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Wie aus einem deutschen Prinzen ein schöner Engländer wurde

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Wie aus einem deutschen Prinzen ein schöner Engländer wurde

Im Projekt «Beschreibung von Obstgenressourcen BEVOG» der Vereinigung FRUCTUS werden die in der Schweiz gefundenen alten Obstsorten pomologisch bestimmt. Dabei stützen sich Experten auf ihr langjähriges Fachwissen und gleichen die Früchte mit verschiedenen Sortenbüchern ab. Wichtige Informationen liefern seit einem Jahr molekulare Analysen, die durch die Gruppe Molekulare Diagnostik der Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW durchgeführt werden.

Dank dem Einsatz der beiden Bestimmungsmethoden konnte nun nachgewiesen werden, dass sich hinter dem Namen eines schönen Engländers für fast 100 Jahre ein wahrer Prinz verbarg.

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11 ACW (Sammlung virusfreier Reiserbäume) und Resulta-

ten von Untersuchungen des Landwirtschaftlichen Ver- suchszentrums Laimburg im Südtirol/Italien bestimmt werden. Ebenfalls wurden die genetischen Daten mit den pomologischen Bestimmungen verglichen, wobei die Resultate praktisch immer übereinstimmten. Die molekulare und die «klassische» Sortenbestimmung er- gänzen und bestätigen sich also auch bei den Äpfeln ge- genseitig. Es konnten auch gewisse Sorten als Lokalsor- ten bestätigt werden. Beispiele dafür sind unter ande- rem die bisher nirgends beschriebenen Sorten

«Burgdorfer», «Heimenschwand» oder «Lölis», die alle mehrfach von verschiedenen Standorten unter dem gleichen Lokalnamen gemeldet wurden.

Abb. 1: Molekulare Analysen können Informationen zur Verwandtschaft zwischen zwei Sor- ten liefern. Der

«Doppelte Prin- zenapfel» (rechts, triploid) enthält das komplette Erb- gut des Prinzenap- fels (links, diploide Muttersorte) sowie die Hälfte des Erb- guts der bisher un- bekannten Vater- sorte.

David Szalatnay, Andrea Frei,

Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW david.szalatnay@acw.admin.ch

Die molekulare Analyse alter Apfelsorten durch die Gruppe «Molekulare Diagnostik» ist gut angelaufen. Bei den bisher untersuchten Äpfeln gab es wie vermutet nicht so viele Sortengruppen wie bei den Kirschen (ver- gleiche Artikel «Alte Obstsorten für die Zukunft», SZOW 22, 2008). Trotzdem wurden bis jetzt mehrere Akzessio- nen (im Obstinventar gefundene Sorten), die von den Baumbesitzern mit unterschiedlichen Namen bezeich- net wurden, als dieselbe Sorte identifiziert. Weitere Sor- ten konnten dank Vergleichen mit dem Nuklearstock der

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Mutter und Nachkomme

Durch die molekulare Analyse konnte auch eine Ver- wandtschaft von zwei Varietäten aufgezeigt werden.

Bei den genetisch identischen Akzessionen aus dem Obstinventar «Brienzer» (ID 46919) und «Gugeliapfel»

(ID 70724) handelt es sich ziemlich sicher um die deut- sche Sorte«Prinzenapfel». Dies wäre auch eine Erklärung des etwas abgewandelten Lokalnamens «Brienzer».

Die molekularen Analysen zeigen, dass der «Prinzen- apfel» die Muttersorte des «Doppelten Prinzenapfels» ist (Abb. 1). Dieser wurde unter den Akzessionsnamen «un- bekannt» (ID 82603) und «Schöner von Kent» (ID 81863) gefunden. Die beiden Sorten ähneln sich äusserlich be- züglich ihrer pomologischen Eigenschaften in verschie- denen Punkten, wobei der Nachkomme deutlich grösser ist als die Muttersorte. Dies lässt sich durch die Tatsache erklären, dass das Erbgut der Muttersorte diploid (dop- pelt) und das des Nachkommen triploid (dreifach) ist.

