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Sind Antidepressiva kardiovaskulär sicher?

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Academic year: 2022

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Die Depression ist eine häufige Erkran- kung, die mit einem starken Leidens- druck verbunden ist. In der Schweiz sind sechs Prozent der Menschen be- troffen. Zumeist wird eine Depression mit Antidepressiva behandelt. Einer- seits erhöhen Depressionen das Risiko kardiovaskulärer Störungen. Anderer- seits ist unklar, ob Antidepressiva, ins- besondere selektive Serotonin-Wieder- aufnahmehemmer (selective serotonin reuptake inhibitors, SSRI), dieses Ri- siko erhöhen oder vermindern. Eine Kohortenstudie untersuchte, ob ein Zusammenhang zwischen der Ein- nahme von Antidepressiva und ver- schiedenen kardiovaskulären Ereignis- sen besteht.

Studiendesign und -ziel

Die Daten wurden der Datenbank QResearch, Version 34, entnommen.

Hier sind Daten von mehr als 12 Mil- lionen Patienten aus Grossbritannien gespeichert. In die Studie aufgenom- men wurden Patienten, bei welchen erstmalig eine Depression zwischen dem 1. Januar 2000 und dem 31. Juli 2011 diagnostiziert worden war. Die Patienten waren zwischen 20 und 64 Jahre alt.

Zielgrössen waren die erstmalige Dia - gnose einer Herzrhythmusstörung, eines Myokardinfarkts, eines Schlagan- falls oder einer transitorischen ischämi- schen Attacke (TIA) innerhalb eines fünfjährigen Follow-ups. Mit Cox- Proportional-Hazards-Modellen wurde untersucht, ob ein Zusammenhang zwischen der Einnahme von Antide- pressiva und den Zielgrössen besteht.

Verschiedene Einflussgrössen dienten der Modellierung; zu diesen zählten das Alter des Patienten zu Studienbeginn, Geschlecht, das Jahr, in welchem die Depression diagnostiziert wurde, der Schweregrad der Depression sowie Nikotin- und Alkoholabusus.

Studienergebnisse

238 963 Patienten wurden in die Studie aufgenommen. 209 476 Patienten er- hielten insgesamt 3 337 336 Verschrei- bungen von Antidepressiva. Am häu- figsten wurden SSRI verschrieben (2 379 668 Verschreibungen, 71,3%), es folgten tri- und tetrazyklische Anti- depressiva (533 798, 16%). 422 079- mal (12,7%) wurden andere Anti - depressiva verschrieben. Zusätzlich er- hielten 156 Patienten insgesamt 1791 Verschreibungen von Monoaminoxi- dasehemmern. Citalopram war das am häufigsten verschriebene Medikament, gefolgt von Fluoxetin und Amitriptylin (Saroten®).

Während des fünfjährigen Follow-ups erlitten 772 Patienten einen Herz - infarkt, 1106 einen Schlaganfall oder eine TIA und 1452 Herzrhythmusstö-

rungen. Es fand sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Art des verschriebenen Antidepressivums und dem Auftreten eines Myokardinfarkts.

Im ersten Jahr hatten Patienten, welche mit einem SSRI behandelt wurden, ein signifikant geringeres Risiko für einen Herzinfarkt als Patienten, die kein Antidepressivum erhalten hatten (be- reinigte Hazard-Ratio [adjusted hazard ratio, AHR]: 0,58, 95%-Konfidenz - intervall [KI]: 0,42–0,79]. Der Ver- gleich zwischen den einzelnen Medika- menten ergab für Fluoxetin das ge- ringste Risiko (AHR: 0,44, 95%-KI:

0,27–0,72) und für Lofepramin das höchste (AHR: 3,07, 95%-KI: 1,5–6,26).

Kein statistisch signifikanter Zusam- menhang konnte zwischen der Gruppe des verschriebenen Antidepressivums und dem Risiko eines Schlaganfalls oder einer TIA nachgewiesen werden.

Innerhalb der ersten 28 Tage ergab sich ein statistisch signifikanter Zusammen- hang zwischen tri- und tetrazyklischen Antidepressiva und dem Auftreten von Herzrhythmusstörungen (AHR: 1,99, 95%-KI: 1,27–3,13), welcher inner- halb des fünfjährigen Follow-ups nicht bestätigt werden konnte. Die Ein- nahme von Fluoxetin ging mit einem signifikant verringerten Risiko von Herzrhythmusstörungen einher (AHR:

0,74 95%-KI: 0,59–0,92). Zwischen der Einnahme von Citalopram und dem Auftreten von Herzrhythmusstö- rungen bestand kein statistisch signifi- kanter Zusammenhang (AHR: 1,11, 95%-KI: 0,72–1,71 auch bei Dosen

≥ 40 mg/Tag).

