Bemerkungen zur keilinschriftlichen Gewichtskunde.
Von C. F. Lehmann-Haupt.
Daß und warum ich auf polemische Äußerungen F. H. Weiß-
bach's nicht mehr eingehe, wissen die Leser dieser Zeitschrift (s.
Bd. 66, S. 691, vgl. bes. S. 612 fif., 655 IT., 669 f.).
Rein tatsächlich habe ich zu seinen , Neuen Beiträgen"
oben S. 49—91 zu bemerken: 5
1. Bd. 66 dieser Zeitschrift, S. 644, Anm. 1 batte ich geäußert:
,Oppert, Etalon des mesures Assyriennes (p. 73) gedenkt u. a.
der Bezeichnungen „schwarze Mine' und .weiße Mine".
Leider ist es mir trotz wiederholter Bemühungen nie gelungen,
Belegstellen dafür zu ermitteln'. Oben, S. 88 f, wird behauptet, lo
ich hätte „versäumt", den Pariser Gelehrten, zu dem ,ich in
freundschaftlichen, ja verwandscbaftlichen Beziehungen stand, bei
seinen Lebzeiten direkt danach zu fragen'.
Mit Nichten. Meine vergeblichen Bemühungen bestanden gerade
in Anfragen an Oppert, auf die er mir schließlich schrieb, er sei 15
leider nicht mehr imstande die betreffenden Stellen aufzufinden,
erinnere sich aber bestimmt sie gelesen zu haben.
Daß man sich in solchen Fällen — einerlei ob persönliche
Beziehungen bestehen oder nicht — an den Urheber der zu kon¬
trollierenden Mitteilung wendet, ist ja selbstverständlich. 20
2. Der Rechenfehler, auf den S. 78, Abs. 2 hingewiesen wird,
war von mir z. T. bei Versendung der Sonderdrucke meiner Histo¬
risch-metrologischen Forschungen 2 und 3 (Klio XIV
[1914], Hefts, S. 345—376) berichtigt worden, die durch den
Kriegsausbruch unterbrochen wurde. Die Berichtigung wurde dann 25
in Klio XIV, Heft 4, redaktionell abgeschlossen 31. 3. 1915*), auf¬
genommen. Sie lautet, wie sie lange vor diesem Termin gedruckt war:
,S. 375, Abs. 2, Z. 10 lies: ,746,62, d. h. rund 747 g". —
Ebenda Z. 12 statt B lies: ,C". — S. 375 (Haupttext), Z. 8 von
1) Klio XIV, S. 514. Das Heft wurde vor Kurzem ausgegeben: .Die Verlagsi)uchhandlung sieht sich infolge des Krieges erst jetzt in der Lage, das den vierzehnten Band des Klio abschließende vierte Heft in der Gestalt, wie es am 31. März 1915 abgeschlossen wurde, zu veröffentlichen".
522 Lehmann-Haupt, Bemerk, zur keilinschriftl. Gewichtskunde.
unten lies: „ihre Erhöhung um ^/jc (Porm C) ergibt 747,88 g';
Z. 6 von unten statt ,1,3 g' lies: ,1,16 g''. —
üer betreifende Abschnitt Klio XIV, S. 375 muß also lauten:
„Dann beträgt die , königliche Mine' unserer Urkunde 1 Mine
B 26 Schekel; das ergibt, die Mine zu 491,2 g gerechnet, für die
königliche Mine ein Gewicht von 746,62 g, d. h. rund 747 g. Damit
ist aber ein im assyrischen Großreiche weitverbreitetes
Gewicht, die schwere phönikische Silbermine erhöhter,
„königlicher' Form C ausgedrückt, in einer Genauig-
10 keit der Annäherung, wie sie bei einem Vergleich
von verschiedenen Systemen kaum zu erwarten war.