Mit der molekularen Analyse können Diploidie be- ziehungsweise Triploidie relativ einfach nachgewiesen werden. Für gewöhnlich haben Äpfel ein diploides Erb- gut wie auch die meisten Tiere und der Mensch. Das heisst, bei der Vererbung geben sowohl Mutter- als auch Vaterpflanze ein einfaches Erbgut an die Nachkommen weiter, die dann wieder ein doppeltes Erbgut haben. Bei den triploiden Äpfeln gibt die Mutter das doppelte Erbgut, der Vater ein einfaches Erbgut weiter, die Nach- kommen haben deshalb einen dreifachen Chromoso- mensatz. Diese triploiden Äpfel zeichnen sich meist durch kräftigen Wuchs und grosse Früchte aus. Dies ist sicher ein Grund, weshalb sie in der Vergangenheit ver- mehrt geschätzt und gefördert wurden und erklärt wohl den grossen Anteil triploider Apfelsorten unter den alten Sorten. Allerdings sind die Pollen und Samen die-

ser Sorten oft unfruchtbar. Sie eignen sich daher nicht für die Apfelzüchtung.

Englisch oder Deutsch?

Die Benennung der ID-Nummer 81863 «Schöner von Kent» aus dem Obstinventar scheint auf den ersten Blick korrekt zu sein, findet man diese Apfelsorte in der Schweiz doch immer wieder unter diesem Namen. Un- terstützt wird diese Vermutung zusätzlich durch zwei Quellen. In der Sortenkartei von FRUCTUS und im Buch

«Rosenapfel und Goldparmäne» scheint unter dem Namen «Schöner von Kent» die unter der ID-Nummer 81 863 gefundene Sorte beschrieben und abgebildet zu sein. Bei der pomologischen Prüfung stellt man jedoch fest, dass die Bezeichnung «Schöner von Kent» nicht korrekt sein kann. Verschiedene Indizien erhärten den Verdacht, dass die Fotos in Wirklichkeit den «Doppelten Prinzenapfel» zeigen, was noch verifiziert werden muss.

Verfolgt man die Geschichte dieser Verwechslung zu- rück, findet man verschiedene Hinweise in der Literatur.

In der «Schweizerischen Obst- und Gartenbau-Zei- tung», Ausgabe Nr. 11/1913, schrieb ein Herr J. Frutiger:

«Zwei hervorragende Apfelsorten ziehen die Aufmerk- samkeit mancher Obstzüchter im Emmental in letzter Zeit mit recht auf sich; sie heissen: Ontario-Reinette und Schöner aus Kent. ... Der Schöne aus Kent (doppelter Prinzenapfel) ist die grösste uns bekannte Frucht ...». In Ausgabe Nr. 12 im selben Jahr erwiderte Paul Daepp aus Oppligen: «Die Ausführungen von Herrn J. Fr. über die Apfelsorte ‚Schöner von Kent’ haben mich lebhaft inte- ressiert. ... Schöner von Kent soll identisch sein mit dem doppelten Prinzen-Apfel. Da muss gewiss ein Irrtum vorliegen, denn beide Sorten sind verschieden von ei- nander». Da hatte Herr Daepp auf jeden Fall Recht! In

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Abb. 2: Die Farbta- fel (links) und das Schnittbild (rechts) der Sorte

«Schöner von Kent» aus der Schweizerischen Obst- und Garten- bau-Zeitung Nr. 15 aus dem Jahr 1915.

Das Schnittbild stellt jedoch nicht den «Schönen von Kent» dar, sondern mit grosser Wahr- scheinlichkeit den

«Doppelten Prin- zenapfel».

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der Folge legte er mit Literaturverweisen dar, weshalb er von einer Verwechslung ausging. In Ausgabe Nr. 13/1913 meldete sich auch noch Herr P. Steffen zu Wort: «Dass Schöner von Kent und (doppelter) Prinzenapfel ein und die selbe Sorte sind, ist absolut ausgeschlossen; ...».

