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Archiv "Probleme 1976: Gesetz über Kassenarztrecht und Eindämmung der Kosten (Teil 2)" (01.01.1976)

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DEUTSCHES ARZTEBLATT

BEKANNTMACHUNGEN:

Kassenarztsitze Einführungslehrgänge für die Kassenarztpraxis im Jahre 1976

Die häufigsten Laboranalysen- Abrechnungsziffern

PERSONALIA

POST SCRIPTUM

Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen

Probleme 1976:

Gesetz über Kassenarztrecht und Eindämmung der Kosten

e

Fortsetzung von Seite 8

stellt und die Ergebnisse bei den jeweiligen Sicherstellungsmaßnah- men berücksichtigt hat. Daß bei diesen Arbeiten mit allen an der Qualität und der Quantität der am- bulanten ärztlichen Versorgung in- teressierten Organisationen und Stellen gesprochen wurde und ge- sprochen wird, ist für mich eine Selbstverständlichkeit. ln einigen, wenn auch wenigen Bereichen hat dieses Zusammenwirken in der Vergangenheit - auch das sei nicht verschwiegen - bedauerli- cherweise dazu geführt, daß einige Vertragspartner eine sachlich nicht berechtigte Kritik am Zustand der ärztlichen Versorgung erhoben und gleichzeitig maßlos überzogene Forderungen für die zukünftige Be- setzung von Arztsitzen in die Öf- fentlichkeit hinausposaunt haben.

Grundsätzlich halten wir aber wie bisher das Gespräch mit dem Ziel einer möglichst weitgehenden An- näherung von gegenseitigen Stand- punkten und Argumenten mit allen Beteiligten für notwendig und rich- tig. Diese grundsätzliche Bereit- schaft kann jedoch nicht Anlaß dazu sein, der gesetzlichen Fixie- rung eines Einvernehmens zwi- schen Krankenkassen und Kassen- ärztlichen Vereinigungen bei der Aufstellung des Bedarfsplans zuzu- stimmen. Wir halten vielmehr allein die Bestimmung des Gesetzent- wurfs der Bundesregierung für praktikabel und sinnvoll. Nur das darin vorgesehene Letztentschei-

dungsrecht der Kassenärztlichen Vereinigungen für die Aufstellung des Bedarfsplans im Rahmen der Richtlinien des Bundesausschus- ses der Ärzte und Krankenkassen trägt der umfassenden Verantwor- tung der Kassenärztlichen Vereini- gungen für die Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung Rechnung. Diese Auffassung wurde von mir im Rahmen des Anhörungs- verfahrens mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht. Das im Entwurf der Bundesregierung vorgesehene Verfahren beinhaltet eine sehr wohl abgewogene, sachbezogene Lösung, die ein möglichst schnel- les und komplikationsfreies Zu- standekommen des Bedarfsplans im Zusammenwirken mit den Trä- gern der Krankenversicherung und gegebenenfalls unter Beteiligung sonstiger Stellen garantiert.

~ Ich bitte von dieser Stelle aus die Mitglieder des Bundestagsaus- schusses für Arbeit und Sozialord- nung erneut darum, an der Kon- zeption des Entwurfs der Bundes- regierung bei den Bestimmungen über die Aufstellung des Bedarfs- plans und die Kompetenzen bei der Beschlußfassung über den Be- darfsplan nichts zu ändern!

~ Die von den Vertretern der Krankenversicherungsträger mit Ausnahme der Ersatzkrankenkas- sen bei der Anhörung geforderte Beschränkung des Sieherstel- lungsauftrages der KVen auf die

DEUTSCHES ARZTEBLA'IT

Heft

1

vom

1.

Januar 1976

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durch Kassenärzte erbrachten Lei- stungen anstelle eines durch die Rechtsprechung des Bundesso- zialgerichts gerade vor kurzem erst ausdrücklich bestätigten inhaltsbe- zogenen Sicherstellungsauftrages kann nur auf unsere vollständige Ablehnung stoßen. Letztlich ver- birgt sich dahinter nichts anderes als der Wille, den Begriff der kas- senärztlichen Versorgung seitheri- ger Prägung zu beseitigen und de facto auf einen Rechtszustand zu-

rückzukommen, der dem vor Erlaß der ersten kassenarztrechtlichen Bestimmungen im Jahre 1931 ein- schließlich der Vertragsordnung von damals entsprechen würde.

Immer wieder habe ich mit Ihrer einheitlichen Zustimmung in den letzten Jahren deutlich erklärt, daß eines unserer „Essentials" die un- geschmälerte Aufrechterhaltung des den Kassenärztlichen Vereini- gungen erteilten Auftrages zur Si- cherstellung der ambulanten ärztli- chen Versorgung sei, und ich wie- derhole diese Feststellung heute mit Nachdruck.

Die Aufrechterhaltung des bis- herigen sachbezogenen Sicherstel- lungsauftrages ist für uns einer der entscheidenden Punkte bei den weiteren Beratungen über unsere zukünftigen Beziehungen zu den Trägern der Krankenversicherung.

Änderungen in diesem Punkte müssen für uns, wie ich meine, Ver- anlassung sein, unverzüglich Über- legungen auch hinsichtlich anderer Vorschriften der zur Debatte ste- henden Gesetzentwürfe anzustellen und unsere bisherige Stellungnah- me insgesamt zu überdenken und neu zu formulieren.

Meinen Eindruck aus der Anhörung der Sachverständigen möchte ich dahin zusammenfassen, daß die Aussprache für den, der angesichts der Hektik eines Teils der außer- parlamentarischen Diskussion ins- besondere im Zusammenhang mit der Kostenentwicklung schwere Zusammenstöße unter den Betei- ligten erwartet hatte, erstaunlich sachlich verlief und praktisch frei von polemischen Ausfällen war;

was nicht bedeutet, daß kontrover- se Positionen nicht auch deutlich zum Ausdruck gekommen wären.