Die schwere phönikische Silbermine gemeiner Norm beträgt 727,6 g,
ihre Erhöhung um »/jg (Form C) ergibt 747,88, d. h. „die , könig¬
liche Mine' unseres Dokuments unterscheidet sich von diesem vor-
16 handenen Gewicht um höchstens 1,16 g, ist also so genau wieder¬
gegeben, wie es beim Ausdruck durch volle Minen und Schekel
eines anderen Fußes nur irgend erwartet werden kann'. —
Ich füge hier ohne Zusatz und Änderung hinzu, was ich
Klio XIV, Heft 4, anderthalb Jahre , ehe mir W.'s Artikel zu Ge-
«0 sieht kam, als „Nachtrag' *) zum Druck gegeben hatte.
, Stellen wir nun die nachträgliche Frage , wie sich die durch
das assyrische Dokument gebotene Gleichung zwischen der gemeinen
Gewichtsmine und der erhöhten phönikischen Silbermine der Form C,
(die das Dokument als ,Mine des Königs' bezeichnet) angesichts ihrer
ü5 Stellung im System der altorientalischen Gewichte bewährt. Diese
Frage ist deshalb, wie schon häufig von mir hervorgehoben (z. B.
Congr. 1893, S. 245 [81]), von so besonderer Bedeutung, weil sie
gestattet, die Gewichts- und Maßgrößen nach ihrem gegenseitigen
Verhältnis proportional zu betrachten , so daß die Bewertung in
so niodernen Größen (Gramm etc.) in den Hintergrund tritt. Die
phönikische Silbermine verhält sich wie allbekannt und allgemein
zugegeben, zur babylonischen Silbermine wie 4 : 3, letztere zur Ge¬
wichtsmine wie 9:10. Die phönikische Silbermine ist also »^"/g ■ ^/j
= **/27 der Gewichtsnorm. Die Gewichtsmine erhöhter Norm C
S6 ist um '/3g höher als die gemeine Gewichtsmine (die „Mine des
Landes'), also = ^'/j^ derselben. Die phönikische Silbermine er¬
höhter Norm C ist also "/aii • «/jj, = »'o/^ij = l^-'./jis d. h. etwas
weniger als l'*/24 der gemeinen Gewichtsmine. Das Dokument
bemilit die größere, als Mine des Königs bezeichnete Mine auf
40 1 Mine 26 Schekel = l^'/se. Die Annäherung an das durch das
S}'stem gebotene Verhältnis ist somit die denkbar größte. Die
1) „Berichtigungen und Nachtrag", Klio XIV, S. 502 f. Außer den oben sub 2 erwähnten werden dort noch eine Anzahl anderer Berichtigungen zu den Metrologischen Forschungenen 2 und 3 geboten. Ihnen ist (mit Weißbach, oben S. 77, Abs. 2 v. u.) hinzuzufügen: S. 375, Abs. 2, Z. 4 v. u. statt ,373,94" lies: ,867, 79«. —
Differenz von 1,16 g, die wir feststellten, entspricht dem ünter¬
schiede zwischen ^^l^r, und ^^^j^^s- Dieser Ausgleich schließt sich
den übrigen aus dem Altertum auf klassischem und orientalischem
Gebiete überlieferten entsprechenden , von inir verschiedentlich be¬
handelten Fällen (vgl. u. a. Hermes, XXVII [1892], S. 551, Anm. 4, s
und XXXVI [1901], S. 126, Klio XII [1912], 245 f.) würdig an
und übertrifft sie in ihrer Mehrzahl an Genauigkeit. Die Fünfzig¬
teilung der Gewichtsmine, die wir so ermittelten, machte es un¬
möglich , in vollen Schekeln dem Bestände des höheren Gewichtes
näher zu kommen. lO
Diese Fünfzigteilung der Gewichtsmine ist für das Zweistrom¬
land durch ein beschriftetes Gewicht (ZDMG. 66 [1912], S. 617 ff.)
nachgewiesen. Sie „mag*, wie ebenda S. 677, Anm. 4 bemerkt,
„von einem Versuche Kunde geben, den Erfordernissen des inter¬
nationalen Verkehrs in anderer' als der hauptsächlich üblichen 16
Weise Zugeständnisse zu machen. Statt der besonderen Ausbildung
einer „Silbermine' auf Grund der „babylonischen* Doppelwährung
wurde die Gewichtsmine beibehalten und in 50 Teile zerlegt.
