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Archiv "Gespräch mit Hon.-Prof. Dr. med. Kuno Winn, Vorsitzender des Hartmannbundes „Wenn wir Kostenerstattung anstreben, müssen wir uns der Realität stellen“" (04.03.2011)

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A 438 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 9

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4. März 2011

„Wenn wir Kostenerstattung anstreben, müssen wir uns der Realität stellen“

Der Vorsitzende des Hartmannbundes vertritt weiter sein Konzept, doch er weiß: Um die Versorgungsherausforderungen zu lösen, bedarf es eines ganzen Maßnahmenbündels.

P

rof. Dr. med. Kuno Winn ist ein gelassener, freundlicher Gesprächspartner, aber daran, dass der Vorsitzende des Hartmannbun- des hartnäckig an seinen Überzeu- gungen festhält, kann kein Zweifel bestehen. Das wird deutlich, wenn man mit ihm das Für und Wider einer Kostenerstattung als primäres Abrechnungs- und Vergütungssys- tem in der gesetzlichen Kranken- versicherung (GKV) diskutiert.

Obwohl der Hartmannbund die Delegierten des zurückliegenden Deutschen Ärztetages in Dresden nicht von einem Votum für die Kostenerstattung überzeugen konnte, will Winn einen erneuten Vorstoß beim diesjährigen Ärztetag in Kiel wagen: „Wir müssen uns allerdings überlegen, wie, denn wir haben die politischen Vorgänge der letzten Monate natürlich genau verfolgt.“

Gemeint ist damit, dass Bundes- gesundheitsminister Philipp Rösler zwar mehrfach Sympathien für die Kostenerstattung hat erkennen las-

sen, es in der schwarz-gelben Ko- alition jedoch keine Mehrheit dafür gibt. Winn stellt deshalb auch klar:

„Wenn wir als Hartmannbund wei- ter die Kostenerstattung anstreben, müssen wir uns der Realität stellen.

Das heißt nicht, dass wir von unse- rem Modell abgehen, sondern dass wir prüfen, wie man dieses sukzes- sive einführen kann.“

Der Hartmannbund fordert seit langem, das Sachleistungsprinzip der GKV durch die Kostenerstat- tung mit sozialverträglicher Selbst- beteiligung abzulösen. 2009 hat er ein Konzept vorgelegt: Der Patient würde vom Arzt eine Rechnung auf Basis einer einheitlichen Gebühren- ordnung erhalten, die er zur Erstat- tung bei seiner Krankenkasse ein- reichen müsste. Durch gesetzliche Vorgaben wäre zu regeln, dass kein Patient in Vorleistung gehen muss, sondern die Rechnung bezahlt wird, nachdem die Kasse Geld überwie- sen hat. Eine sozialverträgliche Eigenbeteiligung würde nach den

Vorstellungen des Hartmannbundes die Eigenverantwortung der Versi- cherten stärken, eine Veränderung der Patientenströme zugunsten ver- sorgungsintensiver Fälle bewirken und den Ärzten im Idealfall da- durch mehr Zeit für den einzelnen Kranken lassen.

Das Konzept sieht einen Selbst- behalt über alle Leistungsbereiche in Höhe von maximal zehn Prozent pro Behandlung vor. Versicherte mit geringem Einkommen könnten einen Euro pro Arztbesuch zuzah- len. Die Selbstbeteiligung sollte, so wie heute, generell zwei Prozent des Jahresbruttoeinkommens (bei chronisch Kranken: ein Prozent) nicht übersteigen.

Nicht nur eine Umsetzung dieses Modells ist derzeit nicht in Sicht, auch die Amtliche Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) erscheint aktuell nicht allzu attraktiv im Vergleich zum Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM), weil die amtierende Bun- desregierung überfällige Reformen

DAS GESPRÄCH

mit Hon.-Prof. Dr. med. Kuno Winn, Vorsitzender des Hartmannbundes

Prof. Dr. med. Kuno Winn (66) verknüpft seit langem Medizin und Politik: Seit fast 35 Jahren ist er Hausarzt in Hannover, fast 15 Jahre lang war er Mitglied des niedersächsischen Landtags. Winn trat kurz vor der Bundestagswahl 2009 aus der CDU aus und in die FDP ein. Er ist seit 2005 Vorsitzender des Hartmann- bundes, der als freier Verband Ärzten und Zahnärzten (auch angehenden) offensteht.

