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Archiv "Bei der Behandlung empirisch vorgehen: Myositiden" (26.03.1987)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Myositiden zählen zu den häufigsten erworbenen Muskelerkran- kungen. Die vermutete Immunpathogenese der Poly- und Dermato- myositis begründet deren immunsuppressive Behandlung. Je ra- scher die bisweilen schwierig zu diagnostizierenden Erkrankungen festgestellt und behandelt werden, um so besser ist die Aussicht auf Heilung. Der Therapieerfolg muß regelmäßig kontrolliert werden.

Bei der Behandlung empirisch vorgehen:

Myositiden

Reinhard Rohkamm und Hans Georg Mertens

M

yositis ist eine Entzün- dung des gefäßführen- den interstitiellen Bin- degewebes im Skelett- muskel mit Beteiligung der Muskel- fasern. Der entzündliche Prozeß kann allein die Muskulatur betreffen (Polymyositis, lokale Myositis), zu- sätzlich charakteristische Hautver- änderungen hervorrufen (Dermato- myositis) oder andere Organe mit- einbeziehen (zum Beispiel Raynaud- Syndrom, kardiale , gastrointestina- le, pulmonale Beteiligung). Wegen der anfangs guten Behandlungsaus- sichten ist eine frühzeitige Diagnose und Abgrenzung gegenüber anderen neuromuskulären Erkrankungen wichtig.

1. Myositiden

mit bekannter Ursache

Diese entzündlichen Muskeler- krankungen sind weltweit am zahl- reichsten vertreten (1). Bakterien (Staphylokokken, Clostridien, Tre- ponemen, Mykobakterien), Parasi- ten (Protozoen, Zestoden, Nemato-

den) und Pilze (Aktinomyces, Can- dida) sind die Erreger; in Europa al- lerdings selten. Viren kommen auch in unseren Breiten als Ursache von Myositiden in Betracht (Tabelle 1).

Die Beschwerden sind überwiegend kurzdauernd, und ihre Behandlung ist symptomatisch (Analgetika, Wa- denwickel). Leichte Ermüdbarkeit, Schwächegefühl und Muskelschmer- zen können nach einem akuten vira- len Infekt (besonders Influenza, Enteroviren, infektiöse Mononu- kleose) über Wochen bis Monate hartnäckig bestehen bleiben, bis sie spontan sistieren (postviral fatigue syndrome) (13).

2. Myositiden

mit unbekannter Ursache

In der hiesigen Praxis zählt diese Krankheitsgruppe zu den häufigsten erworbenen Muskelerkrankungen.

Es gibt keine krankheitsspezifischen Zeichen für die verschiedenen Mani- festationsformen, deshalb fehlt eine eindeutige Klassifikation. Eine ein- fache Einteilung ist in Tabelle 2 auf-

Abbildung 1: Hautveränderungen im Handbereich bei Dermatomyositis. Rötung und Ödem sind besonders über den Fin- gergelenken und um die Nägel hemm vor- handen. 46jährige Patientin

geführt. Pathogenetisch wird eine Störung innerhalb des Immunsy- stems vermutet, ohne daß etwas über die auslösenden Faktoren be- kannt ist (10, 21).

2.1 Isolierte

Poly-/Dermatomyositis

Die Inzidenz wird auf vier bis fünf Fälle pro Million der Gesamt- bevölkerung geschätzt (13). Jedes Lebensalter kann betroffen sein, wobei sich die meisten Erkrankun- gen zwischen dem 5. und 15. bezie- hungsweise 50. bis 60. Lebensjahr manifestieren. Frauen erkranken häufiger als Männer. Es gibt akute, chronische und häufigere subakute Formen. In verschiedenen Alters- gruppen sind besondere Verlaufsfor-

Neurologische Klinik und Poli- klinik (Direktor: Professor Dr. med.

Hans Georg Mertens) der Julius- Maximilians-Universität zu Würzburg

(2)

Erreger Influenza A, B;

Parainfluenza;

Adenovirus 2

Coxsackie B 5 (auch Bl, 3, 4)

Influenza A, B;

Coxsackie B5;

Echo 9;

Adenovirus 21;

Herpes simplex;

Epstein-Barr

Symptome Kinder: Wadenschmerzen (epidemisch, sporadisch) Erwachsene: Schmerzen Rücken, Oberschenkel (sporadisch). CK erhöht Kinder häufiger als Erwachse- ne. Fieber, Kopfschmerzen, starke Myalgien (Thorax, Rücken, Schulter, Bauch) Notfall. Starke allgemeine My- algien. CK stark erhöht. Myo- globinurie (Niere!)

