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Archiv "Soziale Probleme durch das „Praktische Jahr“" (12.02.1976)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT Spektrum der Woche Aufsätze Notizen

THEMEN DER ZEIT:

Soziale Probleme durch das „Praktische Jahr"

Chronischer Alkoholismus:

Eine gesundheitspolitische Frage

Gesundheitsstatistik als politische Waffe mißbraucht Optimierung ist die Parole

AUS DEM BUNDESTAG

FORUM:

Kostenexplosion — auch ein Politikerproblem

BRIEFE AN DIE REDAKTION

GESCHICHTE DER MEDIZIN:

Vergangenheit und Zukunft der Kinderkrankenhäuser in Deutschland

BEKANNTMACHUNGEN

PERSONALIA

FEUILLETON:

Es ist soweit!

Arzt — und Poet dazu

Der folgende Aufsatz will, neben der allgemeinen Information, auf die Undurchführbarkeit und Unzu- länglichkeiten des Praktischen Jahres (auch „Internatsjahr" ge- nannt, im folgenden gelegentlich 1J abgekürzt) hinweisen und klarle- gen, welche Konsequenzen von verantwortlicher Seite gezogen werden müßten. Aus Vergleichs- gründen zunächst eine Schilderung der Situation des Medizinalassisten- ten. Es ist jedem Arzt aus eigener Ausbildung als Medizinalassistent (MA) bekannt, welche arbeitsrecht- liche und versicherungsrechtliche Stellung der MA innehat bzw. inne- hatte. Die tariflichen Bestimmungen, die für Assistenzärzte gelten, kön- nen für den MA keine Anwendung finden, da auch er noch in einem Ausbildungsvertrag steht (Hueck/

Nipperdey). Doch sind für ihn, ge- mäß § 119 des Berufsbildungsge- setzes von 1969, die wesentlichen Punkte vertragsmäßig geregelt:

1. Arbeitsrechtlich a) Arbeitszeit

b) Vergütung und tarifliche Zuwen- dungen

c) Urlaub

d) Kündigungsschutz e) Mutterschutz

2. Versicherungsrechtlich a) Unfallversicherung b) Rentenversicherung c) Arbeitslosenversicherung.

Hinsichtlich der Haftpflichtversi- cherung ist es bisher üblich gewe- sen, gegen eine geringe Jahresprä- mie eine Berufshaftpflicht abzu- schließen, welche alle direkten Schadensersatzansprüche gedeckt hat.

Hinsichtlich der Krankenversiche- rung hat der MA die Möglichkeit zum freiwilligen Beitritt zu einer gesetzlichen Krankenversicherung oder zu einer Ersatzkasse bzw. zu einer privaten Krankenversiche- rung, wobei die Ärztekammern mit den Versicherungsgesellschaften Gruppenversicherungsverträge ab- geschlossen haben, die bei günsti- ger Prämiengestaltung im Krank- heitsfall ein hohes Maß persönli- cher Sicherheit für den MA sowie für die unterhaltsberechtigte Ehe- frau und die unterhaltsberechtigten Kinder garantieren. Was die berufs- rechtliche Stellung des MA angeht, so ist er in den meisten Bundeslän- dern Mitg:ied der Ärztekammer.

Betrachten wir nun zum Vergleich die Situation, wie sie sich dem Auszubildenden im Internatsjahr (Ail) bietet.

Die praktische Ausbildung findet wie bisher in Krankenanstalten der Hochschule und in Krankenanstal- ten, die nicht Krankenanstalten der Hochschule sind, statt. Damit en- den die vergleichbaren Bedingun- gen, die der Ail vorfindet. I>

Soziale Probleme durch das

„Praktische Jahr"

Walter Ehret

Der folgende Artikel kann vielleicht dazu beitragen, die nicht uner- hebliche Unruhe, die unter Studenten wegen bislang ungelöster so- zialer Fragen im letzten Studienjahr zu beobachten ist, zu erklären.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 7 vom 12. Februar 1976 423

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Probleme durch das „Praktische Jahr"

Was seine arbeitsrechtliche Situa- tion angeht, so bestehen überhaupt keine Regelungen. Das wird von der Bundesregierung u. a. dadurch begründet, daß es sich beim IJ „we- der um ein Praktikum noch um ein der Referendarausbildung ähnli- ches Ausbildungsverhältnis...