Das betrifft nicht nur Unterschiede in den Auffassungen zwischen den Trägern der Krankenversicherung und uns, sondern auch solche un- ter den Trägern der Krankenversi- cherung selbst, so zum Beispiel bezüglich der Auswirkungen zu- künftiger gesetzlicher Regelungen auf eine direkte oder indirekte För- derung einer Einheitskrankenversi- cherung.

Gesetz zur Weiterentwicklung des Kassenarztrechts

noch 1976 verabschieden!

Die eigentlichen Arbeiten an den Gesetzentwürfen in den Bundes- tagsausschüssen — dem Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung als federführendem Gremium, dem mitberatenden Ausschuß für Ju- gend, Familie und Gesundheit und dem Rechtsausschuß — werden voraussichtlich nicht vor Ende Ja- nuar, Anfang Februar aufgenom- men werden. Die den Ausschußmit- gliedern für die Sachberatung und die politische Entscheidung in der jetzigen Legislaturperiode noch zur Verfügung stehende Zeit ist also keineswegs großzügig bemessen, und es wird erheblicher Anstren- gungen bedürfen, wenn die Weiter- entwicklung des Kassenarztrechts noch, wie geplant, im Laufe des Jahres 1976 verabschiedet werden soll. Inwieweit dabei Teile des Re- gierungsentwurfs ausgeklammert werden, die sich zum Beispiel mit dem Beitrag zur Krankenversiche- rung der Rentner, dem Fortfall der Garantieverpflichtungen und ähnli- chem beschäftigen, lasse ich da- hingestellt.

Ich hoffe auf Ihre Zustimmung, wenn ich den Gesetzgeber bitte, im Interesse der Weiterentwicklung reibungsfreier Beziehungen zwi- schen Ärzten und Krankenkassen und damit im Interesse der an- spruchsberechtigten Bürger in 'der deutschen sozialen Krankenversi- cherung für die Verabschiedung des entsprechenden Gesetzentwur-

fes, über den nun schon so lange debattiert worden ist, noch in die- ser Legislaturperiode Sorge zu tra- gen!

Lassen Sie mich an dieser Stel- le ein Wort sagen zu jüngsten Äu- ßerungen über die kassenärztliche Selbstverwaltung, ihre Kompeten- zen und die Durchführung ihrer Aufgaben.

Man erweist dem Gedanken der genossenschaftlichen Selbstverwal- tung der Kassenärzteschaft in der sozialen Krankenversicherung und ihrer Rechtsstellung gegenüber den Trägern der Krankenversiche- rung ganz sicher einen Bären- dienst, wenn man glaubt, auf der Grundlage von Vorschriften des Regierungsentwurfs zur Weiterent- wicklung des Kassenarztrechts — das Schreckgespenst eines fast automatischen Zwangs zur Ausnut- zung grenzenloser Macht, vor al- lem gegenüber jüngeren an einer Tätigkeit in eigener Praxis interes- sierten Ärzten, an die Wand malen zu sollen. Bei früheren Gelegenhei- ten laut gewordene einzelne Äuße- rungen dieser Art habe ich ge- glaubt im allgemeinen Interesse übergehen und nicht überbewerten zu sollen. Die jüngst abgegebenen Erklärungen könnten aber geeignet sein, dem an einer Schwächung der Position der kassenärztlichen Selbstverwaltung Interessierten Ar- gumentationsmaterial aus unserem eigenen Lager zu liefern, und des- halb spreche ich das heute an.

Man sollte Vorkommnisse und Gegebenheiten nach dem zweiten Weltkrieg nicht verallgemeinern, und man sollte nicht übersehen, daß die Aufrechterhaltung der Frei- heit des einzelnen — auch des

Kassenarztes — dort ihre Gren- zen hat und haben muß, wo die Freiheit anderer — eventuell auch der Patienten — beeinträchtigt wird. Ich bekenne mich als ein Gegner grenzenloser Macht und Verfechter der demokratischen Freiheit, ich bekenne aber gleich- zeitig auch, daß ich eine gesetzlich festgelegte „Ordnungsbefugnis"

unserer genossenschaftlich-ärztli-

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Bericht zur Lage

chen Selbstverwaltung einer All- macht des Staates ganz entschie- den vorziehe.

Zurück zum eigentlichen Thema.

Alle im Bundestag vertretenen Par- teien haben in den letzten Monaten die Aufstellung eigener neuer ge- sundheitspolitischer Programme angekündigt. Ursprünglich sollte als erstes Programm das der So- zialdemokratischen Partei auf de- ren Parteitag in Mannheim beraten werden. Dazu ist es bekanntlich nicht gekommen, sondern zur Ver- abschiedung von 10 Punkten und zur Festlegung eines besonderen gesundheitspolitischen Kongresses der SPD im Frühjahr 1976.

Jeder von uns weiß, daß Allge- meinthesen deutungsfähig und auch Fehlinterpretationen zugäng- lich sind. Ich will deshalb auch auf die 10 Punkte nicht im einzelnen eingehen, obwohl eine Menge dazu zu sagen wäre. So zum Beispiel zur vorstationären Diagnostik und nachstationären Behandlung, zur Behauptung über unsere angeblich überhöhten Einkommenszuwächse, zur Einheitsvergütung für kassen- ärztliche Leistungen in der gesam- ten Krankenversicherung, zur an- geblich notwendigen Stärkung der Stellung der Krankenversiche- rungsträger bei den Honorarver- handlungen, zur Reform der Ge- bührenordnung als Steuerungsin- strument und Anreiz zu einem ko- stensparenden ärztlichen Verhal- ten, zur Angleichung der Beitrags- last der Mitglieder der Krankenver- sicherung, unabhängig von der Kassenzugehörigkeit, zur Errich- tung eines einheitlichen sozialme- dizinischen Dienstes und zu vielem anderen mehr.