Krankheitsbild Benigne akute Myositis

Epidemische Pleurodynie (Bornholmsche Erkrankung) Akute Rhabdo- myolyse

Tabelle 1: Virale Myositiden men möglich. Daneben treten selten

eigenständige Variationen dieser Myositiden auf (Sonderformen).

2.1.1. Polymyositis (PM) Zur Diagnose führen klinische, klinisch-chemische, elektromyogra- phische und bioptische Kriterien (Tabelle 3).

1. Der klinischen Symptomatik kommt bei der diagnostischen Zu- ordnung das größte Gewicht zu. Die Erkrankung beginnt meist mit einer Schwäche der Beine (zum Beispiel Treppensteigen erschwert). Im spä- teren Verlauf sind die proximalen Muskeln an Armen und Beinen an- nähernd gleich und weitgehend sym- metrisch betroffen. Gegenüber den Muskeldystrophien und den spina- len Muskelatrophien schreiten die Lähmungen rascher fort, und die Betroffenen werden oft in Wochen bis wenigen Monaten gehunfähig.

Bei der Polymyositis ist im Krank- heitsbeginn durch eine Schwäche des M. deltoideus die Abduktion der Arme im Schultergelenk behindert, ohne daß eine Scapula alata auftritt.

Die Oberschenkelmuskulatur wird häufig gleichmäßiger als bei den Muskeldystrophien befallen. Ei- ne Schwäche der Nackenbeugemus- keln sowie Schluckstörungen (50 Prozent der Myositis-Patienten) feh- len bei den Dystrophien fast immer.

Die Augenmuskeln sind bei der Polymyositis stets verschont (Aus- nahme: okuläre Myositis, aber ohne Beteiligung der Skelettmuskulatur), und die Gesichtsmuskeln sind selten geschwächt. Von einer Myositis be- troffene Muskeln können druck- empfindlich sein oder bei Bewegun- gen schmerzen (50 bis 70 Prozent der Fälle). Muskelatrophien folgen den Paresen erst nach längerer Zeit und sind vor allem am M. Quadri- ceps erkennbar. Bindegewebige Kontrakturen können sich rasch ent- wickeln. Die Muskeldehnungsrefle- xe sind auslösbar, solange noch funktionsfähige Muskulatur vorhan- den ist.

Die Einordnung der Polymyosi- tis in die Gruppe der Kollagen- krankheiten wird durch wechselnde

Abbildung 2: Hautveränderungen bei Der- matomyositis. Fokale Hautatrophien, Ulze- rationen und kleine Blutungen, besonders an den Fingerspitzen und am Nagelwall.

42jähriger Patient

Begleiterscheinungen (2,6) wie schmerzhafte Gelenkschwellungen (30 bis 50 Prozent), Erytheme (25 Prozent) , Konjunktivitis, Raynaud- Syndrom (20 bis 30 Prozent), Fieber und Gewichtsverlust nahegelegt. Bei der Hälfte der Patienten zeigt sich eine kardiale Beteiligung etwa als atrioventrikuläre Leitungsstörung, Arrhythmie. Eine diffuse intersti- tielle Lungenfibrose kann ebenfalls auftreten.

2. Enzyme des Sarkoplasmas (Kreatinkinase ECK], Aldolase, Laktatdehydrogenase [LDH], Glu- tamat-Pyruvat- [GPT] und -Oxalaze-

tat-Transaminase [GOT]) sind je nach Ausbreitung und Aktivität des Krankheitsprozesses in ca. 90 Pro- zent der Fälle erhöht (11). Gegen- über den chronischen Denervations- prozessen (wie spinale Muskelatro- phien, myatrophe Lateralsklerose) und den dominanten Formen (zum Beispiel myoton, fazio-skapulo-hu- meral) vererbter Muskeldystrophien sind die Enzym-Erhöhungen bei der Polymyositis in der akuten Krank- heitsphase deutlich höher. Eine Blutsenkungsbeschleunigung findet sich in 30 bis 50 Prozent.

