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Archiv "Eskimos" (16.06.1988)

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le , fragt er und gesteht ohne Um- schweife ein, jeden Tag auf Post von Lesern zu warten. Es mache ihn un- ruhig, wenn Reaktion ausbliebe.

Zur Ruhe fände er am ehesten am Sonntag, weil dann kein Postbote zu erwarten sei. Ob sein Oeuvre über- leben wird, scheint ihm keineswegs egal. Doch mag er an die Zukunft nicht denken. Dem „hier und jetzt"

gilt seine vorwiegende Aufmerksam- keit. Nicht weniger dem Neubegrei- fen der Zeit aus der Perspektive des Müßiggängers.

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atürlich hat Peter Handke ein gespanntes, in Wahr- heit vielleicht sogar gestör- tes Verhältnis zur Kritik.

Ruhm macht empfindlich. Daß Ben- jamin Henrichs, sein getreuer Leser und Kritiker, ihn angegriffen hat und sich von ihm distanzierte, als die

„Wiederholung" erschien, kränkte ihn. Welche Rolle spielen Bilder beim Schreiben? Ohne könne er nicht arbeiten. Der Traum vom Le- ser der Welt erfülle sich nur in stich- haltigen Hör- und Sehbildern.

Wie verträgt sich sein Erzählen mit der Rhetorik des Schweigens?

„Sicher, ich bin voreilig, ich wollte lange schweigen." Es ist kein Zufall:

In manch einem Satz von Handke entdeckt man die absurden Lehren von Albert Camus wieder. Danach ist der Mensch mehr durch das, was er verschweigt, als durch das, was er sagt. Schweigen ist Gold.

Wie steht er zu dem oft mißver- standenen Romancier? Den „Frem- den" habe er mehrfach gelesen. Bil- der sind ihm geblieben: zum Beispiel der Nachbar, der seinen Hund prü- gelt und dann trauert, wenn dieser nicht mehr da ist. Bilder als Dauer- erinnerungen, die auch seine Schwellenerlebnisse begleiten. Für Handke ist Walter Benjamin der Schwellenkundigste unter den Den- kern und den Literaten. Selbst be- zichtigt er sich, natürlich ohne Skru- pel, der literarischen Fälschung.

Übernahm er doch wörtlich Wörter aus Benjamins Schriften. In der Er- innerung des Kinogängers tauchen die Pferdekutschen aus einem Film von Franwis Truffaut auf. Wo die Steigung hinauf zum Sacr6 Coeur anhebt, spannt ein Kutscher zusätz-

Peter Handke

lich Pferde voran. Die Schwelle als zur Aufmerksamkeit aufrufendes Hindernis führt von der einen zur anderen Welt. „Sie ist ein Ort für sich, ein Übergang." Das klingt wie eine schöne Liebeserklärung. Hand- ke stellt sich als einen Weltreisenden auf der Suche nach den verlorenen Schwellen vor. Eine Sammlung ver- drängter Schwellenbilder könnte das Ergebnis dieser mythischen For- schung sein.

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b, wie M. Eliade heraus- stellt, die Schwelle den Übergang vom Profanen zum Heiligen markiere?

Darauf Peter Handke: „Am Rande der Sprachlosigkeit habe ich bei je- mandem im Haus gelebt. Ich konnte nicht mehr alleine sein." Von der Arbeit kommend, sei er hinunter- gegangen, eher geschlichen. „Die Frau saß in der Küche. Beim Schrei- ben oben hatte ich das Gefühl, etwas zu tun, was sich nicht gehört." Der Schriftsteller als Frevler, der sich im

„Zustand eines Höllendaseins"

sieht und die Schwelle als Blickweg

zur hellerleuchteten Küche mit der darin sitzenden Frau erfährt

Über Politik mit ihm zu reden, ist leichter, als man denkt. Wiewohl sein Haß auf die unverdaute Ge- schichte seiner Heimat ihn zu ein- deutigen Aussagen bewegt, neigt er zur unpersönlichen Polemik. In der Kneipe reagiert er auf die Sprüche eines Österreichers, der sich als Deutscher versteht und Hitler für ei- nen Staatsmann von Format hält.

Wie selbstverständlich rühmt dieser die historische Leistung der Natio- nalsozialisten. Im Gespräch erlebt man Handke ganz empört, auch au- ßer sich, als jemand, der sich in poli- tischen Fragen keinerlei Zurückhal- tung auferlegt: als Vollblut-Gegner der Hakenkreuze, der im literari- schen Tagtraum zu plötzlichen Mordphantasien neigt, wenn der Er- zähler wieder einmal einen Sprayer im Wald auf frischer Tat ertappt.

Zehn Stunden sind verstrichen.

Peter Handke ist für Aufbruch und begleitet seinen Gesprächspartner zum Hotel, wo es ihm Freude berei- tet, dem Portier einen falschen Na- men zu buchstabieren. Der Ab- schied ist von diskreter Komik. Lan- ges Stehen zum kurzen Abgang.

Anschrift des Verfassers:

Heinz-Norbert Jocks Harleßstraße 14 4000 Düsseldorf 1

Phönix aus Sand und Asche

—Die Hohlglaskunst zwischen Karo- lingerzeit und Renaissance wird im Rheinischen Landesmuseum Bonn zur Zeit bis zum 24. Juli und an- schließend vom 26. August bis zum 28. November 1988 in Basel gezeigt.

Die Ausstellung demonstriert, daß das Mittelalter alles andere als eine glaslose Zeit war; sie umfaßt rund sechshundert Objekte, darunter kostbarste intakte Stücke sowie Fragmente neuester Grabungen. kh Eskimos — Das Rautenstrauch- Joest-Museum für Völkerkunde in Köln zeigt zur Zeit bis zum 27. August 1988 die Ausstellung „Eskimo", die sehr eindrucksvoll den Kulturwan- del

verdeutlicht, von dem die Urein-

wohner

der nordamerikanischen Arktis in den letzten zweihundert Jahren betroffen wurden. kl Dt. Ärztebl. 85, Heft 24, 16. Juni 1988 (87) A-1839

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