Schon all dies könnte einen Weg deutlich aufzeigen, den man gehen will. Aber warten wir ab, welche endgültigen gesundheitspolitischen Aussagen die Parteien zu machen haben, bevor wir uns zu ihren Pro- grammen äußern. Allen Parteien und ihren zuständigen Gremien biete ich aber für ihre Überlegun- gen erneut unseren sachverständi- gen Rat an.

Auch die Konferenz der für das Gesundheitswesen zuständigen Se- natoren und Minister der Bundes- länder hat sich seit einiger Zeit in- tensiv besonders unter dem Ge- sichtspunkt der Kostenentwicklung mit Fragen der ärztlichen Versor- gung im weiteren Sinne beschäf- tigt. Sie hat am 20./21. November 1975 einen Katalog von Maßnah- men beschlossen, die sie für geeig- net hält, unmittelbar oder mittelbar die Kostenentwicklung einzu- schränken und deren vordringliche Verwirklichung ihr zur generellen Aufrechterhaltung der Leistungsfä- higkeit des Gesundheitswesens notwendig erscheint. Ein erhebli- cher Teil des Katalogs betrifft Pro- bleme der Krankenhausstruktur, der Wirtschaftlichkeit der Betriebs- führung von Krankenhäusern, die optimale Nutzung ihrer Dienste und ihre stärkere Zusammenarbeit. Ein weiterer Teil bezieht sich aber auch auf die Verordnung von Arz- neimitteln einschließlich einer lei- der ungewöhnlich allgemein gehal- tenen Formel von der Einflußnah- me auf die Verschreibungsgewohn- heiten der Ärzte „mit dem Ziel der Reduktion der Verordnung auf das zweckmäßig und therapeutisch ge- botene Maß".

Die ambulante ärztliche Versor- gung ist in folgenden Punkten — meist allerdings auch wieder äu- ßerst allgemein — angesprochen:

— Änderung der Struktur der Ge- bührenordnung mit dem Ziel einer geringeren Bewertung der medizi- nisch-technischen Leistungen

— Einführung eines einheitlichen Maßstabes und eines einheitlichen Zuschlagsatzes für die Vergütung ärztlicher Leistungen mit der Auf- führung von vier Möglichkeiten der Gültigkeit, nämlich

1. für die gesamte gesetzliche Kran kenversicherung,

2. für die gesamte Sozialversiche- rung,

3. für die Sozialversicherung und die freie Heilfürsorge und

4. für alle Patienten, einschließlich der Privatpatienten.

Des weiteren wird angesprochen

— die Förderung des kostenbe- wußten Verhaltens;

— die Überprüfung der Gewäh- rung von Kuren im Hinblick auf das medizinisch Notwendige;

— die wirkungsvolle Ausgestal- tung des Beitragshöchstsatzes mit einer Erschwerung der Überschrei- tung und der Schaffung eines Be- lastungsausgleichs;

— ein angemessener Ausbau der noch zu schaffenden Solidarge- meinschaft zwischen gesetzlicher Kranken- und gesetzlicher Renten- versicherung im Bereich der Finan- zierung;

— die Reorganisation und Fortent- wicklung des Systems der Früh- erkennung von Krankheiten zu lei- stungsfähigen und rationellen For- men;

— die Sicherstellung konsequen- ter Frühbehandlung des behinder- ten Kindes durch nachgehende Ge- sundheitsfürsorge;

— die Stärkung des Verantwor- tungsbewußtseins durch Gesund- heitserziehung und Gesundheits- motivation mit den Schwerpunkten der Ernährung sowie des Alkohol- und Nikotinmißbrauchs.

Eine Arbeitsgruppe der Konferenz wurde beauftragt, Vorschläge zu prüfen und der Konferenz zur Ent- scheidung wieder vorzulegen, un- ter denen sich folgende befinden:

— Verknüpfung der ambulanten und stationären Versorgung in Teil- bereichen, zum Beispiel medizi- nisch-technischen Zentren:

— vorstationäre Diagnostik und nachstationäre Behandlung;

— Festsetzung bedarfsgerechter personeller und apparativer Stan-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 1 vom 1.Januar

1976

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dards für die ambulante Versor- gung;

- Ablösung des Einzelleistungs- vergütungssystems durch eine pau- schalierte Gesamtvergütung gemäß

§ 368 f Absatz 1 und 2 RVO;

- BündeJung von Leistungsange- boten hinsichtlich neuer Organisa- tionsformen mit dem Ziel der Ko- stensenkung, unter anderem So- zialstationen, Gemeindepflegesta- tionen, Gesundheitszentren und so weiter.

Mit allen Kräften gegen eine Demontage der freien Praxis!

Diese Passagen aus der Entschlie- ßung der Gesundheitsministerkon- ferenz habe ich zum größten Teil wörtlich zitiert, um Ihnen unter Be- rücksichtigung der unvergeßlichen Bopparder BDO-Veranstaltung die- selben "Gedankenassoziationen"

zu ermöglichen, die ich beim Le- sen dieser Veröffentlichung emp- fand. Medizinisch-technische Zen- tren, BündeJung von Leistungsan- geboten, Standardisierung der am- bulanten Versorgung in personeller und apparativer Hinsicht, vor- und nachstationäre Kran kenhaustätig- keit, vollpauschalierte Gesamtver- gütung - das alles sind ja Begriffe und Worte, die uns in vielen Zu- sammenhängen im Laufe der letz- ten drei Jahre mehrfach beschäf- tigt haben.

..". Ich vermag nicht zu beurteilen, welche Motive hinter der Aufstel- lung dieses Katalogs oder besser dieser Kataloge standen. Für die in ihnen enthaltenen Vorstellungen, Pläne und Forderungen, das glau- be ich aber mit Ihrer Zustimmung feststellen zu sollen, gilt unsere ab- lehnende Stellungnahme in glei- cher Weise wie gegenüber glei- chen Forderungen anderer Organi- sationen und Gruppen.