3. Die Elektromyographie (EMG) dient nicht zur Definition des Schweregrades der Erkrankung.

Sie liefert in etwa 90 Prozent der Fälle pathologische, wichtige Verän- derungen, die aber unspezifisch sind A-802 (42) Dt. Ärztebl. 84, Heft 13, 26. März 1987

(3)

Tabelle 2:

Einteilung der Myositiden mit unbekannter Ätiologie (nach 6) Isolierte PM/DM (Skelettmuskulatur/Haut befallen) + akute — subakute — chronische Verlaufsformen + Infantile PM

+ Juvenile DM

Kombinierte PM/DM (Skelettmuskulatur/Haut und an- dere Organe zusätzlich befallen (20-30 Prozent)) + Bei systemischen Lupus erythematodes, rheumatoi-

der Arthritis, progressiver Systemsklerose, Panarte- riitis nodosa und verwandten Vaskulitiden, Sjögren- Syndrom, Sharp-Syndrom (MCTD), Polymyalgia rheumatica

+ Medikamentös induziert (selten)

PM/DM bei Neoplasien (paraneoplastisch; durch- schnittlich 20 Prozent der Fälle, altersabhängig!) Gruppe 1

Gruppe 2

Gruppe 3

Tabelle 3: Diagnostische Kriterien für Poly-/Dermatomyositis

1. Charakteristisches Syndrom (siehe Text)

2. Erhöhte sarkoplasmatische Enzyme (besonders CKMM, Aldolase, GOT, GPT, LDH); Myoglobin erhöht

3. EMG-Veränderungen (pathologische Spontanaktivität; kleine, kurzdauernde, polyplastische Muskelaktionspotentiale)

4. Pathologischer Biopsiebefund („myositische Gewebsveränderun- gen")

Wenn alle 4 Kriterien erfüllt sind: sichere Diagnose; bei 3 Kriterien:

wahrscheinliche, und bei 2 Kriterien: mögliche Diagnose (nach 3)

2.1.2 Dermatomyositis (DM)

Begleiten charakteristische Hautveränderungen eine Polymyosi- tis, dann bereitet die Diagnose weni- ge Schwierigkeiten. Jedoch sind die Hautveränderungen manchmal so gering und vorübergehend vorhan- den, daß sie übersehen werden kön- nen. Wegweisend sind Erythem und ödematöse Schwellungen; bevorzugt sind der Sonne ausgesetzte Partien (Augenlider, Wangenpartien, vor- dere Hals- und Brustregion sowie Streckseiten der Extremitäten, ins- besondere Finger, Ellenbogen und Knie). Blaurote oder lilafarbene

„heliotrope" Verfärbungen beste- hen manchmal als einzige Verände- (12). Sie nutzt nicht in der Therapie-

kontrolle, kann aber im Verlauf der Behandlung den Verdacht auf ein Rezidiv untermauern.

4. Die Muskelbiopsie sollte vor Behandlungsbeginn an einem mittel- gradig geschwächten Muskel als of- fene Biopsie durchgeführt werden (meist M. biceps brachii oder M.

quadriceps). Sie liefert in 60 bis 80 Prozent myositische Gewebsverän- derungen (19). Die Gewebsentnah- me von distalen Muskeln liefert meist keine eindeutigen Befunde (Ausnahme zum Beispiel M. ga- strocnemius bei Panarteriitis noda- sa). Wegen der herdförmigen Ver- teilung des Entzündungsprozesses im Muskelgewebe können auch bei sorgfältiger Wahl des Biopsieortes entzündliche Gewebsveränderungen verfehlt werden (erneute Biopsie notwendig).

rung. Skleromatöse Verdickungen mit Hyperpigmentation neben einer Vitiligo sind häufig. Am Nagelwall finden sich oft kleine Blutungen, Te- leangiektasien und fokale Hautatro- phien. Bei Kindern können subkuta- ne Kalkablagerungen vorhanden sein. Die Hautveränderungen sind bisweilen ohne erkennbare klinische Symptomatik einer Myopathie prä- sent. Gegenüber einer Polymyositis ist der Verlauf der Dermatomyositis akuter, die Muskelschwäche ist stär- ker ausgebildet, und die Mortalität ist höher. Die Dermatomyositis tritt

meist vor dem 40. Lebensjahr, oft in

der ersten Lebensdekade auf. Neo- plasien finden sich bei der Dermato- myositis insgesamt sechsmal häufi- ger als bei einer Polymyositis (3,4). >

