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oren, sowie Nachamputationen und Stumpfkorrekturen, liegen die Vor- teile des Verfahrens dagegen auf der Hand.
Umstritten ist die Methode bei Am- putationen wegen arterieller Durchblutungsstörungen. Hier ist aus verständlichen Gründen mit einem besonders hohen Anteil von Sekundärheilungen zu rech- nen.
Das gilt insbesondere für die Un- terschenkelamputationen, was dazu führt, daß hier noch überaus häufig das Absetzen des Beines im Oberschenkel bevorzugt wird. Ein erhaltenes Kniegelenk aber ist ge- rade für diesen Personenkreis von besonderer Bedeutung, da mit ei- ner Amputation auch des anderen Beines immer gerechnet werden muß.
Burgess hat für die Unterschenkel- amputation daher eine Amputa- tionstechnik empfohlen, mit der die Heilungschancen auch bei durch- blutungsgestörten Stümpfen sich erheblich verbessern lassen. Er bil- det einen zusammenhängenden Hautmuskellappen aus der Wade, der von hinten über den Knochen- stumpf geschlagen und mit seiner noch ausreichend durchbluteten Muskulatur am vorderen Schnitt- rand mit wenigen Faszien- und Hautnähten befestigt wird (Abbil- dung 3).
Weiss hat auch hier die post- operative prothetische Sofortver- sorgung empfohlen und konnte bei 162 innerhalb von fünf Jahren unterschenkelamputierten Patien- ten in 68 Prozent der Fälle das Knie erhalten. Nur bei 32 Prozent war später eine Oberschenkel- nachamputation erforderlich. Zwar heilten nicht alle Stümpfe primär, in einem Viertel der Fälle wurde eine nachträgliche operative Weichteilkorrektur am Unterschen- kelstumpf wegen Wundrandnekro- sen notwendig, doch wurden mit der Sofortversorgung keine ungün- stigeren Heilungsergebnisse erzielt als ohne sie, die endgültige Prothe- senversorgung des Patienten konn-
Prothetische Sofortversorgung
te aber wesentlich früher durch- geführt werden.
Diese erstaunlichen Ergebnisse lassen sich nur so erklären, daß die Heilungsbedingungen eher günstiger beeinflußt werden, wenn es gelingt zu verhindern, daß ein postoperatives, die Blutzufuhr be- hinderndes Ödem sich im Stumpf- bereich ausbreitet. Ein auf die Peri- pherie einwirkender leichter Ge- gendruck fördert den Blutabfluß, verhindert Stauungen und wirkt da- mit durchblutungsfördernd, zumal, wenn eine rhythmische Kompres- sion bei der Belastung im Gips- schaft erfolgt.
Voraussetzung ist natürlich, daß überhaupt eine ausreichende Durchblutung des peripheren Stumpfabschnittes gegeben ist.
Leider gibt es noch kein absolut si- cheres Verfahren, dies nachzuwei- sen. Weder die Arteriographie, noch die Oszillographie oder die Vitalfärbung vermögen uns ausrei- chend darüber zu informieren.
Es wird also auch hier darauf an- kommen, durch schonende Schnitt- führung unter Anwendung der von Burgess empfohlenen Amputations- technik die Erfolgsaussichten so günstig wie möglich zu gestalten.
Die postoperative prothetische So- fortversorgung wird hier mit beson- derer Vorsicht angewendet werden müssen, doch kann sie in vielen Fällen durch frühzeitige Aktivie- rung der Stumpfmuskeln die Durchblutung begünstigen und da- mit den Heilungsprozeß fördern.