..". Mag man es noch so schön for- mulieren, wie zum Beispiel in den Worten: Bereitstellung, das heißt

Mitbenutzung, technisch-diagnosti- scher und therapeutischer Einrich- tungen des Krankenhauses für nie- dergelassene Ärzte und Verknüp- fung der ambulanten und stationä- ren Versorgung in Teilbereichen.

Wir werden uns gegen die unter solchen wohlklingenden Formeln angekündigte Demontage von dia- gnostischen und therapeutischen Möglichkeiten der freien Praxis mit allen Kräften im Interesse des Pa- tienten, im allgemeinen volkswirt- schaftlichen Interesse, aber letzt- lich auch und besonders im Inter- esse eines möglichst hohen Stan- dards der Berufstätigkeit der in freier Praxis tätigen Ärzte entschie- den wehren!

..". Gleiches gilt für die offenkundi- ge Absicht, etwa über eine soge- nannte Standardisierung der per- sonellen und instrumentellen Aus- rüstung in der ambulanten Versor- gung automatisch Versorgungsab- schnitte in Institutionen, insbeson- dere in Krankenhäuser zu verla- gern.

..". Manchmal habe ich bei solchen Ausführungen das Gefühl, als sei es bei uns hier in Deutschland verpönt oder gar unzulässig, sich in anderen Staaten bereits gewon- nene Erfahrungen zunutze zu ma- chen oder sie zumindest in die ei- genen Entscheidungsvorgänge ein- zubeziehen. Anders ist es kaum zu erklären, daß bei uns immer noch in der Verlagerung von Teilen der ambulanten ärztlichen Versorgung ins Krankenhaus - im Gegensatz zu vielfach vorliegenden Auslands- erfahrungen - nicht nur ein ge- sundheitspolitischer Vorteil, son- dern vor allem auch ein Weg zur Kostenersparnis gesehen wird.

. übersieht man dies alles, weil man doch nur letztendlich trotz anders- lautender Versicherungen der frei- en Praxis "ans Leder" will? Das könnte man ja wirklich fragen.

Ich kann mir · di·es natürlich von der Gesundheitsministerkonferenz kaum vorstellen, erkläre aber auch in diesem Zusammenhang, daß wir gerne bereit sind, der Gesundheits- ministerkonferenz, wenn sie es

wünschen sollte, unseren Sachver- stand und unsere Mitwirkung zur Verfügung zu stellen.

Die Krankenhäuser mögen meine Ausführungen nicht falsch verste- hen. Ich habe eine viel zu große Achtung vor dem deutschen Kran- kenhaus und vor der Tätigkeit all derer, die dort für die Patienten wirken, als daß es mir einfallen würde, ihre Arbeit abträglich be- werten zu wollen. Das kann mich aber nicht daran hindern festzu- stellen, daß ich auf Grund von Er- fahrungen - eigenen und fremden - der Überzeugung bin, daß es keine sachgerechte Lösung ist, zum Beispiel Teile der technisch- diagnostischen Leistungen als so- genannte "prästationäre Diagno- stik", oder unter welchen anderen Stichworten auch immer, ins Kran- kenhaus zu verlagern und sich da- von etwa einen kostendämpfenden Einfluß zu versprechen. Es spricht vieles, wenn nicht alles, gegen eine derartige Annahme.

..". Ich begrüße es daher ausdrück- lich, daß der Vorstand der Deut- schen Krankenhausgesellschaft beschlossen hat, die Durchführung der von ihm gegen unseren Wider- stand mit den Spitzenverbänden der Träger der sozialen Kranken- versicherung vereinbarten Modell- versuche für eine prästationäre Diagnostik und eine nachstationäre Behandlungsphase solange zu- rückzustellen, bis Ergebnisse aus den bisher schon erteilten For- schungsaufträgen vorliegen. Vom Zentralinstitut für die kassen- ärztliche Versorgung veranlaßte er- ste und zahlenmäßig noch be- grenzte Erhebungen unter Benut- zung allen Materials bei eingewie- senen Krankenhauspatienten deu- ten jedenfalls darauf hin, daß unse- re Auffassung voll berechtigt ist und sich positive Auswirkungen auf absolute Ausnahmefälle beschrän-

ken. Das Zentralinstitut wird seine Erhebungen in größerem Rahmen fortsetzen und die heutigen und späteren Ergebnisse allen zugäng- lich machen, die sachlich an dem Problem interess·iert sind.

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Bericht zur Lage

Von der prästationären Diagnostik bei stationär eingewiesenen Pa- tienten ist es nur ein kleiner Sprung zu dem Problem der Ko- stenentwicklung in der sozialen Krankenversicherung, denn die ambulante Tätigkeit von Kranken- häusern als Institutionen wird ja mit dem Etikett der Kosteneinsparung verkauft, obwohl es an entspre- chenden Beweisen mangelt und die ständige Wiederholung der Be- hauptung über die angeblich ko- stendämpfende Wirkung der Ein- führung einer solchen Art von Krankenhaustätigkeit den Eindruck erweckt, sie erfolge nach dem Mu- ster des Herrn Couö, um wenig- stens selbst daran zu glauben.

Diese Beurteilung ändert nichts an meiner Überzeugung, daß die Ko- stenentwicklung in der Sozialversi- cherung keinen Kassenarzt und keinen Bürger unseres Landes un- berührt lassen kann. Wenn man liest, daß in der Angestelltenversi- cherung das Vermögen, das der sogenannten Abschnittsdeckung dient, wesentlich früher angegriffen werden muß, als vorausberechnet wurde, wenn man sieht, daß die Haushaltsansätze der sogenannten Liquiditätshilfe der Angestellten- versicherung für die Rentenversi- cherung der Arbeiter im Laufe von weniger als einem Jahr von rund dreieinhalb Milliarden DM auf knapp zwölf Milliarden DM „hinauf- korrigiert" werden mußten, wenn der Beitrag zur Arbeitslosenversi- cherung erhöht werden muß und die Liquidität der Bundesanstalt für Arbeit nur durch Bereitstellung von Bundesmitteln gesichert werden kann — wenn man diese und viele andere Meldungen und Tatsachen registriert, so weiß man, daß es sich hierbei um für das gesamte Leben unserer Bevölkerung höchst bedeutsame Tatbestände und Vor- gänge handelt, deren wirklicher Ernst allerdings bisher wohl kaum voll in das individuelle Bewußtsein eingedrungen ist. Blitzlichtartig erleuchten manchmal allerdings Ausführungen wie die jüngst vom Sozialexperten der FDP, Schmidt (Kempten), gemachten Bemerkun- gen zu Überlegungen für die zu-

künftige Gestaltung der dynami- schen Rente die ganze Szene.