Abbildung 3: Erythem und Verdickungen der Haut bei Dermatomyositis im Gesichts- bereich (Nase, Jochbeinregionen). 16jähri- ger Patient

(4)

Syndrom Maßnahmen Tabelle 4:

Ubersicht des Behandlungsplanes bei Poly-/Dermatomyositis

Prednisolon (z. B. Solu-Decortin®H) als Kurz- infusion: 3 Tage je 500 mg/24 h, dann 3 Tage je 250 mg/24 h, dann weiter mit oraler Behand- lung (s. u.).

Wenn keine Besserung innerhalb 6 Tagen, Cy- clophosphamid (z. B. Endoxan®) 3 Tage je- weils 5 mg/kg/24 h i. v., dann 3 Tage 2,5 - 3 mg/

kg/24 h, dann weiter oral 1 mg/kg/ 24 h.

Austausch oder Wechsel mit Azathioprin (Imu- rek®) möglich.

Wenn insgesamt kein Erfolg nach 6-10 Tagen, besondere Therapie anwenden (s. u.).

Akute PM/DM mit schweren Lähmungen (selten)

Orale Therapie mit Prednison (z. B. Decortin®) als morgendliche Einzelgabe 2-4 Wochen 100 mg/24 h, dann 4-6 Wochen 1 mg/kg/24 h.

Wenn Therapieerfolg, Reduktion um 5 mg alle 2-4 Wochen bis auf 50 mg/24 h. Dann eventuell Umstellung auf alternierende Einnahme, indem alle 2-4 Wochen jeden zweiten Tag 5 mg redu- ziert wird, bis 50 mg/48 h erreicht ist.

Bei anhaltendem Erfolg alle 4-8 Wochen 5 mg reduzieren bis Erhaltungsdosis 25 mg/48 h er- reicht ist. Diese nur sehr vorsichtig um 2,5 mg alle /1 8 Wochen reduzieren (oft Exazerbatio- nen). Bei Verschlechterung vorletzte Dosis wie- deraufnehmen.

Zusätzlich bei allen Patienten Azathioprin (Imurek®) 2-3 mg/kg/24 h. Wenn kein Behand- lungserfolg nach 6-8 Wochen, besondere The- rapie anwenden (s. u.).

Akute PM/DM mit leicht- bis mittelgradigen Lähmungen oder subakute PM/DM (häufig)

Chronische PM/DM (selten)

Prednison (z. B. Decortin®) wie vorstehend.

Wenn keine Wirkung nach 3-6 Monaten, mit Azathioprin (Imurek®) kombinieren (s. o.).

+ Plasmaaustausch: Medikation belassen. 4-6 Austausche (jeden zweiten Tag; 5 Prozent des Körpergewichtes), dann Wirkung über eine Woche abwarten.

Anschließende Austausche einmal wöchentlich können weiter therapeutisch erfolgreich sein.

+ Experimentelle Behandlungen (nur in thera- pieresistenten Situationen): Ganzkörperbe- strahlung , Thymektomie, Ciclosporin A.

Besondere Therapie

Ulkusprophylaxe, Osteoporoseprophylaxe, Thromboembolieprophylaxe, Physiotherapie, eiweißreiche Ernährung. Bei Zoster Aciclovir (Zovirax®).

Entsprechende Therapie von Zusatzerkrankun- gen (z. B. Diabetes mellitus, Tuberkulose).

