A-700 (8) Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 12, 21. März 1997
S P E K T R U M LESERBRIEFE
entsprechen, was der Partner selbst dafür hält. Es kann auch verlangt sein, daß ich dem widerspreche und zuwi- derhandle. Suizidgefährdete werde ich hindern, ihrem Sui- zidwunsch nachzukommen, weil sie dadurch ihrer eigenen Sinnerfüllung zuwiderhan- deln. Dies ist glücklicherwei- se tägliche medizinische Pra- xis. Das letzte Urteil über die ethische Qualität meines Handelns sprechen nicht Dis- kurspartner, sondern mein Gewissen.
Dr. med. Hans Thomas, Ra- fael Hüntelmann, Fried- rich-Schmidt-Straße 20 a, 50935 Köln
Gesundheitspolitik
Zu dem Beitrag „Das Dilemma der Prioritätensetzung“ von Dr. Harald Clade in Heft 3/1997:
Neuordnung zum GSG gescheitert
Eine exzellente Darstel- lung, was alles bei der Kran- kenbehandlung versteckt oder offen kostensenkend oder -steigernd wirken könn- te und im schnellen Wandel des medizinischen Fort- schritts heute der Einklas- sen-, tags darauf Zweiklas- senmedizin förderlich wäre.
Der Patient wäre längst tot, würde er den Entscheid eines
Obersten Gerichts, besetzt vielleicht noch mit ebenso (Arzt-)praxisfernen Spitzen aus KVen und Kassen oder Verbraucherverbänden, ab- warten müssen. Die Autoren dürfen getrost darauf vertrau- en, daß beim Umstieg von zum Beispiel der Röntgen- röhre auf die MR-Tomogra- phie weder der Patient noch der Erfinder derselben zu Schaden käme, bestenfalls der Arzt bekäme den Deckel auf den Kopf, der für seinen Honorartopf bestimmt war.
Es wäre aber denkbar, daß der mündige Patient in gesun- den Zeiten die Tomographie selbst zahlte oder sich mit Herrn Röntgens Erfindung begnügte, in Zeiten aber, wo er sich selbst nicht mehr hel- fen könnte, ihm die Solidar- gemeinschaft unter die Arme griffe. So könnte der Berufe- ne sich frei entscheiden, sein Honorar (das ist etwas ande- res als die von den Autoren sanktionierte Pauschale) in innovative, zukunftsorien- tierte Technologien zu inve- stieren, und bräuchte deswe- gen weder Herz noch Ver- stand am Sprechzimmerein- gang an den Haken zu hän- gen. Dann müßten sich nicht einmal mehr andere statt sei- ner über medizinische Prio- ritäten den Kopf zerbrechen.
Dr. med. Reinhard Prell, Buchhornstraße 1, 38820 Halberstadt
Cannabis
Zu dem Leserbrief „Auf Rolle als Fachleute besinnen“ von Jan Großer in Heft 5/1997:
Nicht standardisiert
Als Fachleute im Ver- gleich Alkohol versus Canna- bis hätten wir erstmal zu prä- zisieren, daß ein Vergleich ei- ner Einzelsubstanz (Alkohol) mit einer Naturdroge (Mari- huana, Haschisch) nicht an- geht. Die „Droge Alkohol“
ist exakt dosierbar, die Halb- wertszeit steht fest, die Wir- kung kann man bei üblicher Dosierung steuern (Abbau von 10 g pro Stunde), die Al-
koholmenge ist beim einzel- nen Genußmittel exakt zu do- sieren (Etikett zeigt Volu- menprozente an, Umrech- nungsfaktor Volumen-Pro- zent zu Gewicht beträgt 0,79) usw. Die einzelnen Ge- brauchsformen sind in der subjektiven Annahme sehr unterschiedlich (Aromastof- fe, Konzentration, Klima).
Cannabis ist hingegen bis heute nicht standardisiert, die einzelnen Schwarzhandels- produkte enthalten sehr un- terschiedliche Alkaloidmen- gen, die Wirkung der nichtal- kaloiden Bestandteile ist kaum durchforscht, das Alka- loid selbst wird nicht verstoff- wechselt (wie der Alkohol),