(sondern um einen) Bestandteil des Studiums handle". (Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der CDU/CSU, 7/2488, vom 16. 8. 74)

Diese völlig willkürlich festgelegte Abgrenzung des IJ von der ange- führten Referendarzeit ist unsach- lich und ungerechtfertigt. Der Ail bringt an theoretischen Kenntnis- sen hinsichtlich seiner Berufsaus- übung ein zumindest vergleichba- res Basiswissen mit; was die prak- tische Seite seines Berufes angeht, ist er dem Studienreferendar alle- mal überlegen. Das akademische Studium des zukünftigen Lehrers ist so gut wie gar nicht auf seine spätere pädagogische Tätigkeit ausgerichtet, da es sich primär als rein wissenschaftliches Studium versteht.

Wie schwer sich der angeblich rein studentische Charakter des Ail in praxi tatsächlich abgrenzen läßt, wird durch den Umstand erhellt, daß in den verschiedenen Bundes- ländern keine einheitliche Rege- lung darüber besteht, ob für das IJ das Ministerium für Gesundheit oder das Kultusministerium verant- wortlich ist.

Die Verordnungen über die prakti- sche Ausbildung sind offensichtlich ganz zu Lasten des Ail erlassen worden, was auch daran zu erken- nen ist, daß aus den z. T. unausge- gorenen Vorstellungen, die die Bundesregierung über das 1J hat, eine Aussage in ihrer endgültigen Festlegung heraussticht, viz. daß der Ail „keinen Anspruch auf Ver- gütung, Verpflegung, Stellung von Schutzkleidung und Erstattung von Kosten (Fahrtkosten u. a.) ... hat".

(Drucksache 7/2488). Die Tatsache, daß „der Krankenhausträger und die Studierenden in keine unmittel- bare vertragliche Rechtsbeziehung

zueinander treten" (Drucksache 7/

2488), bedeutet doch auch, daß der All im Konfliktfall völlig rechtlos der Krankenhausverwaltung ausge- liefert ist, die das Gastrecht ausübt und dem Ail gegebenenfalls den Aufenthalt im Krankenhaus unter- sagen kann. Welche deletären Fol- gen das für den Betroffenen hätte, muß nicht ausgeführt werden.

Auch in seiner versicherungsrecht- lichen Stellung ist der Ail schlech- ter gestellt. Er ist zwar als Student unfallversichert, aber in diesen Lei- stungen gegenüber dem MA be- nachteiligt. Renten- und Arbeitslo- senversicherung bestehen nicht, obwohl der Ail, was allgemein an- erkannt wird, besonderen Risiken durch seine Tätigkeit im Kranken- haus ausgesetzt ist. Auch eine ge- setzliche Haftpflichtversicherung ist nicht vorgesehen. Wie unwohl dem Gesetzgeber bei dieser Frage offenbar ist, zeigt sich aus dem Eingeständnis der Bundesregie- rung, daß diese „Frage noch Ge- genstand weiterer Erörterungen mit den Ländern sein wird." (Drucksa- che 7/2488)

Konnte der MA wählen, in welchem Krankenhaus er seine Ausbildung beenden wollte, so ist dies dem Ail nicht mehr möglich. Er wird sich glücklich schätzen müssen, wenn er sein IJ im Krankenhaus der Hochschule beenden kann. Die hier zur Verfügung stehenden Plät- ze reichen jedoch nicht für alle aus. Deshalb werden nach § 4 der ÄAppO auch Krankenanstalten, die außerhalb der Hochschule ste- hen, sogenannte Lehrkrankenhäu- ser (LKH) in die praktische Ausbil- dung miteinbezogen, wenn sie be- stimmte Bedingungen erfüllen, wie leistungsfähige Röntgenabteilung, fachwissenschaftliche Bibliothek, Prosektur, leistungsfähiges Labora- torium ausreichende Räumlichkei- ten für den Aufenthalt und die Un- terrichtung der Studenten u. a. m.