Zusätzliche Maßnahmen

2.2 Kombinierte

Poly-/Dermatomyositis

Das Krankheitsbild wird noch bunter, wenn eine Poly-/Dermato- myositis in 20 bis 30 Prozent der Fäl- le zusammen mit einer anderen Autoimmunerkrankung auftritt (Mischkollagenose, „overlap-syn- drome") (6). Die Myopathie zeigt sich klinisch in einer proximalen Muskelschwäche, leichter Ermüd- barkeit und Myalgien. Als definierte Krankheitsbilder (Gruppe 2 in Ta- belle 1) sind in absteigender Häufig- keit progressive systemische Sklero- se, systemischer Erythematodes, rheumatoide Arthritis, Panarteriitis

Abbildung 4: Erythem und Verdickungen der Haut bei Dermatomyositis im Rücken- bereich. 16jähriger Patient

nodosa, Polymyalgia rheumatica und Sjögren-Syndrom zu berück- sichtigen. Mit „mixed connective tissue disease" (MCTD, Sharp-Syn- drom) wird ein Krankheitsbild aus sich klinisch überschneidenden Sym- ptomen von progressiver systemi- scher Sklerose, systemischem Ery- thematodes, Raynaud-Syndrom und Polymyositis bezeichnet (Nachweis

A-806 (46) Dt. Ärztebl. 84, Heft 13, 26. März 1987

(5)

Anheben des Kopfes:

Haltezeit (10 cm über Unterlage) in Sekunden Anheben beider Beine:

Haltezeit (Ferse 15 cm hoch) linkes Bein (Sekunden) rechtes Bein (Sekunden)

Aufrichten des Oberkörpers ohne Armhilfe Liegender Patient

(flach, ohne Erhöhung des Kopfteils)

Tabelle 5: Klinische Messung der Muskelkraft

Frei stehender Aufstehen aus dem Sitzen ohne Armeinsatz Patient Sitzhöhe (z. B. Drehhocker) in cm

Anheben der Arme über Schulterhöhe zur Seite beidseits gleichzeitig

Halten der ausgestreckten Arme in Sekunden Ersteigen einer Stufe ohne Hilfe:

Stufenhöhe rechtes Bein in cm Stufenhöhe linkes Bein in cm

Schluckstörungen:

leicht — mittel — stark Atemstörungen:

Vitalkapazität in Liter Hautveränderungen:

leicht — mittel — stark Eventuelle

Zusatzbefunde unter anderem durch Antikörper ge-

gen extrahierbares nukleäres Anti- gen, ENA, und Ribonukleoprotein, RNP [2]). Die Myositis ist hierbei prognostisch günstig und gut mit Kortikosteroiden zu behandeln. Me- dikamente wie D-Penicillamin, Sul- fonamide und Cimetedin können selten eine Myositis induzieren.

2.3 Poly-/Dermatomyositis bei Neoplasien

Maligne Neubildungen treten bei Poly-/Dermatomyositis etwa fünfmal häufiger als in der Gesamt- bevölkerung auf (18), wobei erheb- liche Schwankungen in den Alters- gruppen vorhanden sind (zum Bei- spiel bei Dermatomyositiden im Kindesalter keine erhöhte Rate, bei über 40jährigen Männern eine Rate an Tumoren von 60 bis 70 Prozent).

Die Häufigkeitsverteilung maligner Neoplasien entspricht der der allge- meinen Tumorhäufigkeit (meist Karzinome der Lungen, des Magen- Darm-Traktes, der Mamma, der Ovarien).

Die klinischen Zeichen von Myositis und Tumor können zeitlich voneinander abweichen, wobei sich beide Erkrankungen meist innerhalb Jahresfrist zeigen.

Bei Kombination der Poly-/Der- matomyositis mit anderen Kollagen- krankheiten (Gruppe 2 in Tabelle 1) sind Tumoren selten. Wenn eine operative Entfernung des Tumors erfolgen kann, ist in etwa 75 Prozent der Fälle eine Besserung der Myosi- tis zu erwarten.

Da kein Symptom eine Myositis mit Sicherheit von der Kombination mit einem Tumor ausschließt, ist bei jeder Poly-/Dermatomyositis nach einem malignen Prozeß zu fahnden, besonders, wenn sich die immunsup- pressive Behandlung als wenig wirk- sam erweist.

Wir führen bei allen Patienten in mindestens jährlichen Abständen eine detaillierte klinische Untersu- chung, „Routine"-Laboruntersu- chungen, Thoraxaufnahme (und Mammographie) durch. Bei patho- logischen Befunden werden weitere Untersuchungen gezielt angeschlos- sen (5).

