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Management Medizinischer Versorgungszentren

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Academic year: 2022

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(1)

HERAUSGEBER:UNIV.-PROF.DR.LUDWIG KUNTZ

Management Medizinischer Versorgungszentren

von Katrin Lindlar

Arbeitsbericht Nr. 9

Köln 2007

Lehrstuhl für Allgemeine BWL und Management im Gesundheitswesen, Universität zu Köln, Albertus-Magnus-Platz, 50923 Köln, Telefon: 0221/470-5417, Telefax: 0221/470-5418,

www.wiso.uni-koeln.de/mig

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Management Medizinischer Versorgungszentren

von Katrin Lindlar

Zusammenfassung

Mit der Einführung Medizinischer Versorgungszentren (MVZ) im Zuge der Gesund- heitsreform 2004 hat der Gesetzgeber einen weiteren entscheidenden Schritt unternom- men, den enormen Kostenanstieg auf dem deutschen Gesundheitsmarkt zu bekämpfen, ohne die Qualität der medizinischen Versorgung zu verschlechtern. Die auf das Vorbild der ostdeutschen Polykliniken zurückgehenden Gesundheitszentren zielen darauf ab, durch die Integration verschiedener medizinischer Fachbereiche Synergieeffekte und damit Effizienzvorteile gegenüber herkömmlichen Behandlungsmöglichkeiten zu erzie- len.

Die vorliegende Arbeit erörtert die ökonomischen und betriebswirtschaftlichen Auswir- kungen von MVZ und liefert einen geeigneten Ansatzpunkt für das Management dieser neuen Versorgungsform. Der Organisation und dem Marketing kommt in diesem Zu- sammenhang fundamentale Bedeutung zu.

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Inhaltsverzeichnis

INHALTSVERZEICHNIS ... 3

ABBILDUNGSVERZEICHNIS ... 5

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ... 6

1 EINLEITUNG... 7

1.1 PROBLEMSTELLUNG UND ZIELSETZUNG... 7

1.2 AUFBAU DER ARBEIT UND VORGEHENSWEISE... 9

2 INTEGRIERTE VERSORGUNG – GRUNDLAGEN, ENTWICKLUNG UND RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN ... 10

2.1 HINTERGRÜNDE UND URSACHEN... 10

2.2 DAS MANAGED CARE-SYSTEM ALS US-AMERIKANISCHES VORBILD... 11

2.2.1 Einführung und Definition... 11

2.2.2 Managed Care Organisationen... 13

2.2.3 Übertragbarkeit auf Deutschland ... 15

2.3 IMPLEMENTIERUNG INTEGRIERTER VERSORGUNGSSTRUKTUREN IN DEUTSCHLAND... 17

2.3.1 Das Konzept der Integrierten Versorgung... 17

2.3.2 Rechtliche Schritte... 20

2.3.3 Aktueller Stand im deutschen Gesundheitssektor ... 21

2.4 MEDIZINISCHE VERSORGUNGSZENTREN ALS BESTANDTEIL DER IV ... 23

3 DAS MVZ IM GKV-MODERNISIERUNGSGESETZ ... 25

3.1 GRUNDLAGEN... 25

3.1.1 Intention des Gesetzgebers ... 25

3.1.2 Vorbilder... 27

3.1.3 Begriff ... 29

3.2 GRÜNDUNGSVORAUSSETZUNGEN... 31

3.2.1 Das Merkmal „fachübergreifend“... 31

3.2.2 Zulassung... 34

3.2.3 Die „ärztliche Leitung“ ... 35

3.2.4 Gründung durch berechtigte Leistungserbringer ... 36

3.3 GESELLSCHAFTSRECHTLICHE MÖGLICHKEITEN... 39

3.4 GESTALTUNGSMODELLE AUF LEISTUNGSERBRINGEREBENE... 42

3.4.1 MVZ ausschließlich mit Vertragsärzten... 43

3.4.2 MVZ mit Vertragsärzten und angestellten Ärzten ... 44

3.4.3 MVZ ausschließlich mit angestellten Ärzten ... 45

3.5 STAND DER UMSETZUNG... 46

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4 ÖKONOMISCHE UND BETRIEBSWIRTSCHAFTLICHE CHANCEN UND RISIKEN .... 47

4.1 CHANCEN... 47

4.1.1 Chancen für das deutsche Gesundheitssystem... 47

4.1.2 Chancen für den Patienten ... 49

4.1.3 Chancen für die Ärzteschaft... 50

4.2 RISIKEN... 51

5 ORGANISATION... 53

5.1 BEDEUTUNG DER ORGANISATIONSGESTALTUNG FÜR MVZ ... 53

5.2 DIE KLASSISCHE DEUTSCHE ORGANISATIONSTHEORIE... 54

5.2.1 Grundstruktur ... 54

5.2.2 Resultierende Probleme und Herausforderungen... 59

5.3 PROZESSORIENTIERTE ORGANISATIONSSTRUKTUREN... 61

5.3.1 Einführung ... 61

5.3.2 Grundkonzept... 62

5.3.3 Umsetzung im MVZ... 65

5.4 KONZEPTION DER MVZ-ORGANISATION NACH MINTZBERG... 69

6 MARKETING... 72

6.1 EINFÜHRUNG UND ZIELSETZUNG... 72

6.2 RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN/RESTRIKTIONEN... 74

6.2 UMSETZUNG DER MARKETING-KONZEPTION... 75

6.2.1 Ablauf des Marketings ... 75

6.2.2 Marktanalyse ... 76

6.2.3 Festlegung der Ziele ... 78

6.2.4 Entwicklung von Marketingstrategien ... 79

6.2.5 Auswahl und Anwendung der Marketinginstrumente (Marketing-Mix)... 81

6.2.6 Erfolgskontrolle ... 85

7 FAZIT ... 86

LITERATURVERZEICHNIS... 88

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Abbildungsverzeichnis

ABBILDUNG1:Kategorien von MCOs und Institutionen im Managed Care-Umfeld...14

ABBILDUNG 2: Integrierte Versorgungsstrukturen im Gesundheitswesen ...20

ABBILDUNG 3:Anzahl abgeschlossener IV-Verträge ...22

ABBILDUNG 4:Behandlungspfade mit und ohne MVZ...24

ABBILDUNG 5:Gründer von MVZ ...37

ABBILDUNG 6:Gründungen von MVZ...47

ABBILDUNG 7:Abfolge und Dimensionen der organisatorischen Gestaltungsaufgaben ...58

ABBILDUNG 8:Grundkonzeption und Elemente der Prozessorganisation ...65

ABBILDUNG 9:Das MVZ als Prozessbaustein der sektorübergreifenden Versorgung...66

ABBILDUNG 10:MVZ als Profibürokratie...71

ABBILDUNG 11:Phasen des Marketingprozesses...76

ABBILDUNG 12:Ableitung von Marketingstrategien für bestehende MVZ ...81

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Abkürzungsverzeichnis

AG Aktiengesellschaft

BMG Bundesministerium für Gesundheit

BMGS Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung BPR Business Process Reengineering

BQS Bundesgeschäftsstelle für Qualitätssicherung DMP Disease Management Programme

DRG Diagnosis Related Groups

EBM Einheitlicher Bewertungsmaßstab

et al. et alii

e.G. eingetragenen Genossenschaft

EWIV Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung GbR Gesellschaft bürgerlichen Rechts

GKV Gesetzliche Krankenversicherung

GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GMG Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung Hrsg. Herausgeber

HMO Health Maintenance Organisation HWG Heilmittelwerbegesetz

IGeL individuelle Gesundheitsleistungen

IV Integrierte Versorgung

KBV Kassenärztliche Bundesvereinigung

KG Kommanditgesellschaft

KHK Koronare Herzkrankheiten

KV Kassenärztliche Vereinigung

MBO Musterberufsordnung für Ärzte

MCO Managed Care-Organisationen

MVZ Medizinisches Versorgungszentrum,

Medizinische Versorgungszentren

OHG offene Handelsgesellschaft

PartG Partnerschaftsgesellschaft POS Point of Service Provider

PPO Preferred Provider Organisation SGB Sozialgesetzbuch UWG Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb

