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Innovationskraft der Schweizer Unternehmen schwindet | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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INNOVATION

58 Die Volkswirtschaft  11 / 2017

Innovationskraft der Schweizer Unternehmen schwindet

Immer mehr Unternehmen in der Schweiz ziehen sich aus der Forschung und Entwicklung zurück. Dies gefährdet langfristig den Spitzenplatz der Schweiz im europäischen Innova- tionsranking.   Spyros Arvanitis, Florian Seliger, Andrin Spescha, Tobias Stucki, Martin Wörter

I

m jüngsten europäischen Innovationsran- king belegt die Schweiz einmal mehr den Spitzenplatz – gefolgt von Schweden, Däne- mark, den Niederlanden, Deutschland und Finnland, die alle zur Gruppe der «Innova- tionsleader» gehören.1 Doch das Top-Ranking täuscht, denn einiges deutet auf einen anhal-

1 Europäische Kommission (2016): 80.

Abstract  Die jüngste KOF-Innovationsumfrage bei Schweizer Unternehmen fördert Schwachstellen zutage: Im Vergleich zu anderen innovationsstarken europäischen Ländern wie Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, Niederlande, Österreich und Schweden geht in der Schweiz der Anteil der Unternehmen, die Forschung und Ent- wicklung betreiben bzw. Produktinnovationen einführen, seit einigen Jahren zurück.

Dadurch wird die Basis der Firmen mit Innovationsaktivitäten stetig kleiner. Zwar hat die Intensität der Aktivitäten derjenigen Firmen, die weiterhin innovieren, nicht nach- gelassen. Dennoch deuten einerseits der Rückgang des Anteils der Innovierenden, die F&E betreiben, und anderseits der Rückgang des Umsatzanteils der Marktinnovatio- nen auf eine mögliche Abnahme des Innovationspotenzials hin. Ursachen dafür sind in erster Linie zu hohe Kosten. Die Rahmenbedingungen in der Schweiz sind hingegen weiterhin als gut einzuschätzen.

tenden Abwärtstrend der Innovationskraft in der Schweiz hin. So misst der Gesamtindex nicht nur die Innovationsleistung, sondern auch Innovationsinputs wie Forschung und Entwicklung (F&E) sowie verschiedene ande- re innovationsrelevante ökonomische Grös- sen wie die Ausstattung mit Humankapital

oder die Qualität der Forschungsinstitutio- nen. Ebenfalls berücksichtigt werden inno- vationsrelevante institutionelle Faktoren wie die Offenheit des Forschungssystems und der Schutz der Eigentumsrechte, die eher das Innovationspotenzial als die Innovationsleis- tung eines Landes bestimmen. Solche Input- Faktoren verändern sich dabei langsamer als Output-Faktoren.

Ausserdem werden im Gesamtindex die Input- und Outputindikatoren zusammen- gefasst, obwohl diese separat verglichen werden sollten. Über eine längere Perio- de betrachtet, zeigen sowohl der europäi- sche Index als auch die Indikatoren der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich, dass die Distanz der Schweiz zum EU-Durch- schnitt kontinuierlich abnimmt – seit 2011 nimmt auch die Innovationsperformance ab.

Um die Innovationsperformance zwi- schen ausgewählten europäischen Ländern differenziert vergleichen zu können, stüt- zen wir uns auf die KOF-Innovationsumfra- ge – die bislang im Auftrag des Staatssekre- tariats für Wirtschaft (Seco) durchgeführt wurde und in Zukunft im Auftrag des Staats- sekretariats für Bildung, Forschung und Inno- vation (SBFI) durchgeführt wird – und auf das EU-Pendant «Communitiy Innovation Sur- vey» (CIS). In beiden Umfragen sind separate Indikatoren für Innovationsinput und -output vorhanden, wodurch direkt die Innovations- leistung der Unternehmen gemessen wird.

Die Daten für die Vergleichsländer Deutsch- land, Finnland, Frankreich, Italien, Niederlan- de, Österreich und Schweden stammen aus der Eurostat-Datenbank.2

Anteil der Unternehmen mit F&E halbiert

Ein erster Indikator für die Innovationskraft ist der Anteil der Firmen, die Forschung und Entwicklung betreiben (F&E-Inzidenz). Hier

2 Erfasst sind Unternehmen mit mehr als zehn Beschäf- tigten aus der Industrie, aus wissensintensiven Dienst- leistungsbranchen und Grosshandel.

KEYSTONE

Forschung und Entwicklung konzentriert sich in der Schweiz auf immer weniger Firmen.

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INNOVATION

Die Volkswirtschaft  11 / 2017 59 ist seit der Jahrtausendwende eine starke

Abwärtstendenz festzustellen, die sich bis 2014 fortgesetzt hat. So ist der Anteil der Fir- men mit F&E-Aktivitäten von 46 Prozent in der Periode 2000–2002 auf 20 Prozent in der Periode 2012–2014 gesunken (siehe Ab- bildung 1).