Nach diesem Artikel schien die Sache erledigt zu sein – doch weit gefehlt.

Interessant wird es, wenn man die Schweizerische Obst- und Gartenbau-Zeitung Nr. 15 aus dem Jahr 1915 aufschlägt. Dort finden wir eine Sortenbeschreibung der Sorte «Schöner von Kent» mit einer Farbtafel und Schwarzweissfotos (Abb. 2).

Die Früchte auf der Farbtafel scheinen soweit korrekt zu sein. Betrachtet man jedoch die Schwarzweissfotos, muss man feststellen, dass die abgebildete Frucht nicht der «Schöne von Kent» sein kann. Die abgebildete Frucht ist nicht wie beschrieben «... stets ausgesprochen fünf- kantig und kelchseitig stark verjüngt», vielmehr walzen- förmig wie für den «Doppelten Prinzenapfel» typisch.

Auch das Kernhaus macht stutzig. Betrachtet man die beiden Sorten im Buch Deutschlands Apfelsorten (En- gelbrecht 1889) in Abbildung 3, wird der Unterschied zwischen dem «Schönen von Kent» und dem «Doppelten Prinzenapfel» (bei Engelbrecht unter dem Synonym

«Doppelter Melonenapfel» publiziert) augenfällig.Wie es scheint, werden dem Leser der Schweizerischen Obst- und Gartenbau-Zeitung in einer Sortenbeschreibung unabsichtlich zwei verschiedene Sorten unter dem Na- men «Schöner von Kent» vorgestellt. Dies würde erklä- ren, weshalb sich in der Schweiz eine deutsche Sorte fast 100 Jahre als vermeintlicher Engländer verbreitete.

Dank

Die Vereinigung FRUCTUS und ACW danken dem BLW für die finanzielle Unterstützung des BEVOG-Projekts.

Literatur

Engelbrecht T.: Deutschlands Apfelsorten, Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn, 778 S., 1889.

Gantner S. und Egger S.: Erfolgreiche Inventarisierung von Obst- und Beerensorten in der Schweiz. Z. Obst-Weinbau 141, 6–9, 2005.

Jacky E.: Schweiz. Obst- und Gartenbau-Zeitung, Buchdruckerei Fischer, 1913, 1915.

Szalatnay D., Hunziker K. und Frei A.: Alte Obstsorten für die Zukunft. Schweiz. Z. Obst-Weinbau 22, 10–13, 2008.

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O B S T B A U

R É S U M É

La classification pomologique et moléculaire des va- riétés dans le cadre du «Projet de description des res- sources génétiques fruitières» réalisé par FRUCTUS a permis de corriger une erreur: en Suisse, la variété al- lemande «Doppelter Prinzenapfel» (littéralement:

double Pomme du prince) circulait sous la fausse identité de «Schöner von Kent»(littéralement: «Bell de Kent»). Une erreur qui a semé la confusion pendant près de 100 ans. En 1915, le Journal Suisse de l’Arbori-

culture et de l’Horticulture publiait un descriptif de la variété «Schöner von Kent» et lui associait par erreur une vue en coupe montrant très probablement la va- riété «Doppelter Prinzenapfel». Les analyses molécu- laires du Groupe de diagnostic moléculaire de la station de recherches ACW ont permis de lever le doute: la variété «Prinzenapfel» (littéralement: Pomme du prince) est la mère de la variété «Doppelter Prinzen- apfel».

De la miraculeuse mutation d’un Prince allemand en belle Anglaise

Abb. 3: Die Schnittbilder aus dem Buch «Deutschlands Apfelsorten» von Theodor Engelbrecht aus dem Jahr 1889 zeigen die grossen Unterschiede zwischen den Sor- ten «Schöner von Kent» (oben) und «Doppelter Prinzen- apfel» (unten). Das Schnittbild des «Doppelten Prinzen- apfels» von Engelbrecht stimmt gut überein mit dem Schwarzweissfoto aus der Schweizerischen Obst- und Gartenbau-Zeitung in Abbildung 2.

Referenzen

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