Als Pars pro toto kann man in die- sem Zusammenhang die Kranken- versicherung der Rentner betrach- ten, deren Beitragsverteilung im- mer größere Kopfschmerzen berei- tet. Von der ursprünglichen soge- nannten „Solidarquote", das heißt demjenigen Beitragsanteil, den die aktiven Mitglieder in Höhe von 20 Prozent des Gesamtbeitrages aus Solidaritätsgründen für die versi- cherten Rentner aufbringen sollen, kann heute nur noch ein Unwissen- der träumen. Die Krankenversiche- rungsträger klagen einerseits je nach Anteil an versicherten Rent- nern mit Recht darüber, daß die Ausgaben für diesen Mitglieder- kreis die Einnahmen in einem sol- chen Maße übersteigen, daß es un- zumutbar erscheint, diesen Zu- stand weiter aufrechtzuerhalten.

Die Träger der Rentenversicherung verweisen andererseits mit ebenso- viel Recht auf ihre derzeitige finan- zielle Lage, die die Belastung mit einem höheren Krankenversiche- rungsbeitragsanteil für Rentner kaum möglich erscheinen läßt, und so dreht sich die Diskussion und auch der Schwarze Peter seit län- gerem im Kreise.

Jeder, der die Materie kennt, der weiß, daß — auf die Einzelperson umgerechnet — die Versorgung ei- nes Rentners mit Leistungen der Krankenversicherung etwa doppelt soviel kostet wie die Versorgung eines allgemeinen Mitgliedes. Zwar ist der Familienquotient bei den Rentnern wesentlich geringer, aber dieser Unterschied vermag die Höhe der Ausgabenunterschiede nicht auszugleichen. Auf absehba- re Zeit aber nimmt prozentual der Anteil der Rentner an unserer Ge- samtbevölkerung und damit auch innerhalb der Mitgliederschaft der Träger der Krankenversicherung weiter zu. Das hat aber völlig unab- hängig von jeder Preis- und Geld- wertentwicklung eine zwangsläufi- ge Zunahme der Kosten der Kran- kenversicherung zur Folge, die nie- mand beeinflussen kann, weil sie

durch demographische Faktoren bedingt ist.

Ich bin zu wenig Experte, um auch nur einigermaßen exakt sagen zu können, wie sich diese Entwick- lung in den nächsten Jahren aus- wirken wird, wenn sich als weiteres demographisches Moment das Ein- treten der ersten zahlenmäßig stark verminderten Geburtenjahr- gänge in das Arbeitsleben vollzie- hen wird. Ich bringe das Beispiel hier, um sine ira et studio einen der Faktoren aufzuzeigen, der allen guten Absichten zur Dämpfung der Kosten in der Krankenversicherung zwangsläufig entgegensteht. Denn gerade dieser Teil der Patienten, unsere älteren Mitbürger sind es, die zum Beispiel im besonderen Maße der Krankenhausbehandlung bedürfen, also eines besonders ko- stenintensiven Zweiges des Ge- sundheitswesens. Sie bedürfen auch im höheren Maße der Verord- nung von Arznei- und sonstigen Hilfmitteln.

Vor einem Ausbau der Früherkennung Kostendeckung sichern Ursache automatischer Kostenstei- gerung ist auch die so wünschens- werte Steigerung der Inanspruch- nahme von Früherkennungsunter- suchungen. Bei den Früherken- nungsuntersuchungen auf Krebs bei Frauen war bisher erst die Hälf- te der Anspruchsberechtigten von der Notwendigkeit zur regelmäßi- gen Inanspruchnahme dieser Un- tersuchungen zu überzeugen, bei den Männern weniger als ein Fünf- tel. Hat das gemeinsame Bemühen aller, einschließlich der unter dem Patronat der Gattin des Bundes- präsidenten, Frau Kollegin Dr.

Scheel, stehenden Krebshilfe um eine verstärkte Inanspruchnahme Erfolg, so treten automatisch höhe- re Kosten ein, zu denen auch die Ausgaben für die weitere Diagno- stik und gegebenenfalls für die Be- handlung von Nebenbefunden ge- hören, von denen wir wissen, daß sie in rund einem Viertel aller Fälle vorhanden sind. Es ist sicher nicht zuviel gesagt, wenn man behaup-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 1 vom 1.Januar 1976 27

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tet, das solche Mehrkosten - ganz abgesehen von der Hilfe im Einzel- schicksal - einen gesundheitspo- litischen Gewinn darstellen, und trotzdem sind sie in der augen- blicklichen Wirtschaftslage ein Problem.

