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Archiv "Gefahren trizyklischer Antidepressiva" (21.08.1975)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

ÜBERSICHTSAUFSÄTZE:

Gefahren trizyklischer Antidepressiva

Röntgenstrahlen

AUSSPRACHE:

Die chirurgische Behandlung der Colitis ulcerosa

KONGRESSNOTIZEN:

Ärztliche Praxis

entscheidende Anlaufstelle für psychisch gestörte Kinder

Die Einführung des Chlorproma- zins in die psychiatrische Therapie vor über 20 Jahren war auch gleichzeitig der Beginn einer stän- digen Weiterentwicklung ähnlicher Präparate, deren Gebrauch im letz- ten Jahrzehnt besonders rapide gestiegen ist. Von diesen interes- siert uns die Gruppe der trizykli- schen Antidepressiva, deren ge- meinsames Kennzeichen die Drei- ringstruktur ist. Darunter werden die Phenothiazine und Imipramin- abkömmlinge eingruppiert. Der Un- terschied beider Gruppen liegt im Strukturring. Während die Pheno- thiazine durch ein Schwefelatom gekennzeichnet sind, ist dieses bei den lmipraminabkömmlingen durch eine Kohlenstoffbrücke ersetzt (Darstellung 1).

Sowohl die Anwendung der Norm- dosis als auch der Mißbrauch der- artiger Medikamente kann mit er- heblichen Komplikationen einher-

gehen, die in erster Linie das kar- diovaskuläre System betreffen.

Kleinkinder scheinen schon bei niedriger Dosis mit Vergiftungser- scheinungen zu reagieren. Zur Übersicht seien einige Präparate aufgeführt (Tabelle 1).

Die häufige Anwendung dieser Me- dikamente in der Psychiatrie und -in der täglichen Praxis verlangt eine genaue Kenntnis der Nebenwirkun- gen und der während der Therapie möglicherweise auftretenden Kom- plikationen. Immer wieder wird ge- rade der praktische Arzt als erster mit Intoxikationen akzidenteller oder suizidaler Art durch diese Präparate konfrontiert und zum schnellen Handeln gezwungen.

EKG-Veränderungen

Die trizyklischen Antidepressiva zeichnen sich besonders durch

Gefahren trizyklischer Antidepressiva

Udo Rasenack, Wilhelm Gattenlöhner

Aus der Medizinischen Klinik der Universität Würzburg (Direktor: Professor Dr. Hans Adolf Kühn)

Die ständig zunehmende Anwendung trizyklischer Antidepressiva erfordert die genaue Berücksichtigung der Nebenwirkungen. Thera- peutische Dosen und Überdosierungen akzidenteller oder suizidaler Art können neben zerebraler Symptomatik in erster Linie zu kardio- vaskulären Störungen führen. Infolge der negativ inotropen Wirkung

ist gerade die Therapie älterer Menschen nicht ungefährlich. Man- gels eines spezifischen Antidots müssen sich die therapeutischen Bemühungen bei Vergiftungen mit trizyklischen Antidepressiva auf symptomatische Maßnahmen beschränken.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 34 vom 21. August 1975

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Darstellung 1: Struktur der Phenothiazine und Imipramine. Beide gehören zur Gruppe der trizyklischen Antidepressiva. Während die Phenothiazine durch ein Schwefelatom gekennzeichnet sind, ist dieses bei den Imipramin- abkömmlingen durch eine Kohlenstoffbrücke ersetzt

Tabelle 1: Zusammenstellung einiger Phenothiazine und Imipraminderivate

Phenothiazine:

Chlorpromazin Thioridazin Promethazin Pecazin Perphenazin Perazin

Imipraminderivate:

Iminodibenzyl Imipramin Desipramin Chlorimipramin Iminostilben Opipramol Dibenzocycloheptadien Am itriptylin

Nortriptylin Dibenzodiazepin Dipenzepin

(Megaphen®) (Melleril®) (Atosil®) (Pacatal®) (Decentan®) (Taxifan®)

(Tofranil®) (Pertofran ® ) (Anafranil®) (Insidon®)

(Saroten®, Laroxyl®) (Nortrilen®, Acetexa®) (Noveril®)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Antidepressiva

eine kardiotoxische Wirkung aus, wobei entsprechende EKG-Verän- derungen sowohl bei den üblichen therapeutischen Dosen als auch bei Überdosierung zu beobachten sind. Im wesentlichen finden sich Veränderungen der Repolarisation, Rhythmusstörungen und Überlei- tungsstörungen.