Anschrift des Verfassers:
Professor
Dr. med. J. Langhagel Chefarzt der Orthopädischen Klinik im Rehabilitationszentrum der Diakonie
3437 Hessisch-Lichtenau
AUSSPRACHE
Gefahren trizyklischer Antidepressiva
Zum Beitrag
von Dr. med. U. Rasenack und Privatdozent
Dr. med. W. Gattenlöhner in Heft 34/1975, Seite 2347
In dem oben genannten Artikel sind drei Punkte erwähnt, die einer sachlichen Korrektur bedürfen:
0 Phenothiazine gehören nicht zu den trizyklischen Antidepressiva, sondern zu den Neuroleptika, da sie nicht antidepressiv und an- triebssteigernd, sondern emotional und psychomotorisch dämpfend und antipsychotisch wirken. Im Ge- gensatz zu den trizyklischen Anti- depressiva rufen Neuroleptika in antipsychotischer Dosierung Stö- rungen der extrapyramidalen Moto- rik hervor. Neuroleptisch und anti- depressiv wirksame Pharmaka ha- ben also grundsätzlich unter- schiedliche Wirkungsqualitäten und somit verschiedene Indika- tionsgebiete. Der Begriff trizykli- sche Antidepressiva ist auf Imipra- min und Amitriptylin sowie ver- wandte Substanzen zu begrenzen.
Darüber hinaus muß zu dem in der Tabelle 1 des oben genannten Bei- trags aufgeführten Promethazin (Atosil®) erwähnt werden, daß die- se Substanz mehr ein sedierendes Antihistaminikum als ein Neurolep- tikum ist, da es nur ganz geringe oder keine antipsychotischen oder die extrapyramidale Motorik beein- flussende Wirkungen hat.
0 Für die Behandlung von Intoxi- kationen mit trizyklischen Antide- pressiva gemäß der oben erwähn- ten Definition stellt Physostigmin (Eserin) ein recht spezifisches An- tidot dar. Slovis und Mitarbeiter ha- ben schon 1971 auf die gute Wir- kung von Physostigmin bei den le- bensgefährlichen Arrhythmien nach Intoxikationen mit trizykli-
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 47 vom 20. November 1975 3249
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Trizyklische Antidepressiva
schen Antidepressiva hingewiesen (Clin. Toxicol. 4 [1971] 451). In neueren Berichten (Burks et al., JAMA 230 [1974], 1405; Snyder et al., JAMA 230 [1974]: 1433), wurde außerdem gezeigt, daß die zentra- len Symptome der Intoxikation mit trizyklischen Antidepressiva (Be- wußtseinsstörungen, Koma, Choreo- athetosen, Myoklonien — oft als
„Konvulsionen" verkannt —) durch die intravenöse Gabe von Physo- stigmin in Minuten durchbrochen werden können. Es wird empfoh- len, 2 mg Physostigmin langsam in- travenös zu verabreichen und die- se Dosis nach 20 Minuten zu wie- derholen, wenn keine Ansprech- barkeit des Patienten erreicht wur- de. Für pädiatrische Indikationen beträgt die Dosierung 0,5 mg. Da die Wirkungsdauer von Physostig- min jedoch wesentlich kürzer ist als die der trizyklischen Antide- pressiva, muß die Gabe von Physo- stigmin in Abständen von ein bis vier Stunden wiederholt werden, da sonst die Patienten wieder in das Koma verfallen. Eine Gabe von an- tikonvulsiven Substanzen erübrigt sich unter dieser Behandlung, da es sich bei Konvulsionen im Rah- men von Intoxikationen mit trizykli- schen Antidepressiva um Myokloni- en und Choreoathetosen handelt.
0 Forcierte Diurese dürfte bei In- toxikationen mit Neuroleptika und Antidepressiva wenig erfolgreich sein, da diese Substanzen in so ho- hem Maße an Plasmaalbumin ge- bunden sind, daß selbst die Hämo- dialyse erfolglos ist (Luis et al., DMW 95: [1970] 2079; Morelli: In
„Clinical Pharmacology" [Melmon and Morelli, eds.], p. 605, MacMil- lan, New York, 1972). Die Ausschei- dung solcher nicht polarer und ba- sischer Substanzen ist nur nach vorheriger Matabolisierung mög- lich, und nur minimale Anteile wer- den unverändert im Urin ausge- schieden.