2.4 Seltene Myositiden (Sonderformen)

Die eosinophile Myositis (Diffe- rentialdiagnose zur eosinophilen Fasziitis) tritt im Rahmen eines hy- pereosinophilen Syndroms oder als sklerodermie-ähnliches Krankheits- bild mit schmerzhaften Anschwel- lungen der Muskulatur auf.

Eine granulomatöse Myositis findet sich bioptisch nicht nur bei ei- ner Sarkoidose, sondern auch zum Beispiel bei einer Hyperthyreose und bei paraneoplastischen Myopa- thien (9). Für die Annahme einer Sarkoidose muß deshalb der Befall anderer Organe und Gewebe nach- gewiesen werden.

Die Einschlußkörper-Myositis befällt meist Männer in den Sechzi- gern mit Beteiligung auch distaler Muskelgruppen (Differentialdiagno- se zu einer Polyneuropathie). Die Myositis ossificans kann sich als um- schriebene Kalkeinlagerung (hetero- tope oder ektope Ossifikation) zum Beispiel bei Polytrauma, lokalem Trauma, Hüfttotalendoprothese zei- gen oder sich generalisiert im Kin-

desalter (Myositis ossificans progres- siva) manifestieren. Eine okuläre Myositis befällt isoliert die Augen- muskeln (Differentialdiagnose zur endokrinen Orbitopathie). Ein loka- ler, schmerzhafter, gutartiger (Pseu- do)Tumor stellt sich bei der fokalen Myositis ein. Hierbei wie auch bei der Myositis fibrosa generalisata ist der histologische Befund wegwei- send (17).

2.5 Therapieempfehlungen

Ziele der Behandlung sind Er- haltung und Verbesserung der Mus- kelkraft sowie die Prophylaxe von Kontrakturen. Die ersten beiden Ziele sind für die immunsuppressive Therapie bedeutsam, wobei zusätz- lich bedrohliche Komplikationen wie Schluck-, Atem- und kardiale Störungen das Ausmaß der Behand- lung bestimmen. Die Begründung für die immunsuppressive Behand- lung liegt in den Indizien zur Im- munpathogenese der Poly-/Derma- tomyositis. Jede Behandlungsmaß-

(6)

nahme ist empirisch, da es keine ausreichend statistisch abgesicherten Therapiestudien gibt. Die Behand- lung sollte stationär begonnen und kann meist nach etwa drei bis sechs Wochen ambulant fortgeführt wer- den.

Verschiedene Behandlungsmög- lichkeiten sind von Bedeutung (1, 8, 14, 15, 20). Kortikosteroide und zy- tostatische Substanzen werden von uns kombiniert eingesetzt. Eine Plasmaaustausch-Behandlung (16) wird von uns bei akuten und subaku- ten Myositiden mit schwergradigen Lähmungen unter ausreichender Im- munsuppression (Tabelle 4) begon- nen. Besonders bei Dermatomyosi- tiden haben wir damit Besserungen beobachtet.

Eine Thymektomie und Ganz- körperbestrahlungen wurden verein- zelt in aussichtslosen Behandlungssi- tuationen versucht.

2.5.1 Therapie-

überwachung notwendig

Der Therapieplan muß von ei- ner Betreuung über lange Zeiträume ausgehen (4 bis 10 Jahre). Deshalb sind negative Folgen der Therapie von krankheitsbedingten Beschwer- den abzugrenzen.

Die Beurteilung des Behand- lungserfolges im Einzelfall wird durch Spontanheilungen erschwert.

Die Langwierigkeit der Behandlung begründet ihre Schwierigkeiten. Die Patienten sind oft nicht bereit, über lange Zeiträume diverse Medika- mente einzunehmen. Das gilt vor al- lem, wenn sichtbare Nebenwirkun- gen auftreten oder eine eindrucks- volle Besserung der Beschwerden ausbleibt. Komplikationen sind bei chronischer Therapie mit zuneh- mender Behandlungsdauer immer wahrscheinlicher und reichen vom Zoster über eitrige Infektionen, Dermatomykosen, Tuberkulose bis hin zu Spontanfrakturen bei Osteo- porose. Zusätzliche Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Leber- erkrankungen oder Neoplasien kön- nen schwere Behandlungsprobleme aufwerfen. Die psychische Bela- stung für den Patienten nimmt mit der Therapiedauer zu.