VÄG Vertragsarztrechtsänderungsgesetz

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1 Einleitung

1.1 Problemstellung und Zielsetzung

Das deutsche Gesundheitswesen hat schon seit geraumer Zeit mit einer Vielzahl von Problemen zu kämpfen. Nach Jahrzehnten konstanten Wohlstandswachstums haben die Machtverschiebungen von Arbeit zu Kapital, von Nationalisierung zu Globalisierung sowie die Entstehung immer neuer Arbeitsstrukturen offene Flanken in die Finanzie- rung der Sozialversicherung gerissen.1 Besonders die über die Jahre hinweg konstant ansteigenden Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), denen, wenn überhaupt, nur sehr geringe Steigerungen auf der Finanzierungsseite gegenüberstanden und immer noch stehen, haben neben vielen anderen Faktoren den Druck auf das Sys- tem stetig erhöht.2 Die vordergründigen Ursachen für die angespannte Situation des Systems der GKV liegen unter anderem im medizinisch-technischen Fortschritt, der demographischen Entwicklung und nicht zuletzt in den über Jahrzehnte hinweg mitge- schleppten, systemimmanenten Ineffizienzen.3

Ausgehend von diesen Erkenntnissen sind in den letzten 30 Jahren eine Fülle von Re- formgesetzen auf den Weg gebracht worden,4 die jedoch am System der GKV struktu- rell wenig geändert haben und allenfalls einen kurzfristig dämpfenden Effekt auf die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen hatten.5 Erstmals mit dem am 1. Januar 2004 in Kraft getretenen GKV-Modernisierungsgesetz (GMG)6 sind einige wesentliche struk- turelle Änderungen am System der Leistungserbringung in der GKV vorgenommen worden, mit dem Ziel, die bestehenden sektoralen Grenzen zur Verbesserung der Quali- tät unter Nutzung von Synergieeffekten zu überwinden.7

Die beiden Kernstücke der Reform sind die Regelungen zur Integrierten Versorgung (IV) und das als neuer Leistungserbringer in der GKV eingeführte Medizinische Ver-

1 Vgl. Altendorfer, Merk, Jensch 2004, S. 8

2 Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen 2003, S.29

3 Vgl. Schwartz 2004, S. 15; Orlowski und Wasem 2003, S.1 ff.

4 Vgl. Kostendämpfungsgesetz von 1977; Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitsgesetz (GRG) vom 20.12.1998 (BGB1 I S. 2477); Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der GKV (Ge- sundheitsstrukturgesetz) vom 21.12.1992 (BGBl I S.2266); Gesetz zur Reform der GKV (GKV- Reformgesetz 2000) vom 22.12.1999 (BGBl I S. 2626)

5 Vgl. Mühlbacher 2002, S. 16

6 Vgl. Bundesgesetzblatt I 2003

7 Vgl. Hahne 2005, S. 111

(8)

sorgungszentrum (MVZ). Dieses dient vorrangig dazu, die abgegrenzten ordnungspoli- tischen Systeme ambulanter und stationärer Leistungserbringer aufzubrechen und gilt ferner als ideales Mittel der unternehmerischen Weiterentwicklung auf dem deutschen Gesundheitsmarkt.8 Durch die räumliche Integration verschiedener medizinischer Fach- bereiche bietet das MVZ den Patienten eine ganzheitliche Versorgung unter einem Dach. Die in diesem Rahmen mögliche interdisziplinäre Zusammenarbeit von Ärzten und evtl. auch nicht-ärztlichen Leistungserbringern wie Krankengymnasten oder Apo- thekern birgt Potenzial für deutliche Qualitätsverbesserungen in der Patientenbehand- lung, da auf diese Weise Kompetenzen gebündelt werden und eine schnittstellenüber- greifende Abstimmung der Leistungserbringer erleichtert wird. MVZ dienen zudem als Instrument zur Kostensenkung in der Gesundheitsversorgung. Denn die stattfindende Integration der verschiedenen Fachgebiete ermöglicht einen effizienteren Ressourcen- einsatz und eine Beschleunigung der Behandlungsprozesse.

Die vorliegende Arbeit zielt darauf ab, die ökonomischen und betriebswirtschaftlichen Auswirkungen von MVZ zu erörtern und einen geeigneten Ansatzpunkt für das Mana- gement dieser neuen Versorgungsform zu liefern. Der Organisation und dem Marketing kommen in diesem Zusammenhang fundamentale Bedeutung zu, da einerseits die inten- dierten Qualitätsverbesserungen und Kostensenkungen nur im Rahmen einer geeigneten Organisationsstruktur realisiert werden können. Andererseits ist zur Sicherstellung der Patientenorientierung ein umfassendes Marketing-Konzept notwendig. Dieses sollte die Bedürfnisse und Wünsche der Patienten möglichst vollständig erfassen, um das Leis- tungsangebot dementsprechend ausgestalten zu können. Die internen und externen Rahmenbedingungen des MVZ sind dabei notwendigerweise einzubeziehen. Die Aus- führungen werden sich somit auf die Managementaspekte Organisation und Marketing, die bislang kaum Eingang in die vorwiegend rechtliche Literatur zum Thema MVZ ge- funden haben, beschränken. Grundlegend im Zusammenhang mit MVZ ist der Gedanke der Integration, der sich sowohl in der räumlichen Integration verschiedener Fachberei- che innerhalb des MVZ, als auch außerhalb des MVZ, bei Teilnahme des MVZ an einer sektorübergreifenden Versorgung im Rahmen der IV, widerspiegelt. Vor diesem Hin- tergrund wird das Konzept der IV als theoretisches Grundkonzept zunächst dargestellt, wobei auch auf das in einigen Teilen als Vorbild geltende US-amerikanische Managed

8 Vgl. Zwingel, Preißler 2005, S. 20

(9)

Care-System eingegangen wird. Des Weiteren wird aufgezeigt, welche Rolle das MVZ in der IV spielt.

1.2 Aufbau der Arbeit und Vorgehensweise

Die vorliegende Arbeit untergliedert sich in sieben Kapitel. An die Einleitung schließt sich im zweiten Kapitel die Darstellung des Konzepts der IV an. Diese umfasst sowohl die Hintergründe und Ursachen als auch die Entwicklung der IV im deutschen Gesund- heitssystem. Ebenso wird kurz auf das US-amerikanische Managed Care-System einge- gangen, dessen Grundgedanken und Zielsetzungen zum Teil als Vorbild für die mit dem GMG angestoßenen Strukturänderungen des deutschen Gesundheitssystems gelten. Das Kapitel schließt mit der Einordnung der MVZ in die IV ab. Da der Kerngedanke der Integration theoretischer Bezugspunkt für die im Fokus der Arbeit stehenden MVZ ist, bildet dieses Kapitel die Basis für die weiteren Ausführungen.

Im Rahmen des dritten Kapitels wird das MVZ als neuer Leistungserbringertypus im System der GKV vorgestellt, indem zunächst grundlegende Begriffe erläutert und schließlich die bei der MVZ-Gründung relevanten rechtlichen Aspekte abgehandelt werden.

Daran schließt sich im vierten Kapitel die Darstellung der betriebswirtschaftlichen und ökonomischen Chancen und Risiken von MVZ an. Die Analyse der Chancen erfolgt dabei sowohl im Hinblick auf das deutsche Gesundheitssystem als auch bezüglich der Ärzteschaft und Patienten.

Die Kernstücke der Arbeit bilden schließlich Kapitel fünf und sechs, in denen grundle- gende Aspekte für ein erfolgreiches MVZ-Management aus organisations- bzw. aus marketingtheoretischer Perspektive herausgearbeitet werden. Das fünfte Kapitel gibt vorab einen Überblick über die Bedeutung und Entwicklung der klassischen deutschen Organisationstheorie im Allgemeinen und arbeitet ihre Schwachstellen im Zusammen- hang mit MVZ heraus. Im Fokus dieses Kapitels stehen das Konzept der prozessorien- tierten Organisation und dessen Umsetzbarkeit im MVZ. Abschließend wird die Orga- nisationsstruktur eines MVZ anhand des Konfigurationsansatzes von Mintzberg kon- zeptionalisiert. Das darauf folgende sechste Kapitel liefert einen Ansatzpunkt zur Imp- lementierung eines Marketing-Konzepts für MVZ. Die einzelnen Phasen des Marke- tingprozesses werden dabei systematisch nacheinander abgehandelt.