Die frühere führende Stellung der Schweiz ist somit erodiert. Abgesehen von Italien weist die Schweiz zuletzt sogar die niedrigs- te F&E-Inzidenz unter den Vergleichslän- dern auf. Demgegenüber ist bei Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, den Niederlan- den, Finnland und Schweden kein Abwärts- trend erkennbar. Im Gegenteil: Seit 2010 hat der Anteil der F&E-treibenden Unternehmen sogar leicht zugenommen.

Bei den externen F&E-Aktivitäten ist hin- gegen bei allen untersuchten Ländern bis zur Periode 2010–2012 ein Abwärtstrend zu be- obachten. Anschliessend zeichnet sich gene- rell eine Trendumkehr ab. Bei diesem Indika- tor befindet sich die Schweiz im oberen Mit- telfeld.

Ins Auge sticht, dass diejenigen Unterneh- men in der Schweiz, welche weiterhin for- schen und entwickeln, ihre Aktivitäten inten- siviert haben (siehe Abbildung 2). Seit 2008 nimmt hier der Anteil der F&E-Ausgaben am Umsatz (F&E-Intensität) ständig zu. Bei gleichzeitig mässigen Veränderungen die- ser Grösse in den Vergleichsländern im sel- ben Zeitraum konnte die Schweiz zuletzt ihre Spitzenposition der Periode 2004–2006 wie- der erreichen.

Beim Output weiterhin in der Spitzengruppe

Wenn man die Indikatoren des Innovations- outputs auf der Produktseite betrachtet, liegt die Schweiz im internationalen Vergleich nach wie vor vorne. Allerdings ist auch hier ein starker Abwärtstrend beobachtbar. Der Anteil der Unternehmen mit Produktinno- vation (Produktinnovations-Inzidenz) sinkt zwar auch in den anderen Ländern – aller- dings weniger stark als in der Schweiz (sie- he Abbildung 3). Somit ergibt sich eine klare Konvergenz über die Zeit: Während sich der Anteil der Unternehmen mit Produktinnova- tionen in der Schweiz verringerte, hat er sich in den Vergleichsländern erhöht.

Auch beim Umsatzanteil innovativer Pro- dukte ist die Distanz sukzessiv geringer ge- worden, da die Vergleichsländer immer bes- ser geworden sind (siehe Abbildung 4). Dieser Indikator, der die effektive Innovationsper- formance misst, hat sich für die Schweiz seit

der Jahrtausendwende nur wenig verändert, KOF-IN

NOVATIONSERHEBUNG, EUROSTAT / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

Abb. 1: Anteil der Unternehmen mit firmeninterner F&Ea

50 In %

40

30

20

10

1998–2000 2000–2002 2002–2004 2004–2006 2006–2008 2008–2010 2010–2012 2012–2014

Abb. 2: F&E-Ausgaben als Anteil des Umsatzesb

3,5 In % 3 2,5 2 1,5 1 0,5

2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014

2000

a Basis sind jeweils alle Unternehmen im Sample eines Landes.

b Basis sind jeweils die innovativen Unternehmen im Sample eines Landes.

Abb. 3: Anteil der Unternehmen mit Produktinnovationena

70 In % 60 50 40 30 20 10

1998–2000 2000–2002 2002–2004 2004–2006 2006–2008 2008–2010 2010–2012 2012–2014

Abb. 4: Anteil der innovativen Produkte am Gesamtumsatzb

  Schweiz       Deutschland        Frankreich        Italien        Niederlande        Österreich        Finnland        Schweden 50 In %

40

30

20

10

0

2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014

2000

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INNOVATION

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jüngsten Beobachtungsperiode betrug er 4 Prozent, was die niedrigste Zahl unter den Vergleichsländern ist. Allerdings befindet sich das Land in guter Gesellschaft mit Deutsch- land, wo der Umsatzanteil der Marktinnova- tionen 6 Prozent beträgt.

Kosten als häufigstes Hindernis

Ein möglicher Grund für den Rückgang der Innovationstätigkeit in der Schweiz ist, dass die Innovationskosten über die Zeit zuge- nommen haben. In sämtlichen KOF-Erhebun- gen nannten Unternehmen «zu hohe Innova- tionskosten» am häufigsten als wesentliches Innovationshindernis.3 Allerdings nahm seine Bedeutung über die Zeit ab.

Vermutlich haben auch Faktoren wie die Frankenaufwertungswellen von 2011 bis 2015 die Innovationstätigkeit negativ beeinflusst.

