Spotlight
46Die VolkswirtschaftDas Magazin für Wirtschaftspolitik 3-2014
In der breiten Öffentlichkeit wird die Internationalisierung von unternehmeri
schen Aktivitäten in erster Linie mit Gross
unternehmen in Verbindung gebracht.
Gleichwohl stellt die Erschliessung von aus
ländischen Märkten auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) eine strategi
sche Option dar, um ihre Absatzmärkte zu diversifizieren und zu wachsen. Vor diesem Hintergrund ist es nützlich, zu analysieren, in welchem Ausmass Schweizer KMU im Ausland tätig sind.
Als Datenbasis für die Analyse der internationalen Aktivitäten der Schweizer Unternehmen kommen verschiedene amtli
che Statistiken in Betracht. Die Aussenhan
delsstatistik der Eidgenössischen Zollver
waltung (EZV) gibt Auskunft über den grenzüberschreitenden Warenverkehr (Im
port, Export, Transit) nach Warengruppen, Industriezweigen, Ursprungs bzw. Bestim
mungsland, Kantonen und Verkehrszweigen.
Sie umfasst jedoch keine Informationen zum grenzüberschreitenden Handel mit Dienst
leistungen. Diese werden in der Zahlungs
bilanz der Schweizerischen Nationalbank (SNB) ausgewiesen. Darüber hinaus veröf
fentlicht die SNB Daten zu den grenz
überschreitenden Beteiligungen, also den Schweizer Direktinvestitionen im Ausland sowie den ausländischen Direktinvestitionen in der Schweiz. Die Statistik der Direktinves
titionen beinhaltet die Kapitalbestände, die Finanzbewegungen auf dem Beteiligungs
kapital und den Konzernkrediten, die re
investierten Erträge sowie die beschäftigten Personen.
Lebhafter Aussenhandel der Schweizer Wirtschaft
Die Grafik 1 zeigt die Entwicklung der schweizerischen Importe und Exporte von Waren und Dienstleistungen im Zeitraum von 1993 bis 2012. Sowohl die Einfuhren als auch die Ausfuhren haben sich in diesen Jah
ren mehr als verdoppelt. 2012 wurden von Schweizer Unternehmen Waren und Dienst
leistungen im Wert von rund 286 Mrd. Fran
ken ins Ausland geliefert. Gleichzeitig lag der Wert der importierten Waren und Dienstleis
tungen bei rund 221 Mrd. Franken. Nach dem markanten Rückgang im Jahr 2009 im Zuge der weltweiten Finanz und Wirtschaftskrise hat sich der grenzüberschreitende Handel so
mit wieder erholt. Der Wert der Exporte liegt jedoch noch immer unter dem des Jahres 2008. Dies deutet darauf hin, dass für Teile der Schweizer Exportwirtschaft das aussen
wirtschaftliche Umfeld nach der deutlichen Aufwertung des Schweizer Frankens gegen
über dem Euro und dem USDollar weiterhin schwierig ist.
Die Direktinvestitionen von Schweizer Unternehmen im Ausland entwickelten sich im Betrachtungszeitraum noch wesentlich dynamischer als der grenzüberschreitende Handel. Von 1993 bis 2012 hat sich der im Ausland investierte Kapitalbestand nahezu verachtfacht und lag 2012 bei einem Wert von über 1000 Mrd. Franken. Gleichzeitig hat sich der Personalbestand in den ausländi
schen Unternehmensteilen mehr als verdop
pelt. 2012 waren im Ausland rund 2,9 Mio.
Beschäftigte für Schweizer Unternehmen tä
tig. Ein Vergleich zwischen den Entwicklun
gen von Direktinvestitionen und grenzüber
schreitendem Handel lässt erkennen, dass die globale Finanz und Wirtschaftskrise auf den Entwicklungsverlauf der Direktinvestitions
tätigkeit der Schweizer Unternehmen im Ausland kaum Auswirkungen hatte.
Problematik: Fehlende Daten zu KMU Auf der Basis der einschlägigen amtlichen Statistiken kann die Frage nach dem Ausmass der aussenwirtschaftlichen Aktivitäten der Schweizer KMU jedoch nicht beantwortet werden. Weder die Aussenhandelsstatistik der EZV noch die Zahlungsbilanz und die Statis
KMU sind ein bedeutender Bestandteil der Schweizer Aussenwirtschaft
In den letzten beiden Jahrzehnten hat die aussenwirtschaftliche Verflechtung der Schweiz fast in jedem Jahr zugenommen.
Das Land zählt zu den offensten Volkswirtschaften der Welt, und seine starke Position im internationalen Wettbewerb ist ein bedeutender Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung.