Dieses ^j^^ der Gewichtsmine ist in seiner Anwendung auf den
Silberumlauf wohl bekannt: es begegnet als eine Besonderheit in 20
der ältesten makedonischen Prägung (BMGW. [1889], S. 275,
Hermes, XXXV [1900] S. 640, Anm. 6 und XXXVI [1901], S. 121
Abs. 2, Zeitschr. f. Num. 27 [1909]', S. 131 f., ZDMG. a. a. 0. S. 624,
654, 67J7 m. Anm. 3 u. 4). „Das aufstrebende Makedonien mußte
naturgemäß für viele staatliche Einrichtungen sein Vorbild in den 25
älteren asiatischen Monarchien suchen'. Die hier auf metrologischem
Gebiete nachgewiesenen „Beziehungen können natürlich in Zeiten
zurückreichen, die erheblich vor der Erfindung der Münzprägung
liegen'. Die Erfindung der Münzprägung durch die Lyder föllt
bekanntlich in die Sargonidenzeit. Es ist von Bedeutung, daß die so
in der makedonischen Silberprägung nachlebende Fünfzigteilung
der Gewichtsmine durch unsere Verkaufsurkunde für die Sargoniden¬
zeit belegt wird. Näheres anderorts. (Vgl. bes. Klio XIII, 123.)
All dies tritt zu dem bedeutsamen Hauptergebnis hinzu, das
schließlich nochmals hervorgehoben sei: das assyrische Doku - S6
ment spricht schriftlich und urkundlich aus, daß im
alten Orient neben dem gemeinen Gewicht (der „Mine
des Landes')») ein erhöhtes Gewicht, (die „Mine des
Königs') verwendet wurde und bestätigt so die Tat¬
sache, die ich zu Beginn meiner metrologischen 40
Forschungen aus den Gewichten und den Münzen
erschlossen hatte und die die Grundlage meiner Er¬
mittlungen gebildet hat. Der Betrag der Erhöhung ist zu
verschiedenen Zeiten verschieden bemessen worden : der Brauch selbst
hat sich nur um so fester erhalten und hat in den früheren und 45
1) Genauer wäre: ,(der „Mine" schlechthin oder „Mine des Landes')'.
3 i
524 Lehmann-Haupt, Bemerk, zur keilinschriftl. Gewichtskunde.
bescheideneren Formen der Erhöhung (um '/20, V241 Vsc) ^^^^ "^en
Orient hinaus nach Westen fortgewirkt'.
3. Auf Weißbacb's tatsächliche Ermittelungen über das Gewichts¬
stück des Nabü-sum-lisir (s. oben S. 70 f , mit Anm. 1), habe ich diese
5 Zeitschrift, Band 66, S. 643, wo ich, in der Abhandlung „Ver¬
gleichende Metrologie und keilinschriftliche Gewichts¬
kunde" ältere eigene Äußerungen zitierte, ausdrücklich in Anm. 4
hingewiesen. Doch hätte ich mich in der gemeinsamen Bezeichnung
der drei steinernen Normalgewichte in der genannten Abhandlung
10 vorsichtiger ausdrücken sollen. Anders bei der ersten Gelegenheit,
wo ich auf das Gewichtsstück gesondert zu sprechen kam — ich
zitiere aus der mir vorliegenden Korrektur eines Anfang d. J. nieder¬
geschriebenen Artikels :
,Vierzeilige Inschrift: Mine richtig. Talent des Nabüsum-
15 liMr, Sohnes des Dakur aus Isin, Verehrers des Marduk»)". Nach
Weißbach (ZDMG. 61 [1907], 395 f, sub. 8) der Lehmann-Haupt's
Lesungen in einigen Punkten verbessert, der vierten (ca. 11. Jahrh.
