• Keine Ergebnisse gefunden

Ohnmachtsattackensicher abklären

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Ohnmachtsattackensicher abklären"

Copied!
3
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

KA R L EB E R I U S

Immer wieder stellt sich bei Synkopen die Frage, wie viel Diagnostik wirklich notwen- dig ist und welche Untersu- chungen überflüssig sind.

Statt wahlloser Verlegen- heitsdiagnostik sollte man sich nach Expertenansicht vor allem auf die entschei- dende Frage konzentrieren, ob den Synkopen eine kar- diale Ursache zugrunde liegt, was sich oft mit wenig Auf- wand klären lässt.

Grundsätzlich besteht die Basisdiagnostik bei Synkopen gerade einmal aus drei Punkten. Pflicht ist eine gezielte Ana- mnese, eine kurze körperliche Unter- suchung und ein EKG. «Weitere Schritte sind nur notwendig, wenn sich damit ent- weder kein bestimmter Synkopentyp ermitteln lässt oder Hinweise für eine kar- diale Ursache gefunden werden», betont Professor Dr. med. Andreas Schuchert, Oberarzt an der kardiologischen Klinik der Universität Hamburg-Eppendorf und

federführender Autor des offiziellen Syn- kopen-Kommentars der Deutschen Ge- sellschaft für Kardiologie. Hintergrund ist die Erkenntnis, dass nur bei kardialen Synkopen eine deutlich erhöhte Morta- lität besteht, die je nach Studie 18 bis 33 Prozent pro Jahr beträgt.

Worauf bei der Anamnese achten?

Um kardiale Synkopen anamnestisch zu erkennen, sind oft nur wenige Fragen er- forderlich. «Wichtig ist der Punkt, ob die Synkope unter körperlicher Anstrengung auftrat, was allen voran ein Indiz für eine Aortenstenose oder eine hypertroph ob- struktive Kardiomyopathie ist», unter- streicht Schuchert. «Ausserdem ist zu klären, ob es im Brustkorb vor oder nach der Synkope zu Beschwerden kam, um koronarischämisch verursachte Synkopen zu erkennen.» Darüber hinaus sollte man nach Herzrhythmusstörungen fragen und nach kardialen Vorerkrankungen fahn- den. «Findet sich zum Beispiel ein zurück- liegender Herzinfarkt, muss man bis zum Beweis des Gegenteils von einer kardialen Synkope ausgehen», so die Forderung des Herzspezialisten. Nicht fehlen darf nach seinen Hinweisen auch die Familien- anamnese, also ob ein Verwandter in jungen Jahren einen plötzlichen Herztod erlitten hat, was auf erbliche Herzerkran- kungen wie etwa ein Brugada-Syndrom hinweisen kann, das zwar selten ist, aber unbedingt erkannt werden sollte.

Nach Herzgeräuschen fahnden

Zielgerichtet sollte auch die körperliche Untersuchung erfolgen. «An erster Stelle steht die Auskultation des Herzens, bei der pathologische Geräusche aller Art als

Warnsignal für eine kardiale Synkope zu werten sind», hebt Schuchert hervor. Er- gänzend werden die Halsgefässe auskul- tiert, um Karotisstenosen zu erkennen.

Hellhörig sollte man ausserdem bei einem unregelmässigen Puls oder Frequenzen unter 50 beziehungsweise über 100 Schlägen pro Minute werden, was auf einen AV-Block oder ein Vorhofflimmern

Ohnmachtsattacken sicher abklären

Gezielte Diagnostik statt Giesskannenprinzip

A R S M E D I C I 2 02 0 0 5 9 1 3

B E R I C H T R A P P O R T

F F F

F a a a a z z z z ii ii tt tt ff ff ü ü ü ü r r r r d d d d ii ii e e e e

P r a x i s

P r a x i s (( (( 1 1 1 1 )) ))

●Bei Synkopen besteht die Basis- diagnostik aus drei Punkten:

Anamnese, körperliche Unter- suchung und EKG.

●Weitere Massnahmen sind nur notwendig, wenn sich in der Basisdiagnostik Hinweise für eine kardiale Ursache finden oder die Anamnese nicht typisch für einen bestimmten Synkopentyp ist.

●Um die gefährlichen Herzsynko- pen zu erkennen, muss gefragt werden, ob die Bewusstlosigkeit unter körperlicher Anstrengung auftrat, ob es im Brustkorb vor oder nach der Synkope zu Be- schwerden kam, ob kardiale Vor- erkrankungen bestehen und ob Verwandte in jungen Jahren ei- nen plötzlichen Herztod erlitten haben.

●Bei der körperlichen Untersu- chung müssen insbesondere das Herz und die Karotiden auskul- tiert werden.

(2)

als Synkopenursache hindeuten kann.

«Höchste Alarmstufe besteht zudem bei Zeichen einer Herzinsuffizienz, also öde- matösen Beinen, Rasselgeräuschen über der Lunge oder einer gestauten Leber, die mehr als zwei Querfinger unter dem Rip-

penbogen nachweisbar ist», mahnt Schu- chert, «da die Kombination aus Herzinsuf- fizienz und Synkope ein drastisch erhöh- tes Mortalitätsrisiko anzeigt und somit eine sofortige Abklärung erfordert.»