Die zunehmende Liberalisierung der internationalen Märkte eröffnet auch kleinen und mittleren Unternehmen immer grössere Spielräume für grenzüberschreitende Aktivitäten.
Prof. Dr. Christian Hauser Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Internationales Management am Schwei- zerischen Institut für Entrepreneurship der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur Dr. Michael Beier
Senior Researcher am Schweizerischen Institut für Entrepreneurship der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur
Jens Hogenacker Research Affiliate am Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA)
Spotlight
47Die VolkswirtschaftDas Magazin für Wirtschaftspolitik 3-2014
Umsatzes im Ausland erwirtschaften, beläuft sich auf 10,5%. Hochgerechnet sind dies 55941 Unternehmen.
Bezogen auf alle KMU, beträgt der durch
schnittliche Anteil des Auslandumsatzes am Gesamtumsatz 6,2%. Diese Auslandumsatz
quote lässt eine insgesamt klare Ausrichtung der Schweizer KMU auf den inländischen Markt erkennen. Werden in die Untersu
chung jedoch nur die international tätigen KMU einbezogen, zeigt sich, dass diese Un
ternehmen einen beachtlichen Anteil ihrer Umsätze ausserhalb der Schweiz erwirtschaf
ten: Durchschnittlich erzielt jedes internatio
nal aktive KMU gut einen Drittel seines Ge
samtumsatzes im Ausland (34,0%).
Die grössenspezifische Analyse in der Ta- belle 2 ergibt, dass eine deutliche Beziehung zwischen der Auslandorientierung und der Unternehmensgrösse besteht: Mit zunehmen
dem Umsatz nimmt der Anteil des Auslands
umsatzes am Gesamtumsatz beständig zu.
Während KMU mit einem Jahresumsatz bis unter 175000 Franken im Durchschnitt ledig
lich 2,8% ihres Umsatzes ausserhalb der Schweiz erwirtschaften, liegt dieser Anteil in der Gruppe mit einem Umsatz von 50 Mio.
Franken und mehr durchschnittlich bei 54,0%. Der Zusammenhang von Auslandum
satzquote und Unternehmensgrösse deutet darauf hin, dass die Konzentration der Schweizer KMU auf den inländischen Markt auf grössenspezifische Einflüsse zurückzufüh
ren ist. Hierzu gehört die in der Regel geringe Ressourcenausstattung, z. B. mit Personal, Ka
pital und Wissen über ausländische Märkte.2
Anzahl Beschäftigte im Ausland
Die vorherrschende Orientierung der KMU auf den Inlandmarkt zeigt sich auch in Bezug auf die Struktur der Mitarbeitenden.
Die Tabelle 3 gibt die Anzahl der KMU mit Be
schäftigten im Ausland wieder. Im betrachte
ten Unternehmenssegment beschäftigen 7,2%
der Unternehmen auch Mitarbeitende ausser
halb der Schweiz. Dies entspricht absolut 38778 Schweizer KMU mit insgesamt 744256 Beschäftigten im Ausland. Im Durchschnitt der betrachteten KMU kommt auf 4,4 Be
schäftigte in der Schweiz ein Beschäftigter im Ausland. Für die Gesamtwirtschaft liegt diese Zahl bei 1,7 Mitarbeitenden.3
Betrachtet man die Anzahl der von Schwei
zer KMU im Ausland Beschäftigen differen
ziert nach Beschäftigtengrössenklassen, zeigt sich, dass 70,8% dieser KMU weniger als 10 Beschäftigte im Ausland aufweisen. Dies entspricht 27453 Unternehmen. 25,3% oder 9816 Schweizer KMU beschäftigen zwischen 10 und 99 Auslandmitarbeitende, und 3,9%
der KMU mit Beschäftigten im Ausland haben tik der Direktinvestitionen der SNB ermögli
chen eine Differenzierung nach Unterneh
mensgrössenklassen. Demgegenüber liefert die neue Statistik der Unternehmensstruktur (Statent) des Bundesamts für Statistik (BFS) Basisinformationen zur Struktur der in der Schweiz ansässigen Unternehmen, darunter auch zur Grösse nach Anzahl Beschäftigten.
Statent beinhaltet jedoch keine Angaben zu den aussenwirtschaftlichen Aktivitäten der Unternehmen. Um diese Datenlücke, die auch in anderen Ländern besteht, zu schliessen, wurde in den letzten Jahren auf europäischer Ebene eine Reihe von empirischen Studien durchgeführt.1Diese Veröffentlichungen wei
sen jedoch keine Zahlen für die Schweiz aus.