(10)

Das siebte Kapitel schließt die Arbeit mit einem kurzen Fazit ab.

2 Integrierte Versorgung – Grundlagen, Entwicklung und rechtliche Rahmenbedingungen

2.1 Hintergründe und Ursachen

In der gewerblichen Wirtschaft wie auch in der Gesundheitsversorgung führen Arbeits- teilung und die damit einhergehende Spezialisierung generell zu Leistungssteigerungen.

Andererseits können an den durch Arbeitsteilung entstehenden Schnittstellen Informati- onen verloren gehen und Versorgungsdiskontinuitäten verursacht werden, die eine am Konsumenten bzw. Patienten orientierte Versorgung erschweren. Im deutschen Gesund- heitssystem wird dieses Problem durch die sektorale Budgetierung noch verschärft, wo- durch eine integrierte Sichtweise hier nahezu unmöglich gemacht wird.9

In der betriebswirtschaftlichen Theorie und Praxis sind die Begriffe Integration und Prozessorganisation längst etabliert.10 Sie gelten als adäquate Mittel, die Kundenzufrie- denheit durch eine konsequente Ausrichtung des unternehmerischen Handelns auf die Kundenbedürfnisse zu steigern, die Koordination durch den Abbau von Schnittstellen zu verbessern und nicht zuletzt die Durchlaufzeiten durch eine ganzheitliche Sichtweise der Leistungserbringung über die Abteilungsgrenzen hinweg zu verkürzen.11 Die Ab- stimmung zwischenbetrieblicher Arbeitsabläufe, das so genannte Integrationsmanage- ment, zählt heute zu den größten Management-Herausforderungen und entscheidet we- sentlich über die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen.12

Auf dem deutschen Gesundheitsmarkt findet ein solches Umdenken erst allmählich statt, obwohl der enorme Kostenanstieg infolge der veränderten gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen dies schon lange erfordert.13

9 Vgl. Neubauer 2006, S. 41; Kieser, Walgenbach 2003, S. 82 f.

10 Bereits zu Beginn der 30er Jahre wies Nordsieck auf die Notwendigkeit einer Prozessgliederung der Unternehmensaufgaben hin. Es dauerte jedoch bis in die 80er Jahre, bis die Prozessorientierung auf- grund von Arbeiten wie beispielsweise Davenport, Gaitanides, sowie Hammer und Champy verstärkt Einzug in die Unternehmenspraxis fand. Vgl. Becker, Kahn 2003, S. 5

11 Vgl. Kieser, Walgenbach 2003, S. 82 f.

12 Vgl. Neubauer 2006, S. 41 f.

13 Vgl. Wasem 1997, S. 75f.

(11)

Doch angesichts eines immer noch hohen Standards medizinischer Versorgung und ei- ner im internationalen Vergleich hervorstechenden umfassenden und für alle gesell- schaftlichen Gruppen zugänglichen Versorgung werden die Probleme des deutschen Gesundheitssystems nicht ernst genug genommen und grundlegende Reformen weiter- hin hinausgezögert.14 Das deutsche Gesundheitssystem ist deshalb nach wie vor durch einen hohen Spezialisierungsgrad, eine strikte Arbeitsteilung und eine starke Fragmen- tierung gekennzeichnet.15 Insbesondere bei chronisch kranken Patienten sind die einzel- nen Leistungserbringer kaum mehr in der Lage, alle Phasen der Patientenversorgung zu überschauen und zu koordinieren.16 Vor diesem Hintergrund sind komplexe Krank- heitsbilder für eine IV prädestiniert, da in diesem Fall der Behandlungserfolg von einer interdisziplinären Zusammenarbeit aller am Behandlungsprozess Beteiligten abhängt.

Um dem Patienten eine optimale Gesundheitsversorgung zu bieten, müssen sie gemein- sam sowohl die medizinische als auch die ökonomische Gesamtverantwortung für die Behandlung übernehmen.17

Der Sachverständigenrat für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen hat die reor- ganisationsbedürftige Struktur des deutschen Gesundheitswesens bereits 1995 in seinem Sachstandsbericht kritisiert und zu einer Integration der ambulanten und stationären Versorgung geraten.18 Denn die Überwindung der starren organisatorischen Grenzen zwischen den Leistungsanbietern im ambulanten und stationären Sektor verspricht nicht nur eine Steigerung der Wirtschaftlichkeit, sondern auch eine Verbesserung der Versor- gungsqualität im deutschen Gesundheitssystem.19

2.2 Das Managed Care-System als US-amerikanisches Vorbild 2.2.1 Einführung und Definition

Wie in vielen anderen Bereichen von Wissenschaft und Praxis haben die USA ferner bei der Reformierung des Gesundheitswesens eine Vorreiterrolle übernommen. Auch dort gründete sich der Handlungsbedarf auf einen stetigen Kostenanstieg infolge veränderter

14 Vgl. Henke 2004, S.12; Schreyögg, Weinbrenner, Busse 2006, S. 109

15 Vgl. Hensgen 2006, S. 8; Schulz-Nieswandt 2006, S. 57

16 Vgl. Mühlbacher 2004, S. 76

17 Vgl. Hensgen 2006, S. 9; Greiner, Kranich 2003, S. 263 f.

18 Vgl. Sachverständigenrat für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen 1995, S. 26 ff.

19 Vgl. Mühlbacher 2002, S. 17

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gesundheitspolitischer Rahmenbedingungen, dazu zählen u.a. eine zunehmende Res- sourcenverknappung, die Forderung nach mehr Wettbewerb, die wachsende Bedeutung chronischer und multimorbider Erkrankungen, technologische Veränderungen und nicht zuletzt die gestiegenen Ansprüche der Patienten.20

Obwohl die historischen Wegbereiter von Managed Care bis in das 19. Jahrhundert zu- rückreichen,21 war erst der Health Maintenance Organizations-Act (HMO-Act) im Jahr 1973 die treibende Kraft der Entwicklung von Managed Care in den USA.22 Dieser wurde von Präsident Nixon verabschiedet, um die Gesundheitskosten für die Regierung gering zu halten. Daraufhin setzte insbesondere in den 80er Jahren eine Gründungswelle von Organisationsformen des Managed Care ein, die einen grundlegenden Wandel im amerikanischen Gesundheitswesen mit sich brachten.23

Seitdem lässt sich ein stetiger Zuwachs der in einer Managed Care-Organisation versi- cherten US-Amerikaner verzeichnen und das Modell des Managed Care wurde zum vorherrschenden Gesundheitssystem auf dem amerikanischen Markt.24 So stieg die An- zahl der über eine HMO versicherten US-Amerikaner von 28,6 Millionen im Jahr 1987 auf fast 60 Millionen am Ende des Jahres 1995 und die Anzahl der über eine Preferred Provider Organisation (PPO) versicherten Individuen kletterte zwischen 1987 und 1995 von 12 Millionen auf fast 91 Millionen.25 Im Jahr 2000 lag der Anteil der in einem Ma- naged Care Programm eingeschriebenen amerikanischen Bevölkerung bereits bei über 50 Prozent.26

Nach einer eindeutigen und allgemein gültigen Definition für den Begriff Managed Ca- re sucht man bislang sowohl in der englisch- als auch in der deutschsprachigen Literatur vergeblich.27 Es seien deshalb aus der Fülle von Definitionsansätzen zwei herausgegrif- fen: AMELUNG und SCHUMACHER definieren Managed Care als „die Anwendung von Managementprinzipien, die zumindest partielle Integration der Leistungsfinanzierung

20 Vgl. Amelung und Schumacher 2004, S. 3 ff.

21 Bereits 1849 schlossen Arbeitgeber Verträge mit einzelnen Ärzten ab, die die Versorgung der Angestellten gegen eine prospektive Entlohnung sicherstellten. Vgl. Friedmann 1996, S. 957 f.