0 Repolarisationsstörungen: Diese Veränderungen im EKG werden am häufigsten gefunden. In Tierexperi- menten und auch bei klinischer Routineuntersuchung waren ST- Senkungen, T-Abflachung und T-

Negativitäten sowie QT-Verlänge- rungen beobachtet worden. Diese Befunde verschwanden Tage bis Wochen nach Absetzen der Medi- kamente, was ein Hinweis auf eine medikamentenbedingte Ursa- che ist. Es ergaben sich keine Re- lationen zu den Kreislauf- und Elektrolytverhältnissen. Wenn auch manchmal Repolarisationsstörun- gen im normalen EKG nicht zu se- hen sind, so können diese doch im Belastungs-EKG zutage treten.

O Rhythmusstörungen: Infolge der anticholinergischen Wirkung der

Substanzen ist der Einfluß von Adrenalin und Noradrenalin am Herzen verstärkt. Durch diese Art der Vagusblockierung können schon geringe Dosen zu Sinusta- chykardien führen. Weitere Verän- derungen treten in Form von su- praventrikulären Störungen wie Si- nusarrhythmie, Vorhofflattern oder -flimmern und supraventrikulären Tachykardien auf. Ventrikuläre Ex- trasystolen (Abbildung 2), teilweise von salvenartigem Ausmaß, können die Vorboten einer Kammertachy- kardie (Abbildung 3), eines Kam- merflatterns oder -flimmerns sein.

O Oberleitungsstörungen können derartige Ersatzrhythmen zur Folge haben. So beobachtet man bei the- rapeutischer Dosis Blockbilder, die vom AV-Block I. bis III. Grades rei- chen, ferner rechts- oder links- schenkelblockartige Deformierung der Kammerkomplexe. Bei akuten Vergiftungen finden sich oft im An- fangsstadium der Intoxikation wech- selnde Verbreiterungen der QRS- Komplexe als Ausdruck der toxi- schen Myokardschädigung (Abbil- dung 1). Diese Veränderungen der QRS-Komplexe kündigen mögliche schwere Rhythmusstörungen an.

Der in der psychiatrischen Litera- tur immer wieder zu findende Hin- weis auf plötzliche Todesfälle ist nicht alleine durch die eben skiz- zierten Rhythmusstörungen zu er- klären. Denn ein wesentlicher Fak- tor der Nebenwirkungen ist die ne- gativ-inotrope Eigenschaft der trizy- klischen Antidepressiva, deren Be- deutung gerade bei der Therapie älterer Menschen von vorrangigem I nteresse sein muß. So führt die Verminderung der Kontraktilität zu einer Abnahme des Herzminu- tenvolumens. Dieses zieht wieder eine schlechtere Perfusion des Ko- ronarsystems nach sich, was bei entsprechender koronarskleroti- scher Vorschädigung Herzinfarkte, wie in der Literatur beschrieben, zur Folge haben kann. Möglicher- weise trägt hierzu auch die anti- cholinergische Wirkung noch för- dernd bei, die über eine Tachykar- die eine erhöhte Anforderung an das Herz stellt.

2348 Heft 34 vom 21. August 1975

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Abbildung 1: EKG 10 Stunden nach suizidaler Intoxikation mit dem trizyklischen Antidepressivum ChIorprothixen. Re- polarisationsstörungen und wechselnde QRS Komplexe als Hinweis auf die Kardiotoxizität

Hypotone Reaktionen sind einmal das Resultat der negativ-inotropen Wirkung, zum anderen Folge einer peripheren Vasodilatation.