Wie für die anderen europäischen Länder lässt sich auch für die Schweiz die bestehende Erkenntnislücke nur mittels einer repräsen
tativen Umfrage bei den KMU beheben. Die
se erlaubt, in Verbindung mit Statent Rück
schlüsse auf die auslandaktiven Schweizer KMU zu ziehen.
Umsatzstärkere KMU sind vermehrt international orientiert
Wie aus der Tabelle 1 hervorgeht, sind über das gesamte Unternehmenssegment betrachtet 18,3% aller Schweizer KMU international orientiert; d. h., sie erwirt
schaften einen Teil ihres Umsatzes auch im Ausland. Dies entspricht in absoluten Wer
ten hochgerechnet 97777 Unternehmen.
Der Anteil der KMU, die mehr als 10% ihres
Kasten 1
Untersuchungsdesign
Um das Ausmass der aussenwirtschaftli- chen Aktivitäten der Schweizer KMU zu unter- suchen, wurde eine repräsentative Befragung im B2B-Online-Panel des Marktforschungsin- stituts amPuls durchgeführt. Die Grundge- samtheit der Untersuchung besteht aus Un- ternehmen der Deutsch- und der Westschweiz mit weniger als 500 Mitarbeitenden (KMU).
Gemäss den provisorischen Ergebnissen der Statistik der Unternehmensstruktur (Statent) des Bundesamts für Statistik (BFS) für das Jahr 2011 umfasst diese Gruppe 534300 Unternehmen. Statent ersetzt die Betriebs- zählung, die 2008 zum letzten Mal durch- geführt wurde. Die Stichprobenbildung erfolgte mittels Random-Quota-Verfahren, wobei die Unternehmen nach dem Zufalls- verfahren und dem Quotenmerkmal Sprach- region gezogen wurden. Diese Vorgehens- weise wurde angewendet, da aufgrund des hohen Anteils an Kleinstunternehmen und Unternehmen aus der Deutschschweiz in der betrachteten Grundgesamtheit eine propor- tionale Zufallsstichprobe keine ausreichende Anzahl an kleinen und mittleren Unter- nehmen sowie Westschweizer Unternehmen zugelassen hätte. Von den 3400 Unter- nehmen der Ausgangsstichprobe beteiligten sich 552 KMU an der Befragung, was einer Rücklaufquote von 16% entspricht. Somit liegt das Konfidenzintervall bei einem Konfi- denzniveau von 95% bei ±4,17. Die Resultate wurden nach Unternehmensgrösse und Sprachregion repräsentativ (gemäss Statent) gewichtet und auf die Basis hochgerechnet.
Sofern nicht anders angegeben, basieren alle dargestellten Ergebnisse auf den gewichteten und hochgerechneten Werten.
Index 1993 = 100
Direktinvestitionen (Kapitalbestand) Export (Wert) Import (Wert) Direktinvestitionen (Personalbestand)
1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 0
100 200 300 400 500 600 700 800
Quellen: Beier, Hauser, Hogenacker basierend auf EZV 2014, SNB 2013a und SNB 2013b / Die Volkswirtschaft Anmerkung:Waren ohne Edelmetalle und -steine,
Kunstgegenstände sowie Antiquitäten.
Grafik 1
Entwicklung der Schweizer Aussenwirtschaft, 1993–2012
Spotlight
48Die VolkswirtschaftDas Magazin für Wirtschaftspolitik 3-2014
inländischen Markt ausgerichtet. Gleichwohl gibt es absolut betrachtet eine grosse Anzahl von international aktiven KMU. Diese sind somit ein wichtiger Bestandteil der Schwei
zer Exportwirtschaft. Bislang liefern die ein
schlägigen amtlichen Statistiken keine Daten, die eine grössenspezifische Analyse der aus
senwirtschaftlichen Aktivitäten ermöglichen.
Aufgrund der besonderen Bedeutung sowohl der Aussenwirtschaft als auch der KMU für die Schweizer Volkswirtschaft erscheint es wünschenswert, dass inskünftig derartige Informationen zur Verfügung stehen. Der dadurch verursachte zusätzliche Aufwand für Unternehmen und Institutionen sollte aber möglichst gering gehalten werden. dort 100 oder mehr Beschäftigte. Dies ent
spricht 1509 Unternehmen.
Auch bezüglich der Beschäftigten im Aus
land zeigt sich ein positiver Zusammenhang mit der Unternehmensgrösse. Mit steigender Grössenklasse wächst auch der Anteil der KMU mit Auslandmitarbeitenden. Bei KMU mit weniger als 10 Beschäftigten liegt der An
teil der Unternehmen, die auch Beschäftigte im Ausland aufweisen, bei 7,1% oder 33800 Unternehmen. Bei grossen KMU mit 100 bis 499 Beschäftigten dagegen liegt der Anteil der Unternehmen mit Beschäftigten im Ausland bei 18,0% oder 769 Unternehmen.