22 Vgl. Amelung und Janus 2004, S. 650

23 Vgl. Mühlbacher 2002, S. 40 ff.

24 Vgl. Smith 2002, S. 11

25 Vgl. Dranove, Simon, White 1997, S.729 f.

26 Vgl. Wiechmann 2003, S. 35 f.

27 Vgl. Glied 1999, S. 3; Wiechmann 2003, S. 49; Seitz, König, Graf von Stillfried 1997, S. 9; Lauter- bach 1996, S.53

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und –erstellung sowie das selektive Kontrahieren der Leistungsfinanzierer mit ausge- wählten Leistungserbringern. Das Ziel dabei ist die effiziente Steuerung der Kosten und Qualität im Gesundheitswesen.“28 In der US-amerikanischen Literatur beschreibt DRA-

NOVE Managed Care als „catchall term used to describe a variety of mechanisms by which health insurance plans seek to contain costs and/or improve quality of care.”29 Konstitutiv für das Managed Care-Konzept im Vergleich zum traditionellen System ist beiden Definitionen zufolge die Annahme, dass Qualität und Kosten nicht zwangsläufig konkurrierende Ziele sein müssen, sondern durchaus in einem komplementären Ver- hältnis zueinander stehen können. Denn die im Rahmen des Manage Care zumindest in Teilen stattfindende Integration von Leistungserbringung und Finanzierung ermöglicht dem Leistungsfinanzierer eine unmittelbare Einflussnahme auf beide Ziele.30

2.2.2 Managed Care Organisationen

Hinter dem Begriff Managed Care verbirgt sich eine große Bandbreite von Organisati- onsformen, die allgemein als Managed Care-Organisationen (MCOs) bezeichnet wer- den. Diese unterscheiden sich im Hinblick auf die Höhe finanzieller Risiken und deren Verteilung auf Leistungsanbieter und MCO, die Einschränkungen in den Regelungen zur Leistungserbringung und das Selbstbeteiligungsniveau der Versicherten.31 MCOs können sowohl Krankenversicherungen, Ärztenetze oder sonstige Organisationsformen sein, welche die medizinische Versorgung unter Anwendung der verschiedenen Mana- ged Care-Instrumente anbieten. Die vielgestaltige Praxis zeigt, dass Managed Care kein einheitlich und abschließend definiertes System ist.32 Allen MCOs gemein ist jedoch die konstitutive Annahme, dass sie den medizinischen Leistungserbringern die Möglichkeit geben, die Gesundheitsversorgung effizient im Zuge einer gleichzeitigen Verbesserung der Versorgungsqualität zu gestalten, d.h. sowohl auf die Wirtschaftlichkeit als auch auf die Qualität der Versorgung Einfluss zu nehmen.33

Zur Differenzierung der unterschiedlichen Managed Care-Institutionen existieren zahl- reiche Ansätze. So unterteilen MILLER und LUFT und später auch LAUTERBACH die ver-

28 Vgl. Amelung und Schumacher 2004, S. 7

29 Vgl. Dranove, Simon, White 1998, S. 730

30 Vgl. Amelung und Schumacher 2004, S. 7

31 Vgl. Henke et. al. 2004, S. 6

32 Vgl. Jacobs, Schulze 2006, S.83

33 Vgl. Wiechmann 2003, S. 49

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schiedenen Organisationsformen in HMOs, Point of Service Providers (POSs’) und PPOs.34 Eine andere Einteilung wählt AMELUNG. Angesichts veränderter Marktgege- benheiten sieht er traditionelle Darstellungen von MCOs mit einer Unterteilung in drei oder vier Organisationstypen sowie die Gleichsetzung von Organisationen und Produk- ten als nicht mehr zeitgemäß an.35 Die neuen Marktstrukturen manifestieren sich ihm zufolge bspw. in der fast vollständigen Verdrängung traditioneller Ein-Produkt-Orga- nisationen bzw. auf nur einem Markt (z.B. Akutversorgung oder Versicherungsmarkt) agierender Organisationen durch so genannte Health Plans, die sich durch ein Angebot vieler verschiedenartiger Produkte auszeichnen, sowie durch in unterschiedlichen Märk- ten aktive Krankenhäuser. Er differenziert deshalb die verschiedenen Organisationsfor- men nach ihrem Ursprung, wobei er unter dem Ursprung den inhaltlichen Ausgangs- punkt der Organisation versteht. So ist ein HMO-Produkt unabhängig von seinem An- bieter ursprünglich ein Versicherungsprodukt, während integrierte Versorgungssysteme anbieterorientierte Produkte und Management Service Organizations (MSOs) unabhän- gig vom Eigentümer beratungsorientierte Produkte sind.36 Eine Übersicht über die we- sentlichen Organisationsformen bietet folgende Abbildung:37

Abbildung 1: Kategorien von MCOs und Institutionen im Managed Care-Umfeld

Quelle: Amelung 1999

34 Vgl. Miller und Luft 1994, S.440 f.; Lauterbach 1996, S. 55

35 Vgl. Amelung 1999, S. 51; Amelung und Schumacher 2004, S. 41 f.

36 Vgl. Amelung 1999, S. 54

37 Eine detaillierte Beschreibung der einzelnen MCOs findet sich bei Amelung und Schumacher 2004, S. 43 ff.

versicherungsorientierte Produkte - Staff-, Group-, IPA- und

Network-HMOs

- Point of Service-Produkte

anbieterorientierte Produkte - Preferred Provider Organisationen - Provider Networks

- Integrated Delivery Systems

- Physician Hospital Organisationen Managed Care - Organisationen

Institutionen im Managed Care – Umfeld - Management Service Organisationen - Physician Practice Management Organisationen

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2.2.3 Übertragbarkeit auf Deutschland

Die vollzogene Gesundheitsreform eröffnet im Rahmen des SGB neue Möglichkeiten für Managed Care-Lösungen. Das bisherige System basierte auf Kollektivverträgen, während Managed Care selektives Kontrahieren38 von Versicherungen mit Leistungs- anbietern vorsieht. Dies ist im Rahmen integrierter Versorgungsstrukturen nun auch in Deutschland erlaubt, um den Wettbewerb zwischen den Krankenversicherungen zu ver- stärken. Die Einführung zusätzlicher Wettbewerbselemente zielt insgesamt auf eine kostengünstigere und dennoch qualitativ hochwertige Versorgung ab.

Aufgrund seiner sehr hohen Kosten (15,2 Prozent des BIP39) und der Unterversorgung einzelner Bevölkerungsgruppen kann das amerikanische Gesundheitswesen nicht gene- rell als Referenzmodell für die Systemgestaltung in Deutschland dienen. Überdies un- terliegt das deutsche Gesundheitssystem einer starken staatlichen Reglementierung und Kontrolle, wohingegen das Gesundheitssystem der USA wesentlich mehr Wettbewerbs- elemente aufweist.40 In Deutschland besteht darüber hinaus weiterhin die Versiche- rungspflicht in der GKV. Vor diesem Hintergrund ist die Beteiligung einer Krankenkas- se zur Absicherung der Finanzierung von Versicherungsleistungen unumgänglich.41 Dennoch können die US-amerikanischen Erfahrungen für das deutsche Gesundheitssys- tem von großem Nutzen sein. Da Managed Care in den USA in einer vergleichsweise langen Tradition steht, gibt es dort eine Fülle von empirischen Untersuchungen, die sich mit dessen Auswirkungen beschäftigen. Diese sollten vor der Implementierung von Managed Care-Strukturen in das deutsche Gesundheitssystem zu Rate gezogen werden.

Im Rahmen dieser Studien wird z.B. nicht erkennbar, inwiefern Managed Care die Ver- sorgungsqualität beeinflusst, da diesbezüglich gleichermaßen positive wie negative Ef- fekte zu verzeichnen sind.42 Hinzu kommen starke Unterschiede in der Organisations- struktur der MCOs, die kaum allgemeingültige Aussagen zulassen.43 Im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit von MCOs hingegen ergibt sich ein eindeutigeres Bild. Nationale

38 Selektives Kontrahieren bedeutet, dass eine Krankenkasse oder ein Kassenverbund im Rahmen der IV ohne Beteiligung der KVen mit einem oder mehreren Leistungsanbietern Einzelverträge abschlie- ßen kann. Die Entscheidung über die Teilnahme eines Leistungserbringers an einem IV-Vertrag ist freiwillig und liegt somit bei den Vertragspartnern.