Hinzu kommen Hemmnisse wie Fachkräfte- mangel oder Finanzierungsprobleme. Es zeigt sich jedoch, dass sich keines der Innovations- hemmnisse über die Zeit wesentlich akzen- tuiert hat – viele Hemmnisse haben sogar an Bedeutung verloren.4 Allerdings stellen Fi- nanzierungsprobleme für kleinere Unterneh- men nach wie vor ein beträchtliches Innova- tionshindernis dar.

Die Abnahme des Anteils der innovieren- den Unternehmen in der Schweiz scheint also nicht auf verschlechterte Rahmenbedingun- gen zurückzuführen zu sein. Dies legt die Ver- mutung nahe, dass die Unternehmen ihre In- novationsaktivitäten aus betriebsinternen strategischen Überlegungen eingestellt ha- ben – beispielsweise vor dem Hintergrund zunehmender internationaler Konkurrenz in gewissen Nischenmärkten wie etwa bei den Messinstrumenten. Mit anderen Worten: Fir-

3 Vgl. Arvanitis et al (2016) sowie Arvanitis et al. (2017):

Grafik 3.4.

4 Arvanitis et al. (2017): Grafik 4.3.

Spyros Arvanitis

Dr. oec. publ., höherer wissenschaftlicher Mitarbeiter, KOF Konjunkturforschungs- stelle der ETH Zürich

Florian Seliger

Dr. sc., wissenschaftlicher Mitarbeiter, KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich

Andrin Spescha

Wissenschaftlicher Mitarbeiter, KOF Kon- junkturforschungsstelle der ETH Zürich Tobias Stucki

Dr. oec. publ., Postdoc Researcher, Univer- sität von Jyväskylä, Finnland

Martin Wörter

PD Dr. rer. soc. oec., Leiter der Sektion In- novationsökonomik, KOF Konjunkturfor- schungsstelle der ETH Zürich

Literatur

Arvanitis, S., Seliger, F., Spescha, A., Stucki, T. und M.

Wörter (2016). Der Innovations-Champion Schweiz schwächelt, Die Volkswirtschaft, 89(1–2), 53–56.

Arvanitis, S., Seliger, F., Spescha, A., Stucki. und M.

Wörter (2017). Die Entwicklung der Innovations- aktivitäten in der Schweizer Wirtschaft 1997–2017, Studie im Auftrag des Seco, Strukturbericht- erstattung Nr. 55, Bern.

Europäische Kommission (2016). European Innovation Scoreboard 2016.

und auch in der jüngsten Periode 2012–2014 erzielt das Land den höchsten Wert.

Sinkt der Innovationsgehalt neuer Produkte?

Wie sieht es beim Innovationsgehalt von neuen Produkten aus? Hier deuten zwei In- dizien auf eine Abnahme: Erstens gibt es im- mer weniger innovierende Unternehmen, die F&E betreiben. Und zweitens sinkt der Um- satzanteil der Marktinnovationen am ge- samten Umsatz von innovativen Produkten stark (wobei es hier um Produktinnovationen geht, die neu für den Markt bzw. die Branche, und nicht nur für das einzelne Unternehmen, sind). Falls sich diese beiden Tendenzen fort- setzen, ist das Innovationspotenzial – und so- mit das Wachstumspotenzial – der Schweizer Wirtschaft langfristig gefährdet.

In der Periode 2012–2014 meldeten nur noch 46 Prozent der innovierenden Unter- nehmen in der Schweiz F&E-Aktivitäten. Der entsprechende Anteil hatte nach der Jahrtau- sendwende noch 66 Prozent betragen. Für die letzte beobachtete Periode zeichnet sich zwar eine leichte Zunahme des Anteils ab, diese Tendenz ist allerdings auch bei den Ver- gleichsländern festzustellen. Im Gegensatz zur Schweiz zeigt sich in diesen Ländern aber bis 2012 kein starker Rückgang des Anteils der innovierenden Unternehmen, die F&E betrei- ben. Zwar können Innovationen ohne F&E ebenfalls hohe Erträge erbringen. Da sie aber auf schrittweisen Veränderungen bestehen- der Produkte basieren, verfügen sie – länger- fristig betrachtet – über kein grosses Markt- potenzial

Auch der Umsatzanteil der Marktinnova- tionen, also derjenigen Produktinnovationen, die einen höheren Innovationsgehalt aufwei- sen, hat in der Schweiz seit 2008 stark abge- nommen, zuletzt etwas weniger stark. In der

men schätzen die Ertragsaussichten von In- novationen als zu niedrig ein.

Im jetzigen wirtschaftlichen Umfeld mit dem starken Franken und dem steigenden Preisdruck auf die Unternehmen könnten sich solche Entscheidungen schnell als fol- genschwer für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung herausstellen. Aus wirtschafts- politischer Sicht muss deshalb nicht nur die Entwicklung der Innovationsaktivitäten der Unternehmen, sondern insbesondere auch die Entwicklung der Innovationshemmnisse genau verfolgt werden.

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