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Und dies mit gutem Grund, denn der Einsatz von Deformationsmunition ist umstritten

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I 074/2006 POM 28. Juni 2006 46C Interpellation

1351 Kropf, Bern (JA!)

Weitere Unterschriften: 5 Eingereicht am: 02.02.2006

Deformationsmunition für die Berner Polizei?

Gemäss Medienberichterstattung (Bund, 24. Januar 2006) planen die Polizeikommandanten in der Schweiz nach 1986 und 2001 einen weiteren Anlauf zur flächendeckenden Einführung von Deformationsmunition. Sowohl 1986 als auch 2001 hat sich – neben zahlreichen Fachleuten – auch der Bundesrat gegenüber der Einführung von Deformationsmunition reserviert gezeigt. Und dies mit gutem Grund, denn der Einsatz von Deformationsmunition ist umstritten:

• Ärztinnen und Ärzte weisen auf das deutlich grössere Verletzungspotential hin. Auch der Berner Regierungsrat bestätigte 2002 «ein ungünstigeres Verletzungsbild».

• Völkerrechtler weisen auf die Haager Landkriegsordnung von 1907 und weitere internationale Konventionen und Abkommen hin, welche den Einsatz dieser Munitionsart ächten, um übermässiges Leiden zu verhindern.

• Aus ethischer Sicht wird das höhere Verletzungsrisiko von Deformationsmunition und die damit einhergehende potentiell grössere Gefährdung auch unbeteiligter Dritter moniert.

Gemäss den vorliegenden Informationen soll der Entscheid über den flächendeckenden Einsatz der Deformationsmunition rasch erfolgen. Angesichts der vielen – namentlich auch die Öffentlichkeit interessierenden – Fragen und Einwände sowie der erheblichen Auswirkungen einer allfälligen Einführung der Deformationsmunition erscheint dieser Fahrplan als unverständlich ehrgeizig.

Der Regierungsrat wird um die Beantwortung nachfolgender Fragen gebeten:

1. Ist der Regierungsrat nicht auch der Meinung, dass vor einem allfälligen Entscheid über die flächendeckende Einführung von Deformationsmunition die an verschiedenen Orten anstehenden politischen Debatten abgewartet werden sollten?

2. Noch im Jahr 2002 schloss sich der Regierungsrat der Empfehlung der KKJPD an, den Einsatz von Deformationsmunition auf Sondereinheiten zur Bekämpfung der Schwer- und Schwerstkriminalität zu beschränken. 2005 äussert sich die Polizeidirektorin dahingehend, dass Deformationsmunition «mit gutem Gewissen» eingeführt werden könne. Was hat den Regierungsrat bzw. die Polizeidirektorin zum Richtungswechsel veranlasst? Auf welchen Grundlagen/Studien beruht dieser Positionswechsel?

3. Welche Position hat der Kanton Bern in der KKJPD zur Einführung der Deformationsmunition eingenommen bzw. welche Position wird er künftig einnehmen?

4. Wie viele Schüsse wurden von der Kantonspolizei Bern im Zeitraum 2001–2005 abgegeben? Welcher Anteil davon entfiel auf Einsätze von Sondereinheiten und

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welcher Anteil auf Alltagssituationen? Wie gross war der Anteil von Fehlschüssen bzw.

wie gross war der Anteil von Schüssen, die unbeteiligte Dritte hätten treffen können? In wie vielen Fällen wurden Menschen verletzt?

5. Was hätte sich aus der Sicht des Regierungsrates geändert, wenn die Kantonspolizei bereits für den obenerwähnten Zeitraum über Deformationsmunition verfügt hätte?

6. «Wie können wir sicherstellen, dass der Schusswaffeneinsatz verhältnismässig ist?»

Diese Frage erachtet der Präsident der KKJPD als zentral in Zusammenhang mit der allfälligen Einführung von Deformationsmunition. Welche Strategie verfolgt der Regierungsrat bezüglich der Schusswaffen-Einsatzdoktrin? Wird diese bei einer allfälligen Einführung von Deformationsmunition angepasst? Wenn ja, wie?

7. Bei der Beantwortung der Motionen Renggli (158/01) und Allemann (146/01) argumentierte der Regierungsrat, dass der Einsatz von Deformationsmunition zu einer Reduktion der Anzahl abgegebener Schüsse und damit zu einer geringeren Gefährdung von Dritten führen könne. Erfahrungen aus Deutschland zeigen, dass dem nicht so ist. Wie stellt sich der Regierungsrat dazu?

Antwort des Regierungsrates Frage 1

Auf Stufe der KKJPD wurden die politischen Debatten zum Thema Deformationsmunition geführt. Gestützt hierauf wurde der Kantonspolizei Bern durch den Polizeidirektor die Kompetenz zur Beschaffung der neuen Munition übertragen. Die Kantonspolizei Bern beabsichtigt im Verlauf des Jahres 2008 auf die neue Munitionsart zu wechseln. Vorgängig gilt es, die bestehenden Reserven im Rahmen der Schiessausbildung zu verbrauchen.

Frage 2

Seit dem Jahr 2005 verfügen in Deutschland alle mit persönlicher Waffe ausgerüsteten Polizeiangehörigen über die so genannte Deformationsmunition. Dabei handelt es sich bei den eingesetzten Geschossen um Munition vom Typ „QD P.E.P.“ des Unternehmens Metallwerke Elisenhütte Nassau oder um Munition vom Typ „Action 4“ der RUAG Ammotec.

