A-442 (10) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 9, 27. Februar 1998
S P E K T R U M LESERBRIEFE
Aber nicht nur deshalb freue ich mich, auch nicht- deutsche oder „repatriierte“
Patienten zu behandeln.
Dr. med. Andreas von Zedt- witz, Zasiusstraße 8, 79102 Freiburg
Sprachliches
Zu dem Leserbrief „Gründlich mißlun- gen“ von Prof. Dr. med. Wolfgang Sa- eger in Heft 46/1997:
Wer hat nun falsche Assoziationen?
. . . Sicherlich hat Prof.
Saeger recht, wenn er meint, daß viele Mediziner einen Ti- tel wie „Quo vaditis, usurae?“
mit „Wohin geht ihr, Kno- chenrillen?“ übersetzen wür- den und sich gewundert hät- ten, daß anschließend von der Zinsentwicklung die Rede ist.
Die Assoziation an die Bibel würde mit diesem Sprach- schlenker aber nicht aufgeho- ben, sondern sie würde viel- leicht eher als Witzbuch er- scheinen.
Wer aber hat nun „Falsche Assoziationen“? Der Journa- list, der einen geldpolitischen Artikel mit einem Bibelzitat überschreibt? Das Zitat soll
wohl ausdrücken, daß die Zinsentwicklung eine quasi schicksalsträchtige Macht dar- stellt, die sowohl privat- als auch volkswirtschaftliche Be- deutung hat, also uns alle be- trifft. Das mag nicht jeder ver- stehen, ist aber eine zulässige Betrachtungsweise, zu deren sprachlicher Gestaltung auf Zitate aus allen möglichen li- terarischen Werken zurückge- griffen werden kann, auch auf die Bibel. Siehe Büchmann:
„Geflügelte Worte.“ Wenn aber ein Zitat als Verunglimp- fung des Originalwerkes ver- standen wird („Gottesläste- rung“), dann liegt nicht nur ei- ne Assoziations-, sondern eine Denkstörung vor, die in die- sem Fall mit der Darstellung grammatikalischer Finessen verbrämt wird (Freud: Ersatz- handlung). Die persönliche Wertschätzung bis hin zur Heiligkeit eines Legendenbu- ches oder sonstigen literari- schen Werkes verbietet es an- deren nicht, von diesem Buch oder Werk Gebrauch zu ma- chen. Ein solcher Anspruch wäre das, was Bleuler einmal
„undiszipliniert-autistisches Denken“ nannte.
Dr. med. Manfred Grimm, Curschmannstraße 30, 20251 Hamburg
Schimmelpilze
Zu dem Medizinreport „Von Pilzen und anderen Parasiten“ von Dr. rer.
nat. Ferdinand Klinkhammer in Heft 46/1997:
Meßverfahren bereits standardisiert
In dem Artikel heißt es gleich am Anfang: „Obwohl die allergene Wirkung von Schimmelpilzen bekannt ist, fehlt in Deutschland eine Standardmethode zur quanti- tativen und qualitativen Be- stimmung von luftgetragenen Pilzen.“ Ich möchte dem ent- gegensetzen, daß in der Pro- jektgruppe 4 „Arbeitsplatz- bewertung“ im Ausschuß für biologische Arbeitsstoffe un- ter Federführung des Berufs- genossenschaftlichen Insti- tuts für Arbeitssicherheit –
BIA – bereits seit einiger Zeit standardisierte Meßverfah- ren für Mikroorganismen er- arbeitet werden. Entspre- chende Verfahren liegen in der BIA-Arbeitsmappe „Mes- sung von Gefahrstoffen“, Erich-Schmidt-Verlag, veröf- fentlicht vor. Gerade das vom Autor in seinem Tagungs- bericht angemahnte Schim- melpilzmeßverfahren wurde längst vom Bundesministeri- um für Arbeit und Sozialord- nung als Referenzverfahren für Arbeitsplatzuntersuchun- gen als allgemeingültige Technische Regel für Biologi- sche Arbeitsstoffe TRBA 430 im Bundesarbeitsblatt veröf- fentlicht. Die betonte zwin- gende Notwendigkeit von Standardmethoden zur ein- heitlichen Beurteilung von Arbeitsplätzen hinsichtlich der mikrobiellen Belastung
haben wir demnach frühzeitig erkannt und die vorhandene Lücke geschlossen.
Dr. rer. nat. Christoph Dei- ninger, Berufsgenossen- schaftliches Institut für Ar- beitssicherheit, BIA, 53754 Sankt Augustin
Psychotherapie
Zu dem Leserbrief „Abschiednehmen von Staatsfürsorge“ von Dr. med.
Gerda Enderer-Steinfurt in Heft 47/1997:
Entwertende Meinung
. . . In der sogenannten Richtlinienpsychotherapie als Kassenleistung werden aus- schließlich Störungen von Krankheitswert behandelt.
Die gibt es, auch wenn Sie das offenbar nicht kennen und nicht unterscheiden von ei-
nem möglichen „unglücklich sein“. Sigmund Freud hat be- reits darauf verwiesen, daß Psychotherapie nur das neu- rotische Elend in allgemein menschliches Elend umwan- deln kann, das heißt, Psycho- therapie ist nicht dazu da, alle immer glücklich zu machen!
Die Banalität, mit der Sie die Kassenleistung Psycho- therapie als etwas darstellen, was schließlich jedem guttut, wertet die psychotherapeuti- sche harte Arbeit zu „Wohl- fühlstreicheleinheiten“ ab.
Ich führe aber eine psycho- therapeutisch-psychoanalyti- sche Praxis und kein „Institut für Wellness“.
Es ist zumindest verblüf- fend, mit welcher Ignoranz jeder ganz selbstverständlich meint, über Psychotherapie urteilen zu können, ohne sich eingehend damit befaßt zu haben. Bei keinem anderen
Fachbereich würde man sich das erlauben!
Eine Zuzahlung wäre öf- fentlicher Ausdruck genau Ihrer entwertenden Mei- nung. Demgegenüber stehen Kosten durch ineffektive Be- handlung von 30 bis 40 Pro- zent psychogener Störungen
in den Allgemeinpraxen, Störungen, die durchschnitt- lich erst nach sieben (!) Jah- ren zu einer fachpsychothera- peutischen Behandlung über- wiesen werden!
Dr. med. Kalliope Eber- hardt-Rittmann, Marstall- straße 8, 68723 Schwetzingen
A-443 Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 9, 27. Februar 1998 (11)
S P E K T R U M LESERBRIEFE
Geschichte
Zu der Meldung in Heft 48/1997
„Kritik an Streichung des Faches ,Geschichte der Medizin‘“:
Erschreckend
Die kurze Nachricht über die versuchte Streichung des Faches „Geschichte der Me- dizin“ aus der Approbations- ordnung ist Zeichen einer erschreckenden Mentalität.
Ganz abgesehen vom Interes- se, das die Geschichte der
Medizin als Lehrfach zu wecken vermag, wäre es eine Bedrohung der vielbe- schworenen Humanisierung des medizinischen Denkens, wenn die historische Kompo- nente davon vernachlässigt würde. Wenn wir uns weigern und abgewöhnen, über die Vergangenheit nachzuden- ken, sind wir schlecht vorbe- reitet und gerüstet, die Zu- kunft zu gestalten . . .
Aart H. van Soest, Herren- berger Straße 19, 72070 Tü- bingen