39 Vgl. World Health Organization 2006, S. 60

40 Vgl. Wiechmann 2003, S. 101

41 Vgl. Henke et al. 2004, S. 21 f.

42 Vgl. Miller und Luft 1997, S. 10 f.

43 Vgl. Amelung und Schumacher 2004, S.260 f.

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Daten der USA belegen, dass diese deutlich effizienter in der Kostenkontrolle sind als traditionelle Strukturen und sich positiv auf die Gesamtkosten der Gesundheitsversor- gung auswirken.44 Weiterhin zeigen die Auswertungen der 114 Studien von MILLER und LUFT aus den Jahren 1997 und 2002, dass eine Senkung der Anwendung bestimmter Leistungen bei gleich bleibender Versorgungsqualität möglich ist.45 Insgesamt besteht zudem ein positiver Zusammenhang zwischen der Leistungsfähigkeit von MCOs und ihrem Integrationsgrad. So weisen stark integrierte Formen von MCOs bei höheren Prä- ventionsraten und einer besseren Versorgungsqualität zugleich eine kostenbewusstere Versorgungskultur auf.46

Die negativen Auswirkungen von Managed Care in den USA, die ihren Niederschlag im so genannten ‚Backlash“47 gefunden haben, können nicht als zwangsläufiges Ergebnis von Managed Care als solches angesehen werden. Vielmehr sind sie größtenteils auf die spezifischen Rahmenbedingungen des US-amerikanischen Systems zurückzuführen.48 So bevorzugten die Arbeitgeber zu Beginn der 90er Jahre größtenteils Managed Care- Formen, die die Versicherten beim Zugang zu Leistungen und Leistungsanbietern sehr stark einschränkten. Dies sorgte für Unmut auf Seiten der betroffenen Arbeitnehmer und schürte Befürchtungen über Qualitätssenkungen und Rationalisierungen, die durch die Berichterstattung in den Medien zusätzlich verstärkt wurden.49

Obwohl das amerikanische Gesundheitssystem aufgrund seines liberalen und markt- wirtschaftlichen Charakters erhebliche Unterschiede zum deutschen Versorgungssystem aufweist, lassen sich die ursprünglich in den USA entwickelten Managed Care- Konzepte partiell durchaus auch in Deutschland umsetzen.50 Die Grundvoraussetzungen dafür sind mit den Neuregelungen zur IV im Rahmen des GMG gegeben. Angesichts des ansteigenden Wettbewerbs zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern fin-

44 Vgl. Henke et al. 2004, S. 7

45 Vgl. Miller und Luft 1997, S. 10 f., 2002, S.65 f.

46 Vgl. Amelung und Schumacher 2004, S. 266

47 Backlash bezeichnet die negativen Reaktionen, die die Expansion von Managed Care in den letzten zehn Jahren begleitet haben. Er spiegelt sich vor allem im öffentlichen Meinungsbild von Patienten und Leistungsanbietern sowie in entsprechend ausgerichteten Medienberichten wider. Die negativen Einschätzungen resultieren aus den Befürchtungen, dass die Effizienzsteigerungen sich nur bei gleichzeitigen Qualitätsverschlechterungen und Rationalisierungen erzielen lassen. Vgl. Jacobs und Schulze 2006, S. 85

48 Vgl. Amelung und Schumacher 2004, S.267

49 Vgl. Jacobs und Schulze 2006, S. 92

50 Vgl. Wiechmann 2003, S. 203 f.

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den Managed Care-Instrumente, z.B. Gatekeeping, Leitlinien und Case-Management, zunehmend Eingang in die bestehenden Versorgungskonzeptionen.51 Die Erfahrungen in den USA zeigen, dass auch die Stimmungen der Akteure einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Akzeptanz und das Gelingen von Managed Care haben. Eine erfolgrei- che Einführung von Managed Care ist daher nur möglich, wenn es gelingt, dass Ver- trauen der Bevölkerung zu gewinnen und ihre Bedenken aufzufangen.52 Dazu müssen sie über die Vorteile und die Notwendigkeit wettbewerbsorientierter Strukturen im Ge- sundheitswesen ausreichend informiert werden.

Abschließend zeigt der Blick in die USA überdies, dass das deutsche Gesundheitssys- tem gegenüber dem US-amerikanischen einen zentralen Vorteil aufweist. Anders als in den USA herrscht auf dem deutschen Krankenversicherungsmarkt ein direkter Wettbe- werb der Krankenkassen um die Versicherten, der auf dem nachgelagerten Versor- gungsmarkt als zentrales Korrektiv für eine funktionale Gestaltung wettbewerblicher Beziehungen zwischen Versicherungen und Leistungsanbietern und somit auch für Ma- naged Care fungiert.53 Auf diese Weise kann negativen Effekten, wie unzureichend prä- ferenzgerechten Versicherungs- und Versorgungsangeboten, vorgebeugt werden. Um das Potenzial von Managed Care zur Weiterentwicklung effizienter Versorgungsformen auf dem deutschen Gesundheitsmarkt wirklich ausschöpfen zu können, bedarf es jedoch einer weiteren Lockerung der gesetzlichen Reglementierungen zugunsten eines ver- stärkten Wettbewerbs zwischen Kassen und Leistungserbringern.

2.3 Implementierung integrierter Versorgungsstrukturen in Deutsch- land

2.3.1 Das Konzept der Integrierten Versorgung

Ebenso wie Managed Care stellt die Integrierte Versorgung keine in sich geschlossene Theorie dar, sondern umfasst eine Vielfalt unterschiedlicher Ansätze und Institutio- nen.54

51 Vgl. Jacobs und Schulze 2006, S. 94

52 Vgl. Wiechmann 2003, S. 206

53 Vgl. Jacobs und Schulze 2006, S 94

54 Vgl. Amelung und Janus 2005, S. 13

(18)

Allgemein versteht man unter dem Begriff der Integration die „(Wieder-)Herstellung einer Einheit (aus Differenziertem)“ oder die „Eingliederung in ein größeres Ganzes“.55 Dieser Definition zufolge wird IV als Einheit begriffen, in die die individuellen medizi- nischen Leistungserbringer eingegliedert werden sollen.56 Im Rahmen integrierter Ver- sorgungsstrukturen findet eine (Rück-)Besinnung auf die ganzheitliche Sichtweise der Leistungserbringung statt, die im Idealfall alle Etappen einer Patientenbehandlung be- rücksichtigt. Zwei zentrale Zielebenen spielen dabei eine Rolle: Zum einen soll auf ord- nungspolitischer Seite eine Reformierung des korporativen Vertrags- und Regulierungs- systems zugunsten von einzelvertraglichen Regelungen erzielt werden. Zum anderen besteht das medizinisch-versorgungspolitische Ziel darin, die vorhandenen Schnittstel- lenprobleme für eine am Patienten orientierte nahtlose und kontinuierliche Versorgung abzubauen.57 Dies kann jedoch nur gelingen, indem zukünftig die Krankheit bzw. der Patient in den Mittelpunkt gestellt wird und sich die Leistungserbringer bei der Gesund- heitsversorgung an der gesamten Behandlungskette ausrichten.58 Die in Deutschland bis heute vorherrschende Orientierung an den sektoralen Grenzen und Schnittstellen des klassischen Gesundheitssystems sollte damit endgültig der Vergangenheit angehören.

Durch die Orientierung am Patienten verspricht man sich von der Implementierung in- tegrierter Versorgungsstrukturen neben einer Steigerung der Wirtschaftlichkeit daher insbesondere auch eine Verbesserung der Versorgungsqualität.59

Im Gesetz ist der Begriff der Integrierten Versorgung gemäß § 140a SGB V umschrie- ben als eine „verschiedene Leistungssektoren übergreifende Versorgung der Versicher- ten“ oder als „interdisziplinär-fachübergreifende“ Versorgung.60 IV ist jedoch nicht notwendigerweise an die §§ 140a-d SGB V gekoppelt. Sie soll hier, wie bereits darge- stellt, breiter interpretiert werden, nämlich als Versorgungsform, welche den Behand- lungsprozess in den Vordergrund stellt.