Findet sich bei der Basisdiagnostik kein Anhaltspunkt für eine kardiale Ursache, gilt es im nächsten Schritt den richtigen Synkopentyp zu ermitteln, was gemäss Schuchert oft alleine mit der Anamnese möglich ist. «Von einer vasovagalen Synkope – der häufigsten Synkopenform – ist immer dann auszugehen, wenn vor der Ohnmachtsattacke ein typisches Vor- botenstadium auftritt, also Übelkeit, Schwitzen, Schwindel, Benommenheit, Schwäche, abdominelles Unwohlsein oder verschwommenes Sehen», erläutert der Experte. «Und ebenso, wenn der Be- wusstlosigkeit ein längeres Stehen in an- gespannter Haltung vorausging oder die Attacke auf Schmerz, emotionale Bedrän- gung, Angst oder auf Eingriffe wie Blutabnehmen folgte.»

Dagegen ist nach Hinweisen von Schu- chert von einer so genannten Situations- synkope auszugehen, wenn die Bewusst- losigkeit bei der Miktion, Defäkation, beim Husten oder Erbrechen auftrat. «Im Unterschied zur vasovagalen Synkope handelt es sich dabei nicht um diffuse Auslöser wie Angst oder Schmerz, son- dern um eindeutig definierte Situationen.

Zudem treten Situationssynkopen typi- scherweise viel plötzlicher und ohne Vor- botenphase auf.»

Davon abzugrenzen ist die orthostatische Synkope, die durch eine Bewusstlosigkeit beim Aufstehen charakterisiert ist. Anders als bei der vasovagalen Synkope tritt die Attacke dabei nicht erst nach längerem

Stehen auf, sondern direkt nach dem La- gewechsel.

Darüber hinaus ist an medikamentöse Synkopen zu denken, wenn bei Hyperto- niepatienten der Blutdruck zu scharf ein-

Ohnmachtsattacken sicher abklären

9 1 4 A R S M E D I C I 2 02 0 0 5

B E R I C H T R A P P O R T

F F F

F a a a a z z z z ii ii tt tt ff ff ü ü ü ü r r r r d d d d ii ii e e e e

P r a x i s

P r a x i s (( (( 2 2 2 2 )) ))

●Von einer vasovagalen Synkope ist immer dann auszugehen, wenn zum einen kardiale Ursa- chen ausgeschlossen wurden und zum anderen der Ohnmachts- attacke ein typisches Vorboten- stadium vorausging.

●Davon abzugrenzen sind Situa- tionssynkopen, orthostatische Synkopen und das Karotis-Sinus- Syndrom.

●Beim Verdacht auf eine orthosta- tische Synkope kann der Schel- long-Test sinnvoll sein.

●Kipptisch-Untersuchungen kön- nen hilfreich sein, wenn ein Ver- dacht auf vasovagale Synkopen besteht, aber die Anamnese nicht eindeutig ist.

●Die Labordiagnostik ist bei der Synkopenabklärung fast immer unnötig.

●Der Karotis-Doppler ist nur indi- ziert, wenn sich über den Hals- gefässen Stenosegeräusche aus- kultieren lassen.

Von einer vasovagalen Synkope ist immer dann auszugehen, wenn vor der Ohnmachtsattacke ein

typisches Vorbotenstadium auftritt mit Übelkeit, Schwitzen, Schwindel, Benommenheit, Schwäche oder

verschwommenem Sehen.

Kasten:

Wa s t u n b e i Ve r d a c h t a u f k a r d i a l e S y n k o p e ?

Finden sich in der Basisdiagnostik Hin- weise auf eine kardiale Synkope, bieten sich Echokardiografie und Langzeit-EKG als weiterführende Diagnostik an. Zu- dem sollte bei Synkopen mit Brustbe- schwerden eine Koronarangiografie er- folgen, wie Prof. Schuchert erläutert.

Sinnvoll können auch elektrophysiolo- gische Untersuchungen sein, wenn sich ein Verdacht auf arrhythmogene Synko- pen nicht anderweitig erhärten lässt.

Ähnliches gilt für externe und interne Event-Recorder, die das EKG über Tage oder Monate registrieren und somit eine hohe Chance haben, Arrhythmien während einer Synkope aufzudecken.

Professor Dr. med. Andreas Schuchert

(3)

9 1 6 A R S M E D I C I 2 02 0 0 5

B E R I C H T R A P P O R T

gestellt wurde, oder an ein Karotis-Sinus- Syndrom, wenn die Bewusstlosigkeit beim Kopfdrehen auftritt, also zum Beispiel beim Rasieren oder beim Schulterblick im Auto.

Welche Zusatzuntersuchungen sind notwendig?

Je nach Ergebnis der Basisdiagnostik kön- nen für die Synkopenabklärung weitere Untersuchungen empfehlenswert sein.