Laut einem Schreiben des Kultus- ministeriums Stuttgart vom 10. Juni 1975 können diese akademischen Lehrkrankenhäuser „frühestens ab 1. April 1977 herangezogen wer- den".

Gleichwohl gibt die Bundesregie- rung offen zu, daß es „im wesentli- chen von einer gleichmäßigen sachlichen und personellen Aus- stattung der Ausbildungseinrich- tungen abhängt, inwieweit ein ein- heitliches Niveau der ärztlichen Ausbildung gesichert werden kann.

Die praktische Ausbildung im letz- ten Jahr des Medizinstudiums setzt neben dem Vorhandensein der in der Verordnung vorgeschriebenen Einrichtungen einen entsprechen- den Bestand an befähigtem Lehr- personal voraus." (Drucksache 7/

2488)

Im Herbst 1976 soll also ein Ver- such anlaufen, obwohl weder in baulicher noch in personeller und finanzieller Hinsicht die Grundla- gen zur Durchführung des IJ ge- schaffen sind. Die Auskunft des Ärztlichen Direktors des Städti- schen Krankenhauses München- Schwabing steht symptomatisch für die allgemeine Misere, die uns erwartet: „Unser Haus ist mit Ärz- ten und Pflegepersonal... so aus- gestattet, daß die jetzt anfallenden Aufgaben erledigt werden können, darüber hinaus aber keine Zeit für zusätzliche Lehraufgaben bleibt."

Damit nicht genug. Mit dem Aus- bleiben der MAs, die in einge- schränkter Selbständigkeit doch schon einen Teil der Routinearbeit miterledigt haben, steht es aus, wer diese Arbeit übernehmen wird.

Der § 3 Abs. 4 der ÄAppO meint la- pidar: „Der Studierende darf nicht zu Tätigkeiten herangezogen wer- den, die seine Ausbildung nicht fördern". Strenggenommen heißt das, daß die Mehrarbeit voll auf die Ärzte des Krankenhauses zurück- fällt, womit ihnen noch weniger Zeit zur Verfügung stehen wird, um den Ail praktisch zu unterweisen.

Die Aussage von Prof. Begemann bezieht sich also nicht nur auf Pro- bleme des 1J, sondern zeigt die Gefahr, die sich für die ärztliche und medizinische Versorgung der Bevölkerung im Krankenhaus an- bahnt. Es hat keinen Sinn, das Chaos, das sich auftut, zu leugnen, nur weil es erst in zwei Jahren ein- treten wird. Dieses Verhalten ent- spricht zwar guter politischer Tra-

424 Heft 7 vom 12. Februar 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Das "Praktische Jahr"

dition, zeugt aber nicht von echter Verantwortung. Als Medizinstuden- ten der neuen Approbationsord- nung, die die Gefahren deutlicher erkennen, weil wir in unserem Aus- bildungsgang direkt damit konfron- tiert werden, sehen wir es als un- sere Pflicht an, auf die Unausführ- barkeit des IJ hinzuweisen und da- vor zu warnen. Deshalb fordern wir eine Beibehaltung des MA-Status auch für den Ail.

Es ist nicht zu verantworten, das IJ im Sinne der Grundkonzeption der ÄAppO durchzuführen

..,.. bevor die im Rahmen der ÄAppO erforderlichen finanziellen Aufwendungen bewilligt sind;

..,.. bevor die räumlichen und per- sonellen Voraussetzungen geschaf- fen sind. Hierzu ist es unumgäng- lich, die Liste der LKH zu veröffent- lichen, die die in § 4 der ÄAppO gestellten Bedingungen erfüllen, sowie diese Bedingungen weiter zu präzisieren;

..,.. bevor die zu verrichtenden ärzt- lichen Tätigkeiten mit Angabe der maximal für diese Tätigkeiten zu- lässigen Zeit in einem Positivkata- log erstellt sind;

..,.. bevor die arbeitsrechtliche und sozialrechtliche Stellung der Ail präzise und gerecht - d. h. ohne Schlechterstellung gegenüber dem MA oder Benachteiligung gegen- über anderen in der praktischen Ausbildung stehenden akademi- schen Berufen, z. B. Referendaren - geregelt ist.

ln unserem Protest schließen wir uns den Warnungen des 77. Deut- schen Ärztetages vom Juni 1974 an, mit der Betonung, daß die Durchführung des IJ nicht nur die Sorge einiger weniger Studenten und der zuständigen Behörden sein darf, sondern in seinen sozia- len Konsequenzen ein Politikum ersten Ranges darstellt.