Diskussion

Dass die Einnahme von Citalopram nicht mit einem erhöhten Risiko von Herzrhythmusstörungen einhergeht, stimmt mit den Ergebnissen von zwei anderen grossen Kohortenstudien überein. Eine grosse Querschnittstudie, welche 38397 Patienten erfasste, wies jedoch eine Verlängerung des QT-Inter- valls bei Einnahme von Citalopram, Escitalopram und Amitriptylin nach.

In dieser Studie wurde gezeigt, dass die Einnahme von trizyklischen Anti - depressiva innerhalb von 28 Tagen nach Behandlungsbeginn mit einem er- höhten Risiko für eine Herzrhythmus- störung verbunden ist. Dies steht in Übereinstimmung mit den Ergebnissen anderer Studien.

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ARS MEDICI 202016

STUDIE REFERIERT

Sind Antidepressiva kardiovaskulär sicher?

Eine Kohortenstudie kommt zu dem Ergebnis, dass die Behandlung mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern bei jüngeren depressiven Patienten das Risiko für Herzrhythmusstörungen, Myokardinfarkt, Schlag - anfall oder transitorische ischämische Attacken nicht erhöht.

British Medical Journal

Die Depression ist eine häufige und schwere Erkrankung. In der Schweiz sind sechs Prozent der Menschen betroffen.

Eine Kohortenstudie kommt zu dem Ergebnis, dass selektive Serotonin-Wie- deraufnahmehemmer (SSRI) das Risiko für eine Herzrhythmusstörung, einen Schlaganfall oder eine transitorische ischämische Attacke bei depressiven Patienten der Altersgruppe der 20- bis 64-Jährigen nicht erhöhen.

Auch in hohen Dosen erhöhte der SSRI Citalopram das Risiko für Herzrhyth- musstörungen nicht.

Es gibt Hinweise dafür, dass SSRI, insbesondere Fluoxetin, das Risiko für einen Myokardinfarkt verringern.

MERKSÄTZE

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ARS MEDICI 202016

927 STUDIE REFERIERT

In einer früheren Studie, welche Patien- ten ab einem Alter von 65 Jahren er- fasste, ging die Einnahme von SSRI mit einem erhöhten Risiko für einen Myo- kardinfarkt einher. Dies galt jedoch nicht für trizyklische oder andere Anti- depressiva. Andere Beobachtungsstu- dien zeigten ähnliche Resultate. Mögli- cherweise könnte dies darauf beruhen, dass bei älteren Menschen häufiger eine Multimorbidität besteht. Der Einsatz mehrerer Medikamente könnte zu In- teraktionen führen, welche das Risiko- profil von Antidepressiva verändern.

Mehrere Beobachtungsstudien fanden ein erhöhtes Risiko für einen Schlagan- fall bei Einnahme von SSRI. Wurde je-

doch das Alter berücksichtigt, traf dies nicht mehr zu. Dies unterstützt das Ergebnis dieser Studie, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Ein- nahme eines SSRI und einem Schlag - anfall in der Altersgruppe der 20- bis 64-Jährigen gibt. Ein erhöhtes Risiko scheint in der Gruppe der über 65-Jäh- rigen zu bestehen.

Fazit

In dieser Studie konnte kein Zusam- menhang zwischen der Einnahme eines SSRI und dem Risiko für Herzrhyth- musstörungen, Schlaganfall oder TIA gefunden werden. Insbesondere ging die Einnahme von Citalopram nicht

mit einem erhöhten Risiko für Herz- rhythmusstörungen einher. Es gab Hin- weise dafür, dass das Risiko für einen Myokardinfarkt bei Einnahme eines SSRI, insbesondere Fluoxetin, verrin- gert ist. Bei Einnahme des trizyklischen Antidepressivums Lofepramin war je- doch das Risiko erhöht. Claudia Borchard-Tuch

Interessenlage: Die Autoren der Originalstudie geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Quelle: Coupland C et al.: Antidepressant use and risk of cardiovascular outcomes in people aged 20 to 64: cohort study using primary care database. BMJ 2016; 352: i1350.

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