Bei mehrfacher Gelegenheit habe ich im Laufe der letzten Jahre auf die meiner Meinung nach sehr gro- ße Kostenträchtigkeit der trotz der allgemeinen derzeitigen Wirt- schaftslage von vielen Seiten - nicht zuletzt von Krankenversiche- rungsträgern - propagierten soge- nannten Herz-Kreislauf-Vorsorge hingewiesen. Es wäre sicher gut, wenn zukünftig gerade auf diesem Gebiet alle international bereits vorliegenden Erfahrungen und Er- gebnisse von bedeutenden Modell- untersuchungen mehr als bisher beachtet würden. Es ist auch si- cherlich beachtenswert und nicht von ungefähr, daß sowohl interna- tional wie national an die Stelle ei- ner fast unbegrenzten Gläubigkeit an die Möglichkeit der Prävention eine zunehmende Skepsis hinsicht- lich ihrer Wirkung und Wirksamkeit getreten ist. Wir befinden uns mit anderen Worten in einer Phase, in der wir den notwendigen kritischen Abstand vom Enthusiasmus einer neuen Idee gewonnen haben, was nicht Rückschlag bedeutet, son- dern letztlich die notwendige Vor- aussetzung für einen weiteren Fort- schritt schafft.

[> Es sollte jedoch meiner Mei-

nung nach auf Grund der vorlie- genden internationalen Erfahrun- gen davon Abstand genommen werden, weiterhin die Einführung einer entsprechenden Früherken- nungsuntersuchung in den Lei- stungskatalog der Krankenversiche- rungsträger zu verlangen, ohne gleichzeitig Vorschläge für die Möglichkeit einer Deckung der ent- stehenden Kosten zu machen, de- ren bedeutenderer Teil Sekundär- kosten sein werden. Mit dem Wort

"Sekundärkosten" bezeichne ich alle die Ausgaben, die durch ein- gehende Diagnostik aufgefundener Herz-Kreislauf-Störungen, aber be- sonders auch durch die bei etwa

50 Prozent aller untersuchten Pa- tienten zu erwartenden behand- lungsbedürftigen Nebenbefunde entstehen.

[> Davon abgesehen, besteht aber

heute auch Klarheit darüber, daß die einzige wirklich wirksame Be- handlung bei dem Vorhandensein von Risikofaktoren im Herz-Kreis- lauf-Bereich in einer Neuorientie- rung der individuellen Lebensweise - wenn man so will also in einem verminderten Lustgewinn - be- steht, wozu es bisher noch kein halbwegs erfolgversprechendes Mo- tivierungsrezept gibt.

Ich möchte nicht mißverstanden werden:

[> Ich setze mich dafür ein, daß

man weitere wissenschaftliche Grundlagen für die Möglichkeit ei- ner erfolgversprechenden Früh- erkennung und Bekämpfung kardie- vaskulärer Störungen und Krank- heiten zu gewinnen sucht. Iet] bin der Meinung, daß sich hieran in dem ihm möglichen Umfange auch unser Zentralinstitut beteiligen soll- te.

[> Ich bin aber auch der Auffas-

sung, daß es den Gesetzen der Lo- gik widerspricht, wenn man in dem gleichen Zeitpunkt, in dem man die finanzielle Lage der deutschen Krankenversicherung besonders beklagt und die unverzügliche Durchführung von Maßnahmen zur Dämpfung eines weiteren Anstie- ges der Kosten fordert die Einfüh- rung weiterer Früherkennungsmaß- nahmen propagiert, obgleich man doch voraussehen kann, daß hier- mit kaum zu kalkulierende finan- zielle Neuauswirkungen auf die Krankenversicherungen zukommen.

I

Alle Beteiligten müssen eine gleiche

Sparsamkeit üben

Ohne jeden Zweifel steht doch un- sere soziale Krankenversicherung oder besse.r unser umfassendes Gesundheitssicherungssystem an einem Punkte der Entwicklung der

Kosten und des Gefüges der So- zialleistungen, wo entschieden werden muß, ob zur Zeit das mögli- cherweise Vorstellbare zu rechtfer- tigen, das heißt zu finanzieren, ist.

~ Wiederholt habe ich erklärt und tue dies auch heute, daß wir Kas- senärzte bereit sind, an einer allge- meinen Sparsamkeit mitzuwirken, wobei selbstverständlich den Pa- tienten die Möglichkeiten der mo- dernen Medizin - unter den Kau- telen der Reichsversicherungsord- nung natürlich - erhalten bleiben müssen. Wir haben diese unsere Bereitschaft nicht nur mit Worten erklärt, sondern frühzeitig durch Taten bewiesen. Wir haben auch immer wieder darauf hingewiesen, daß solche Maßnahmen nur dann den wünschenswerten Erfolg ha- ben können, wenn alle an der Durchführung von Aufgaben und Leistungen der Krankenversiche- rung Beteiligten eine gleiche Sparsamkeit üben. Das gilt meiner Meinung nach - man möge mich weder mißdeuten noch mißverste- hen - auch für den Versicherten und für seine Familienangehöri- gen.

~ Niemand sollte den Eindruck er- wecken oder propagieren, als müs- se überall gespart werden, nur sei- tens des Versicherten nicht. Das hielte ich für den Versuch einer Quadratur des Zirkels. Eine wirkli- che Kostendämpfung läßt sich nur erreichen, wenn auch der An- spruchsberechtigte dabei "mit- macht" und aus eigenem Antrieb, das heißt freiwillig, alles unterläßt, was zu über das Maß des Zweck- mäßigen und Notwendigen hinaus- gehenden Leistungen seiner Kran- kenkasse führen muß. Ich weiß, wie schwierig das ist, und meine Worte bedeuten keineswegs eine allgemeine Anschuldigung der Ver- sicherten.

Die heutige allgemeine Kostensi- tuation in der Krankenversicherung kann aber auch nicht ohne Auswir- kungen auf die Regelung unserer finanziellen Beziehungen zu den Trägern der Krankenversicherung bleiben. über dieses Thema ist in

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Bericht zur Lage

den vergangenen Wochen und Mo- naten im allgemeinen, im sozialpo- litischen und im ärztlichen Schrift- tum sehr viel geschrieben und in Veranstaltungen so viel gespro- chen worden, daß ich glaube, mich relativ kurz fassen zu können.

