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chon beinahe standard- mäßig werden Robotersy- steme in der Hüft- und Kniegelenkschirurgie einge- setzt. Eine Weiterentwick- lung wurde jetzt auf ei- nem Workshop des Fraunho- fer-Instituts für Produktions- technik und Automatisierung (IPA) in Stuttgart präsentiert.In Zusammenarbeit mehre- rer Fraunhofer-Institute wur- de der Prototyp eines Robo- ters für die Wirbelsäulenchir- urgie vorgestellt.
Als Standardverfahren zur operativen Versorgung der Wirbelsäule gilt in Europa die manuelle Versteifung der Wirbelkörper mit Hilfe der transpedikulären Knochenver- schraubung. Für diesen Ein- griff werden Wirbelkörper durch Stäbe stabilisiert. Sie sind durch spezielle Schrau- ben mit den Wirbelkörpern verbunden. Die Schrauben müssen dabei mit größtmögli- cher Präzision gesetzt wer- den, um die Gefahr der Ver- letzung der Nerven im Spinal- kanal der Wirbelsäule zu mi- nimieren. Bei Eingriffen an Hals- und Brustwirbeln ist der Operationsbereich für die Hand des Chirurgen schlecht zugänglich.
„Seit 1997 arbeiten wir an der Entwicklung eines uni- versell einsetzbaren Roboter- systems – eines so genannten Hexapodroboters“, erläutert Andrea Hiller vom Stuttgar- ter Fraunhofer-Institut. „Die- ser Robotertyp ermöglicht ei- ne hohe Genauigkeit und Steifigkeit während der Ope- ration und behindert durch seinen kleinen Bau- und Be- wegungsraum die Abläufe im Operationssaal nicht.“
Präzise Planungsdaten Am Stuttgarter Institut wur- de eigens für Eingriffe an der Wirbelsäule ein spezielles Instrument entwickelt, das so- wohl bohren als auch schrau- ben kann. Auch ein auto- matischer Wechsel der In- strumente und Schrauben ist möglich. An der Instrumen- tenplattform sind Sensoren befestigt, die die beim Boh- ren und Schrauben auftreten-
den Kräfte genau registrieren und überwachen. Sie reagie- ren während des Bohrprozes- ses unmittelbar auf patienten- spezifische Knochenverände- rungen. Bei der präoperati- ven Planung dienen die vorab erstellten Computertomogra-
phiedaten des Patienten zur Orientierung.
Basierend auf diesen Bild- daten, erstellt ein am Darm- städter Fraunhofer-Institut für grafische Datenverarbeitung entwickeltes Navigations- und Planungssystem ein dreidi- mensionales Modell der Wir- belsäule. Diese Planungsda- ten bilden die Basis für die exakte Steuerung des Ro- botersystems. Während der Operation schließlich über- wacht ein am Fraunhofer- Institut für biomedizinische Technik in St. Ingbert konzi- piertes Ultraschallpositionier- system alle Bewegungen des Patienten und seiner Wirbel- säule.
„Das ist schon ein sehr gelungenes Beispiel für die erfolgreiche interdisziplinäre Zusammenarbeit dreier Insti- tute“, meint Andrea Hiller stolz. Allerdings: der Ein- satz eines Robotersystems im Operationssaal bringt vor al-
lem unter Aspekten der Steri- lität eine ganze Reihe von Problemen mit sich. Bisher existierten noch keine Ein- und Ausgabegeräte, die im sterilen Bereich eines Opera- tionssaales eingesetzt werden konnten. Der Chirurg konnte den Roboter daher nicht im OP bedienen, sondern er (oder ein Assistent) musste die entsprechenden Befehle von außerhalb eingeben. Die Wissenschaftler des Fraun- hofer IPA haben jetzt eine Mensch-Maschine-Schnittstel- le konstruiert, die dieses Pro- blem löst. Die empfindlichen elektronischen Komponen- ten des Systems befinden sich dabei weiterhin außerhalb des sterilen Bereichs. Im OP selbst dient eine spezielle Glas-Me- tall-Konstruktion als Compu- ter-Bildschirm. Die Einga- be erfolgt durch einen op- tischen Eingabepointer. Alle Komponenten des Roboter- systems sind über ein Netz- werk mit dem Rechner außer- halb verbunden. Auf diese Weise können alle Prozesse und Vorgänge während der Operation von der Konso- le aus zentral ausgelöst und überwacht werden. Der Ope- rateur hat buchstäblich alles im Griff. Kay Müllges V A R I A
Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 23½½½½8. Juni 2001 AA1571
Interdisziplinäre Zusammenarbeit
Roboter für die
Wirbelsäulenchirurgie
Technik
Instrumentenplattform des Robo- tersystems für die Wirbelsäulen- chirurgie
Werkfoto