17). Da der Fallzahlanstieg eindeu- tig nicht mit der demografischen Entwicklung korreliert, muss ge- fragt werden: Wird hier ein Diabe- tes mellitus fälschlich – eventuell ökonomischen Anreizen folgend – diagnostiziert und behandelt? Da die Diagnose eines Diabetes melli- tus klaren laborchemischen und an- deren Parametern folgt, kann der Fallzahlanstieg nicht durch ökono- mische Anreize begründet werden.
Dieses Beispiel macht deutlich, dass bei verschiedenen Erkrankun- gen auch Einflussfaktoren außer- halb der demografischen Verschie- bung existieren.
Das G-DRG-System selbst ist zwar ein „lernendes System“, je- doch kein „pädagogisches System“, welches über Indikationsstellungen entscheidet. Allerdings steht und fällt der Erfolg der Krankenhausfi- nanzierung in Deutschland und des G-DRG-Systems mit der Sachge- rechtigkeit der Leistungsvergütung und der Minimierung von unge- wollten Fehlanreizen. Dies ist die elementare Voraussetzung dafür, dass sich die Systemanwender die für sie strategisch interessanten Leistungsbereiche erschließen und diese bedarfsgerecht und ressour- censchonend ausbauen, ohne durch vermeintliche Fehlanreize beein- flusst zu sein.
Die Ursachen für Fallzahlverän- derungen müssen daher in ihrer ge- samten Breite und unter Berück- sichtigung durch gesellschaftliche Veränderungen beeinflusste Erwar- tungen von Patientinnen und Pa- tienten sachgerecht analysiert und diskutiert werden. Nicht durch die demografische Entwicklung erklär- te Fallzahlsteigerungen können und sollten nicht auf ökonomische Fehl- anreize reduziert werden.
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Dr. med. Dominik Franz, Prof. Dr. med. Norbert Roeder, DRG-Research-Group, Universitätsklinikum Münster
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Literatur im Internet:www.aerzteblatt.de/lit5112