Spricht die Anamnese für eine ortho- statische Synkope, ist zum Beispiel der Schellong-Test sinnvoll, bei dem die Blut- drücke nach fünfminütigem Liegen und anschliessendem Aufstehen miteinander verglichen werden. Als bestätigt gilt die Diagnose, wenn der systolische Wert nach dem Aufstehen unter 90 mmHg fällt oder im Vergleich zur Liegendmessung um mehr als 20 mmHg absinkt, wie Schuchert erläutert. «Unnötig ist der Schellong-Test jedoch, wenn die Anamnese auf eine va- sovagale Synkope, ein Karotis-Sinus-Syn- drom oder eine Situationssynkope hin- weist.»

Dagegen können Kipptisch-Untersuchun- gen sinnvoll sein, wenn ein Verdacht auf vasovagale Synkopen besteht, aber die Anamnese nicht eindeutig ist. Überflüssig ist der Kipptisch-Test nach Hinweisen von Schuchert allerdings, wenn es sich um eine einmalige Synkope handelt, die we- gen der geringen Rezidivwahrscheinlich- keit keine Behandlung erfordert. «Ausnah- men sind Piloten und andere Hochrisiko- Gruppen, bei denen die Synkopenabklä- rung eine höheren Stellenwert hat.»

Unnötig ist nach Einschätzung von Schu- chert fast immer die Labordiagnostik. Al- len voran Hämoglobinbestimmungen, die in der Praxis häufig aus Verlegenheit erfol-

gen, aber nur bei klinischem Hinweis auf eine Anämie wirklich notwendig sind.

«Unter dem Strich sind in 99 Prozent der Synkopenabklärungen keine Laborunter- suchungen erforderlich.»

Ähnliches gilt laut Schuchert für den Karotis-Doppler, der nur indiziert ist, wenn sich über den Halsgefässen auch tatsächlich Stenosegeräusche auskultie- ren lassen. «Andernfalls ist die Wahr- scheinlichkeit für karotisbedingte Synko- pen zu vernachlässigen.» ● Karl Eberius, Heidelberg

Interessenkonflikte: keine

Hinweis: Lesen Sie zur Therapie der vasovaga- len Synkope den Bericht auf Seite 917 f.

Kasten:

S y n k o p e o d e r e p i l e p - t i s c h e r A n f a l l ?

Bei Ohnmachtsattacken muss immer ge- klärt werden, ob es sich tatsächlich um eine Synkope handelt oder ob ein epi- leptischer Anfall dahinter steckt. Wich- tig ist vor allem die Frage, wie schnell der Betroffene wieder orientiert war.

«Während bei einer Synkope das Be- wusstsein bereits nach wenigen Sekun- den wieder völlig klar ist und die Attacke meist weniger als 30 Sekunden dauert, spielt sich ein Grand Mal im Mi- nutenbereich ab, und der postiktale Dämmerzustand erreicht typischerweise 5 bis 30 Minuten», betont Prof. Schu- chert. Als weitere Indizien für einen epi- leptischen Anfall sollte man auf Zun- genbisse, Einnässen und Myoklonien achten. Wichtig sind auch Hinweise auf eine Halbseitensymptomatik, da hinter einer Bewusstlosigkeit auch eine TIA stecken kann. «Findet sich dagegen kein Anhaltspunkt für eine neurologi- sche Genese, muss auch nicht zum Neu- rologen überwiesen werden», unter- streicht Schuchert.

Ohnmachtsattacken sicher abklären

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Remi- cade ist ein monoklonaler Anti- körper, der indiziert ist für die Behandlung des Morbus Crohn und der rheumatoiden Arthri- tis – allerdings nur für Patien- ten, die auf

Schwache und flaue Bilder. — Wenn man von einem guten Negative einen schwachen Druck erhält, so liegt dies entweder daran, dafs die Schicht zu wenig Farbe enthält, oder dafs sie

Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) Thaler Thorn Kogler Helwig Morawa Herwig Witamwas Christian. 5trobl Martin Watzek Thomas Standfest Matthias Brunner Gregor Vukan Anna

■ Bei Verdacht auf eine bakterielle Ar- thritis ist die notfallmässige (!) Zu- weisung ins Spital indiziert, damit dort eine Evaluation mittels Gelenk- punktat, Blutkultur und so

Darüber hinaus wurde in einer grossen Studie mit insgesamt 25 650 Pa- tienten gezeigt, dass das Risiko für eine periphere Gefäss- erkrankung um 75 Prozent erhöht war, wenn die

Die Auswertung der Interviews verweist auch dar- auf, dass Handlungsunsicherheiten bei den Arbeits- schutz expertinnen und  -experten im Umgang mit Gestaltungsanforderungen

Die Zusammenschau macht deutlich, dass die Vorträge nicht nur Veränderungen der Arbeits- welt, sondern auch zentrale Dimensionen des Lernens in der digitalen Transformation der

Die übrigen an den Vorstand zur weiteren "Beackerung" überwie- senen Anträge plädieren für gezielte Vorsorge- und Präventionsprogram- me, für