Wir haben mit den Bundesverbän- den der Krankenkassen eine Emp- fehlungsvereinbarung abgeschlos- sen, die nach unserer festen Über- zeugung einen ausgewogenen Kompromiß zwischen den ur- sprünglichen Vorstellungen der beiden Vertragspartner darstellt und in der prozentualen Höhe der Zuschläge zur Vergütungsregelung für die einzelnen ärztlichen Lei- stungen weit hinter zum Beispiel tarifvertraglichen Vereinbarungen für Löhne und Gehälter zurück-

bleibt.

Natürlich wissen wir aber ebenso wie jeder Sachkenner auf seiten unserer Vertragspartner, daß diese Höhe der Zuschläge nicht identisch sein kann mit der Höhe des Zu- wachses der Gesamtvergütung, die die Krankenkassen zu entrichten haben. Die Anzahl der Mitglieder, die Anzahl der Behandlungsfälle und die ärztlichen Leistungen je Behandlungsfall sind die weiteren Faktoren, die auf der Grundlage der derzeit abgeschlossenen Ver- träge auf die Höhe der Gesamtver- gütung einwirken.

Anfang 1976 Gespräche über Abgeltung

für Laborleistungen

Wenn man uns quasi anklagend und als Beweis für eine ungerecht- fertigte Ausdehnung des Leistungs- umfanges und damit der Gesamt- vergütung wiederholt vorgehalten hat, daß die vereinbarten Zuschlä- ge zur Einzelleistungsvergütung um fünf bis acht, ja teilweise noch mehr Prozent in einzelnen Abrech- nungsquartalen überschritten wor- den seien, so findet diese Erschei- nung bei einer sachlichen Prüfung doch weitgehend normale Erklä- rungen. Daß es in manchen Fällen auch unwirtschaftliches Verhalten

einzelner Ärzte gegeben haben mag und daß dieses unwirtschaft- liche Verhalten vielleicht auch den Prüfungsinstanzen, an deren Tätig- keit ja die Krankenkassen beteiligt sind, nicht aufgefallen ist, soll kei- neswegs bestritten werden. Daraus jedoch verallgemeinernde Schlüs- se zu ziehen ist der Sache nicht dienlich. Es ist falsch und unbe- rechtigt.

Auch die Tatsache, daß der Kas- senarzt im Hinblick auf die hohen Krankenhauspflegesätze unserem Appell folgend eine möglichst strenge medizinische Indikations- stellung für die Einweisung ins Krankenhaus beachtet, hat natür- lich eine zwangsläufige Konse- quenz für die Kosten im ambulan- ten Bereich.

Dennoch wird schon jetzt versucht, aus Vergleichen der ersten Ab- rechnungsergebnisse des Jahres 1975 mit solchen der Vorjahre vor- eilige Schlüsse zu ziehen, welche auf die allgemeine Feststellung hinauslaufen, daß die Kassenärzte die Zahl der Behandlungsfälle und ihrer Leistungen quasi ungehemmt vermehrten und keineswegs Spar- samkeit übten. Vorgestern erst schmückten wieder die ersten Seiten der Tageszeitungen entsprechende Artikel.

Diese Veröffentlichungen gehen zu- rück auf eine Presseveranstaltung des Bundesverbandes der Orts- krankenkassen. Die dort gemach- ten Ausführungen liegen im Wort- laut zwar noch nicht vor. Dennoch halte ich es unter diesem Vorbehalt für notwendig, heute schon folgen- des hierzu festzustellen:

Es trifft zu, daß auf Wunsch der Bundesverbände der Orts-, Be- triebs-, Innungs- und der landwirt- schaftlichen Krankenkassen am 5.

Dezember 1975 eine mehrstündige Aussprache schwergewichtig über die Honorarentwicklung im allge- meinen und über die Entwicklung bei den sogenannten Laborleistun- gen im besonderen stattgefunden hat. Hierbei erklärten insbesondere die Vertreter des Bundesverbandes

der Ortskrankenkassen, sie seien auf Grund ihnen vorliegenden Zah- lenmaterials der Auffassung, daß durch die Tätigkeit von Laborge- meinschaften vor allem der Um- fang von Laborleistungen in einem nach den Bestimmungen der Reichsversicherungsordnung nicht gerechtfertigten Maße zugenom- men habe und weiter zunehme.

Eine solche Entwicklung könne von ihnen nicht hingenommen werden.

Sie forderten daher eine gemeinsa- me Überprüfung mit dem Ziel, un- ter grundsätzlicher Beibehaltung der bisherigen Einzelleistungsver- gütung die Abgeltung für Laborlei- stungen in eine kostenbegrenzen- de Honorarform zu bringen.

Wir haben uns zu solchen Gesprä- chen — und ich halte dies für un- sere Pflicht — bereit erklärt. Diese Gespräche sollen schon Anfang 1976 aufgenommen werden.

Gleichzeitig haben wir aber auch gegenüber den zur Unterstützung dieser Forderungen vorgetragenen weiteren Zahlen über die Ausga- benentwicklung auf dem Gebiet der ambulanten ärztlichen Versorgung mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß es unseres Erachtens völlig unmöglich ist, zum jetzigen Zeit- punkt bereits ein vorläufiges ge- schweige denn gar ein abschlie- ßendes Urteil über die Ausgaben- entwicklung im Jahre 1975 im Vergleich zu den Vorjahren fällen zu können.

Dies gilt um so mehr, als ja erst ab Januar 1976 die in der Empfeh- lungsvereinbarung festgelegten Senkungen im Laborbereich in

Kraft treten.

> Deshalb bedaure ich es, daß nach den Presseberichten offenbar die Sprecher des Bundesverban- des der Ortskrankenkassen trotz dieses unseres Hinweises es für richtig gehalten haben, Zahlen über die Ausgabenentwicklung ei- nes nicht näher definierten Zeit- raums gegenüber einem ebenfalls nicht näher definierten Vergleichs- zeitraum in die öffentliche Diskus-

sion zu bringen.