Der Begriff IV ist im Kontext von Managed Care entstanden und bei seiner Ausgestal- tung kommen wesentliche Managed Care-Elemente zur Anwendung.61 So ist die patien-

55 Vgl. Duden Fremdwörterbuch 2001, S. 447; Mühlbacher 2002, S. 9 und Braun, Güssow 2006, S. 65

56 Vgl. Mühlbacher 2002, S. 18

57 Vgl. Schnellschmidt, Klauber, Rohbra, 2006, S. 2

58 Vgl. Braun, Schulz-Nieswandt 2006, S.11

59 Vgl. Mühlbacher 2002, S. 17

60 Vgl. Bundesministerium der Justiz 2003, S. 2224

61 Vgl. Schreyögg, Weinbrenner, Busse 2006, S. 107

(19)

tenbezogene Leistungserbringung über alle Funktionen des Gesundheitssystems hinweg ebenfalls ein besonderes Kennzeichen von Managed Care-Organisationen, bei der so- wohl die Leistungserstellung als auch die Finanzierung integriert werden.62

Die Implementierung integrierter Versorgungsstrukturen kann sich auf die folgenden Bereiche erstrecken:63

medizinisch: Versorgung nach gemeinsamen Leitlinien, Qualitätszirkel,

organisatorisch: definierte klinische Behandlungspfade über verschiedene Pro- fessionen/Sektoren hinweg mit klaren Festschreibungen zum Überleitungsma- nagement der Patienten,

infrastrukturell: z. B. gemeinsame Nutzung von Geräten, gemeinsame elektroni- sche Patientenakten oder Internetplattformen,

wirtschaftlich: gemeinsames Budget, das unter Umständen auch Leistungen ab- decken kann, die im Leistungskatalog der GKV nicht (mehr) enthalten sind, ge- meinsamer Einkauf von Arzneimitteln,

rechtlich: spezifische Versorgungsverträge, MVZ, Praxisnetze.

Darüber hinaus kann zwischen horizontaler und vertikaler Integration unterschieden werden. Unter horizontaler Integration versteht man die Integration der Versorgung auf derselben Versorgungsebene (bspw. zwischen dem Hausarzt und unterschiedlichen Fachärzten oder auch sozialen Organisationen). Als vertikal wird die Integration der Versorgung über mehrere Versorgungsstufen hinweg bezeichnet (z. B. Hausarzt – Kli- nik – Rehabilitation).64 Der Schwerpunkt soll hier, insbesondere im Hinblick auf die MVZ, auf der vertikalen Integration, d.h. entlang der Wertschöpfungskette von Ge- sundheitsleistungen liegen. Dennoch darf die horizontale Perspektive nicht vollständig aus der Betrachtung ausgeschlossen werden.65 Sie stellt häufig eine Vorstufe der verti- kalen Integration dar, da sie eigenständig agierende Ärzte oder Krankenhäuser zu Sys- temen zusammenfasst, die sich aus transaktionskostentheoretischen Überlegungen dann zumeist in einem zweiten Schritt zu vertikal integrierten Institutionen zusammenschlie-

62 Vgl. Schreyögg, Weinbrenner, Busse 2006, S. 106 f.

63 Vgl. Schreyögg, Weinbrenner, Busse 2006, S. 107 f.

64 Vgl. Amelung und Janus 2006, S. 15 f.; Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen 2005, S.43 f.

65 Vgl. Vera 2006, S. 8; Braun, Güssow 2006, S. 65

(20)

ßen.66 Die Wertschöpfungskette der Leistungserbringung im Gesundheitswesen am Bei- spiel unterschiedlicher Erkrankungen ist in Abbildung 2 dargestellt:

Abbildung 2: Integrierte Versorgungsstrukturen im Gesundheitswesen

Quelle: modifiziert nach Braun/Güssow 2006, S. 67 2.3.2 Rechtliche Schritte

Seit dem Ende der 80er Jahre bzw. am Anfang der 90er Jahre wurden im deutschen Ge- sundheitssystem auf Seiten des Gesetzgebers erste Schritte unternommen, die Versor- gung besser zu koordinieren, um ein systematisches Management der Versorgungsab- läufe zu gewährleisten.

So wurde mit dem Gesundheitsreformgesetz 1989 der §115 SGB V über „dreiseitige Verträge“ zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen Krankenkassen, Vertragsärzten und Krankenhäusern verabschiedet.67

Drei Jahre später ermöglichte das Gesundheitsstrukturgesetz aus dem Jahr 1992 die Be- handlungsformen „vor- und nachstationäre Behandlung im Krankenhaus“ sowie die

„ambulanten Operationen im Krankenhaus“.68

Im Rahmen des 2. GKV-Neuverordnungsgesetzes 1997 entstanden die zur „Weiterent- wicklung der Versorgung“ eingeführten „Modellvorhaben“ nach §§ 63-65 und die

„Strukturverträge“ nach § 73a.69

Mit der Verabschiedung der §§ 140a-h SGB V im Zuge des Gesundheitsreformgesetzes der GKV im Jahr 2000 kamen die Integrationsverträge hinzu, doch das grundlegende

66 Vgl. Amelung und Janus, S. 16

67 Vgl. Schreyögg, Weinbrenner, Busse 2006, S.110

68 Vgl. Bundesgesetzblatt I 1992, S. 2266

69 Vgl. Schreyögg, Weinbrenner, Busse 2006, S.110 Rehabilitation

Krankenhaus Facharzt Allgemeinarzt

Andere Asthma

KHK Krebs

Diabetes

Traditioneller Ansatz Traditioneller Ansatz

Traditioneller Ansatz

Traditioneller Ansatz

Integrierte Versorgung Integrierte Versorgung Integrierte Versorgung Integrierte Versorgung

Integrierte Versorgung

Rehabilitation Krankenhaus

Facharzt Allgemeinarzt

Andere Asthma

KHK Krebs

Diabetes

Traditioneller Ansatz Traditioneller Ansatz

Traditioneller Ansatz

Traditioneller Ansatz

Integrierte Versorgung Integrierte Versorgung Integrierte Versorgung Integrierte Versorgung

Integrierte Versorgung

(21)

Ziel, durch die Auflösung fester Sektorgrenzen eine Verzahnung der Sektoren zu erzie- len, konnte auch mit diesem Gesetz noch nicht erreicht werden.70 Die Ursachen dafür lagen nach Ansicht des Gesetzgebers an dem im Gesetz vorgesehenen Rahmenvertrag zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und den Spitzenverbänden der Krankenkassen. Dieser sah komplizierte Bereinigungsvorschriften sowie die Betei- ligung der Kassenärztlichen Vereinigung an den Vereinbarungen zur IV vor und ließ die Finanzierung der Leistungen im Unklaren.71

Erst mit dem drei Jahre später verabschiedeten GMG gelang es, die bis dato kaum prak- tizierte IV weiterzuentwickeln, indem die §§ 140 ff. SGB V in wesentlichen Punkten geändert wurden. So können Krankenkassen seit dem 1.1.2004 nach § 140 Abs. 1 SGB V Verträge mit einzelnen zugelassenen Ärzten oder Leistungserbringern bzw. deren Gemeinschaften, zugelassenen Krankenhäusern und Trägern von Vorsorge- und Reha- bilitationseinrichtungen, medizinischen Versorgungszentren und Management-Gesell- schaften, die Versorger unter Vertrag haben, abschließen. Diese Verträge müssen ent- weder eine Leistungssektoren übergreifende oder eine interdisziplinär-fachüber- greifende Versorgung zum Gegenstand haben.72

Das GMG stellt damit den Einstieg in eine Integrationsversorgung dar und ermöglicht den Aufbau neuer Betriebsformen und Versorgungskonzepte. Durch die strukturellen Änderungen am System der GKV und die Überarbeitung und Vereinfachung der Rege- lungen zur integrierten Versorgung wird mit dem GMG endlich der Weg für die Über- windung der starren Sektorgrenzen geebnet.73