Prof. Dr. P. S. Schönhöfer Prof. Dr. med. K. Stock Institut für Pharmakologie Medizinische Hochschule Hannover
3 Hannover-Kleefeld Karl-Wichert-Allee 9
Schlußwort
Zu den drei aufgeführten Punkten möchten wir folgendes bemerken:
O Moccetti und Lichtlen (Dtsch.
med. Wschr. 96 [1971] 1089) haben die Phenothiazine und Imipramin- abkömmlinge wegen ihrer ähnli- chen trizyklischen Struktur unter dem Begriff der „trizyklischen An- tidepressiva" zusammengefaßt.
Dies wurde auch von Moccetti in weiteren Arbeiten beibehalten. Ver- gleiche: Moccetti et al.: Schweiz.
med. Wschr. 101 (1971) 1; Moccetti:
Schweiz. med. Wschr.: 103 (1973) 621. Auf Grund der Drei-Ring- struktur und der Nebenwirkungen mag diese Einteilung teilweise be- rechtigt erscheinen. Sie ist jedoch nicht durch die oben dargestellte pharmakologische Wirkung be- gründet. Der Begriff der „tri- zyklischen Antidepressiva" ist in der deutschen Nomenklatur we- nig gebräuchlich und durch den Ausdruck „Antidepressiva" oder
„trizyklische Thymoleptika" ersetzt.
O Ein spezifisches Antidot bei In- toxikationen mit trizyklischen Anti- depressiva gibt es nicht, auch kein
„recht spezifisches Antidot". Der Einsatz eines Cholinergikums ist lediglich als Antidot gegen die an- ticholinergische Wirkungskompo- nente der trizyklischen Antidepres- siva gerichtet. Tierexperimentell wurde im Jahre 1965 in Toxizitäts- studien mit Amitriptylin von Schä- rer (Schweiz. med. Wschr. 59 [1965] 173) Mestinon® eingesetzt.
Jedoch wurde ausdrücklich auf die komplexen Reaktionsweisen der trizyklischen Antidepressiva im Zentralnervensystem hingewie- sen. Die oben zitierte neuere Li- teratur mit vorwiegend kasuisti- schen Beiträgen ist von hohem theoretischen und praktischen In- teresse. Wir möchten jedoch aus- drücklich vor einer forschen choli- nergischen Medikation bei Intoxi- kationen warnen, die mit bradykar- den Rhythmusstörungen oder Überleitungsstörungen einherge- hen. Auch sollte man auf keinen Fall vergessen, daß zerebrale Symptome nicht alleine durch den
anticholinergischen Effekt begrün- det sein können, sondern genauso gut auf einer direkten Wirkung der Pharmaka beruhen können. Ver- gleiche Liebaldt: Arzneimittel- Forschg. 14 (1964) 596; Pillat:
Heiv. physiol, pharmacol. Acta 21, 1963, C45.
0 Eine forcierte Diurese wurde von uns wegen der hohen Eiweiß- bindung und der Gewebsaffinität nicht empfohlen. Sie kann nur bei Kombinationsintoxikationen mit Barbituraten begründet sein.
Privatdozent Dr. med.
W. Gattenlöhner Dr. med. U. Rasenack Medizinische
Universitätskliniken Würzburg Josef-Schneider-Straße 2 Luitpoldkrankenhaus
ECHO
Zu: „Trachom: Gefahr der Er- blindung" von Dr. med. Hansjür- gen Trojan in Heft 40/1975, Seite 2741 ff.
Tropische Augenkrankheit
„Eine der gefürchtetsten Krankheiten, seit 5000 Jahren im Vorderen Orient bekannt und seither nur in tropischen und subtropischen Gegenden zur Geißel der Menschen ge- worden, verbreitet sich im Zeitalter des Tourismus jetzt auch in Europa. Der Marbur- ger Augenspezialist Dr.
Hansjürgen Trojan im DEUT- SCHEN ÄRZTEBLATT: ,Bei Urlaubern ist mit dem Auftre- ten dieser Krankheit zu rech- nen.'
Es geht dabei um das Tra- chom, eine durch große Vi- ren hervorgerufene Entzün- dung des Auges, an der nach einer Schätzung der Weltge- sundheitsorganisation 100 bis 400 Millionen Menschen erkrankt sind." (Weser- Kurier, Bremen)
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