Vor Beginn der Immunsuppres- sion sollte nach Tuberkulose, chro- nischen Infekten (Gallenblase, Nie- ren usw.), Hypertonus, Diabetes mellitus, gastrointestinalen Ulzera oder Osteoporose gesucht werden.

Infekte müssen während der Thera- piephase frühzeitig antibiotisch be- handelt werden. Sie können sonst zu einer Exazerbation der Myositis füh- ren.

Unsere derzeitige Therapie ist in Grundzügen in Tabelle 4 wieder- gegeben. Für die Kontrolle des Be- handlungserfolges ist es wichtig, den anfänglichen Grad der Beeinträchti- gung und dessen Veränderung alle ein bis drei Monate zu dokumentie- ren. Eine alleinige Beobachtung der sarkoplasmatischen Enzyme im Se- rum und die Feststellung ihrer Nor- malisierung ist keine ausreichende Dokumentation. Die beste Verlaufs- kontrolle ist die Bestimmung der Muskelkraft (Tabelle 5).

Bei der Beurteilung der Unter- suchungsergebnisse sollte man sich über die Subjektivität der Meßwerte im klaren sein. Anfangs wöchent- liche, nach drei bis vier Monaten zweiwöchentliche und nach einem halben Jahr monatliche Kontrollen der klinisch-chemischen Befunde (besonders BKS, Blutbild; etwa vier bis achtwöchentlich „Leberwerte", CK, Elektrolyte) sind notwendig, um Nebenwirkungen der Therapie zu beurteilen. Antikonzeption wäh- rend der Immunsuppression.

2.6 Prognose

Bei frühzeitiger Behandlung ist in 60 bis 80 Prozent einer Myositis (Gruppe 1) mit einer vollständigen Heilung innerhalb von zwei bis fünf Jahren zu rechnen. In etwa 25 Pro- zent der Fälle treten in den ersten zwei Jahren nach Krankheitsbeginn Rezidive auf (7). Deshalb sollte ein Versuch mit allmählichem Absetzen der Medikamente nicht vor einem mindestens zweijährigen beschwer- defreien Intervall und nicht vor zwei bis drei Jahren ununterbrochen durchgeführter Behandlung unter- nommen werden. Die Prognose bei den Myositiden der Gruppen 2 und 3 ist schlechter als in Gruppe 1 (Tabel-

le 2). Nach durchschnittlich vier Jah- ren Behandlungsdauer sind etwa 75 Prozent nicht oder nur leicht behin- dert, wobei eine unzureichende An- fangsbehandlung die Prognose ver- schlechtert.

2.6.1 Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt

In akuten Krankheitsstadien be- steht Arbeitsunfähigkeit. Körper- liche Belastungen sind zu vermei- den, passive krankengymnastische Behandlung kann angemessen erfol- gen. Hat sich die Erkrankung stabili- siert (Normalisierung der Muskel- kraft und der CK) und liegt die Prednison-Dosis bei 50 mg/48h, dann kann eine Erwerbsfähigkeits- einschränkung von 50 Prozent ange- nommen werden. Zunehmende kör- perliche Belastung und aktive do- sierte krankengymnastische Übun- gen (einschließlich Atemtherapie, Massageformen, Hydrotherapie) sind sinnvoll. Stellt sich nach zwei bis drei Monaten keine Verschlech- terung ein, ist die Minderung der Er- werbsfähigkeit 25 Prozent. Weiter abgestuftes Muskeltraining ist zu empfehlen.

Werden keine Kortikosteroide mehr eingenommen, zeigt sich keine Exazerbation im Verlauf von zwei Jahren und besteht eine gute Mus- kelkraft, liegt volle Arbeitsfähigkeit vor. Bei Rezidiven oder weiterbeste- henden Behinderungen sind ent- sprechend angepaßte Maßnahmen notwendig.

Die in Klammern gesetzten Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, zu beziehen über die Ver- fasser.

Anschrift für die Verfasser:

Professor Dr. med.

Reinhard Rohkamm

Neurologische Universitätsklinik Josef-Schneider-Straße 11 8700 Würzburg

A-810 (50) Dt. Ärztebl. 84, Heft 13, 26. März 1987

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