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Die Porrosche Operation – Der Kaiserschnitt am Ende des 19. Jahrhunderts

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Medizingeschichte

384 Ärzteblatt Sachsen 8/2000

Seit alters her stellt der Kaiserschnitt eine Form der Beendigung der Schwan- gerschaft dar, die mit einem großen Pathos verbunden ist. Bereits in der grie- chischen Mythologie spielte diese Form der Geburtsbeendigung eine wichtige Rolle. So soll Dionysos auf Geheiß des Göttervaters Zeus von dem Götterboten Hermes aus dem Leib der in den Flam- men umkommenden Selene herausge- schnitten worden sein.

Historisch betrachtet geht der Begriff der

„sectio caesarea“ keineswegs auf Cajus Julius Caesar zurück, sondern ist viel- mehr vom lateinischen Begriff „caedere“

(Aufschneiden der Gebärmutter) abge- leitet.

In der römischen Königszeit galt die so- genannte „lex regia“. Sie verbot die Be- stattung einer verstorbenen Schwange- ren, bevor nicht die Leibesfrucht aus dem Bauch herausgeschnitten worden war.

In Deutschland wurde der erste Kaiser- schnitt im Jahre 1610 von Trautmann in Wittenberg durchgeführt. Mütterliche und kindliche Mortalität lagen in für heutige Maßstäbe gigantischen Ausmaßen.

Bis Mitte vorigen Jahrhunderts galt im allgemeinen als Voraussetzung für die Durchführung eines Kaiserschnittes, dass die Mutter bereits ad exitum gekommen war. Noch 1865 musste sich ein Arzt vor Gericht verantworten, welcher an einer Sterbenden den Kaiserschnitt ausgeführt hatte.

Die Indikation zum Kaiserschnitt wurde bei einer lebenden Frau nur dann ge- stellt, wenn das Kind intrauterin zugrun- de gegangen war und keine Möglichkeit bestand, die zerkleinerte Frucht auf na- türlichem Wege zu entwickeln. Dies heißt nichts anderes, als das tote Kinder, welche intrauterin zerstückelt worden waren und trotzdem nicht via vaginae entwickelt werden konnten, per Sectio entwickelt wurden.

Die mütterliche Mortalität post sectionem vor Einführung der Porroschen Opera- tion und später der Uterusnaht betrug weit über 80 Prozent.

Eine wesentliche Ursache bildeten hier-

Die Porrosche Operation – Der Kaiserschnitt

am Ende des 19. Jahrhunderts

bei die unstillbaren Blutungen. Die hohe Müttersterblichkeit nach Sectio und die demgegenüber „nur“ 22 Prozent betra- gende mütterliche Mortalität nach Perfo- ration des Kindes ließ beide Varianten in Hinblick auf das Leben der Schwange- ren nicht gleichberechtigt nebeneinander stehen.

Dem Erhalt des kindlichen Lebens wur- de eine weitaus geringere Bedeutung als dem der Mutter beigemessen. Solange die mütterliche Mortalität beim Kaiser- schnitt derart hoch lag, war die Ent- scheidung zur Perforatio für die Ge- burtshelfer eine oft unumgängliche Not- wendigkeit.

Der Vorschlag zur Sectio war eher eine

„Belügung seiner (des Arztes) selbst und anderer Leute“ (Zweifel 1896) als eine echte Alternative zur Perforatio.

Die Entwicklung der Operationstechnik in der zweiten Hälfte des vorigen Jahr- hunderts machte es möglich, den Kaiser- schnitt in größerem Umfang durchzu- führen und dabei sowohl Mutter als auch Kind zu retten.

Wenngleich der Kaiserschnitt in der letz- ten Dekade des vorigen Jahrhunderts als die zu bevorzugende Methode bei leben- dem Kind galt, war die Perforatio, sprich intrauterine Tötung des Föten, ein durch- aus akzeptierter Ausweg bei akuter Ge- fahr (zum Beispiel drohende Uterusrup- tur) für die Mutter.

Bei Beckenverengungen mit einer Con- jugata vera von < / = 6 cm sah man die unbedingte Notwendigkeit zur abdomi- nalen Schnittentbindung.

Der wesentliche Wendepunkt in der Ent- wicklung der Operationsmethode war die nach dem Mailänder Gynäkologen Edu- ardo Porro (1842 bis 1902) benannte Modifikation und Erweiterung des Ein- griffes durch gleichzeitige (supracervi- kale) Extirpation der Gebärmutter (Ab- bildung 1 und 2).

Der als praktischer Arzt und Geburtshel- fer in Harburg tätige Gottfried Philipp Michaelis, Vater von G. A. Michaelis (Michaelis Raute) hatte bereits 60 Jahre vor Porro die Frage nach einer Uterusex-

tirpation im Rahmen des Kaiserschnittes aufgeworfen.