V. Ghr.) oder achten Dynastie angehörig'. —
4. Zu dem von Scheil bekannt gegebenen Gewichtsstück des
80 Uru-ka-gi-na (oben S. 49, sub. 1, vgl. Klio Xill (1913), S. 125 f.,
Anm. 1 letzter Absatz: „Der Wunsch, etwas über die älteren
primitiveren Vorstufen zu erfahren, die der spätestens unter Dungi
und Gudea vollzogenen Ausbildung des so hoch entwickelten baby¬
lonischen Systems der Zeit- und Raummessung vorausgingen, ist
8S an sich durchaus berechtigt. Aber so lange es an positiven An¬
haltspunkten fehlt, ist es zwecklos darüber zu spekulieren .... Ob
vielleicht das soeben von Scheil , Comptes Rendus de l'Academie
des Inscriptions et Belles-lettres 1912, p. 478, veröffentlichte, auf
eine Mine von 477,2 g führende Gewichtsstück aus der Zeit des
so Urukagina (300 Jahre vor Dungi) uns eine solche Vorstufe er¬
kennen läßt, muß weitere Untersuchung lehren. . .
Ich benutze die Gelegenheit um mitzuteilen, daß sich im Brit.
Museum ein ungewöhnlich großes, anscheinend wohlerhaltenes Ge¬
wicht aus grauem Gestein befindet, in Entenform und mit altbaby-
36 Ionischer Inschrift . wenn ich mich recht erinnere »), das , als ich
seiner im Sommer 1912 kurz ansichtig wurde, noch nicht gewogen
war und über das nähere Mitteilungen zu machen L. W. King
sich vorbehielt. Es ist jedenfalls eines der schwersten Gewichts¬
stücke, die uns überhaupt erhalten sind.
1) Meine Aufzeichnungen befinden sich, wie mein Hausrat und der größte Teil meiner Bücher und Manusltripte, in England.
3 i
Bemerkungen zu Budge's
„The Syriac Book of Medicines".
Von
Immannel Löw.
Brockelmann hat (ZDMG. 68, 185) Budge's Publikation sehr
wohlwollend besprochen, hat aber den ümstand, daß der Heraus¬
geber weder die Galen'sche Herkunft von S. 5—440 seines Textes
erkannt hat, noch dem Sinne des Textes überall gerecht geworden
ist, verschweigen können. 5
Ich möchte nur an das Verzeichnis der Heilmittel I, 601 ff. ;
II, 715—726 einige Bemerkungen knüpfen, damit die Irrtümer
Budge's nicht in die Lexika übergehen. Die vielfach falsche Voka¬
lisation der Handschrift, die Budge ohne weiteres transkribiert.,
korrigiere ich nicht. lo
S. 714, Z. 6: — Z. 9 streiche majorana. — Z. 14:
astokhodos ist nicht in estrokhonon zu ändern, es ist nicht axQv%vos, darum die ganze Erklärung ,^Jtjtij| v_*-ix:, strychnus , Solanum, fox
grapes zu streichen. Im Ms. steht nur |qo(' j^i^ myrtle berries,
und auch dies ist falsch. — Vorl. Z. : nqivog, ilex, chestnut zu is
streichen. Lies Haselnuß. — Letzte Z. : Irin : jLs'j for ^i-^j cinnabar
ist falsch, irin: Rost, Grünspan: BB. 118. 148. 241. 1027
ids, falsch BB. 35. — ^dq,) 687.
S. 716, Z. 1: apthimon (ebenso >^aa..li3/ I, 609, n zu Jj»o»
J|\ Budge II, 745, Z. 5 transkribiert), the gum of an 20
Egyptian tree, epithymum. Die Handschrift hat: ^^♦AÄ^^!
j_jy«aH (ji/LjSVi-Ü- • Da ist zunächst statt t r e e zu übersetzen: egyp-
tischer Mohn, epithymum ist wohl falsch für fictioniov Sophocles
755 an egyptian ointment, das allerdings kein Opiat war, sondern
aus Bittermandelöl hergestellt wurde. Über epithymum bei den 25
Syrern habe ich ZA. 28 in der Abhandlung über Cuscuta (S. 2 des
SA.) berichtet. — Z. 4: ampuma, e^rpafxa. Duval, Notes de Lexicogr.
syr. et arab., Paris 1913, 17. Pers., lies ^^Ij«^^!: gypsum, lime-
Zeit»clirift der D. M. G. Bd. 70 (1916). 34