Verfeinerung der amtlichen Statistik wünschenswert
Die wirtschaftlichen Aktivitäten der Mehrheit der Schweizer KMU sind auf den
Kasten 3
Literatur
– Bundesamt für Statistik (2013): Statistik der Unternehmensstruktur (Statent) 2011.
– Eidgenössische Zollverwaltung (2014):
Schweizerische Aussenhandelsstatistik.
– European Commission (2007): Observatory of European SMEs.
– European Commission (2010): Internatio- nalisation of European SMEs.
– Hauser, C., Werner, A. (2009): The Impact of Foreign Trade Promotion on the Foreign Sales Intensity of SMEs, in: Journal of Busi- ness Economics (ZfB), Vol. 79, SI 6.
– Schweizerische Nationalbank (2013a):
Direktinvestitionen 2012.
– Schweizerische Nationalbank (2013b):
Zahlungsbilanz der Schweiz 2012.
1 European Commission (2007; 2010).
2 Hauser, Werner (2009).
3 BFS (2013); SNB (2013a).
Kasten 2
Charakteristika der befragten Unternehmen
Im Folgenden werden die Strukturmerkma- le des für die Grundgesamtheit (534300 KMU) gewichteten und hochgerechneten Datensat- zes dargestellt. Es befinden sich 75,4%
Deutschschweizer und 24,6% Westschweizer Unternehmen im Datensatz, womit die regio- nale Verteilung der Unternehmen in der Schweiz gut wiedergegeben ist. Die hier be- trachteten KMU beschäftigen in der Schweiz gemäss Statent rund 3,3 Mio. Mitarbeitende.
Mit 89,1% hat der Grossteil der Unternehmen weniger als 10 Beschäftigte; weitere 10,1%
haben zwischen 10 und 99 Mitarbeitende. Die restlichen Unternehmen mit 100 bis 499 Beschäftigten machen im untersuchten Unternehmenssegment einen Anteil von 0,8%
aus. In 59,5% der Fälle handelte es sich bei der befragten Zielperson um den Eigentümer, den Inhaber oder einenTeilhaber des Unter- nehmens. Bei 15,8% wurden die Angaben von einem angestellten Geschäftsführer gemacht, in den übrigen 24,7% der Fälle von einem anderen Entscheidungsträger mit Führungs- funktion. In 58,6% der Fälle war die ant- wortende Zielperson ein Mann und in 41,4%
eine Frau, wobei das Durchschnittsalter der Zielpersonen bei 50 Jahren lag.
Anteil in % Anzahl
KMU mit Umsätzen im Ausland 18.3 97777
KMU, die mehr als 10% ihres Umsatzes im Ausland erwirtschaften 10.5 55941
Anteil des Auslandumsatzes am Gesamtumsatz aller KMU 6.2
Anteil des Auslandumsatzes am Gesamtumsatz der international aktiven KMU 34.0
Umsatzgrössenklassen (in 1000 Fr.) Anteil Auslandumsatz in % am Gesamtumsatz
Unter 175 2.8
175 bis unter 600 4.5
600 bis unter 4000 7.8
4000 bis unter 50000 11.7
50000 und mehr 54.0
Tabelle 1
Auslandumsätze von Schweizer KMU Basis: 534300 KMU
Tabelle 2
Auslandumsatzanteil nach Umsatzgrössenklassen Basis: 534300 KMU
Quelle: Beier, Hauser, Hogenacker / Die Volkswirtschaft
Quelle: Beier, Hauser, Hogenacker / Die Volkswirtschaft
Anteil in % Anzahl
Beschäftigte von KMU im Ausland 744256
KMU mit Beschäftigten im Ausland
Gesamt 7.2 38778
Differenziert nach Grössenklassen:
1 bis 9 Beschäftigte 7.1 33800
10 bis 99 Beschäftigte 7.8 4209
100 bis 499 Beschäftigte 18.0 769
Anteil KMU mit:
1 bis 9 Beschäftigten im Ausland 70.8 27453
10 bis 99 Beschäftigten im Ausland 25.3 9816
100 bis 499 Beschäftigten im Ausland 3.9 1509
Tabelle 3
KMU und Beschäftigte im Ausland Basis: 3261595 Beschäftigte in 534300 KMU
Quelle: Beier, Hauser, Hogenacker / Die Volkswirtschaft