2.3.3 Aktueller Stand im deutschen Gesundheitssektor

Obwohl das Konzept der IV schon lange diskutiert wird und bereits eine Vielzahl von Versuchen unternommen wurde, den Ansatz zu etablieren,74 kommt es erst seit kurzer Zeit zu wahrnehmbaren Bewegungen auf diesem Gebiet.75

70 Vgl. Orlowski, Wasem 2004, S. 6; Zwingel, Preißler 2005, S. 19 und Hahne 2005, S. 114; Sachver- ständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen 2005, S.37

71 Vgl. Hahne 2005, S. 114

72 Vgl. o.V. 2006b, S. 74 f.

73 Vgl. Zwingel, Preißler, 2005, S.19 f.

74 Vgl. Kapitel 2.2.2

75 Vgl. Siebig, Heineck 2006, S. 187

(22)

Der Grund dafür liegt in der erst mit dem GMG eingeführten Anschubfinanzierung,76 die den Leistungserbringern seit dem 1. Januar 2004 durch finanzielle Anreize die Mög- lichkeit bietet, das Konzept der Integrierten Versorgung in die Praxis umzusetzen. Sie verursacht damit den propagierten Kurswechsel in Richtung einer ambulant-stationären Vernetzung im Gesundheitswesen77 und die Abkehr vom bisherigen kollektivvertragli- chen Ansatz zugunsten einer Fokussierung auf einzelvertragliche Lösungen.78

Zur Unterstützung der Umsetzung der §§ 140 SGB V haben die KBV, die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und die Spitzenverbände der Krankenkassen an der Bundesgeschäftsstelle für Qualitätssicherung (BQS) eine Registrierungsstelle eingerich- tet, die die Erfassung der Meldungen der Krankenkassen über abgeschlossene Verträge zur IV gemäß § 140a SGB V und die Erteilung von Auskünften über abgeschlossene Verträge an Krankenhäuser und Kassenärztliche Vereinigungen zur Aufgabe hat.79 Zum Stichtag am 30.09.2006 waren bei der Registrierungsstelle insgesamt 2901 Verträ- ge gemeldet. In diese Verträge sind rund 3,87 Mio. Versicherte eingeschlossen und ein Vergütungsvolumen von 577,2 Mio. Euro gebunden. Die meisten Verträge wurden im Gebiet der KV Nordrhein (430) abgeschlossen, gefolgt von der KV Baden-Württemberg (315) und der KV Hessen (305). Dabei wurden 52,8 Prozent der IV-Verträge von meh- reren Krankenkassen und 47,2 Prozent von einer Krankenkasse geschlossen. Da die Registrierungsstelle nur auswertet, welche Vertragspartner auf Leistungserbringerseite direkt als vertragsschließende Parteien benannt sind, lassen die Daten keinen Rück- schluss auf die in der Versorgungskette kooperierenden Leistungserbringer zu. Schließt beispielsweise ein Krankenhaus mit einer Krankenkasse einen Vertrag zur IV ab, der stationäre Leistungen, Leistungen der Rehabilitation und der ambulanten Nachsorge umfasst, und schließt das Krankenhaus seinerseits Unterverträge mit Rehabilitationsein- richtungen und niedergelassenen Ärzten, so sind nur das Krankenhaus und die Kran- kenkasse direkte, in der Meldung genannte, Vertragspartner.80 Die folgende Abbildung zeigt die Entwicklung der IV von Dezember 2004 bis Ende September 2006:

76 nach dem § 140d SGB V dürfen die Krankenkassen die Rechnungen der Krankenhäuser und der nie- dergelassenen Ärzte um bis zu ein Prozent kürzen, sofern die einbehaltenen Mittel zur Umsetzung von Verträgen zur IV erforderlich sind.

77 Vgl. Hamdad 2006, S. 532

78 Vgl. Siebig, Heineck 2006, S. 187

79 Vgl. Schreyögg, Weinbrenner, Busse (2006), S. 117

80 Vgl. Bundesgeschäftsstelle für Qualitätssicherung 2006

(23)

Abbildung 3: Anzahl abgeschlossener IV-Verträge

Quelle: Bundesministerium für Gesundheit 2006; BQS 2006

2.4 Medizinische Versorgungszentren als Bestandteil der IV

Gemäß dem hier weit ausgelegten Begriff der IV kann das MVZ - neben der Produktin- tegration (DMP, Komplexfallpauschalen), der Institutionenintegration (horizontale und vertikale Integration) und der IV nach § 140a-d SGB V als ein Modell zur Umsetzung der IV angesehen werden.81

Wie bereits ausführlich dargestellt, bestehen die grundlegenden Zielsetzungen der IV sowohl in einer interdisziplinär-fachübergreifenden Versorgung als auch in der Über- windung von sektoralen Schnittstellenproblemen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung sowie Rehabilitation und Pflege.

Diese Ziele lassen sich mit Hilfe von MVZ verwirklichen, da innerhalb des MVZ die räumliche Integration verschiedener, bisher getrennter oder nur unzureichend vernetzter Bereiche, die in der Vergangenheit ungeachtet möglicher Synergieeffekte weitgehend abgeschottet nebeneinander existiert haben, erfolgt.82 Diese ärztlich fachübergreifende Tätigkeit innerhalb eines MVZ83 führt somit einerseits zu einer horizontalen Integration verschiedener Fachbereiche. Andererseits führen Kooperationen im Rahmen integrierter Versorgungsverträge, bspw. die Zusammenarbeit mit einem Krankenhaus und einem

81 Vgl. Amelung et al. 2006, S. 15 ff.

82 Vgl. Orlowski 2004, S.202 f.

83 Die ärztlich fachübergreifende Tätigkeit ist gemäß § 95 SGB V notwendige Zulassungsvorausset- zung für die Gründung eines MVZ.

0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500

Dez 04 Feb 05 Apr 05 Jun 05 Aug 05 Okt 05 Dez 05 Feb 06 Apr 06 Jun 06 Aug 06

(24)

Krankengymnasten im Anschluss an die ärztliche Versorgung, zu einer engen Verzah- nung ambulanter, stationärer und poststationärer Versorgung und damit zusätzlich zu einer vertikalen Integration entlang der Behandlungskette.84

Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen MVZ in der ambulanten ärztlichen Versor- gung eine neue Organisation der ärztlichen Leistungserbringung ermöglichen, denn durch die Bündelung des ärztlichen Versorgungsangebots wird und soll die ärztliche Angebotsstruktur verändert werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn MVZ und IV kombiniert werden, bzw. wenn MVZ die Ausgangsbasis für eine sektorübergrei- fende IV sind. MVZ und IV können perspektivisch zu einer neuen sektorübergreifenden Versorgungssteuerung führen, bei der die medizinische und ökonomische Verantwor- tung in einer Hand zusammengeführt werden.85 Abbildung 3 zeigt am Beispiel eines MVZ mit Krankenhausträger, wie die strikte Trennung zwischen ambulanter und statio- närer Versorgung zugunsten sektorübergreifender Behandlungsmöglichkeiten aufgege- ben wird.86

Abbildung 4: Behandlungspfade mit und ohne MVZ

Quelle: Thomas 2006, S. 42

84 Vgl. Quaas 2004, S. 306 f.

85 Vgl. Kentner 2004, S. 586

86 Vgl. Thomas 2006, S.42

Patient Patient

Arztpraxis Einweisung

Arzt

Krankenhaus Arztpraxis Krankenhaus

stationär

Überweisung

Arzt

Einweisung

MVZ

stationär Rettungsstelle Trennung von ambulanter und

stationärer Versorgung ohne MVZ Erweiterte sektorübergreifende Behandlung mit MVZ

(25)

3 Das MVZ im GKV-Modernisierungsgesetz

In diesem Kapitel wird auf die grundlegenden rechtlichen Vorschriften im Zusammen- hang mit den MVZ eingegangen. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang der § 95 SGB V, durch den die neue Versorgungsform zum 01.01.2004 im Rahmen des GMG eingeführt wurde. Die Voraussetzungen dieser Norm müssen zunächst zwingend erfüllt sein, damit eine MVZ-Gründung überhaupt zulässig ist.