ZUR PERSON

Fotos: Georg J. Lopata

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4. März 2011 A 439 daran verzögert. „Mir ist wichtig,

dass wir uns nicht in einer Diskus - sion um die GOÄ verheddern“, be- tont Winn. „Wir plädieren im Rah- men unseres Modells für eine ein- heitliche Gebührenordnung, deren Bewertungen höher ausfallen sollen als heute. Aber wir könnten für ei- ne Übergangszeit auch mit einem EBM in die Kostenerstattung star- ten, wenn wir denn einen wirklich betriebswirtschaftlich kalkulierten Punktwert bekämen.“

Dem Hartmannbund-Vorsitzen- den ist es zudem wichtig, dass die Ärzte in einem Kostenerstattungs- system kein Honorar verlieren. „Im Verband gibt es durchaus die Sor - ge, dass das passieren könnte“, räumt er ein. Andererseits wün- sche die große Mehrheit den Um- stieg, auch, weil dieser neben ord- nungspolitischen Überzeugungen ihrem Selbstverständnis entspreche:

„Manche Kollegen sagen: ,Ich möchte das direkte Verhältnis zum Patienten, auch wenn es um die Be- zahlung geht. Ich möchte, dass mein Patient weiß, was ich alles ge- macht habe, und ich stehe dafür auch gern Rede und Antwort.“

Eine Möglichkeit, die Kostener- stattung in der GKV zu erproben, hat jüngst der FDP-Bundestagsab- geordnete Lars Lindemann ins Ge- spräch gebracht. Seinen Vorschlag, die Vergütung in unterversorgten Gebieten auf ein Kostenerstattungs- system umzustellen, um mehr Ärzte dorthin zu locken, beurteilt Winn jedoch eher zurückhaltend: „Natür- lich bin ich nicht dagegen. Aber wir wissen doch auch, dass die Ärzte diese Gebiete nicht allein deshalb meiden, weil sie dort zu wenig ver- dienen.“

Seiner Ansicht nach sind es eher weiche Faktoren, wie die Kinderbe- treuungsmöglichkeiten, das schuli- sche Angebot oder das öffentliche Verkehrsnetz, die stimmen müssen, damit sich mehr Ärzte in den be- treffenden Gebieten niederlassen.

Zielen Vorschläge aus dem Bun- desministerium für Gesundheit (BMG), Ärzte in strukturschwachen Gebieten von einer Abstaffelung des Honorars auszunehmen und Preiszu- schläge für „besonders för- derungswürdige Leistungs- erbringer“ zu ermöglichen, deshalb in die falsche Rich- tung? „Nein, nein“, antwor- tet Winn, „bitte verstehen Sie mich jetzt nicht falsch.“

Solche Anreize zu setzen, sei sicher sinnvoll und not- wendig, „aber es ist nur ein Aspekt von vielen“. Es gebe keine Einzelmaßnahme, die das Versor- gungsproblem in der Fläche lösen könne. Dazu bedürfe es eines gan- zen Bündels von Maßnahmen.

Wenig anfangen kann er aller- dings mit einer verbindlichen Land- arztquote. Es widerspreche seiner Vorstellung von einem Rechtsstaat, wenn ein Freiberufler mit unterneh- merischem Risiko verpflichtet wer- de, für mehrere Jahre aufs Land zu gehen, sagt Winn: „Der Arzt wäre dann ein Gefangener des Staates.“

Ihm bereitet Sorge, dass die Ver- sorgungsengpässe mittelfristig allen- falls zu lindern, aber wohl nicht zu beheben sind: „Was können die besten neuen Regelungen bewir- ken, wenn ich nicht genügend Ärz- te habe?“ In Mecklenburg-Vorpom- mern, berichtet er, seien aktuell etwa 130 Hausarztsitze nicht be- setzt, zugleich absolvierten aber

auch nur 30 Ärzte ihre allgemein- medizinische Weiterbildung in dem Bundesland. Der ruhige Hartmann- bund-Vorsitzende wird an diesem Punkt erkennbar ärgerlich: „Der Ärztemangel war doch seit langem absehbar. Die Politik hat ihn schlichtweg ignoriert!“ Selbst wenn man jetzt die Studienplatz - kapazitäten in der Humanmedizin deutlich erhöhe, was er befürworte, dauere es durchschnittlich zwölf

Jahre, bis der Ärztenach- wuchs sich als Landarzt niederlassen könne.

Darauf angesprochen, welche Rolle der Hart- mannbund in Zukunft spie- len kann, verweist der Vor- sitzende auf das deutlich verbesserte Verhältnis zum BMG, seitdem es von Phi- lipp Rösler geleitet wird: „Anders als zu Ulla Schmidts Zeiten ist un- ser Rat jetzt wieder gefragt.“ Neben der Lobbyarbeit zählt Winn die in- dividuelle Beratung der nach seinen Angaben circa 45 000 Mitglieder zu den Stärken des Verbandes.

Besonders zu Fragen der Anstel- lung im niedergelassenen Bereich gebe es großen Beratungsbedarf.

Klinikärzte unterstützt der Hart- mannbund bei allen Fragen rund um den Arbeitsvertrag. Stolz ist Winn darauf, dass circa 15 000 Medizinstudierende zu den Mit- gliedern zählen. Diese haben bei- spielsweise in Hospitationspro- grammen die Möglichkeit, Land- praxen kennenzulernen. „Wir müs- sen über jeden Studierenden froh sein, der auf diese Weise den Weg in die Niederlassung findet“,

meint Winn. ■

Jens Flintrop, Sabine Rieser

Anders als zu Ulla Schmidts Zeiten als Bundesgesundheits- ministerin ist unser

Rat jetzt wieder gefragt.

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Referenzen

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