DEUTSCHES ÄRZTE BLATT Heft 1 vom 1.Januar 1976 29

(8)

I> Auch im Interesse der Erhaltung der heute gut und reibungslos funktionierenden ambulanten ärztli- chen Versorgung sollte man bei den notwendigen Bemühungen zur Bremsung der Ausgaben in unse- rem Gesundheitswesen - Ausga- ben, die ja vielfache und unter- schiedliche Ursachen haben eine pauschale Kritik, ja eine Schelte speziell an den Kassenärz- ten nicht überzeichnen, man sollte bei allen notwendigerweise ja ge- meinsamen Bemühungen auch an das Sprichwort denken, daß man sich davor hüten soll, das Kind mit dem Bade auszuschütten.

..,._ Dies ändert aber nichts an der Notwendigkeit, daß wir als Kassen- ärzte in dem von uns beeinflußba- ren Teil der Kostenentwicklung im ambulanten Versorgungsbereich in Gemeinschaft mit den Krankenkas- sen nach Wegen suchen wollen und müssen, welche es ermögli- chen, die finanzielle Belastung der Versicherten in einem zurnutbaren Rahmen zu halten.

Wie notwendig ein solches Vorge- hen geworden ist, zeigt die Tat- sache, daß sich der Bundeskanzler selbst veranlaßt sieht, in die Bera- tung über die Kostendämpfung in der sozialen Krankenversicherung einzuwirken. Dies beleuchtet schlagartig den Ernst der Lage.

I

Wir benötigen die berufspolitische Geschlossenheit

Auch in dieser Situation aber bin ich der Überzeugung, daß unser heutiges Kassenarztrecht vom Ge- setzgeber 1955 so flexibel gestaltet worden ist, daß es den Trägern der Krankenversicherung und uns - Willen zur Partnerschaft vorausge- setzt - jed·e Möglichkeit frei läßt, allen denkbaren Entwicklungen und den aus ihnen resultierenden Notwendigkeiten Rechnung zu tra- gen.

Mancher, der auch auf Kranken- kassenseite glaubt, unter Hinweis auf die heutige Kostensituation

in der Krankenversicherung die dringende Notwendigkeit einer

"Neuordnung" des Kassenarztrechts propagieren zu sollen, der kann dieses Kassenarztrecht kaum rich- tig gelesen haben. Denn sonst müßte er wissen, daß einer seiner wesentlichen Vorteile gegenüber manchen anderen gesetzlichen Re- gelungen seine große Anpassungs- fähigkeit an Änderungen der Lage und an die Vorstellung der Ver- tragspartner ist.

..,._ Bevor man vom Zwang zur grundlegenden Reform des Kas- senarztrechts spricht, sollte man doch wohl in jedem Fall erst ein- mal seine Möglichkeiten

auszu-

schöpfen versuchen. Diese Aussage ist weder taktische Finesse noch leeres Stroh; sie ist meine echte und feste Überzeugung!

Damit hat sich der Kreis meines Berichts geschlossen. Er konnte keine besonders frohe weihnachtli- che Botschaft sein, sondern mußte dazu dienen, in den Schwerpunk- ten der Tätigkeit unserer kassen- ärztlichen Selbstverwaltung auf Bundesebene Rechenschaft über eingetretene Entwicklungen abzu- legen und Ausblick auf mögliche weitere Entwicklungen zu geben.

Eine sehr schwierige Zeit und äu- ßerst arbeitsreiche Wochen und Monate liegen vor uns!

e

Ich bin der festen und begrün- deten Überzeugung, daß auch heu- te die Mehrheit der Medizinstu- denten und vor allem die Mehrheit unserer am Krankenhaus tätigen Kollegen ihre Zukunft in freier Pra- xis sieht.

e

Der ärztliche Nachwuchs, der diese Ideale vertritt, verdient die Unterstützung, den Rat und die Hilfe unserer Selbstverwaltungsor- ganisationen, weil eine individuelle ärztliche Versorgung der Bürger einer geistig mündigen Gesell- schaft nur durch eine unabhängige Ärzteschaft erfolgen kann.

e

Weder weltanschaulich-politisch noch wirtschaftlich steht die Ärzte-

schaft heute und in Zukunft allein.

Aktives Engagement in allen Fra- gen der Sozialpolitik und des Ge- sundheitswesens ist unumgänglich notwendi·g. Eine Ärzteschaft, die nicht dazu beiträgt, die Kostenstei- gerung im Gesundheitswesen er- folgreich mit zu meistern, gerät in die Gefahr, ihre Freiheit und ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit zu verlieren.

Wenn wir 1976 mit Erfolg die parlamentarische Diskussion um die Weiterentwicklung des Kassenarztrechts als Ba- sis für die Stellung des ein- zelnen Kassenarztes und als gesellschaftliches Kollektiv in der sozialen Krankenversi- cherung bestehen wollen, werden wir zu dem vollen Einsatz unserer Repräsentan- ten die berufspolitische Ge- schlossenheit der deutschen Ärzteschaft benötigen und dürfen uns innerorganisatori- sche. ärztliche Polemik und Streit jetzt schon gar nicht mehr leisten!

Seien wir uns alle unserer Verantwortung für -das Allge- meinwohl und unser soziales Gesundheitswesen, für die Gesamtärzteschaft und für die Kassenärzteschaft bei je- der unserer Handlungen, aber auch unserer Äußerun- gen bewußt. Sorgen wir durch Aktivierung und durch intensive Aussprache mit al- len Kolleginnen und Kollegen dafür, daß das so häufig ge- brauchte Wort von der kolle- gialen Solidarität nicht nur im Munde geführt, sondern in Taten täglich gelebt wird.

Nur dann braucht uns um die Zukunft der so bewährten deutschen sozialen Kranken- versicherung und um die Zu- kunft der Kassenärzteschaft und ihrer Rechtsstellung im Gefüge unserer sozialen Si- cherung vielleicht nicht ban- ge zu sein.

5 Köln 41 (Lindenthal) Haedenkampstraße 3

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