3.1 Grundlagen

3.1.1 Intention des Gesetzgebers

Mit der Einführung des zum 01.01.2004 im Rahmen des GMG in Kraft getretenen § 95 SGB V hat der Gesetzgeber eine grundlegende Veränderung im Bereich der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung vorgenommen. Neben niedergelassenen freiberuflich tätigen Ärzten, die auch in Partnerschaften und Gemeinschaftspraxen organisiert sein können, sowie neben ermächtigten Krankenhausärzten und ermächtigten ärztlich gelei- teten Einrichtungen, hat der Gesetzgeber mit dem GMG nun auch den MVZ die Mög- lichkeit eröffnet, gleichberechtigt neben den übrigen Leistungserbringern an der ver- tragsärztlichen Versorgung teilzunehmen.87

Vorrangiges Ziel dieser neuen Versorgungsform ist es, sowohl stationären Einrichtun- gen als auch allen niedergelassenen Leistungserbringern die Möglichkeit zu geben, ihre Kompetenzen zu bündeln88 und dem Patienten somit eine „Versorgung aus einer Hand“

in einheitlicher Trägerschaft anzubieten.89

Dabei steht die Vernetzung verschiedener ärztlicher Fachrichtungen im Vordergrund, die eine optimale Abstimmung diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen institu- tionell garantieren soll, um insbesondere auch älteren und multimorbiden Patienten mit komplexen Krankheitsbildern eine umfassende Versorgung zu ermöglichen.90 Die räumliche Integration der unterschiedlichen Fachbereiche führt für Patienten im Ideal- fall zu geringen Wartezeiten und kurzen Wegen.91 Des Weiteren können MVZ flexible-

87 Vgl. Orlowski, Wasem 2003, S. 82; Kuhlmann 2004, S. 13; Altendorfer, Merk, Jensch 2004, S. 16

88 Vgl. Altendorfer, Merk, Jensch 2004, S. 6

89 Vgl. Orlowski, Wasem 2003, S. 82

90 Vgl. Behnsen 2004a, S.605

91 Vgl. Isringhaus, Kroel, Wendland 2004, S. 230

(26)

re Öffnungszeiten und Vertretungsmöglichkeiten anbieten und es somit besser erreich- bar machen.92

Durch die koordinierte Zusammenarbeit und die damit verbundene Möglichkeit des Austauschs bei der Begutachtung von Patienten soll jedoch nicht nur die Qualität der medizinischen Versorgung verbessert werden. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Einfüh- rung von MVZ insbesondere auch ökonomische Ziele. Denn auch aus ökonomischer Sicht bergen kooperative Formen der ambulanten Gesundheitsversorgung gegenüber der Einzelpraxis eines niedergelassenen Arztes zahlreiche Vorteile.93 Dies gilt nicht nur für den einzelnen Leistungserbringer, sondern auch gesamtwirtschaftlich,94 denn durch die in einem MVZ entstehenden Synergieeffekte sind die Zentren für das gesamte Ge- sundheitssystem Ressourcen schonend. So können teure medizinische Geräte besser ausgelastet, verschriebene Arzneimittel besser aufeinander abgestimmt und teure Dop- peluntersuchungen durch ein strukturiertes Behandlungsmanagement der Ärzte unter- einander vermieden werden.95

Die Zielvorstellung des Gesetzgebers war bei der Einführung von MVZ nicht allein auf den ambulant-ärztlichen Bereich beschränkt.96 Der Gesetzesbegründung zufolge bietet ein MVZ in seiner Idealform eine sektorübergreifende Versorgung aus einer Hand, d.h.

neben ambulanten ärztlichen Leistungen deckt es bspw. auch medizinische Hilfeleis- tungen (z.B. die Ergotherapie) ab.97 Dementsprechend sollen die Neuregelungen nach dem Willen des Gesetzgebers durch die Möglichkeit einer interdisziplinären Zusam- menarbeit von ärztlichen und nichtärztlichen Heilberufen zu einer Überwindung der sektoralen Grenzen in der medizinischen Versorgung beitragen und somit eine sektor- übergreifende Behandlung sicherstellen.98

Durch die Zulassung von MVZ soll außerdem der Wettbewerb zwischen den Versor- gungsformen erhöht werden, um Innovationen zu beschleunigen und Effizienzreserven

92 Vgl. Amelung et al. 2006, S. 20

93 Vgl. Isringhaus, Kroel, Wendland 2004, S. 4

94 Vgl. Gollasch 2003, S. 23 f.

95 Vgl. BMG 2006a, S. 1 ff., Blumenbach-Ostermann 2004, S. 7; München 2005, S. IV/13

96 Vgl. Zwingel, Preißler 2005, S. 25

97 Vgl. Hohmann, Klawonn 2005, S. 2; Dahm, Möller, Ratzel 2005, S.19; Zwingel, Preißler 2005, S.

36; Orlowski, Wasem 2004, S. 83

98 Vgl. Quaas 2004, S. 304

(27)

zu erschließen.99 Darüber hinaus sorgt ein stärkerer Wettbewerb zwischen den ambulan- ten Versorgungsformen dafür, dass die Patienten in einer ihren jeweiligen Erfordernis- sen am besten entsprechenden Versorgungsform behandelt werden.100

Doch nicht nur aus Patientensicht, sondern auch aus Sicht der Ärzte kann die Tätigkeit in einem MVZ mit zahlreichen Vorteilen verbunden sein. Die Arbeit in einem MVZ bietet insbesondere Ärztinnen die Möglichkeit, ihren Beruf auch in Teilzeitbeschäfti- gung auszuüben. Deshalb hat der Gemeinsame Bundesausschuss im Rahmen der Be- darfsplanung die Inanspruchnahme von Viertel-, Halb-, Dreiviertel- oder ganzen Stellen durch Änderungen der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte vorgesehen.101 MVZ sollen Spielraum für kreative, synergetisch aufgebaute Kooperationsformen bieten, die dem ärztlichen Nachwuchs den Weg in die eigene Niederlassung erleichtern.102 Weiterhin fallen durch eine Anstellung im MVZ keine Praxisgründungskosten an und die Ärzte tragen dementsprechend kein unternehmerisches Risiko, was insbesondere jungen Ärz- ten den Weg in die Niederlassung erleichtert.103 Außerdem werden die in einem Versor- gungszentrum tätigen Ärzte von zeitaufwendigen Verwaltungsarbeiten entlastet und können sich somit mehr auf rein ärztliche Tätigkeiten fokussieren.104

Insgesamt zeigt sich, dass der Gesetzgeber mit der Einführung von MVZ sowohl öko- nomische als auch versorgungspolitische Ziele verfolgt. Die Zentren sollen dazu dienen, die Kosten der Gesundheitsversorgung insgesamt zu senken, gleichzeitig die Behand- lungsqualität für die Patienten zu erhöhen und darüber hinaus den dort tätigen Leis- tungserbringern neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu eröffnen.

3.1.2 Vorbilder

Das deutsche Gesundheitssystem ist im internationalen Vergleich grundsätzlich leis- tungsfähig Es ist allerdings, hinter den USA und der Schweiz, auch das drittteuerste Gesundheitssystem der Welt. Trotzdem ist seine Qualität nur Mittelmaß und es existie- ren Fehl-, Über- und Unterversorgung in einzelnen Teilbereichen.105 Die Grundidee,

99 Vgl. München 2005, S. IV/12; Orlowski 2004, S. 202; Orlowski, Wasem 2003, S. 3 ff.

100 Vgl. Wigge 2004, S. 123; Deutscher Bundestag 2003b, S.74

101 Vgl. Dahm, Möller, Ratzel 2005, S. 20; § 101 Abs. 1 Nr. 4 SGB V

102 Vgl. Dahm, Möller, Ratzel 2005, S. 20

103 Vgl. Amelung et al. 2006, S. 20

104 Vgl. Isringhaus, Kroel, Wendland 2004, S. 230

105 Vgl. BMGS 2003a, S. 1

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