Als erstes Bundesland hatte in Deutschland Bayern die neue Munition 2001 eingeführt, worauf alle Bundesländer den Munitionswechsel nach und nach vollzogen. Als letztes Bundesland hat Sachsen im Jahr 2005 auf die neue Deformationsmunition umgestellt. Die Erfahrungen in Deutschland sind durchwegs positiv. Bei der Polizeiführungsakademie (PFA) in Münster sind in den vier Jahren des Einsatzes von Deformationsgeschossen ausnahmslos die neue Munition befürwortende und positive Rückmeldungen eingegangen.

Als weiteren Grund der klar für die Einführung der Deformationsmunition spricht, gilt es den tragischen Fall von Bex/VD vom Oktober letzten Jahres anzuführen. Ein Täter hatte im Rahmen einer Polizeikontrolle plötzlich das Feuer auf die zwei kontrollierenden Polizisten eröffnet und diese dazu gezwungen, das Feuer zu erwidern. Obwohl von neun Vollmantelgeschossen getroffen - wovon nota bene sieben Kugeln den Körper des Täters durchdrangen und eine potentielle Gefährdung für Drittpersonen bildeten - war der Täter immer noch im Stande, auf die Polizisten zu schiessen, bis er seinen Verletzungen erlag;

traurige Bilanz dieses Ereignisses: der eine der beiden Polizisten verlor sein Leben, der andere überlebte schwer verletztQ

Ebenfalls mit eingeflossen in die neue Beurteilung bezüglich der Frage nach der Einführung der Deformationsmunition ist ein Artikel des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz IKRK. In der „Revue Internationale de la Croix Rouge“ Nr. 849, 2003 hat das IKRK nämlich festgehalten, dass die Haager Deklaration von 1899 bezüglich Gewehrgeschossen - also im Hinblick auf Langwaffen – formuliert worden ist. Geschosse, welche mit Kurzwaffen –

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also Pistolen – abgefeuert werden, verfügen gegenüber Langwaffengeschossen über deutlich verminderte Energie. Zudem sei an dieser Stelle auf einen Bericht der Spezialisten der Schweizerischen Polizeitechnischen Kommission SPTK vom 16. März 2006 verwiesen.

Erwähnt wird dort unter Ziffer 5 Bericht in der „International Review of the Red Cross“, dass trotz Deformation Kurzwaffengeschosse rund vier Mal weniger Energie an den Körper übertragen als Vollmantelgeschosse für Langwaffen.

Im Bericht der „International Review of the Red Cross“ werden unter dem Abschnitt „The question of police bullets“ die Bestrebungen der Polizei zur Einführung von Deformationsgeschossen mit beschränkter Energieabgabe klar befürwortet.

Der beim Einsatz der Deformationsmunition gegenüber der Vollmantelmunition wesentlich geringeren Gefährdung von Unbeteiligten kommt unbestrittenermassen grösste Bedeutung zu. Richtigerweise wird damit dem Schutz unbeteiligter Personen im Gefahrenbereich und dem Eigenschutz der betreffenden Polizeiangehörigen höhere Priorität eingeräumt als der möglichst geringen Verletzung eines Angreifers.

Ebenfalls anzumerken ist die Tatsache, dass die neue Deformationsmunition bleifrei und damit deutlich weniger umweltbelastend ist als die herkömmliche Munition. Gerade in den zahlreichen Trainings der Polizei im Schiessstand und auf dem Schiessgelände ist dies auch ein wichtiger Faktor.

Frage 3

Aufgrund der Ausführungen unter Punkt 2 hat die Polizeidirektorin resp. der Polizeidirektor innerhalb der KKJPD die Einführung der Deformationsmunition für die Polizei befürwortet.

Frage 4

Insgesamt hat die Kantonspolizei Bern in der erwähnten Zeitspanne in acht Fällen von der Dienstwaffe Gebrauch gemacht und dabei 19 Schüsse abgegeben. In einem der erwähnten Fälle wurde auf die Täterschaft geschossen. Dabei wurde diese am Bein verletzt. In den übrigen Fällen blieb es bei Warnschüssen. Drittpersonen wurden keine unmittelbar gefährdet. Schusswaffeneinsätze durch die Sondereinheit waren in diesem Zeitraum nicht zu verzeichnen.

Frage 5

Wie zu Frage 2 ausgeführt, kann durch den Einsatz der Deformationsmunition das Gefährdungsrisiko für unbeteiligte Drittpersonen auf ein absolutes Minimum reduziert werden.

Frage 6

Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit ist eine zentrale Maxime im Bereich der Polizeiarbeit. Aufgrund der Wichtigkeit des Verhältnismässigkeitsprinzips für jegliches polizeiliche Handeln wird diesem Aspekt in der Aus- und Weiterbildung bei der Kantonspolizei Bern grösste Beachtung beigemessen – unabhängig von der allfälligen Einführung einer Deformationsmunition.

Weiter gilt es festzuhalten, dass die rechtlichen Grundlagen für den Schusswaffeneinsatz im Polizeigesetz des Kantons Bern klar sind und dass diese die Basis für den allfälligen Gebrauch der Schusswaffe durch Mitarbeitende der Kantonspolizei Bern bilden. Alle Mitarbeitenden sind in diesem Bereich hervorragend geschult.

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Frage 7

Die vorliegenden Berichte und Resultate aus Deutschland belegen, dass die Deformationsmunition durchwegs positiv beurteilt wird. Die in dieser Frage angesprochenen Erfahrungen aus Deutschland, die angeblich aufzeigen sollen, dass der Einsatz der neuen deformierenden Munition nicht zu einer Reduktion der Anzahl abgegebener Schüsse geführt habe, sind dem Regierungsrat nicht bekannt.

An den Grossen Rat

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