Die Schnittführung durch die Bauch- wand wurde zunächst neben der Linea alba gewählt, ehe man auf eine Schnitt- führung in der Linea alba überging.

Dabei erfolgte die Eröffnung des Abdo- mens bis oberhalb des Nabels, um den schwangeren Uterus aus der Schnittwun- de hervorluxieren zu können.

Der Uterus selbst wurde durch einen großen Längsschnitt eröffnet, welcher sich vom Fundus uteri bis kurz oberhalb der Symphyse erstreckte. Im weiteren oblag dem ersten Assistenten die Kinds- entwicklung und der Hebamme die Durchtrennung der Nabelschnur.

Nach der Entwicklung des Kindes er- folgte die Zuschnürung im Cervixbe- reich mittels eines Kautschukschlauches (Abbildung 1). Anschließend wurde ent- weder ein Eisendraht (Abbildung 2) oder ein zweiter Kautschukschlauch zur dau- erhaften Abschnürung des Fundus uteri distal angelegt und der avitale Bereich scharf abgesetzt.

Zusätzlich wurde die Entfernung der Ovarien empfohlen, weil man bei noch erhaltener Cervix die Möglichkeit einer Extrauteringravidität sah.

Um den direkten Kontakt des Uterus- stumpfes mit der Bauchhöhle zu vermei- den, erfolgte die extraperitoneale Fixie- rung des Cervixstumpfes an der Bauch- decke. Das Weggleiten der Drahtschlinge wurde durch eine proximal des Uterus- stumpfes gelegte Silbernaht, welche durch die Bauchdecken nach außen ge- führt wurde, zu verhindern gesucht. Die Naht der Bauchdecke erfolgte mit Catgut.

Traten keine Komplikationen, insbeson- dere in Form von Wundinfektionen auf, wurden alle Nähte nach sieben Tagen entfernt. Die Verschorfung der Wundflä- chen erfolgte neben dem Betupfen mit Karbolsäure oder 10%iger Chlorzink- lösung auch mittels Glüheisen.

Die Probleme der Porroschen Operation lagen auf der Hand: Bauchwandhernien, Infektionen und Schmerzen durch Zug- belastung aufgrund der Fixierung des

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Medizingeschichte

Ärzteblatt Sachsen 8/2000 385

Abbildung 2: Durchstechen des Uterus proximal der Absetzungsstelle

Abbildung 1: Zuschnürung des Uterus im Cervixbereich mit Kautschukschlauch

Cervixstumpfes an der Bauchwand, so dass sich zunehmend eine Modifikation durch extraperitoneale Versenkung des Uterusstumpfes im kleinen Becken durchsetzte.

Diese 1876 erstmals veröffentlichte Me- thode des Kaiserschnittes erbrachte eine wesentliche Senkung der mütterlichen Mortalität auf 50 bis 60 Prozent gegenü- ber dem Kaiserschnitt ohne Uterusnaht und wurde erst durch die Uterusnaht ver- drängt.

Die Naht der Uterotomiewunde war lan- ge Zeit umstritten, ja sogar abgelehnt wor- den. Der Haupteinwand gegen eine Naht war die Versenkung des Nahtmaterials.

Als Nahtmaterial verwendete man Zwirn, Seide, Catgut oder die sogenannte Sil- bersutur. Auch Pferdehaare und Hanf wur- den erprobt. Auf Grund der Uteroparie- talnaht, bei welcher der Uterus vernäht und anschließend noch mit der Bauch- decke verknotet wurde, ergaben sich ver- ständlicherweise große Probleme hin- sichtlich von Verwachsungen. Mit Einfüh- rung der Serosanaht des Uterus konnten Grad und Umfang der Verwachsungen entscheidend zurückgedrängt werden.

Neben den von Porro begründeten ope- rativen Innovationen wurde die mütterli- che Morbidität und Mortalität nach Kai- serschnitten auch durch verschiedene andere Neuerungen am Ende des 19. Jahr- hunderts positiv beeinflusst, so durch die von Semmelweis 1847 und Lister 1867 eingeführte geburtshilfliche und chirur- gische Asepsis, den von Pfannenstiel inaugurierten Aponeurosenquerschnitt sowie durch die von Kehrer 1882 propa- gierte Verlegung des Uteruslängsschnit- tes aus dem Corpus uteri in das untere Uterinsegment.

Mit der Porroschen Operation, sowie spä- ter der Uterusnaht, wurde die grundle- gende Wende in der Indikationsstellung und der Reduzierung der mütterlichen Mortalität bei der abdominalen Schnitt- entbindung eingeleitet.

Dr. med. Carsten Scholz Krankenhaus Dresden Friedrichstadt Frauenklinik Friedrichstraße 41, 01067 Dresden

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