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eimtückisch: Nebel, Re- gen, Schnee oder Glatt- eis sorgen in Herbst und Winter innerhalb kürzester Zeit für chaotische Verkehrs- verhältnisse. Kommen über- höhte Geschwindigkeit und zu dichtes Auffahren hinzu, sind Massenunfälle keine Sel- tenheit.So auch Ende September, als auf der Autobahn Salz- burg–Linz mehr als 70 Fahr- zeuge in einen Massenunfall verwickelt wurden. Hierbei starben acht Menschen, und mehr als 50 Personen wurden zum Teil schwer verletzt.
Das Ergebnis eines Massen- unfalls ist meist ein Knäuel in- einander verkeilter Blech- und Eisenteile. Der Unfallhergang ist nicht mehr rekonstruierbar.
Bei einer Massenkarambolage ist der Endzustand der Fahr- zeuge oft nicht festgehalten;
sie werden, um Verletzte zu retten, auseinander gezogen.
Die Vielzahl der Spuren lässt eine eindeutige Zuordnung zu bestimmten Fahrzeugen nicht mehr zu.
Schlimm wäre es für die Be- troffenen, wenn es nach dem geltenden Haftpflichtrecht ginge: Denn danach muss der- jenige, der Schadenersatzan-
sprüche erheben will, die Be- teiligung eines bestimmten Schädigers, seinen eigenen Schaden und den unmittelba- ren kausalen Zusammenhang zwischen beiden nachweisen.
Doch für Beteiligte an Massen- unfällen ist dies oft nicht mög- lich: Sie haben einen Schaden und sind auch möglicherwei- se schuldlos. Als Unfallverur- sacher kommen aber meh- rere Beteiligte in Betracht.
Kann nun ein Geschädigter nicht beweisen, welcher von mehreren möglichen Schuldi- gen für seinen Schaden auf- zukommen hat, ginge er ei- gentlich leer aus.
Eigentlich: Doch die deut- schen Autoversicherer emp- fanden dies schon vor eini- gen Jahren als unbefriedigend.
Deshalb beschlossen sie nach einem Massenunfall auf der Autobahn bei Ludwigsburg im Februar 1976 für solche Unglücksfälle ein besonderes Regulierungsverfahren.
Danach muss der bei ei- nem Massenunfall Geschädig- te nicht die Haftung eines be- stimmten Schädigers nach- weisen, sondern man unter- stellt eine gesamtschuldneri- sche Haftung aller Beteiligten.
„Der Geschädigte kann seine
Ansprüche direkt bei einem vom Gesamtverband der Deut- schen Versicherungswirtschaft mit der Regulierung beauf- tragten Versicherer geltend machen“, erklärt Pressespre- cher Stephan Schweda.
Dieses Verfahren soll grund- sätzlich immer angewandt werden, wenn 50 oder mehr Fahrzeuge beteiligt sind. Bei der Regulierung geht man davon aus, dass alle Unfallbe- teiligten gemeinsam für den Schaden eines jeden Opfers mitverantwortlich sind. An- dererseits nimmt man an, dass auch das einzelne Opfer selbst den Schaden teilweise mitverursacht hat.
Fazit: In der Regel kön- nen Beteiligte ihre Schaden- ersatzansprüche nicht in vol- lem Umfang geltend machen, weil sich der genaue Unfall- hergang nicht mehr nachvoll- ziehen lässt. „Ohne Vollkas- koversicherung müssen viele Unfallbeteiligte einen Teil der Schadenkosten selbst bezah- len“, meint Alois Schnitzer von der HUK-Coburg-Ver- sicherung. Die einzige Mög- lichkeit, seinen Schadener- satz in vollem Umfang gel- tend zu machen: Man kann beweisen, dass der Hinter- mann das eigene Fahrzeug auf den Vordermann gescho- ben hat.
Übrigens: Alle Beteiligten an einer Massenkarambolage werden bei ihrer Autohaft- pflichtversicherung nicht in ihrem Schadenfreiheitsrabatt zurückgestuft. Rolf Combach
Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 4615. November 2002 [83]
V E R S I C H E R U N G E N
Massenkarambolage
Wer für wen zahlt
Bei Schadenersatzansprüchen nach Massenunfällen gilt ein besonderes Regulierungsverfahren.
Kfz-Haftpflicht
Volksfürsorge schließt Lücke
Autofahren ist gefährlich: vier Millionen Unfälle im Jahr, mehr als 7 000 Tote und 500 000 Verletzte. Bei Ver- schulden des Fahrers erhiel- ten Mitfahrer bislang Leistun- gen aus der Kfz-Haftpflicht- versicherung des Fahrzeug- halters. Seit dem 1. August erhalten die Mitfahrer auch dann Leistungen, wenn den Fahrer kein Verschulden trifft.
Nur der Fahrer bleibt – sofern er den Schaden verursacht hat oder kein Schädiger feststell- bar ist – entschädigungslos.
„Um diese Lücke zu schlie- ßen, bieten wir mit der Fahrer- Plus-Versicherung eine bisher einmalige Ergänzung zur Kfz- Haftpflichtversicherung an“, sagt Helmut Kühl, Vorstand der Volksfürsorge, Hamburg.
Die Leistungen erstrecken sich auf Verdienstausfall, Ver- dienstminderung bei Wieder- eintritt ins Berufsleben, die daraus resultierende Renten- minderung,Anwaltskosten und Schmerzensgeld.
Der Beitrag für die „Fah- rer-Plus“-Versicherung be- trägt fünf Prozent des PKW- Haftpflichtbeitrages. Wer zum Beispiel für seinen VW-Golf einen Beitrag von jährlich 250 Euro zahlt, muss für den „Fah- rer-Plus“-Schutz 12,50 Euro an Prämie bezahlen. rco
Reiserücktritt
Attest unabdingbar
Eine schwere Erkrankung im Sinne der Reiserücktrittsko- stenversicherung muss mit einem ärztlichen Attest nachge- wiesen werden. Handelt es sich bei der Erkrankung um ei- nen akuten psychophysischen Erschöpfungszustand, dann muss, wenn der Arzt dies anordnet, zusätzlich ein Facharzt für Psychiatrie aufgesucht werden, um abzuklären, ob eine schwere Erkrankung oder eine sonstige Konfliktsituation für die Beschwerden ursächlich ist.
Unterlässt der Versicherungsnehmer diese Konsultation, braucht die Versicherung keine Schadenersatzleistungen für den Reiserücktritt zu erbringen. (Amtsgericht Tirschen-
reuth, Az.: C 028/02) jlp
Plötzlich einsetzende Schneefälle, Eisregen oder Glätte am Morgen verursachen oft Massenunfälle. Foto: ADAC/gp