Diese kardiovaskulären Reaktionen machen es verständlich, daß die Prognose der Vergiftung mit trizy- klischen Antidepressiva nur mit Vorsicht zu stellen ist. Neben die- sen Symptomen können im Verlau- fe einer Intoxikation noch neurolo- gische Erscheinungen hinzukom- men, die von der Übererregbarkeit bis zum Koma und Atemstillstand reichen. Ursache sind wahrschein- lich medikamentenbedingte Per- meabilitätsstörungen, die ein kon- sekutives Hirnödem hervorrufen, das sich nicht zirkulatorisch oder hypoxisch erklärt.

Derartige Permeabilitätsstörungen können auch die Ursache der kat:- diotoxischen Reaktionen darstel- len. So wäre pathophysiologisch an Elektrolytverschiebungen oder Hemmung der ATP-Hydroxylase zu denken. Dazu kommt infolge der anticholinergischen Wirkung die Blockierung der vagalen Nervenen- den. Einige Autoren schreiben ins- besondere den Phenothiazinen eine irreversible Myokardschädi- gung in Form einer Degeneration der Herzmuskelfasern sowie Läsio- nen intramyokardialer Arteriolen zu.

Die Therapie der Intoxikation mit trizyklischen Antidepressiva kann, da es kein spezifisches Antidot gibt, überwiegend nur symptomati-

scher Art sein. An erster Stelle steht als kausale Maßnahme die Elimination der aufgenommenen Tabletten durch Magenspülung.

Diese kann auf Grund der anticho- linergischen Wirkung auch längere Zeit nach erfolgter Intoxikation noch effektiv sein. Schon der zu- erst hinzugezogene Hausarzt sollte eine möglichst rasche Klinikeinlie- ferung veranlassen oder — soweit diesbezüglich Schwierigkeiten be- stehen und eine sofortige Magen- spülung nicht möglich ist — durch Provozieren von Erbrechen versu- chen, Tablettenreste zu entfernen.

Ist einmal die Resorption eingetre- ten, so ist nur noch eine sympto- matische Therapie möglich. Der Erfolg der Elimination der Sub- stanz mittels forcierter Diurese

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 34 vom 21. August 1975 2349

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V

orboten einer Kammertachykardie

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Abbildung 2: Salvenartige ventrikuläre Extrasystolen

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Abbildung 3: Kammertachykardie. Frequenz 200/min Zur Fortbildung

Aktuelle Medizin

Antidepressiva

wird unterschiedlich beurteilt; auf jeden Fall muß dabei eine sich an- bahnende Herzinsuffizienz beach- tet werden. Auf Grund des Arznei- mittelmetabolismus wurde auch eine Unterbrechung des enterohe- patischen Kreislaufs mittels Duode- nalsonde diskutiert.

Intensivtherapeutische Maßnahmen werden bei Beeinträchtigung der Spontanatmung notwendig, deren erste Anzeichen sofortige Intuba- tion und Beatmung erfordern. Auf- tretende Krampfanfälle sind mit Chloralhydrat® oder Diazepam

(Valium®) zu bekämpfen. Elektro- lytkontrollen und Ausgleich einer eventuell sich einstellenden Azido- se mit Natriumbikarbonat sind selbstverständlich. Überleitungs- störungen können zur Applikation eines passageren Schrittmachers zwingen, Rhythmusstörungen ne- ben der Anwendung antiarrhythmi- scher Medikamente im Extremfall bei Kammertachykardie oder Kam- merflattern eine Defibriljation not- wendig machen. Im Falle eines Blutdruckabfalles muß das ver- stärkte Ansprechen auf sympathi- komimetische Amine beachtet wer-

den, gegebenenfalls Angiotensin zur Anwendung kommen. Eine Di- gitalisierung sollte bei Herzinsuffi- zienz vorsichtig unter ständiger EKG-Kontrolle erfolgen.

Anschrift der Verfasser:

Dr. med. U. Rasenack Privatdozent

Dr. med. W. Gattenlöhner 87 Würzburg

Medizinische Universitätsklinik

Josef-Schneider-Straße 2

2350 Heft 34 vom 21. August 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

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