Anschrift des Verfassers:

cand. med. Walter Ehret Gerhard-Schott-Straße 54 6906 Leimen

Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen THEMEN DER ZEIT

Chronischer Alkoholismus:

Eine gesundheitspolitische Frage

Erich 0. Haisch

Alkoholismus ist eine Krankheit. Der hilfesuchende Kranke hat An- spruch auf eine bestmögliche Behandlung und Fürsorge. Diese Hil- fen sind jedoch zwecklos und unangebracht bei den Unheilbaren und asozial Gewordenen. Auch die Unterbringungsgesetze sind nicht für sie geschaffen, sondern für die ihrer psychischen Störung nicht bewußten Gemüts- und Geisteskranken. Die hier gemeinte Kerngruppe der unheilbaren Alkoholiker belastet die psychiatri- schen Krankenhäuser nutzlos, mißbräuchlich und nicht länger trag- bar. Für sie bedarf es anderer Maßnahmen, die in besonderen Ein- richtungen gesehen werden. Wenigstens die Hälfte dieser andern- falls zugrunde gehenden "Unheilbaren" vermag bei absoluter Pro- hibition und in konfliktarmer Umgebung sozial angepaßt zu le- ben und sich nach Jahren doch noch zu konsolidieren.

Fragt man einen Anstaltspsychiater nach den hauptsächlichen Sorgen seiner Arbeit, so lautet die Antwort:

der Alkoholismus; die Geriatrie;

die chronisch hospitalisierten Langzeitkranken; der jugendliche Drogenkonsum. Von den Alkoholi- kern, bei uns zur Zeit mehr als jede vierte Aufnahme*), soll uns hier al- lein eine besondere Gruppe be- schäftigen, die chronisch Unheilba- ren. Ein Rückblick mag zur Einfüh- rung dienen.

Dionysos, der rotwangige, pueril- fettleibige Gott der Reben und des Weins, Gott der Lebensfreude, der Fruchtbarkeit und der bacchanti- schen (sie: Bacchus) Exzesse, ist in Theben geboren, jener Stadt, in der Ödipus die verhängnisvolle Verbindung mit seiner Mutter Jaka- ste eingegangen ist, worüber er sein Augenlicht verloren hat. Jener Stadt auch, die von der rätseln- den Sphinx bewacht war, die ihrer- seits ebenfalls aus einer inzestuö- sen Verbindung hervorgegangen ist. Dionysos, ein sinnenfroher, aber auch dem Tod zugewandter Gott, war daher von den Christen

als der heidnischste aller antiken Götter geächtet und verdrängt wor- den. Wer aus der Wunderwelt der Akropolis in Athen herabsteigt, kann sich überzeugen, wie die Chri- sten mit dem Vorschlaghammer in seinem Heiligtum wüteten.

Und hier die andere Seite: Christus hat sich selbst mit dem Weinstock verglichen, seine Anhänger mit den Reben, sein Blut mit dem Wein;

also auch hier ein fließender Über- gang in den sakralen Bereich. Die- ser Übergang ist fraglos durch die berauschende, bewußtseins- und geistesverändernde Wirkung des Alkohols begründet, durch jenen Übertritt in außernormale seelische Bereiche, die dazu verführen, in ihnen ein höheres Leben zu erken- nen, worauf beispielsweise auch die alte Bezeichnung "Aquavit" für Branntwein hinweist. I>

*) Unter den im Beschäftigung.skranken- haus des Verf. in der Zeit Januar - März 1975 (Abfassung dieses Artikels) erfolgten 368 Zugängen befanden sich exakt 100 mit der Einweisungsdiagnose:

"Alkoholismus". Der tatsächliche Anteil liegt noch höher, kaschiert in Bezeich- nungen wie Polytoxikomanie, Halluzino- se, Verwirrtheitspsychose, usw.

DEUTSCHES ARZTEBLATT

Heft

7

vom

12.

Februar

1976 425

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