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Archiv "Hochschulen und Staatsverschuldung: Das Beispiel Lübeck" (24.02.2012)

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A 356 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 109

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Heft 8

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24. Februar 2012

KOMMENTAR

Hans Christoph Zabel, Medizinstudent an der Universität zu Lübeck

D

er Studiengang Medizin in Lü- beck wird nicht geschlossen.“

Das ist der Satz, den Bundesbildungs- ministerin Annette Schavan im Juli 2010 in Anwesenheit von Peter Harry Carstensen, Ministerpräsident in Schleswig-Holstein, in die Kameras sagte. Er markiert den Sieg derer, die unter dem Motto „Lübeck kämpft für seine Uni“ beharrlich und entschlossen gegen die Absicht der Landesregie- rung, den Studiengang Humanmedizin einzustellen, protestiert hatten. Aber

warum sollte die Medizinische Fakultät überhaupt geschlossen werden?

Wenn es in diesen Tagen um Fi- nanzpolitik geht, dann meist um die Zukunft des Euro und die Staatsver- schuldung einiger Länder. Die Griechen sind auf Kredite angewiesen, die zu be- dienen ihnen aber die Gläubiger nicht mehr zutrauen. Deswegen werden auf europäischen Gipfeln immer neue

„Rettungsschirme“ beschlossen, wel- che die Staatshaushalte der Partner- länder belasten. Doch auch ohne diese Zusatzbelastung befinden sich die Haushalte der Bundesrepublik auf Bun- des-, Länder- und Kommunalebene in einem defizitären Zustand. Deshalb be- schloss die Föderalismuskommission 2009 die Einführung der „Schulden- bremse“. Damit verpflichteten sich die Bundesländer, ihre Nettoneuverschul- dung bis 2020 auf null zu senken.

Ministerpräsident Carstensen ver- gleicht die Lage Schleswig-Holsteins gern mit der Griechenlands. Der Lan- deshaushalt 2010 wurde zu rund 17 Prozent über Schulden finanziert. Die schwarz-gelbe Landesregierung erklär- te die Haushaltskonsolidierung zu ih- rem wichtigsten Ziel, und das Kabinett beschloss ein umfangreiches Sparpa- ket. Eine Maßnahme sah vor, das Me- dizinstudium in Lübeck einzustellen, um 25 Millionen Euro jährlich einzu-

sparen. Hinter dieser Maßnahme ver- barg sich eine Reihe weitreichender entweder nicht bedachter oder – schlimmer noch – kalkulierter Konse- quenzen. So muss man wissen, dass die Universität zu Lübeck eine Schwer- punkthochschule ist und außer Medizin nur noch Informatik und einige weitere naturwissenschaftliche Studiengänge anbietet, die in Forschung und Lehre aber so eng mit der Medizin verknüpft sind, dass sie allein nicht überlebensfä- hig sind. Wären die anvisierten 25 Mil-

lionen Euro tatsächlich jährlich einge- spart worden, hätte die Universität die Hälfte ihres Gesamtbudgets eingebüßt.

Es ging also nur vordergründig darum, einen Studiengang einzustellen. Letzt- lich war die Schließung einer ganzen Universität geplant und damit all das gefährdet, was in ihrem Umfeld ge- wachsen ist.

Es waren jedoch nicht nur diese Ar- gumente, die viele Bürger überzeugten, sich der Aktion „Lübeck kämpft für sei- ne Uni“ anzuschließen. Der Protest speiste sich auch aus der Empörung über die Art und Weise, wie die Ent- scheidung getroffen wurde. So war im Vorfeld kein Kontakt mit der Universität aufgenommen worden, der Beschluss traf alle – die Universitätsleitung einge- schlossen – aus heiterem Himmel. Au- ßerdem wurde zugegeben, dass Krite- rien wie die Qualität keine Rolle ge- spielt haben. Man bestritt nicht, dass Lübeck in Forschung und in Lehre her- vorragende Ergebnisse liefere.

Auch wenn die schleswig-holsteini- sche Landesregierung sicherlich un- klug und fahrlässig handelte, stand sie einem Problemkomplex gegenüber, mit dem grundsätzlich alle Bundesländer konfrontiert sind. Angesichts der Tatsa- che, dass es sich bei der Mehrzahl der Staatsausgaben um Fixkosten wie bun- desweit vereinbarte Sozialleistungen

oder Pensionszahlungen handelt, ist die Versuchung groß, im Bereich der Bildung und Forschung zu kürzen. Da die Länder für den Bereich Bildung seit der ersten Föderalismusreform allein- verantwortlich sind, ist dem Bund sogar gesetzlich verwehrt, hier helfend einzu- greifen (Kooperationsverbot). Im Fall Lübeck half der Bund über einen Um- weg: Das Meeresforschungsinstitut in Kiel wurde in ein Helmholtz-Zentrum umgewandelt und der Landeshaushalt damit entlastet.

Natürlich müssen die Haushalte der Länder konsolidiert werden. Allerdings kann die Konsequenz nicht sein, dass an den Schulen gekürzt und Hochschu- len geschlossen werden. So beraubt sich ein Land seiner Zukunft und wird langfristig abgehängt. Wenn Regierun- gen sich zu solchen Schritten genötigt sehen, ist dies das untrügliche Zeichen dafür, dass man bereits überfordert ist.

Die Politik ist dann nicht mehr in der Lage, so zu handeln, wie es die Zu- kunftssicherung gebietet.

Eine breite gesellschaftliche Debatte darüber, welche Aufgaben der Staat auf seinen verschiedenen Ebenen auch in Zukunft wahrnehmen soll und wie er dann in die Lage versetzt werden kann, diese – möglicherweise auch durch Er- höhungen der Staatseinnahmen – zu erfüllen, ist längst überfällig. Die weite- re Schuldenaufnahme ist keine Option.

Es geht aber auch nicht, dass sich eine Handvoll Politiker unter Ausschluss der Öffentlichkeit zusammensetzt und nach rein fiskalischen Gesichtspunkten den Haushalt so zusammenstreicht, dass die Schuldenbremse eingehalten wird.

Die Bürger müssen eingebunden und Betroffene zu Beteiligten gemacht wer- den. Wir sollten uns aber auch selbst einbringen und nicht warten, bis erneut politische, angeblich alternativlose Ad- hoc-Entscheidungen getroffen werden.

HOCHSCHULEN UND STAATSVERSCHULDUNG

Das Beispiel Lübeck

P O L I T I K

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